Titel: Wehranlage in der Oder im Harz.
Autor: L. K.
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 731
Download: XML
Wehranlage in der Oder im Harz. Wehranlage in der Oder im Harz. Die Oder empfängt aus den steilabfallenden Schluchten des Westharzes bei stärkeren Regenfällen grosse, mit starkem Gefälle abgeführte Massermassen. Zwar werden die Quellflüsse im Oderteich mit einer Wasserkapazität von 1¾ Millionen cbm etwas ausgeglichen, doch verlieren die Wassermassen auch flussabwärts nichts von ihrem ungestümen Charakter, weil der Oder nach Verlassen des Teiches noch zahlreiche Rinnsale mit starker Wasserführung zuströmen. Sie durchfliesst nach Verlassen des Teiches ein enges, steilwandiges und stellenweise über 150 m tief eingeschnittenes Tal, und nimmt ihren Weg um den Breitenberg an dessen östlicher Seite, wendet sich darauf nach Südwest und folgt dieser Richtung wiederum in einem engen, tief eingeschnittenem Tale, das nahe der östlichen Wasserscheide verläuft bis zum Fusse des Harzes bei Lauterberg. Hier tritt sie völlig nach Westen umbiegend in ein breites Tal, in welchem sie einen grossen Teil ihrer Schottermassen absetzt. Die Entwickelung der Oder ist recht bedeutend, indem sie bei einer Lauflänge von 56,9 km und einer Entfernung zwischen Quelle und Mündung von 33,6 km 69,3 v. H. beträgt. Das Gesamtgefälle ergibt sich im Durchschnitt zu 11,9‰ (1 : 84), ist aber im Oberlauf bis Lauterberg mit 677 m bedeutend grösser als im Unterlauf. Textabbildung Bd. 321, S. 731 a Oberkante Brücke; b Schützenhöhe und Wehroberkante; c Wehrsohle; d Unterwasser. Bei Lauterberg, kurz vor dem Uebergang der starken in eine schwache Gefällsbewegung, an einer scharfen Krümmung des Flusses hat voriges Jahr die Maschinenfabrik und Handelsmühle „Königshütte“, um grössere Wassermengen für ihren Betrieb verfügbar machen zu können, ein neues massives Wehr in der Oder errichten lassen, das von der Firma B. Liebold & Co. A-G., Holzminden, ausgeführt wurde und wegen der eigenartigen Verhältnisse des Oderflusses, die hinsichtlich Geschiebe- und Wasserführung an die Alpengewässer im bayerischen Hochlande erinnert, bemerkenswert ist. In beifolgenden Zeichnungen sind die Hauptabmessungen des Wehrs zur Darstellung gebracht. Das Wehr ist ein sogenanntes Schützenwehr und besteht aus einem 11,30 m breiten, massiven Ueberfallwehr und aus drei Freiflutern von je 11,30 m Durchflussweite, die durch Schützen von 1 m Höhe geschlossen werden. Diese verhältnismässig breiten Grundablässe benötigten sich, weil die Oder als Harzfluss das schon oben erwähnte ausserordentlich starke Gefälle besitzt sowie häufige und beträchtliche Hochwasserwellen bringt. Das Wehr ist durchweg auf Felsen gegründet und besteht der Wehrkern aus Bruchsteinmauerwerk in Zementmörtel, nur das Ueberfallwehr musste, weil hier der Felsen zu tief stand, auf festen Kies „fundiert“ werden. Um hier eine Hinterspülung des Wehrs zu vermeiden, ist der Abfallboden um 3 m verbreitert, so dass sich das über das Wehr schiessende Wasser tot fällt. Der Wehrrücken und die Wehrkrone sind mit einem 50 cm starken Zementfournier verkleidet. Durch drei Zwischenpfeiler wird das Wehr in vier Teile zerlegt. Als Brücke zur Bedienung der Schützen und auch für den öffentlichen Verkehr ist auf den beiden Endwiderlagern und den drei Zwischenpfeilern ein Fussteg von 2 m Breite mit eisernem Ueberbau angeordnet. Um das rechte Oderufer vor Unterspülung zu sichern, schliesst sich an das Wehr eine Stützmauer aus Beton, die 10 m unterhalb des Wehres an eine vorhandene Trockenmauer anschliesst. Die Schützen bestehen aus schmiedeeisernen Rahmen, Zahnstangen, Zahnrädern und Kurbeln mit hölzernen Tafeln und sind je von zwei Mann zu bedienen. Wegen des häufigen Hochwassers war die Bauausführung schwierig und zeitraubend. L. K.