Titel: Nordamerikanische Eisenbauwerkstätten.
Autor: H. Reissner
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 663
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Nordamerikanische Eisenbauwerkstätten. Von Dr.-Ing. H. Reissner, Berlin. (Fortsetzung von S. 649 d. Bd.) Nordamerikanische Eisenbauwerkstätten. Werkstättenausstattung. Bevor an die Beschreibung der einzelnen Werke gegangen wird, sollen noch einige Gesichtspunkte für die Beurteilung der zu einem Werke gehörigen Abteilungen und Maschinen gegeben werden, wobei wir der Erzeugung der Konstruktion folgen wollen. Die zur fertigen Konstruktion führende Arbeit kann etwa in die folgenden Einzeloperationen, nach denen auch die Nachkalkulation der Werke meistens erfolgt, aufgelöst werden:Merriman & Jacoby, Roofs & Bridges. Vol. III, S. 85. 1. Abladen, 2. Einfahren, 3. Schablonen, 4. Richten, 5. Kanten richten, 6. Schneiden, 7. Ankörnen, 8. Lochen, 9. Klinken, 10. Fräsen, 11. Zulegen (Träger und Anschlusswinkel), 12. Biegen, 13. Nieten von Hand, 14. Bohren im Vollen, 15. Nachbohren, 16. Maschinen-Nietung, 17. Meisseln, 18. Zulegen und Nachbohren, 19. Werkstattbewegung, 20. Ausbohren von Bolzenlöchern, 21. Ausglühen, 22. Stauchen und Schmieden, 23. Drehen, 24. Hobeln, 25. Werkzeugmaschinenarbeit, 26. Schleifen, 27. Ausfahren, 28. Nachsehen (Inspizieren), 29. Streichen, 30. Aufladen. Das Material vom Walzwerk muss auf dem Lagerplatz teils nach Profilgrössen, teils nach der Zugehörigkeit zu Lieferungen, in solcher Ordnung aufgestellt werden, dass ein Herausnehmen einzelner Profile ohne Schwierigkeiten vor sich geht. Die Grösse dieses Lagerplatzes soll ungefähr für die doppelte Monatsleistung des Werkes genügen, da die Walzwerke etwa zwei Monate Lieferfrist verlangen. Die Bedienung des Lagers kann durch verschiedene Kransysteme erfolgen. Man findet Lokomotivkräne, Drehkräne mit schwingender Strebe (Derrick-Kräne) und bei neueren Anlagen hauptsächlich weitgespannte Portalkräne und Laufkräne auf Säulenreihen. Die Geschwindigkeiten und Abmessungen werden bei den Einzelbeschreibungen gegeben werden. Textabbildung Bd. 320, S. 663 Fig. 14. Blechrichtmaschine von Bement, Miles & Co. für Bleche bis 1800 × 20 mm, Walzendurchmesser 300 mm. Die Lagerplätze sind bei den meisten Werken nicht eingedeckt, obgleich die geschützte Lagerung des Walzeisens Arbeit in der Werkstatt spart. Allerdings haben einige grössere Werke neuerdings den Lagerplatz teilweise überdeckt wie die Pencoyd fron Works und die Pennsylvania Steel Co., um in bezug auf Lagerdauer keine Rücksichten üben zu müssen, um Reinigungskosten zu sparen und um eine Heizung des Platzes in der Nähe der Maschinen aus Rücksicht auf die Arbeiter zu ermöglichen. An Maschinen findet man auf dem Lagerplatz die grösseren Blech- und Profilscheeren und die Richtemaschinen, mit Hilfe deren die Vorbereitung des Materials im Groben erfolgt. Zum Richten von Blechen dient die Richtwalze, die gewöhnlich aus sechs bis sieben Einzelwalzen besteht (drei oben und drei oder vier unten), die in ihrem Abstand gegeneinander für verschiedene Blechstärken verstellbar sind und auch auf einer enger als auf der anderen gestellt werden können, um Kanten auszurichten oder ein Blech in seiner Ebene zu biegen (s. Fig. 14). Auch für Winkel hat man entsprechende geriefte Walzen. Jedoch erübrigt sich wohl eine genauere Beschreibung der verschiedenen Typen von Walzenricht-, Spann- und Biegemaschinen für Bleche und Winkel, da dieselben im wesentlichen den in Deutschland üblichen gleichen. Für Richten und Biegen von Profilen sind Stempelmaschinen in Gebrauch, die entweder durch Schrauben oder Wasserdruck getrieben werden und Träger und Winkel in aufeinander folgenden Punkten durch einen Stempel gegen zwei Auflagerstücke pressen. Eine dieser Maschinen, die auch zum Richten von Augenstäben in ihrer Ebene dienen, wird die spätere Beschreibung der Augenstababteilung des Ambridge Werkes zeigen. Die Transportmittel in der Werkstatt richten sich nach dem Charakter der Arbeit und der Methode des Arbeitsganges, die in folgendem zunächst besprochen werden möge. Die Eisenkonstruktionsarbeiten teilt man in die folgenden Klassen ein: Bauträgerarbeit, Hochbauten und leichte Strassenbrücken, Schwere Strassenbrücken und Eisenbahnbrücken, Augenstäbe, Blecharbeit (Kessel, eiserne Schornsteine, Blechbehälter usw.), Ausbauarbeiten (Geländer, Treppen, Aufzugeingänge usw. Von den Werkstätten der letzten beiden Arbeitsklassen soll hier nicht gesprochen werden, da sie einen weniger planmässigen Arbeitsgang, und in Ausstattung und Anordnung fast garnichts mit den anderen gemeinsam haben. Die Eisenkonstruktionswerkstätten haben auch niemals Abteilungen für inneren Ausbau oder Blecharbeit, sondern überlassen diese den Spezialfabriken, von denen für Blecharbeit wohl die bekanntesten das Riter & Conley Werk in Leetsdale bei Pittsburg und dasjenige von Bartlett & Heybert in Baltimore, für inneren Ausbau Chester E. Albree in Pittsburg und die Hecla Iron Works in New-York sind. Es möge hier nur angedeutet werden, dass in den Blechbehälter- und Schornsteinfabriken das Aufzeichnen und Ankörnen ohne Schablonen auf dem Eisen erfolgt, dass von Reihenstanzen ausgedehnter Gebrauch gemacht wird und, dass die überall eingeführte Maschinennietung die merkwürdigsten Maulformen mit sehr grossen Maultiefen in allen möglichen Stellungen benutzt, um die bei der Behälter- und Schornsteinarbeit auftretenden Schwierigkeiten des Nietens unter Vermeidung von Hand oder pneumatischer Hammernietung zu überwinden. Textabbildung Bd. 320, S. 664 Fig. 15. Reibungskaltsäge. Im Ausbaufach wird von Eisenguss ausgedehnte Anwendung gemacht. Sehr verbreitet sind gusseiserne Treppenwangen mit angegossenen Stufenansätzen und Reliefs. Die galvanische Verkupferung aller Teile des inneren Ausbaues ist allgemein üblich und wird auch von denselben Werken ausgeführt, ebenso wie die sehr reichen Kupfer- und Bronzearbeiten für die Bekleidungen von grossen Fenstern, Türen und Aufzugeingängen übernommen werden. Bei dem Einbau dieser Treppen, Aufzugtüren usw. wird übrigens notgedrungen von dem Prinzip, alle Verbindungen im Zeichenbureau und in der Werkstatt anzugeben und herzustellen, abgegangen, und die Anschlusslöcher werden erst bei der Montage gebohrt. Hier sollen jedoch weiterhin nur die vier zuerst genannten Arbeitsklassen betrachtet werden. Die einfachste Arbeit besteht in dem Zurichten der Trägerprofile für Hochbauten, ein Geschäft, das infolge der grossen Menge von hohen Geschäfts- und Bureaugebäuden einen sehr grossen Umfang einnimmt. Die meisten Walzwerke haben Abteilungen für diese Arbeit angegliedert, um direkt für Bauten zu liefern. Die Preistabelle für derartige Arbeiten ist schon auf S. 611 mitgeteilt worden. Die maschinelle Ausstattung besteht in leichten Laufkränen, in Scheeren, Steg- und Flanschlochstanzen und leichten Nietmaschinen, sowie einigen Maschinen für die Herrichtung der Anschlusswinkel. Die gezahnte Kaltsäge wird ihrer Langsamkeit wegen fast gar nicht angewandt, öfter schon sieht man die stumpfe schnellaufende Kreissäge, die aus einer am Rande etwas gekerbten Stahlscheibe von 100–150 cm Durchmesser und 6–9 mm Dicke besteht und eine Tourenzahl von etwa 2000 in der Minute, erzeugt durch Motoren bis 150 PS, besitzt. Die Trägerabteilung der Illinois Steel Works und der Carnegie Steel Co. besitzen z.B. solche Sägen, die die grössten Profile in weniger als einer Minute durchfressen, die Fasern wenig beschädigen und einen ganz guten Schnitt liefern, aber ein furchtbares Gekreisch und Funkenregen verursachen. Fig. 15 zeigt eine solche Reibungskaltsäge aus dem Baueisenlagerhaus von Joseph T. Ryerson & Son, Chicago,Iron Age 1905, S. 346.) die der in den Illinois Steel Works aufgestellten sehr ähnlich ist. Säge mit Motor und Riemenantrieb sitzen auf einem Rahmengestell, das gegen den festen Fundamentrahmen in Führungsnuten durch einen Luftdruckzylinder gegen das zu schneidende Werkstück, welches auf querstehenden Rollentisch zuläuft, vorgeschoben wird. Der obere Rahmen ist gegen Abheben gesichert und die Säge tritt von oben in den zu schneidenden Träger ein. Das Sägeblatt hat eine Stärke von 9 mm, einen Durchmesser von 1320 mm und eine Umfangsgeschwindigkeit von 137 m in der Sekunde entsprechend einer Tourenzahl von 1988, die durch einen 100pferdigen Wechselstrommotor von 220 Volt und 580 Touren erzeugt wird. Die Leistungsfähigkeit dieser Säge ist zu beurteilen aus der Angabe, dass ein ⌶-Träger von 38 cm Höhe und 62,5 kg f. 1 m Gewicht in neun Sekunden und ein ⌶-Träger von 61 cm Höhe und 148,8 kg f. 1 m in sechzehn Sekunden geschnitten würde. In kleineren Werkstätten findet man auch die bekannten Johnschen Patentscheeren deutscher Herkunft für diesen Zweck, die mit Hilfe eines kurzen Messers die beiden Hälften eines Trägers in zwei Operationen und mehreren periodischen, durch einen Schwinghebel verursachten Stanzbewegungen abtrennen. Ihr Vorteil besteht in den geringen Anschaffungskosten und dem kleinen Kraftbedarf. Am vollkommensten und schnellsten arbeiten die Turmscheeren mit auswechselbaren Messern und Matrizen, die den verschiedenen Profilen angepasst sind. Bei der besten Ausführung sitzen die Matrizen auf einer drehbaren Trommel und die Messer sind in einem Querstück Textabbildung Bd. 320, S. 665 Fig 16. Hydraulische Universal-Trägerscheere von R. D. Wood & Co., Philadelphia. Textabbildung Bd. 320, S. 665 Fig. 17. Lochwerk als Klinkmaschine für Trägerflansche eingerichtet. so befestigt, dass ihre Auswechslung möglichst wenig Zeitverlust verursacht. Die Neuanlage der Cambria Steel Works z.B. besitzt eine solche Scheere von R. D. Wood & Co., die einen Schnitt in der Minute macht mit konkav geformten Schneidmessern, die den Steg des Profils gleichzeitig an zwei Stellen neben Flansch fassend und vorschreitend schneiden. Die Messer werden direkt durch senkrechten Plungerkolben betätigt, der mit drei Drucken, nämlich 63, 95, 126 Atm. erzeugt durch Druckwasser von 32 Atm. und Druckerhöher arbeitet. Dieselbe Schneide kann für verschiedene Profilgrössen gebraucht werden. Es sind zwei verschiedene Querstücke eines für ⌶- und eines für ⊏-Eisen vorhanden und für alle Profilgrössen von 7,5–60 cm sind fünf verschiedene Messer nötig. Die Bedienung geschieht durch einen gelernten Arbeiter, zwei Hilfsarbeiter zum Einlegen der Profile und einen Hilfsarbeiter zum Bedienen des Zuführungswalzentisches (s. Fig. 16). Von Scheeren sind dann noch die Maschinen zum Ausklinken der Trägerflansche zwecks Einpassens in andere Träger notwendig. Dieselben sind gewöhnlich mit zwei Klinkstempeln ausgestattet, so dass Trägerflansche auf allen vier Seiten an irgend einer Stelle des Trägers in der Längsrichtung geklinkt werden können ohne Herumschwenken desselben um eine Querachse, während ja das Drehen um Längsachse keine Schwierigkeiten verursacht, da das Profil in Ketten hängt, die über Rollen laufen. Auf Fig. 17 sieht man ein zum Klinken eingerichtetes Lochwerk. Die Durchbildung der Abteilung für Bauträger zeigt dich besonders in der Ausbildung der Lochwerke. Für sie Anschlüsse verschiedener Profile aneinander sind Normalien für die Anzahl und Stellung der Nieten und die Grösse der Anschlusswinkel vorhanden, die den gefährlichsten vorkommenden Trägerlängen und Belastungen entsprechen und die man in den Handbüchern der verschiedenen Walzwerke und Brückenwerkstätten finden kann (Carnegie Steel Co., Pencoyd Iron Works, Cambria Steel Co., Passaic Rolling Mills, American Bridge Co. u.a.). Die Stegstanzen sind nun als Vielfachstanzen mit mehreren (drei) Sätzen von Stempeln und Matrizen ausgeführt, die mit Hilfe von Normalschablonen eingestellt werden. Der zur Zuführung dienende Walzentisch besitzt Querbeweglichkeit, der zur Abführung dienende Vorschubbegrenzungsklötze, die nach der Teilung der Mittellinien der Anschlüsse eingestellt werden. Beim Durchschieben legt sich dann das Profilende gegen diese Grenzstücke und auf diese Weise ist Schablonenarbeit oder Ankörnen ganz vermieden. Man sieht jedoch auch öfter die Mittellinien der Nietanschlüsse angezeichnet und die Grenzstücke des Zuführungstisches unbenutzt. Fig. 18 führt die Vielfachträgerstanze der Pencoyd Iron Works vor, auf der man den querverschieblichen Zuführungstisch und die ausserhalb des Rahmens angebrachten zwei Stempel für Flanschlochung bemerkt (s. Fig. 17). Textabbildung Bd. 320, S. 666 Fig. 18. Vielfachlochwerk für Normalanschlüsse von Bauträgern der Pencoyd Iron Works, Philadelphia. Für die Nietung benutzt man hydraulische oder pneumatische Nietpressen leichter Art (mit 30 t Stempeldruck), wie sie nachher im Zusammenhang beschrieben werden. Die Anschlusswinkel sind, wie schon gesagt, Normalien und werden auf Vorrat geschnitten und gestanzt. Das Schneiden erfolgt in Winkelscheeren mit Zuführung durch Rollentisch nicht durch Anzeichnen, sondern durch Vorschubbegrenzung, während das Lochen in denselben Vielfachstanzen geschieht, wie sie für die Stege der Träger dienen. (Fortsetzung folgt.)