Titel: Verbesserungen im Dampfkesselbetrieb durch vermehrten Wasserumlauf.
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 124
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Verbesserungen im Dampfkesselbetrieb durch vermehrten Wasserumlauf. Verbesserungen im Dampfkesselbetrieb durch vermehrten Wasserumlauf. Die Drucksteigerung in den Dampfkesseln, wie solche in den letzten Jahrzehnten aus wirtschaftlichej Gründen stattfand, verursachte bekanntlich das stärkere Hervortreten verschiedener Betriebsmisstände. Insbesondere haben die Grosswasserraumkessel, zu denen Flammrohr-, Lokomobil-, Schiffs-Zylinder-, Batteriekessel usw. gehören, unter Undichtigkeiten der Nietverbindungen, Korrosionen, Ausbeulungen und Rissen in den Blechen zu leiden. Betriebsstörungen und kostspielige Reparaturen bilden die Folgen. Die Suche nach geeigneten Gegenmitteln zeitigte nun eine Reihe von Vorschlägen und Vorkehrungen, unter denen der Vermehrung des Wasserumlaufs im Grosswasserraumkessel weitaus die grösste Wichtigkeit beizumessen ist. An Flammrohr-, Schiffs- und Lokomobilkesseln wurde festgestellt, dass während der Anheizperiode und der ersten Betriebszeit bedeutende Temperaturunterschiede zwischen den oberen und unteren Kesselpartien vorherrschen. Auch der bestgearbeitete Kessel kann den hierdurch ausgelösten Ausdehnungsverschiedenheiten nicht widerstehen. Baudirektor C. v. Bach veröffentlichte in der „Zeitschr. d. Ver. Deutsch. Ing.“, Jahrgang 1901, S. 22, die an einem kleinen Lokomobilkessel von 15 qm Heizfläche und 10 at Ueberdruck während des Anheizens vorgenommenen Temperaturmessungen. Der Temperaturunterschied zwischen dem oberen und untersten Kesselteile betrug bei Eintritt des höchsten Dampfdruckes noch rund 140° C. Von verschiedenen anderen Seiten haben solche Messungen an grösseren und grössten Dampfkesseln auch während der ganzen Betriebsperiode stattgefunden. Der Jahrgang 1903 der genannten Zeitschrift bringt auf Seite 749 interessante Mitteilungen über derartige Untersuchungen an Schiffskesseln, welche sich mit solchen an Flammrohrkesseln decken. Im allgemeinen wurde festgestellt, dass im Grosswasserraumkessel erst nach längerer Inbetriebhaltung ein annähernder Temperaturausgleich erreicht wird und dass die erforderliche Zeit in direktem Verhältnis zur Grösse der Kessel steht. Je grösser also ein Kessel ist, um so mehr werden die schädlichen Wirkungen des Misstandes zur Geltung kommen, was auch durch die praktischen Erfahrungen hinlänglich bestätigt wird. Bei der Speisung mit Schlamm ablagerndem Speisewasser tritt ausserdem nach einiger Betriebszeit wieder ein allmählicher Temperaturabfall in den unteren Kesselpartien ein. Der Schlamm isoliert die Bleche von dem Kesselwasser, und je höher derselbe lagert, desto mehr macht sich der Temperaturabfall bemerkbar. Temperaturen der mit Schlamm belegten Bleche von nur 60° C an den nicht feuerberührten Stellen sind keine Seltenheit, während der obere Kesselteil, dem jeweiligen Dampfdruck entsprechend, z.B. bei 10 at Ueberdruck auf 183° C erwärmt ist. Schiffs- und Lokomobilkessel, deren Mantel überhaupt nicht vom Feuer berührt wird, leiden naturgemäss am meisten unter diesen Zuständen; Flammrohrkessel werden hauptsächlich an dem ausserhalb des Feuerzeuges liegenden unteren Mantelteil, also beim Ablasstutzen, ungünstig beeinflusst. Der Kessel wird sich den verschiedenen Ausdehnungen entsprechend zu krümmen suchen, die Verbindungen mit den Kesselstirnwänden und die inneren Kesselteile, welche unter sich auch wieder sehr verschiedenen Temperatureinflüssen ausgesetzt sind, können sich diesem Vorgang nicht anpassen. Die stetigen Zerrungen und Biegungen führen schliesslich zu Undichtigkeiten Krempenrissen oder Bruch irgend eines Teiles. Zu diesen Tatsachen kommt noch das Auftreten von Blechanfressungen gerade an jenen Stellen, welche durchschnittlich die geringste Temperatur aufweisen. Bekanntlich werden Schiffsund Lokomobilkessel in ihrem ganzen unteren Mantel, Flammrohrkessel in dem um den Ablasstutzen liegenden, vom Feuer nicht berührten unteren Mantelteile hauptsächlich von Korrosionen befallen. Die geschilderten Feststellungen und Erfahrungen weisen untrüglich auf den Mangel an Wasserbewegung in dem Grosswasserraumkessel hin. In gleich hohem Masse tritt derselbe bei Zylinder-, Bouilleur-, Batterie- und ähnlichen Kesseln auf und macht sich in Ausbeulungen der Feuerplatten oder Undichtigkeiten der dem Feuerherd zunächst liegenden Nietverbindungen nur zu oft bemerkbar. Das Wasser kommt lier nicht in genügenden Mengen nach den betreffenden Stellen, indem der Dampf mit seinem bedeutend grösseren spezifischen Volumen dem zufliessenden Wasser entgegenarbeitet, die Wärmestauungen also begünstigt. Man versuchte nun besonders bei Schiffskesseln durch Umpumpen des Kesselwassers eine grössere Bewegung desselben zu schaffen, hat aber dieses sehr unrationelle Verfahren bald wieder verlassen. Auch fanden verschiedene Apparate, welche wenigstens bei der Anheizperiode eine gleichmässigere Temperatur des ganzen Kesselinhaltes hervorrufen sollten, praktische Verwendung. Dieselben erfordern aber den nicht immer zur Verfügung stehenden Dampf von einem andern bereits in Betrieb befindlichen Kessel und stellen ihre Tätigkeit ein, sobald der anzuheizende Kessel die Dampfspannung des letzteren erreicht hat. Es bestand also das Bedürfnis nach einer Wasserumlauf-Vorrichtung, welche die Grosswasserraumkessel möglichst schnell und dauernd gleichmässig erwärmt. Im allgemeinen muss eine solche Vorrichtung neben durchaus sicherer und selbsttätiger Wirkungsweise noch folgenden Bedingungen entsprechen. Ihre Anbringung muss ohne Anbohren des Kessels in möglichst kurzer Zeit vonstatten gehen; sie muss einfach und in ihrer Wirkung unabhängig vom wechselnden Wasserstand des Kessels sein; sie darf die innere Reinigung sowie das Befahren des Kessels im Innern nicht behindern; bei geringem Eigengewicht, das besonders bei Schiffskesseln verlangt wird, dürfen die Anschaffungskosten nicht gross sein. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, wurde von Zivil-Ingenieur H. Altmayer in Mannheim eine Wasserumlauf Vorrichtung für Dampfkessel ausprobiert, deren Zweckmässigkeit durch zahlreiche Temperaturmessungen, Verdampfungsversuche und Beobachtungen nachgewiesen wurde. Die in Fig. 1 dargestellte Vorrichtung besteht im wesentlichen aus dem gebogenen Rohr r und dem Doppeltrichter t mit kurzem, gliedrischem Zwischenstück, der durch drei kräftige Halter mit dem obaren Rohrende verbunden ist. Die Rohre haben 70 mm inneren Durchmesser bei 3 mm Wandstärke, während die Trichter aus 1,5 mm starkem Blech hergestellt sind. Die in Betracht kommenden Querschnittsverhältnisse beruhen auf eingehenden Versuchen. Die Trichter finden im Dampfkessel ihren Platz über Dampfentwickelnden Stellen; die im untern Teile des Trichters aufsteigenden Dampfblasen werden nebst den von ihnen mitgeführten Wasserteilchen nach dem zylindrischen Trichterhals zusammengedrängt, und treten dann mit erhöhter Geschwindigkeit durch den oberen Trichter aus, wobei eine lebhafte Saugwirkung auf den Inhalt des Rohres ausgeübt wird. Diese Wirkung wird um so stärker sein, je lebhafter die Dampfentwicklung unter dem Trichter ist. Um ein bequemes Ueberführen des oben aus dem Rohr austretenden Wassers in die umliegenden Wassermassen zu erzielen, wird die obere Ausmündung des Trichters unter dem allgemeinen Wasserspiegel gehalten. Textabbildung Bd. 321, S. 124 Fig. 1. Textabbildung Bd. 321, S. 124 Fig. 2. Sobald nun die obere Ausmündung des Trichters in den Dampfraum des Kessels, d.h. über dessen höchsten Wasserspiegel, geführt wird und gleichzeitig die Geschwindigkeit der nach oben strebenden Dampfblasen eine Ermässigung erfährt, können letztere das von ihnen durch den untern Trichterteil mitgeführte Wasser nicht mehr über den obern Trichterrand auswerfen und das Rohr nimmt jetzt dieses Wasser auf, um es in stetigem Strome nach unten zu führen. Die im Trichter stattfindende Hebung des Wassers über den übrigen Wasserspiegel, sowie die notwendigerweise auch hier erfolgende Stauung der vom untern Trichterteil fortwährend nachströmenden Dampf- und Wasserteilchen im Trichterhalse erzeugen eine Druckwirkung auf den Inhalt des Rohres und hiermit den fortlaufenden Abfluss des von den Dampfblasen zurückgelassenen heissen Wassers nach unten. Textabbildung Bd. 321, S. 125 Fig. 3. Die für diesen Vorgang bestimmten Trichter werden über Kesselstellen mit geringer Dampfentwicklung angeordnet und erhalten ausserdem entsprechende Querschnittsverhältnisse, welche die stete Druckwirkung für sich allein schon gewährleisten. Die Vereinigung der beiden Wirkungsarten führt zu einem schnelleren und vollständigeren Wärmeausgleich im Kessel gegenüber der Verwendung von nur einer Apparatensorte, eine Tatsache, welche ohne weiteres den vollständigeren und lebhafteren Kreislauf des Kesselwassers beweist. Die Figuren 2 bis 4 zeigen beispielsweise die Anordnung der Wasserumlaufvorrichtung in einem Zweiflammrohr-, einem Schiffs- und einem Batterie-Quersiederkessel, wie solche vielfach mit bestem Erfolge ausgeführt worden ist. Die untern Rohrenden werden im allgemeinen in solcher Entfernung vom Kesselboden gehalten, bei der erfahrungsgemäss das Eindringen grösserer Schlammassen in die Rohre vermieden wird; die trotzdem mitgerissenen Schlammteilchen werden von dem Wasser mitgespült. Die obere Trichterausmündung wird bei den saugenden Apparaten höchstens bis zum niedrigsten Wasserstand geführt, während sie bei den drückenden Apparaten über dem höchsten Wasserstand, also stets im Dampfraum des Kessels liegt Hiermit wird die Wirkung der Vorrichtung unabhängig von dem wechselnden Wasserstand und findet stets in gleicher Weise statt. Die an grossen und grössten Schiffs- und Flammrohrkesseln vorgenommenen Temperaturmessungen ergaben nach Einbau der Vorrichtung nicht nur einen sehr schnellen, oft schon nach einigen Minuten Betriebszeit eintretenden vollen Temperaturausgleich des Kesselwassers, sondern auch die fortlaufende Erhaltung dieses Zustandes während der ganzen Betriebsperiode, selbst bei viel Schlamm absetzendem Speisewasser. Ausserdem wurde allseitig beobachtet, dass sonst stets wiederkehrende Undichtigkeiten von Nietnähten nicht mehr, mindestens aber in bedeutend geringerem Masse eintreten, und dass bereits bestehende Krempenrisse sowie Korrosionen der Kesselbleche nahezu zum Stillstand gebracht werden. Es hat sich nun noch ferner gezeigt, dass mit den genannten Vorteilen in der Schonung der Kessel auch eine bessere Ausnutzung des Brennmaterials, so wie eine weitere Erhöhung der Betriebssicherheit verbunden ist. Genaue, einwandsfreie Verdampfungs versuche ergaben bei Verwendung der Vorrichtung eine durchschnittliche Verbesserung des ökonomischen Wirkungsgrades der Kessel um 7–8 v. H. Die Wasserrohrkessel erreichen trotz grösserer Verluste durch Rauchbildung und Wärmestrahlung nahezu den Wirkungsgrad der Grosswasserraumkessel nur durch ihre bekannte lebhafte Wasserbewegung, welche die genannten Nachteile wieder auszugleichen vermag. Wenn demnach dem Grosswasserraumkessel ebenfalls ein vermehrter Wasserumlauf zu Teil wird, muss auch sein Wirkungsgrad eine Steigerung erfahren. Die schnellere Kühlung der Heizflächen durch das zwangläufig zugeführte Wasser bewirkt eine grössere Wärmeaufnahmefähigkeit derselben und die Heizgase führen besonders an den Stellen ihrer höchsten Temperatur bereits mehr Wärme dem Kesselinhalte zu. Textabbildung Bd. 321, S. 125 Fig. 4. Ein weiterer Vorteil der Umlaufvorrichtung entsteht noch denjenigen Kesseln, welche mit Schlamm oder Kesselstein bildendem Wasser gespeist werden. Die Feuerplatten derselben bleiben nämlich in viel reinerem Zustand und Kesselstein setzt sich in bedeutend geringeren Mengen bei sehr loser Form an. Die Betriebssicherheit erfährt hiermit eine weitere nicht zu unterschätzende Steigerung.