Titel: Die Bedeutung des Torpedos und Mittel zur Erhöhung seiner motorischen Leistungsfähigkeit.
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 536
Download: XML
Die Bedeutung des Torpedos und Mittel zur Erhöhung seiner motorischen Leistungsfähigkeit. Die Bedeutung des Torpedos und Mittel zur Erhöhung seiner motorischen Leistungsfähigkeit. Wir leben heute in den Tagen der Schiffsbauprogramme, und alle Seemächte behandeln zurzeit die Frage des geeignetsten Schlachtschiffes. Bei dem dadurch allgemein hervorgerufenen Interesse für die Seekriegstechnik ist es wohl am Platze, einen Blick auf die derzeitige Leistungsfähigkeit eines hervorragenden Kampfmittels, des Torpedos, zu werfen. Die Bedeutung dieser Waffe für die offene Seeschlacht unterlag bis heute einer verschiedenen Beurteilung. Während einzelne Mächte der Ausbildung derselben ein übergrosses Mass von Bedeutung beimessen, vernachlässigten andere, wie z.B. die nordamerikanische Republik diese Waffe ziemlich stark. Die Lehren, die aus den Seekämpfen des letzten russisch-japanischen Krieges, vor allem aus der Seeschlacht bei Tsuschima gezogen werden konnten, liessen hierin eine Wandlung eintreten. Wenn hierbei auch die enthusiastischen Vertreter dieser Waffe nicht ganz auf ihre Rechnung kamen, so nahmen doch alle Seemächte ohne Ausnahme Veranlassung der Ausbildung dieses wertvollen Angriffs- und Verteidigungsmittels erneute Sorgfalt beizumessen. Die Tragweite des Torpedos ist in hohem Masse von Einfluss auf das Deplacement der Schlachtschiffe, wie folgende Ueberlegung zeigt. Das Schwergewicht jeder Seeschlacht liegt in dem Artilleriekampf und dieser spielt sich in der Hauptsache auf eine Entfernung ab, die bestimmt wird durch die Leistungsfähigkeit der Mittelartillerie der beiden Gegner, d.h. durch die Stückzahl und Leistungsfähigkeit derjenigen Geschütze, mit denen man auf eine Entfernung, die grösser ist wie der praktische Wirkungsradius (Aktionsbereich) der Fischtorpedos, noch den Mittelpanzer der gegnerischen Schlachtschiffe zu durchbohren vermag. Je grösser also diese Entfernung ist, desto leistungsfähiger, d.h. schwerer müssen diese Geschütze, und desto grösser das Gewicht der mitzuführenden Munition sein. Andererseits sollen jedoch auch die Schiffe möglichst widerstandsfähig sein gegen die Wirkung der Torpedos, wenn sie von solchen beim Nahkampfe oder bei Torpedobootsangriffen getroffen werden. Dagegen gibt es keinen anderen Schutz wie mehrfache Böden nach dem Zellensystem, von denen der innerste öfters noch gepanzert wird. Hierdurch werden also ebenfalls wieder Gewichtsund Deplacementsvergrösserungen bedingt. Mit wachsender Laufweite und Laufgeschwindigkeit der Torpedos wachsen auch als logische Folge die Abmessungen der Schlachtschiffe. Diejenige Macht wird jedoch immer einen Vorsprung haben, welche über den weittragendsten und schnellsten Torpedo verfügt, da sie in einer Seeschlacht den Gegner mit ihren Torpedos noch erreichen kann, ohne selbst Gefahr zu laufen, vom Gegner erreicht zu werden. Schnelligkeit und Tragweite hängen aber in der Hauptsache ab von dem in dem Torpedo aufgespeicherten Arbeitsvermögen. Da die Motoren der modernen Fischtorpedos fast ausschliesslich mit komprimierter Luft betrieben werden, so ist das Arbeitsvermögen durch die Menge der aufgespeicherten Luft gegeben. Und da man andererseits an eine bestimmte handliche Grösse der Torpedos und an einen bestimmten, für das Luftreservoir verfügbaren Raum gebunden ist, so hängt das Arbeitsvermögen in letzter Linie von dem Drucke ab, unter welchem die Luft aufgespeichert ist, vorausgesetzt, dass man nicht ein Mittel findet, das Arbeitsvermögen der Luft an sich zu vergrössern. Ein solches Mittel, das schon in den verschiedensten Formen angewendet wurde, ist in seiner besonderen und eigenartigen Anwendungsform im folgenden beschrieben. Der Druck, unter welchem die Luft aufgespeichert ist, beträgt bei den modernen Torpedos meist 150 at. Bevor die Luft in die Treibmaschine tritt, passiert sie ein Druckreduzierventil. Die Erhöhung der Leistungsfähigkeit soll dadurch erzielt werden, dass die in dem Torpedo aufgespeicherte Druckluft vor Eintritt in die Treibmaschine stark erwärmt und dadurch die Arbeitsfähigkeit des aufgespeicherten Luftvolumens bedeutend erhöht wird; also unter sonst gleichen Umständen einer aequivalenten Druckerhöhung im Sammelgefässe gleichkommt. Da man wegen der erhöhten Temperatur die Druckluft in der Treibmaschine viel weiter expandieren lassen kann, ohne die lästigen Begleiterscheinungen der damit verbundenen Temperaturerniedrigung befürchten zu müssen, so lässt sich die Arbeitsfähigkeit des Treibmittels in viel höherem Grade ausnutzen. Die Abmessungen der Treibmaschine würden sich bei einer bestimmten Leistung keineswegs vergrössern, da man einen höheren Admissionsdruck bei gleichem Kesseldrucke anwenden würde. Setzt man eine Ueberhitzung um 200°, von 17° auf 217°, voraus und bezeichnet man mit L1 resp. L2 die Arbeiten während der Admissionsperiode für nicht überhitzte und für überhitzte Luft, und mit L3 und L4 die Arbeiten während der Expansionsperiode für nicht überhitzte und für überhitzte Luft, und bedeute ferner t1 = 17°, t2 = 217°, t3= – 3°, so ergibt sich für die Gewichtseinheit der aufgespeicherten Luft eine Vergrösserung der Arbeitsfähigkeit aus folgenden Beziehungen. 1. Arbeitsgewinn durch Vergrösserung des Luftvolumens bei konstantem Drucke, wobei sich die Arbeiten wie die Volumina und diese sich wie die absoluten Temperaturen verhalten. \frac{L_2-L_1}{L_1}=\frac{V_2-V_1}{V_1}=\frac{T_2-T_1}{T_1} =\frac{(273+217)-(273+17)}{273+17}\,100=69\mbox{ v. H.} L2 = 1,69L1 2. Durch erweiterte Expansion infolge der erweiterten Temperaturgrenzen, bei der Annahme, dass sowohl bei vorgewärmter wie nicht vorgewärmter Luft die Expansion bis auf – 3° ausgedehnt wird. Die Expansionsarbeit beträgt für die Gewichtseinheit bei adiabatischer Expansion L=\frac{C_v}{A}\,(t-t'). Das Verhältnis der in beiden Fällen geleisteten Arbeiten ist dann gleich \frac{L_4}{L_3}=\frac{t_2-t_3}{t_1-t_3}, dies ergibt für die vorliegenden Werte \frac{L_4}{L_3}=\frac{217-(-3)}{17-(-3)}=\frac{220}{20}=11=1100 v. H. Um ein Bild von dem Gesamtarbeitsgewinn zu erhalten, sind die beiden Prozentualwerte zu vereinigen resp. der Wert des Bruches \frac{L_2+L_4}{L_1+L_3} zu bestimmen. Die Admissionsarbeit ist L=p\,\int_{v^1}^v\,d\,v=p\,(v-v')=p\,v-p\,v', pv = RT pv' = RT', für T' = 0 ist v' = 0, so dass L = p . v = RT L1= RT1= 29,27 . 290 L2= RT2= 29,27 . 490 L_3=\frac{c_v}{A}\,(t-t_3)=0,169\cdot 424\,(17-(-3)) L_4=\frac{c_v}{A}\,(t_2-t_3)=0,169\cdot 424\,(217-(-3)) \frac{L_2+L_4}{L_1+L_3}=\frac{29,27\cdot 490+0,169\cdot 424\,(17-(-3))}{29,27\cdot 290+0,169\cdot 424\,(217-(-3))}=3,05 D.h. die Arbeitsfähigkeiten der überhitzten verhält sich zu derjenigen der nicht erwärmten Luft bei Zugrundelegung obiger Werte wie 3,05 zu 1, was also einer Mehrleistung von über 200 v. H. entspricht. Dies heisst aber mit andern Worten, die Geschwindigkeit eines Torpedos kann soweit gesteigert werden, als es einer dreimal stärkeren Treibmaschine entspricht, dies bedeutet vergrösserte Treffsicherheit. Oder der Torpedo kann bei einer nicht stärkeren Maschine den dreifachen Weg zurücklegen, dies bedeutet vergrösserten Aktionsradius. Wenn nun auch in der Wirklichkeit diese theoretischen Ergebnisse gemindert erscheinen werden, so ergibt sich doch immerhin eine enorme Steigerung der Leistungsfähigkeit der Waffe. Man kann sogar ohne Bedenken die Ueberhitzung der Luft noch weiter treiben und in dem Masse die Arbeitsfähigkeit derselben erhöhen, ohne Befürchtungen hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit der Treibmaschine hegen zu müssen. Als Brennstoff kann man Benzin oder geeignete Gase in verdichtetem Zustande verwenden. Das zusätzliche Gewicht des Brennstoffes ist äusserst gering, wie nachstehende Rechnung für Benzin ergibt. Um 1 kg. Luft von 17° auf 217° zu erwärmen, benötigt man 1 . 200 . 0,24 = 48 Cal. Für 35 kg – etwa die maximale Füllung eines modernen Torpedos bei 150 at – ergibt dies 48 . 35 1700 Cal. Bei Verwendung von Benzin von ca. 11000 Cal. Heizwert pro 1 kg als Brennstoff braucht man 0,155 kg bei vollständiger Verbrennung. Selbst bei Annahme sehr grosser Wärmeverluste höchstens 0,5 kg. Die Entzündung wird entweder durch einen elektrisch erhitzten Platindraht oder durch die katalytische Wirkung des Platinschwammes bewirkt. Die Einrichtung, die zu dem erwähnten Zwecke vorhanden sein muss, ist schematisch in nebenstehender Zeichnung dargestellt, und zwar ist Benzin als Brennstoff und Elektrizität als Zündmittel angenommen. Textabbildung Bd. 321, S. 536 Durch das Rohr a strömt die Druckluft vom Kessel nach dem Reduzierventil A, welches den Kesseldruck auf bekannte Weise auf einen, den Admissionsdruck der Treibmaschine um ein geringes übertreffenden Druck erniedrigt. Von hier strömt die Luft nach dem Drosselventil B, das den gewünschten Admissionsdruck herstellt und regelbar ist. Hieran schliesst sich die eigentliche Misch- und Verbrennungskammer C. Der Benzinbehälter D ist einesteils durch die Röhre b mit der Einströmseite des Drosselventils B, andernteils mittelst der Röhre c, in die ein Rückschlagventil eingebaut ist und die in einer Einspritzdüse endigt, mit der Verbrennungskammer C verbunden. Die Verbrennungskammer C ist durch die perforierte Nickelröhre E in zwei konzentrische Teile geteilt, die miteinander kommunizieren. An einem Ende der Kammer C ist isoliert ein Platindraht d eingesetzt, der einem elektrischen Stromkreise angehört, in dem ausser der Stromquelle F, einer kleinen Akkumulatorenzelle, noch ein Einschaltekontakt liegt, welcher mit dem Anlassventil verbunden ist. Die Wirkungsweise der ganzen Einrichtung beim Abschiessen des Torpedos ist folgende. Mit dem Oeffnen des Anlassventiles, das automatisch erfolgt, wenn der Torpedo in das Wasser getaucht ist, wird auch der elektrische Zündstromkreis geschlossen, wodurch der Platindraht d zum Erglühen gebracht wird. Die Druckluft strömt durch a, A, B, C, E, und e zum Motor, Im Innern von C herrscht jetzt ein etwas geringerer Druck, wie auf der Einströmseite des Ventiles B. Da diese mittelst der Röhre b mit dem Benzinbehälter D und dieser anderseits mittelst der Röhre c mit dem Innern von C in Verbindung steht, so wird ein Benzinstrahl in C eimgespritzt und dort von der Luft aufgenommen, welche teils durch die Löcher f in das Innere von E strömt, teils der Röhre E entlang nach d und dann erst durch E und e zum Motor gelangt. Der letztere Teil der Druckluft, welcher reichlich mit Benzindampf geschwängert ist, entzündet sich bei d, erhitzt die Röhre E und vermischt sich in ihr mit dem durch f eintretenden Luftstrom, diesem einen Teil der Wärme mitteilend. Da die Röhre E an ihrem freien Ende nach kurzer Zeit eine sehr hohe Temperatur annehmen wird, so ist die Entzündung und ununterbrochene und vollständige Verbrennung des Gemisches gesichert. Das Schliessen des Zündstromkreises kann entweder von Hand vor dem Abschiessen des Torpedos, oder selbsttätig erfolgen, wenn dieser in das Wasser eingetaucht ist, und die Maschine zu arbeiten beginnt. Einfacher wird die Zündung durch Benutzung der katalytischen Wirkung des Platinschwammes erreicht, indem anstelle des Platindrahtes d eine, aus diesem Materiale bestehende Zündpatrone eingesetzt wird. Alles elektrische kommt damit natürlich in Wegfall und die Zündung erfolgt ganz von selbst, wenn das brennbare Gemisch mit dem Platinschwamm in Berührung kommt. Man ersieht aus obigen Ausführungen, dass man durch Ueberhitzung der Treibluft die motorische Leistungsfähigkeit und damit den taktischen Wert des Torpedos ganz bedeutend erhöhen kann, ohne eine Gewichtsvergrösserung vornehmen zu müssen. Bei den Versuchen, die überall zur Verbesserung des Torpedos angestellt werden, spielt meist das soeben beschriebene Mittel eine Rolle, das in einer, der beschriebenen Einrichtung mehr oder weniger ähnlichen Form zur Anwendung kommt. Vermutlich ist auch z.B. in dem neuen Torpedo der Vereinigten-Staaten-Marine, von dessen, enormer Schnelligkeit und Laufweite amerikanische Zeitungen zu berichten wissen, von besagtem Mittel Gebrauch gemacht.