Titel: Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Autor: Oscar Koch
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 510
Download: XML
Der heutige Stand der Motorfahrräder. Von Oscar Koch, Gross-Lichterfelde, West. (Schluss von S. 492 d. Bd.) Der heutige Stand der Motorfahrräder. VIII. Riemen und Riemenscheiben. Der in letzter Zeit am meisten gebräuchliche Gummikeilriemen (D. p. J. 1905, 320, S. 361, Fig. 65 und 66) ist, was Weichheit und Adhäsion der Uebertragung anbelangt, zu schätzen, doch hat er eine viel zu kurze Lebensdauer. Der Lederkeilriemen dagegen ist wohl dauerhafter, doch fällt seine geringe Geschmeidigkeit, die ziemlichen Kraftverlust zur Folge hat, sowie das häufige Gleiten und Nachspannen störend ins Gewicht. Die Vorzüge dieser beiden Riemen, ohne jedoch deren Nachteile zu besitzen, vereinigt der Watawata-Riemen, der sich in England bereits das Feld erobert hat. In Deutschland wurde er dieses Jahr, wie eingangs erwähnt, von den Neckarsulmer Fahrradwerken das erste Mal gezeigt. Nach Fig. 154 besteht er aus zwei Strängen a, a1, zwischen denen nach innen harte Einzelstücke b gelegt sind, die bezwecken, dass bei der kurzen Biegung um die Motorriemenscheibe der innere Strang a1dsich an sie anlegt. Die Keilform erleidet somit keinerlei Veränderung, so dass sich der ganze Riemen viel satter und auf einen längeren Teil des Umfanges in die Keilnuten der Riemenscheiben schmiegt. Da er sich zudem viel leichter als der gewöhnliche Keilriemen biegt, hat dieses einen schnelleren und elastischeren Gang des Fahrzeuges zur Folge, auch wird durch die bei der Biegung in Fortfall kommende Formänderung vorzeitiges Abnutzen des Riemens verhindert. Die Einzelstücke b sind, um das Dehnen des Riemens zu vermeiden, sehr hart gegerbt, während die beiden Stränge a, a1 um sattes Anschmiegen an die Riemenscheiben zu erreichen, sehr weich gegerbt sind. Textabbildung Bd. 321, S. 511 Fig. 154. Watawata-Riemen. Als Verbinder ist hier kein Schloss erforderlich, sondern ein einfacher Schraubenbolzen. Beim Kürzen des Riemens ist zwecks Wiederverbindung nur nötig, die beiden Einzelstücke b jedes Riemenendes zu entfernen, die Riemenenden ineinander zu schieben, worauf der Schraubenbolzen hindurchgesteckt wird. Textabbildung Bd. 321, S. 511 Fig. 155. Zweiteilige Riemenscheibe. Um das Gleiten des Riemens, wenn er sich gestreckt hat, nicht durch Kürzen desselben während der Tour beheben zu müssen, kann der Motor mit der zweiteiligen Riemenscheibe (Fig. 155) versehen werden, deren Teil a auf der Motorwelle sitzt. In den Teil a kann der Teil b hineingeschraubt werden, so dass sich die Nut, wie punktiert angegeben, verengt, wobei der Riemen auch höher zu liegen kommt, also einen grösseren Kreisumfang der Scheibe umfasst. Der Teil b wird durch Mutter c festgehalten, die mittels Schraube e an b gesichert ist. Schraube d klemmt c unverrückbar fest. – Textabbildung Bd. 321, S. 511 Fig. 156. Bowdenkabel. Textabbildung Bd. 321, S. 511 Fig. 157. Textabbildung Bd. 321, S. 511 Fig. 158. Zum Schlusse soll noch das so oft erwähnte Bowden-Kabel in Fig. 156 gezeigt werden. Es besteht aus drei Teilen, und zwar aus dem inneren Drahtseil a aus fein gewundenen Stahldrahtlitzen von ausserordentlich geringer Dehnbarkeit und von entsprechender Zugfestigkeit. Dieses Drahtseil läuft frei innerhalb der gut umschliessenden Spiralröhre b, die noch mit der Schutzhülle c umkleidet ist, um das Drahtseil vor Nässe und Schmutz zu bewahren. Die Spiralröhre b ist so eng gewunden, dass sie sich nicht mehr zusammenpressen lässt. Die Anwendungsweise beruht nun darauf, dass der Zug des Drahtseiles a und der gleichzeitig auftretende Druck oder Widerstand der Spirale b dazu dienen, von irgend einem Ausgangspunkt ausgeübte Kraft auf grössere Entfernungen zu übertragen, und zwar unabhängig vom Laufe der Kabelleitung um Ecken oder in Windungen und Verschlingungen. Bedingung ist dabei, – und darin beruht das wesentliche des Prinzips –, dass die Spirale b verankert zwischen zwei Stützpunkten druckfest gelagert sein muss. Fig. 157 und 158 zeigen ein Beispiel der Uebertragung vom Bremshebel auf die Bandbremse, c ist der Bremshebel, der in d seinen Drehpunkt hat, und bei e an das Drahtseil a angeschlossen ist. Spiralrohr b ist bei f an der Lenkstange, bei g an der Hinterradgabel verankert. Textabbildung Bd. 321, S. 511 Fig. 159. Bowden-Montanus-Hebel angezogen. Uebt der Fahrer mit dem Bremshebel c einen Zug auf Drahtseil a aus, so sucht es sich naturgemäss zwischen e und h zu spannen (Fig. 158), wird jedoch durch Spiralrohr b daran gehindert. Denkt man sich die Befestigung des Rohres b in f und g aufgehoben, so würde sich Drahtseil a und mit ihm das Spiralrohr b in der punktierten Richtung gerade ausspannen. Hieraus ergibt sich nun, dass, wenn das Kabel gekrümmt liegt, und Drahtseil a angezogen wird, das Spiralrohr b sich gegen seine Befestigungsstellen f und g stemmt und diese fortzudrücken sucht. Umgekehrt ist das Drahtseil a bemüht, die beiden Befestigungsstellen f und g gegen einander zu bewegen, also den Lenkstangenarm nach hinten zu ziehen. Textabbildung Bd. 321, S. 511 Fig. 160. Bowden Montanus-Hebel in Ruhe. Nun gleichen sich aber der vom Drahtseil a ausgeübte Zug und die von der Spiralröhre hervorgerufene Druckkraft in der Weise aus, dass die Lenkstange weder nach der Befestigungsstelle der Bremse hingezogen, noch von derselben fortgepresst wird, und so entsteht dann die Bremsung. Textabbildung Bd. 321, S. 511 Fig. 161. Zur Betätigung des Kabels dient der Hebel a (Fig. 159), an dem der Zugdraht befestigt ist, während ein kleiner Vorsprung c den Stützpunkt für die Leitungsspirale b bildet. Um den Hebel in jeder Spannlage festlegen zu können, greift ein Exzenterstück d in die Nute desselben ein und wird durch Federung ständig niedergehalten. Die Auslösung des Exzenters und damit die Aufhebung der Bremskraft bewirkt der Druckhebel e. (Stellung Fig. 160.) Durch diese Einrichtung ist die Möglichkeit gegeben, die Bremse je nach Umständen stark oder schwach wirken zu lassen und sie wiederum aus jeder Spannlage sofort zu lösen. Eine weitere Hebelanordnung, die ausser für die Bremse auch noch zur Betätigung des Motors dient, zeigt Fig. 161. a ist der Bremshebel, b der Auspuffvenpilhebel, während c zum Regeln der Vor- und Nachzündung dient. In Stellung a ist die Bremse locker, in a1 dagegen angezogen. Die Stellung b des Auspuffventilhebels schliesst das Ventil, Stellung b1 öffnet dasselbe. Nachzündung erfolgt, wenn der Zündhebel die Stellung c einnimmt, bei Stellung c1 erfolgt Vorzündung. Durch diese Anordnung, die u.a. die Corona Fahrradwerke, Metallindustrie A.-G. in Brandenburg a. H. in Anwendung bringt, ist die ganze Betätigung des Motors an der Lenkstange vereinigt, selbst die drehbaren Griffe sind in Fortfall gebracht, da die Ein- und Ausschaltung der Zündung von der linken Seite der Lenkstange aus mittels Druckknopfes erfolgt. Zum Verstellen des Zündzeitpunktes behalten u.a. die Diamant-Fahrradwerke den drehbaren Griff bei. Wie Fig. 162 zeigt, befindet sich in ihm das durch Bowdendraht mit dem Zündhebel verbundene Gewindegleitstück f, das durch Drehen des Griffes m den Bowendraht anzieht. Um den Griff bezw. das Gleitstück f in der jeweiligen Lage festzuhalten, ist die Bremsscheibe i vorgesehen. Textabbildung Bd. 321, S. 512 Fig. 162.