Titel: Ueber Schmelzpunkte von Metallen.
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 489
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Ueber Schmelzpunkte von Metallen. Ueber Schmelzpunkte von Metallen. Um den Schmelzpunkt eines Metalls zu bestimmen, kann man entweder die Aenderung des Kohäsionsvermögens oder die Wärmeabsorption beim Uebergange vom festen zum flüssigen Zustande benutzen. Im ersten Falle beobachtet man die Formänderung eines aus dem betreffenden Stoffe gebildeten Körpers von möglichst scharfen Umrissen, im zweiten Falle misst man die Geschwindigkeit, mit der ein in die Substanz gestecktes Thermometer seinen Stand ändert, wenn die Temperatur sehr langsam und gleichmässig geändert wird: beim Schmelzpunkte bemerkt man einen mehr oder minder deutlichen Stillstand der Temperatur. Da man für das erste Verfahren die Metalle meist in Drahtform anwendet, so kann man es als „Drahtmethode“ von dem zweiten, der „Tiegelmethode“, unterscheiden, bei der eine grössere Menge Substanz in einem Tiegel eingeschmolzen wird. Ein Vorzug des ersten Verfahrens ist der, dass man nur sehr kleine Stoffmengen zu seiner Durchführung bedarf; ein Nachteil liegt darin, dass der Eintritt der Verflüssigung oft nicht scharf beobachtet werden kann. Deshalb verdient die Tiegelmethode für genaue Messungen den Vorrang. Für beide Verfahren gemeinsam gilt die Forderung, dass das benutzte Metall chemisch rein sei, da kleine Beimengungen oft den Schmelzpunkt erheblich ändern; auch während der Schmelzung ist das Metall vor Verunreinigung zu hüten und danach die Gasatmosphäre und das Tiegelmaterial zu wählen, mit denen das erhitzte Metall in Berührung kommt. Die meisten Metalle nehmen nämlich Sauerstoff aus der Luft auf und müssen deshalb unter reduzierenden Gasen geschmolzen werden, einige Metalle können im Porzellantiegel siliziumhaltig werden, alles Fehlerquellen, die einer genauen Schmelzpunktbestimmung hinderlich sind. Dazu kommt noch bei hochschmelzenden Metallen die Schwierigkeit einer genauen Temperaturmessung; diese wollen wir zunächst eingehender erörtern. Solange man mit der Skala des Quecksilberthermometers ausreicht, sind Temperaturbestimmungen verhältnismässig einfach; über 500° muss man Pyrometer benutzen, die erst in den letzten zehn Jahren zu bequemen und sicheren Messgeräten gestaltet worden sind. Die älteste Form eines Pyrometers war ein Metallstab, dessen Längenzunahme der Temperaturzunahme proportional gesetzt wurde. Mit solchem Stabpyrometer hat schon Newton Schmelzpunkte gemessen. Besonders oft verwandte man Differential-Stabpyrometer, unter denen das von Daniell aus Platin und Graphit hergestellte Pyrometer zu erwähnen ist. In neuerer Zeit haben v. Steinle und Härtung diesem Apparate die Form eines Graphitstabes gegeben, welcher von einer Eisenröhre umhüllt ist, deren Bewegung gegeneinander durch einen Zeiger vergrössert wiedergegeben wird. Leider ist die Einstellung solcher Apparate für genaue Messungen zu unsicher und sie sind untereinander nur mangelhaft vergleichbar. Gänzlich unbrauchbar ist das Pyrometer von Wedgewood, bei dem das Schwinden eines Zylinders aus ungebranntem Ton ein Mass der Temperatur geben soll, auf die der Tonkörper erhitzt war. Genauere Untersuchungen lehrten, dass die Verkleinerung des Tonzylinders nicht nur von der Höhe, sondern auch wesentlich von der Dauer der Erhitzung abhängt. Ferner verzieht sich der Zylinder leicht und verschiedene Tonarten haben verschiedenes Schwindemass. Trotz all dieser schweren Mängel ist das Pyrometer von Wedgewood immer noch nicht ausser Gebrauch gekommen. Ueberhaupt eignen sich feste Körper nicht zu allgemein gültigen Temperaturmessungen, weil bei ihnen das Verhältnis Ausdehnung: Temperaturerhöhung, der „Ausdehnungskoeffizient“, nicht konstant ist, sondern meist mit zunehmender Temperatur grösser wird. So ist z.B. der lineare Ausdehnungskoeffizient des Kupfers bezogen auf 1 ° C:Landolt-Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen, 2. Aufl., S. 97. bei 40 ° 0,0000 168, 50 ° 0,0000 170, 1000 ° 0,0000 200. In manchen Fällen, wie beim Eisen, treten ausserdem beim Erhitzen unregelmässige Aenderungen ein, die sich aus inneren Umlagerungen erklären. Für genaue Temperaturmessungen ist man daher auf Gase als „thermometrische Substanzen“ angewiesen. Die Gase haben (in genügender Entfernung von ihrem Verflüssigungspunkt) sehr annähernd den gleichen Ausdehnungskoeffizienten (0,00367), so dass man in ihrer Ausdehnung ein allgemeiner gültiges Mass für die Temperaturbestimmung besitzt. Hierbei ist es eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob der Ausdehnungskoeffizient der Gase unabhängig von der Temperatur ist. Geradezu lässt sich diese Frage nicht beantworten, weil wir die Ausdehnung des Gases ja als Mass der Temperatur nehmen. Würde der Ausdehnungskoeffizient sich ändern, so hätten die mit dem Luftthermometer gemessenen Temperaturdifferenzen in verschiedener Höhenlage verschiedenen absoluten Wert.Ein absolutes Mass der Temperatur lässt sich thermodynamisch aus dem zweiten Hauptsatz ableiten. Indirekt suchte Viktor MeyerC. Langer und V. Meyer, Pyrochemische Untersuchungen (Braunschweig 1885), S. 9. darüber ein Urteil zu gewinnen, indem er die Ausdehnung von Stickstoff und Sauerstoff bis zur Weissglut miteinander verglich; erfand keinen Unterschied. Wenn sich also der Ausdehnungskoeffizient dieser Gase mit der Temperatur änderte, so müsste er sich bei beiden in ganz gleichem Masse ändern; da erscheint es wahrscheinlicher, dass er ungeändert bleibt und dass daher das Luftthermometer ein richtiges Mass für die Temperatur bietet. Das Gasthermometer besteht ebenso wie das Quecksilberthermometer aus einem weiten Gefäss, an das eine lange, enge Kapillare angesetzt ist. Aus praktischen Gründen bestimmt man meist nicht die Zunahme des Gasvolumens, sondern hält das Volumen des Gases konstant und misst mit einem an die Kapillare angesetzten Quecksilbermanometer die Zunahme der Spannung, die nach den Gasgesetzen proportional der Temperatursteigerung ist. Soll das Luftthermometer zur Messung sehr hoher Temperaturen dienen, so ist die Wahl eines passenden Gefässmaterials nicht leicht, da nur wenige sonst geeignete Stoffe in der Glühhitze unveränderlich und zugleich gasdicht sind. In erster Linie kommt, da Glas nur bis 500 ° brauchbar ist, Porzellan in Frage und zwar glasiertes Porzellan, da unglasiertes nicht gasdicht ist. Innen und aussen glasiertes Porzellan ist bis 1100 ° anwendbar; dann schmilzt die Glasur und beginnt zu verdampfen, wodurch der Gasinhalt des Gefässes vermehrt und die Angaben des Thermometers zu hoch ausfallen würden. Da die Porzellanmasse selbst einen viel höheren Schmelzpunkt hat, so kann man Gefässe, die nur aussen glasiert sind, bis 1450° benutzen. Bei dieser Weissglut ist freilich die Wandung schon etwas biegsam, so dass der Druck im Luftthermometer dem äusseren Drucke annähernd gleich sein muss, damit das Gefäss seine Form nicht ändert. Bei den sehr ausgedehnten und sorgsamen Untersuchungen, die von Holborn und seinen Mitarbeitern in der physikalisch-technischen Reichsanstalt über das Luftthermometer angestellt wurden, ergab sich, dass das Luftvolumen, wenn man hoch erhitzt hatte, zwischen den verschiedenen Messungsreihen nicht ganz konstant blieb, was jedenfalls von einem Einfluss der Gefässwände herrührte. Füllte man statt mit Luft mit Wasserstoff, so änderte sich die Gasmenge in höherer Temperatur bei jeder neuen Heizung erheblich; auch Stickstoffüllung blieb nicht völlig konstant, sondern nahm meist nach jeder Heizung ein wenig zu. Aus diesem Grunde verliess Holborn das Porzellan und wandte sich nach weiteren Versuchen mit Platin schliesslich dem Platiniridium zu.Prinsep, der als Münzwardein in Benares (1829) zuerst das Luftthermometer zur Bestimmung hoher Schmelzpunkte benutzte, gebrauchte ein Gefäss aus Gold. Er liess das Gefäss aus dieser sehr widerstandsfähigen Legierung (mit 20 v. H. Iridium) in Zylinderform anfertigen und füllte es mit Stickstoff. Nun blieben die Angaben des Thermometers sich dauernd gleich. Bei dem Gebrauche des Luftthermometers ist zu berücksichtigen, dass in dem Verbindungsrohr vom Kolben zum Manometer, dem „Stiel“, eine kleine Luftmenge von tieferer Temperatur enthalten ist. Um diesen Fehler auszumerzen, bestimmt man die Temperatur längs des Stieles mit besonderen Vorrichtungen und berechnet danach die anzubringende Berichtigung. Die andere Korrektur zu ermitteln, die wegen der Ausdehnung des Gefässes angebracht werden muss, ist eine mühselige und langwierige Arbeit. So haben Deville und Troost vor 50 Jahren den Ausdehnungskoeffizienten der von ihnen benutzten Porzellansorte zwischen 0 ° und 1500 ° durch etwa 200 Messungsreihen festgelegt. In sinnreicher Weise hat in neuester Zeit Daniel BerthelotAnnales de chimie et de physique (7. Folge) 26 (1902), 58–144. den Einfluss des Gefässmaterials ausgeschaltet indem er die Dichte der erhitzten Luft auf optischem Wege nach einer Interferenzmethode bestimmte und aus der gefundenen Dichte gemäss den Gasgesetzen die Temperatur der Luft berechnete. Die Methode hat sehr hübsche Ergebnisse geliefert, dürfte aber in der Technik wohl kaum Anwendung finden. Die Heizung des Luftthermometers geschieht heutzutage ausschliesslich auf elektrischem Wege, indem man eine Spirale aus Platinfolie oder Platindraht, die um ein unglasiertes PorzellanrohrKein Chamotterohr, weil dies beim Glühen Gase entwickeln kann, die durch das Platiniridium diffundieren. gewickelt ist, durch einen starken elektrischen Strom zum Glühen erhitzt. Durch sorgfältige Umhüllung ist die Wärmeabgabe nach aussen auf ein Geringes herabgesetzt, so dass man nicht mehr unter der Glut, die von den früher benutzten Gebläseöfen ausgeströmt wurde, zu leiden hat. Noch viel mehr fallen die anderen Vorzüge des elektrischen Widerstandsofens ins Gewicht: die dem Platin äusserst schädlichen Flammengase fehlen, die leichte Regelung des Stromes gestattet, die Temperatur andauernd auf derselben Höhe bis auf den Grad genau zu erhalten, was bei den Gebläseöfen nicht zu erreichen war. Um die Temperatur im Innern des Heizrohres auf eine längere Strecke gleichmässig zu erhalten, ist es zweckmässig, die Windungen der Spirale an den Enden enger zu legen als in der Mitte. Der Ofen kann bis etwa 1500° benutzt werden; das Anheizen muss langsam geschehen, damit die Heizspule nicht beschädigt wird.Kürzlich hat Holborn ein Rohr aus reinem Iridium anfertigen lassen, das durch einen Strom von 1000 Ampere erhitzt wird; da der Schmelzpunkt des Iridiums über 2000° liegt, so lässt sich im Inneren dieses Heizrohres die Temperatur weit über 1500° steigern (vergl. D. p. J. 1903, 318, S. 427). So schön nun auch das Luftthermometer, wie wir gesehen haben, in allen Einzelheiten durch die langjährige Arbeit vieler Männer zu einem äusserst genauen Messinstrument ausgebildet worden ist, so bleibt es doch ein schwerfälliges und kostspieliges Gerät. Man hat daher stets darauf gesonnen, andere Pyrometer herzustellen, die bei gleicher Genauigkeit einfacher wären und durch Vergleich mit dem Luftthermometer geeicht werden könnten. Pouillet suchte sich folgendermassen zu helfen: er bestimmte zunächst die spezifische Wärme des Platins zwischen 0 ° und 1200 °; erhitzte er dann eine gewogene Platinkugel auf die unbekannte Temperatur und mass die von der Kugel aufgenommene Wärmemenge in einem Kalorimeter, so konnte er jetzt umgekehrt hieraus die erreichte Temperatur berechnen. Violle ging weiter, indem er annahm, dass die Formel c0t = 0,0317 + 0,000006 . t, worin c0t die mittlere spezifische Wärme des Platins zwischen den Temperaturen 0 ° und t ° bedeutet, noch über 1200 ° hinaus gilt. Er suchte die Temperatur des schmelzenden Platins dadurch zu bestimmen, dass er in geschmolzenes Platin eine Platinspirale tauchte, diese im Augenblick, als die Oberfläche des Platins erstarrte, mit der an ihr hängenden Scheibe von Platin heraushob und in das Wasser des Kalorimeters tauchte; er fand so als Erstarrungspunkt des Platins 1779°. Weit bequemer und genauer als diese kalorimetrischen Temperaturbestimmungen sind die elektrischen Pyrometer. Hier sind zwei Arten zu unterscheiden; bei der einen Art wird die Aenderung, die der Widerstand eines Metalldrahtes mit der Temperatur erfährt, mit einer Messbrücke bestimmt, bei der anderen die elektromotorische Kraft eines Thermoelementes mit dem Voltmeter oder genauer nach einer Nullmethode. Textabbildung Bd. 320, S. 491 Fig. 1. Als Beispiel eines Widerstandspyrometers sei das Instrument beschrieben, das Heycock und Neville zu Schmelzpunktbestimmungen benutztenJournal of the Chemical Society (neue Folge) 67 (1895). (Fig. 1). Etwa 20 cm reinsten Platindrahtes von 0,1 mm Durchmesser sind bifilar um einen schmalen Rahmen von kreuzförmigem Querschnitt gewickelt, der von zwei Glimmerblättchen gebildet wird; diese Platinspirale hat etwa 2 cm Länge, ihr Widerstand beträgt bei 0 ° 3,3 Ohm. An die Enden der Spirale sind dickere Platindrähte gelötet und an diese schliesslich Kupferdrähte, die in Klemmschrauben endigen; die Drähte sind auf ihrem Wege durch Glimmerscheiben voneinander isoliert. Zum Schütze der Spirale und ihrer Zuleitungen dient ein innen und aussen glasiertes Porzellanrohr von 40 cm Länge und 7 mm innerem Durchmesser. Um den Widerstand der Zuleitungen zur Spirale auszuschalten, dient der „Kompensator“, der genau wie das Pyrometer gestaltet ist, nur dass an der Stelle, wo bei diesem die Spirale sich befindet, Hin- und Rückleitung unmittelbar miteinander verbunden sind. Man sieht in der Figur die zwei Drähte des Kompensators den Leitungen des Pyrometers parallel laufen. Wird bei der Messung vom Gesamtwiderstand des Pyrometers der Widerstand des Kompensators abgezogen, so erhält man den Widerstand der Spirale allein. Da sich bei längerem Gebrauche die Angaben des Widerstandsthermometers ändern, so muss es von Zeit zu Zeit wieder geprüft werden. Erheblich einfacher in seinem Bau ist das von Le Chatelier angegebene thermoelektrische Pyrometer, das aus einem Platindraht und einem Platinrhodiumdraht (10 v. H. Rhodium) besteht. Ob die Drähte an ihrer Verbindungsstelle zusammengedreht oder zusammengeschweisst oder -geschmolzen oder mit Gold zusammengelötet sind, macht nach Le Chateliers Untersuchungen keinen Unterschied. Was die Richtung des Stromes anlangt, so geht er an der erhitzten Lötstelle vom Platin zum Platinrhodium. Die Abhängigkeit der elektromotorischen Kraft von der Temperatur lässt sich in weiten Grenzen durch eine parabolische Gleichung wiedergeben. Fig. 2 zeigt für ein solches Pyrometer diesen Zusammenhang in zeichnerischer Darstellung; wir sehen, dass über 500° die Kurve fast geradlinig verläuft. Neben seiner Handlichkeit hat das Le Chateliersche Pyrometer den grossen Vorzug, dass es nicht wie das Luftthermometer oder das Widerstandspyrometer nur die mittlere Temperatur eines mehr oder minder grossen Raumes angibt, sondern die Temperatur des Punktes misst, an dem sich die Verbindungsstelle der beiden Drähte befindet. Der Gebrauch dieses Pyrometers erfordert dieselben Schutzmassregeln wie alle Platinapparate: Heizgase sind von ihm fernzuhalten; ebenso ist Wasserstoff bei Gegenwart von Silizium schädlich. Man benutzt deshalb das Thermoelement nach Möglichkeit nicht ohne ein Schutzrohr aus glasiertem Porzellan. Das Pyrometer nach Le Chatelier ist seiner Natur nach nur bis zum Schmelzpunkte des Platins benutzbar; darüber hinaus kann man aus der Lichtmenge, die von der Flächeneinheit des schmelzenden Körpers ausgestrahlt wird, seine Temperatur berechnen. Solche optische Pyrometer sind vor einigen Jahren (1901) von Holborn und Kurlbaum, von Wanner und anderen konstruiert worden und haben auch zur Bestimmung sehr hochliegender Schmelzpunkte Anwendung gefunden.Vor kurzem ist es Holborn gelungen, für verschiedene Metalle direkt den Zusammenhang zwischen Temperatur und Lichtemission zu bestimmen. Er fand, dass, unabhängig von der Temperatur, im roten Licht Platin etwa ⅓, Gold ⅛ und Silber 1/14 der „schwarzen Strahlung“ aussendet (Sitzungsberichte der Preuss. Akademie der Wissenschaften 1905, S. 311. Textabbildung Bd. 320, S. 491 Fig. 2. Mikrovolt. Durch diese Pyrometer, von denen das nach Le Chatelier die weiteste Verbreitung gewonnen hat, ist die Schwierigkeit, genau und bequem hohe Temperaturen zu bestimmen, in hohem Grade überwunden. Nunmehr können wir uns wieder den Schmelzpunktsbestimmungen selber zuwenden. Wie gesagt, bieten sich hier zwei Wege, die Drahtmethode und die Tiegelmethode. Für die Drahtmethode sind verschiedene Formen angewandt worden. Becquerel hing vor der Lötstelle des Thermoelementes an Platinhäkchen, die in einem eisernen Ringe befestigt waren, Drähte aus den zu untersuchenden Metallen auf. Kurz bevor der Schmelzpunkt erreicht war, liess er die Temperatur möglichst langsam ansteigen; so liess sich das Abschmelzen der Drähte scharf beobachten. Le Chatelier fügte das zu schmelzende Drähtchen zwischen die Enden seines Thermoelementes ein; bei langsamer Temperatursteigerung stieg die Spannung des Thermoelementes stetig, bis plötzlich durch Schmelzen des Drahtes der Strom unterbrochen wurde. Holborn und Wien machten darauf aufmerksam, dass bei dieser eleganten Methode das Durchschmelzen von der Spannung beeinflusst wird, welche die Drähte des Thermoelementes auf die Lötstelle ausüben, und welche bei den einzelnen Versuchen wechselt. Nach ihrer Ansicht kommen deshalb die höchsten Temperaturen, die man für diese Schmelzpunktsbestimmung beobachtet, der Wahrheit am nächsten, umsomehr als der Draht häufig an der Lötstelle kurz vor dem Schmelzen abbricht. Die zweite Methode, die Tiegelmethode, wurde von Le Chatelier in kleinstem Masstabe angewandt, indem er die Lötstelle des Pyrometers mit einem dünnen Blättchen aus dem zu untersuchenden Metalle umwickelte. Wurde nun in der Nähe des Schmelzpunktes die Temperatur sehr langsam gesteigert, so blieb, wenn das Blättchen schmolz, die Angabe des Voltmeters einige Augenblicke konstant. Gewöhnlich wird man grössere Mengen des Metalls für die Tiegelmethode anwenden, weil damit die Bestimmung des Haltepunktes der Temperaturänderung genauer wird. Ausserdem wird sich natürlich der Haltepunkt umso schärfer ausprägen, je grösser die Schmelzwärme des betreffenden Metalles ist und je vorsichtiger man die Aussentemperatur ändert. Textabbildung Bd. 320, S. 492 Fig. 3. Textabbildung Bd. 320, S. 492 Fig. 4. Eine eigenartige Methode wandte MuthmannLiebigs Annalen 331 (1904). an, um das Schmelzen des Metalles sichtbar zu machen. Er brachte auf seine Oberfläche einen beschwerten Fühlhebel, der beim Schmelzen plötzlich in das Metall einsank und seine Bewegung auf einen Zeiger in vergrössertem Masstabe übertrug; im Augenblick des Einsinkens wurde ein in die Schmelze getauchtes Le Chatelier-Pyrometer abgelesen. Um das schmelzende Metall vor Oxydation zu schützen, benutzte Holmann den in Fig. 3 wiedergegebenen Schmelzofen. Der Ofen F ist doppelwandig und wird nach alter Art durch den Gebläsebrenner B erhitzt. Um das Metall in dem Tiegel C vor Oxydation zu schützen, wird der Tiegel mit dem Kohlenblock E bedeckt, in dessen Unterseite eine zum Tiegelrand passende Rinne eingeschnitten ist; ausserdem ist im oberen Teil des Tiegels eine Kohlenplatte D angebracht, auf die Kohlenpulver geschüttet wird. Eine Asbestscheibe G, die mit einer dicken Schicht von Asbestfasern A bedeckt ist, hält die Hitze zusammen. Von oben her ragt durch Oeffnungen das Thermoelement bis in die Schmelze hinein. In dem elektrisch geheizten Schmelzofen von Holborn (Fig. 4) ist die Heizspule aus blankem Nickeldraht (bis 1000° brauchbar, sonst Platindraht) auf ein kurzes Chamotterohr R gewickelt, in dessen Innern der Tiegel aufgestellt ist; das Ganze ist durch Asbestwolle A und den dicken Chamottemantel C möglichst gegen Wärmeverlust geschützt. Um den Sauerstoff der Luft fernzuhalten, brachte Holborn das Metall in einen Graphittiegel, auf den ein zweiter Graphittiegel als Deckel gestülpt war; der Boden dieses zweiten Graphittiegels erhielt ein Loch, um das Thermoelement durchzulassen. In anderen Fällen schmolz Holborn unter einer schützenden Decke von Kochsalz. Heycock leitete Kohlenoxyd oder Wasserstoff auf die Oberfläche des Metalles. Würde das Metall aus Graphittiegeln und Porzellantiegeln Verunreinigungen aufnehmen-, nämlich Karbide bezw. Siliziumverbindungen bilden, so muss man Tiegel aus Magnesia anwenden, die nach folgender Vorschrift hergestellt werden: reine Magnesia wird im elektrischen Flammenbogen geschmolzen, grob gepulvert und mit gesättigter Boraxlösung zu einem dicken Brei angerührt; mit diesem Brei wird ein Graphittiegel 3–5 mm dick ausgekleidet, getrocknet und bis zur höchsten Weissglut erhitzt, wobei der Borax verdampft. So erhält man einen porösen, aber gut haltbaren Tiegel aus fast reinem Magnesiumoxyd.Nach einem anderen Verfahren fertigen Gebrüder Siemens in Berlin Tiegel und andere Gegenstände aus gebrannter Magnesia an. Die Lötstelle des Thermoelementes wurde von Holman ungeschützt in das geschmolzene Metall getaucht. Man könnte einwenden, dass sich hierbei eine Legierung mit dem betreffenden Metall bildet; Holman überzeugte sich aber, dass es bei seinen Messungen nichts ausmachte, ob er das Thermoelement das erste Mal oder zu wiederholten Malen benutzte. Nach der Messung wurde das Thermoelement herausgezogen, die Lötstelle gereinigt oder einfach abgeschnitten und die Drahtenden im Knallgasgebläse von neuem zusammengeschmolzen. Muthmann tauchte die Lötstelle nur in die Decke aus geschmolzenem Salz ½–1 cm über der Metalloberfläche. Holborn umgab das Element mit einem Porzellanschutzrohr von 5 mm Weite und 1,5 mm Wandstärke, das mindestens 4 cm in das geschmolzene Metall eintauchte und 1 cm über dem Boden des Tiegels endete. Aus Fig. 4 ersieht man, wie innerhalb dieses Schutzrohres die beiden Drähte voneinander durch ein dünnes Porzellanröhrchen isoliert sind. Nach diesen allgemeinen Angaben wollen wir uns nunmehr den einzelnen Metallen zuwenden. (Fortsetzung folgt.)