Titel: Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland.
Autor: Georg v. Hanffstengel
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 609
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Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland. Von Georg v. Hanffstengel, Dipl.-Ing., Stuttgart. (Fortsetzung von S. 452 d. Bd.) Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland. D. Hochofenaufzüge. Die mechanische Begichtung von Hochöfen bildet eine der schwierigsten, aber vielleicht auch dankbarsten Aufgaben des Transportfaches, denn es handelt sich hier um die Bewältigung sehr grosser Mengen und dementsprechend grosse Ersparnisse an Arbeitskräften. Die amerikanischen Schrägaufzüge sind hinlänglich bekannt. Ihre Nachteile werden in „Stahl und Eisen“ 1905, Seite 826, folgendermassen zusammengefasst: Viele Aufschlagflächen, grosse Sturzhöhen, ungleichmässige Schüttung infolge einseitigen Kippens – was Anfressungen des Schachtmauerwerks, erhöhten Brennstoffverbrauch und ungleichmässige Zusammensetzung des Roheisens zur Folge hat –, ferner das Fehlen jeglicher Reserve und zu geringe Nachgibigkeit des Gichtabschlusses. Verschiedene Mittel sind angewandt worden, um den Hauptnachteil zu beseitigen, indem man das Erz, nachdem es beim Kippen eine Trennung in grosse und kleine Stücke erfahren hat, wieder zu mischen oder richtig im Ofen zu verteilen sucht; indessen haben solche Vorrichtungen entweder eine erhebliche Komplikation des Gichtabschlusses oder eine Vergrösserung der Sturzhöhe zur Folge. Die anderen Fehler scheinen von der amerikanischen Begichtung untrennbar zu sein. Nachdem an einigen Probeausführungen in Deutschland die Schwächen der amerikanischen Methode erkannt waren, sind die deutschen Konstrukteure zu dem senkrechten Ablassen des Materials in die Gicht zurückgekehrt. Zur Verwendung kommen aber jetzt grosse Fördergefässe mit kegelförmigen Böden, deren innerer Teil bei der Entleerung gesenkt wird und so die Ladung nach allen Seiten abrutschen lässt. Die erste vollkommen maschinell betriebene Anlage dieser Art ist meines Wissens von G. Luther, Braunschweig, für die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Diedenhofen ausgeführt worden.Vergl. „Stahl und Eisen“ 1906, S. 322. Hier stehen zwei benachbarte Hochöfen durch eine Brücke in Höhe der Gicht miteinander in Verbindung und erhalten ihre Beschickung durch zwei Laufkatzen, welche die gefüllten Kübel an einem Punkte nahe der Brückenmitte aufziehen und dann mit ihnen über die Gichtöffnungen fahren. Jede Katze wird von einem Führer begleitet. Einige Jahre später, nachdem das Interesse für selbsttätige Begichtung reger geworden war, machte F. W. Lürmann den Vorschlag, an die Verbindungsbrücke zwei Schrägaufzüge anzulehnen und das auf einem Wagen stehende Fördergefäss nach geschehener Hebung selbsttätig über die Gicht fahren, sich dort entleeren und zum Aufzug zurückkehren zu lassen.vergl. D. p. J. 1903, S. 324. Die beiden angeführten Vorrichtungen vermeiden die Nachteile der amerikanischen Begichtungsweise, gewähren u.a. eine vollständige Reserve, sind aber insofern weniger einfach, als neben dem Heben auch eine Fahrbewegung notwendig ist. Textabbildung Bd. 321, S. 609 Fig. 83. Gichtaufzug von J. Pohlig. Der neuesten Zeit gehört eine Konstruktion von J. Pohlig an, die sich der amerikanischen Methode wieder etwas mehr nähert, dabei aber den Vorteil senkrechter Schüttung bietet und ohne grosse Schwierigkeiten eine Reserve vorzusehen gestattet. Ihre letzte Form, nach einer Ausführung für den Lothringer Hüttenverein in Kneuttingen, wird durch Fig. 83 und 84 veranschaulicht.vergl. „Stahl und Eisen“ 1906, Tafel VIII. 1904, S. 876. Der Kübel hängt an einem eigentümlich geformten Wagen, der, wie aus dem Querschnitt hervorgeht, im inneren der Aufzugbrücke fährt und mit drei aus Profileisen hergestellten unrunden Scheiben versehen ist. An den äusseren Scheiben greifen die beiden Aufzugseile an, an der mittleren die Gelenkkette für das Fördergefäss. Das vordere Rad muss so weit hinaüsgerückt werden, dass die Resultierende aus Seilzug, Kübellast und Wagengewicht zwischen die Achsen fällt, da sonst ein Kippen des Wagens stattfinden würde. Ueber der Plattform teilt sich die Schiene. Das Vorderrad, das doppelte Laufflächen hat, wird in bekannter Weise auf der oberen Schiene weiter geführt, während das Hinterrad unten bleibt. Diese Einrichtung, die sonst zum Kippen des Gefässes verwandt wird, dient hier nur dazu, den Wagen über die Ofengicht zu führen, während die Verbindungslinie der Radachsen sich beständig parallel bleibt. In der äussersten Stellung endlich fängt sich die Hinterachse in dem aufgebogenen Schienenende und bildet nun einen festen Drehpunkt, während die Vorderachse auf einen doppelarmigen Hebel übertritt, an dessen einem Ende das äusserste Stück der oberen Fahrschiene befestigt ist, während der andere Arm ein Gegengewicht trägt. Weiteres Anziehen des Hubseiles hat nun eine Drehung des Wagens um die Hinterachse zur Folge, bei der das Gegengewicht gehoben wird und der Kübel genau senkrecht niedergeht. Er entleert sich schliesslich, nachdem der äussere Rand aufgesetzt hat, in den Innenraum des asfanges, da dessen oberer Verschluss mit dem Boden des Gefässes nach unten geht. Beim Nachlassen des Aufzugseiles zieht das Gegengewicht den Kübel wieder in die Höhe. Die unrunde Form der Scheibe bewirkt, dass dem grössten Hebelarm des Gegengewichts der grösste Drehmoment des Hubseiles entspricht. Das Gegengewicht ist so bemessen, dass es auch dem gefüllten Kübel in jeder Lage das Gleichgewicht zu halten vermag, so dass dessen Senkbewegung unter der Kontrolle des Maschinisten bleibt. Textabbildung Bd. 321, S. 610 Fig. 84. Gichtaufzug von J. Pohlig. Zum Antrieb dient ein Motorwagen, der auf dem Obergurt des Trägers fährt und in eine dort gelagerte Zahnstange eingreift. Er bildet gleichzeitig das Hauptgegengewicht des Aufzugs, das beim Hochziehen des Förderwagens zur Wirksamkeit kommt. Die amerikanischen Aufzüge besitzen nur einen einzigen Förderkübel, der unten in eine Grube einfährt. Das Material wird durch Handkarren oder Zubringerwagen von den Hochbehältern aus herbeigeschafft und von oben in den Kübel hineingeschüttet. Diese Umladung, zu der auch noch das Auskippen auf der Gicht kommt, ist namentlich für den Koks sehr schädlich. Bei der Pohligschen Konstruktion wird deshalb der Förderkübel direkt aus den Vorratsräumen oder vom Lagerplatz gefüllt, dann durch einen elektrischen Wagen zum Aufzug gefahren, hier von dem schräg in die Höhe gehenden Haken gefasst und beim Niedergang leer wieder abgesetzt. Bei dieser Fördermethode findet also nicht mehr Stürzen des Materials statt, als bei der Begichtung von Hand, auch kann der Möller ebenso wie dort nach Wunsch am Umfange des Gefässes verteilt werden. Eine Reserve lässt sich dadurch schaffen, dass man zwei benachbarte Oefen durch eine Brücke verbindet und auf dieser einen Motorwagen laufen lässt, der die Kübel an dem in Betrieb befindlichen Aufzug abnimmt und zum anderen Ofen bringt. Die Hauptdaten der beiden bisher ausgeführten Aufzüge der Pohligschen Bauart sind nach der angegebenen Quelle: NiederrheinischeHütte, Hochfeldbei Duisburg LothringerHüttenverein,Kneuttingen Höhe des Ofens über Hütten-    sohle 25 m 36 m Inhalt des Förderkübels 4 cbm 6 cbm Gewicht einer Kokscharge etwa 2000 kg etwa 3000 kg Gewicht einer Erzcharge 3000 6200 Dauer einer Auf- und Abfahrt 2 Min. 2,5 Min. Anzahl der Fahrten in der    Stunde 12 14 bis 20 Stärke des Antriebsmotors 50 PS, 2 Motoren à 40 PS, Durchschnittlicher Kraftverbrauch etwa 15 PS etwa 20 PS, Die Fahrgeschwindigkeit der Aufzüge soll bis zu etwa        1 m gesteigert werden können. Bei den Aufzügen von Brown beträgt in der Regel, wie hier zum Vergleich eingefügt sei, der Inhalt der Kübel ungefähr 3 cbm, die Fahrgeschwindigkeit 1,8 bis 2,5 m/Sek., die Stärke des Motors 85 PS und die Neigung der Bahn 60°, höchstens 70°. Auf der Niederrheinischen Hütte werden die Kübel mit kleinen Kippwagen von Hand beladen. Für die Bedienung des Aufzuges selbst ist nur ein Maschinist nötig. In Kneuttingen sind an Mannschaft im ganzen erforderlich ein Maschinist für den Aufzug sowie ein Maschinist und ein Arbeiter für den Zubringerwagen, da hier die Kübel direkt aus den Hochbehältern gefüllt werden. Textabbildung Bd. 321, S. 610 Fig. 85. Gichtaufzug von Stähler. Mit dem Pohligschen Gichtaufzug nahe verwandt ist die in Fig. 85 skizzierte Konstruktion von Stähler.Nach „Stahl und Eisen“ 1906, S. 326. Der Kübel ist wieder mit Gelenkkette am Förderwagen aufgehängt, jedoch ausserhalb der Achsen, so dass ein Drehmoment auf den Wagen wirkt, dem durch eine oberhalb der Räder laufende Zwangsschiene entgegengewirkt werden muss. Hub- und Gegengewichtsseil greifen an der hinteren Achse an. Während nun bei der vorher beschriebenen Konstruktion die Kippbewegung plötzlich beginnt, also der Kübel aus einer schwach steigenden unvermittelt in die senkrecht fallende Bewegung übergeht, macht der Stählersche Wagen eine ähnliche Bewegung durch, wie bei den alten Schrägaufzügen, wobei der Lasthaken, wie gezeichnet, eine stetig verlaufende Kurve beschreibt, welche schliesslich tangential in die senkrechte Linie der Senkbewegung einmündet. Dabei verzögert sich die Geschwindigkeit des Kübels allmählich, obwohl das Hubseil seine Geschwindigkeit beibehält. Dies ist ein Vorzug gegenüber der Konstruktion von Pohlig, wo nahe der höchsten Stellung des Wagens die Seilgeschwindigkeit stark verringert werden muss. Auch Stähler hat ein Gegengewicht nötig, um den Kübel wieder aus der Gicht herauszuheben, doch kann dazu das auf dem Trägerobergurt laufende Hauptgegengewicht des Aufzugs benutzt werden. Dasselbe senkt sich so lange, bis die Wegkurve des Hakens ungefähr ihren höchsten Punkt erreicht. Dann beginnt es infolge der eigentümlichen Rollenanordnung sich zu heben, ist z. B, bei der punktiert gezeichneten Stellung des Wagens, bei der die Vertikalbewegung des Gefässes anfängt, im Aufsteigen begriffen, wie sich in Fig. 85 leicht verfolgen lässt. Beim Nachlassen des Hubseils kippt es zunächst den Wagen in die normale Stellung zurück, in der er imstande ist, das Gegengewicht wieder hinaufzuziehen. Während die Anordnung des Gegengewichts bei Pohlig einen Ausgleich der toten Last und der halben Nutzlast zulässt, kann hier nur ein Teil der toten Last ausbalanciert werden, da der Wagen unter der Bremse nach unten gehen muss. Bezüglich Schaffung einer Reserve gilt das früher gesagte. (Fortsetzung folgt.)