Titel: Gleitlager oder Kugellager.
Autor: August Bauschlicher
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 25
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Gleitlager oder Kugellager. Von August Bauschlicher, Civilingenieur, Frankfurt a.M. (Schluß von S. 13 d. Bd.) Gleitlager oder Kugellager. Nun zum Kernpunkt unseres Themas, ob das Gleitlager oder das Kugellager besser ist. Das Kugellager ist dort unbedenklich, wo Wellen mit hohen Tourenzahlen laufen. Die Kugellager werden aber auch gegenwärtig für wechselnde Belastung stark ins Auge gefaßt, da sich diese bei Pleuellager für Explosionsmotoren als brauchbar erwiesen haben. Auch für Lenkerstangen an Sägegattern, bei denen allerdings niedrige Umlaufzahlen in Betracht kommen, liegen bereits mehrjährige günstige Erfahrungen vor. Wellen auf Ringkugellager gelagert sind auch dort zu empfehlen, wo aus mancherlei Gründen keine ordentliche Schmiermittelzufuhr möglich ist, oder wo man im Betrieb mit der Vernachlässigung der Schmiervorrichtungen zu rechnen hat. Die Art der Schmiermittel spielt bei dem Kugellager eine geringe Rolle. Es kann sowohl Fett als auch jedes säurefreie Mineralöl verwendet werden. Pflanzenöle und -Fette sind wegen ihres Säuregehaltes und weil sie leicht ranzig werden, zu verwerfen. Das Kugellager rostet bei geringen Säurebeständen sehr leicht, weil es aus Stahl ist. Auch fehlt die blankschleifende Wirkung des Gleitlagers, bei dem sich bildende Oxydkrusten stets wieder weggescheuert werden. Man gibt den flüssigen Oelen für die Schmierung des Kugellagers den Vorzug, weil diese besser alle Kugellagerteile zu benetzen vermögen und mit Sicherheit alle Reibungsflächen des Kugellagers bespülen werden. Ein weiterer sehr wichtiger Vorzug des Kugellagers ist seine Unempfindlichkeit gegen das Eindringen größerer Späne. Auch das gefürchtete Versetzen von schlecht fundamentierten Maschinenrahmen, welche stets ein Festsetzen oder Fressen der Gleitlager zur Folge hat, übt bei dem Kugellager keinen direkt betriebsstörenden Einfluß aus. Allerdings wird ein schlecht passendes Kugellager rascher verschleißen als ein gut gelagertes. Von großem Vorteil ist ferner, daß der Verschleiß des Kugellagers keinen Einfluß auf die Wellenabnutzung ausübt, weil sich der Verschleiß nur auf die Kugeln und die Laufringe erstreckt. Wechselt man ein Lager aus, so braucht man die Wellen nicht nachzudrehen und nachzuschleifen. Gerade der leichte Ersatz eines Lagers kennzeichnet das Kugellager als bequemes und durchaus modernes Maschinenelement. Infolge der Austauschbarkeit brauchen keinerlei Nacharbeiten weder an den Wellen noch an den Lagergehäusen vorgenommen werden. Nebenbei sei bemerkt, daß es nicht immer nötig ist, ein Kugellager gegen ein neues umzutauschen, da vielfach zur Beseitigung eines geringen Spieles das Einfüllen größerer Kugeln genügt. Ist ein Ringlager einseitig ausgelaufen, so muß allerdings ein Nachschleifen der Hohlrillen erfolgen, eine Arbeit, die gewöhnlich nur die Kugellagerfabrik vornehmen sollte. Diese Nacharbeit empfiehlt sich nur bei größeren, teueren Kugellagern. Kleinere Lager wird man stets besser gegen neue Umtauschen. Die Kraftersparnis, welche wohl als selbstverständlicher Hauptvorzug eines Kugellagers gilt, läßt sich in keine bestimmte Zahlenwerte kleiden. Der Reibungskoeffizient der Kugellager mit 0,0015 für die Bewegung beweist noch nicht, daß das Kugellager in Gegenüberstellung zu den Reibungskoeffizienten der gleitenden Lagerreibung mit 0,015 zehnmal besser läuft, weil ja der mechanische Wirkungsgrad einer Maschine von der zweckmäßigen Konstruktion aller Maschinenteile abhängt und allerlei Montagefehler den gesamten Wirkungsgrad einer Maschine beeinflussen. Ziehen wir größere Ausführungsbeispiele, wie z B. die Motorwagen heran, so ergibt sich im Vergleich von Motorwagen mit Gleitlagern zu Motorwagen mit Kugellagern ca. 25–30% Kraftersparnis. Die Felten- & Guilleaume Lahmeyerwerke haben bei Elektromotoren Versuche angestellt, nach denen der Reibungsverlust ca. ½% der Maschinenleistung beträgt Bei Maschinen mit Ringschmierlager mit 1 PS beträgt der Verlust ca. 6%, bei Maschinen mit 5 PS ca. 4% und bei Maschinen mit 10 PS ca. 3%. Der Oelverbrauch bei Kugellagern beträgt etwa den 10. Teil als bei den gewiß sparsam arbeitenden Ringschmierlagern gebraucht wird. In Fig. 9 ist die Kugellagerung der Elektromotoren der Felten- & Guilleaume Lahmeyerwerke dargestellt. Man wird nun fragen, für welche Maschinenglieder eines Werkbetriebes eine Uebertragung der beim Kugellager gewonnenen Erfahrungsdaten naheliegend erscheint. Darauf kann man folgendes erwidern: Textabbildung Bd. 324, S. 26 Fig. 9. Das Kugellager ist vorzüglich für alle Kraftübertragungsorgane, die lediglich Arbeit zu übertragen haben. Dabei ist es gleichgültig, ob die Maschinenglieder ihre Kraft durch Riemenantriebe oder Zahnräderantriebe weiter leiten. Direkt gekuppelte Maschinenzwischenwellen sind überhaupt ohne jede Einschränkung für die Kugellager geeignet. Der Riemenantrieb wirkt größtenteils schonend, d.h. mit ziemlich gleichmäßigem Druck auf die Lager, da jede namhafte Ueberlastung durch ein Gleiten des Riemens ausgeschaltet wird. Zahnräderantriebe belasten die Kugellager mehr, weil sich die Drücke ungeschwächt fortpflanzen. Allein das Kugellager erträgt erfahrungsgemäß auch Zahndrücke mit Sicherheit, was durch den Dauerbetrieb der gewiß sehr hoch beanspruchten Automobilgetriebe nachgewiesen wurde. Für Vorgelegewellen, die 60–80 PS zu übertragen haben, und dabei mit 1200–1400 Touren i.d. Min. liefen, genügten die vorbesprochenen Ringlager und Spurlager vollkommen. Man befürchtete vor Jahren, daß Zahnrädergetriebe auf Kugellager gelagert ein starkes Geräusch verursachten d.h. nicht genügend stabil gelagert seien. Diese Befürchtung traf bei den Automobilgetrieben nicht zu, indem der Zahnrädereingriff beinahe so ruhig wie bei Gleitlagern erfolgte. Nach eingetretenem Verschleiß gehen die Getriebe etwas lauter als bei Gleitlagern. Man soll deshalb bei Getrieben, die man auf Kugellager lagert, die Kugellager nicht zu hoch beanspruchen. Die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken Berlin schreiben vor, für den Riemenantrieb etwa den fünffachen Betrag der rechnungsmäßigen Umfangskraft als zulässige Belastung einzusetzen. Bei Zahnrädern soll der dreifache Betrag genügen. Für Wellen, die irgend eine Schneidwirkung oder metallzerkleinernde Wirkung ausüben, ist das Kugellager mit Vorsicht anzuwenden, weil das elastische Kugellager bei jeder Ueberlastung leichter nachgibt als das immerhin starre Gleitlager. Man wird bei den Hauptlagern einer Drehbankspindel, einer Fräserspindel usw. von einer Kugellagerung absehen. Zum mindesten würde man hier die Kugellager sehr reichlich bemessen. Diese Einschränkung gilt aber nur für das Ringlager, durchaus nicht für das Spurlager. Textabbildung Bd. 324, S. 27 Fig. 10. Bei dem Spurlager tragen alle Kugeln, während bei dem Ringlager nur einzelne Kugeln tragen. Prof. Stribeck gibt die Einzelbelastung Po der Ringlager an zu P_0=\frac{5}{z}\,P, wobei (P = Ringlagerbelastung und z = Anzahl der Kugeln). Das Spurlager ist sogar entschieden jedem Gleitlagerspurzapfen überlegen, weil praktisch bei dem schlichten Spurzapfen nur konzentrische Kreislinien tragen und sich die Druckflächen vieler gedrückter Spurkugeln unter Umständen größer stellen als die wirkliche Gleitlagerauflage der Stirnzapfen. Da man normalerweise stets Spurlager mit Kugelsitz einbaut, während man dies bei Gleitlager in der Regel nicht getan hat, so ist eine Gefährdung ausgeschlössen. Das Spurlager ist heute bei Plandrehbänken, Schnelldrehbänken und Drückbänken zum regulären Maschinenelement geworden und gilt die Konstruktion nach Fig. 10 für derartige Lagervorfälle als vorbildlich. Nach diesen allgemeinen Darlegungen soll nun untersucht werden, für welche häufigsten Maschinen-Glieder und Maschinen die Kugellager vorteilhaft an Stelle des Gleitlagers zur Anwendung gelangen können, und welche Vorteile sie überhaupt bieten. Für jeden Werkbetrieb spielt neben der Betriebssicherheit der Arbeitsmaschinen die größtmöglichste Wirtschaftlichkeit der Kraftquelle eine große Rolle. Bei den steigenden Kohlenpreisen und Rohstoffpreisen wird nicht allein j die Wirtschaftlichkeit der Kraftquelle eine hohe Rolle spielen, sondern auch der wirtschaftliche Verbrauch von Kraft seitens der Arbeitsmaschinen. Es muß hier leider ausgesprochen werden, daß man in allen Fabrikbetrieben in einseitigster Weise die möglichst wirtschaftlichste Leistung der Kraftmaschine als ausschlaggebend ansieht, während man den hohen Kraftverbrauch der Laufwerke als selbstverständlich hinnimmt. In letzter Hinsicht wäre offenbar mehr herauszuholen als durch alle Verbesserungen, die man heute an Dampfmaschinen mit Ueberhitzer, Gegenstromkondensation usw. erzielt. Die Sauggasmotoren mindern zwar noch die Kosten für die erforderliche Betriebskraft, aber warum bildet man nicht die an sich harmlosen Kraftübertragungsorgane wie Wellenleitungen, Deckenvorgelege, Nebenwellen in Werkzeugmaschinen, Schleifmaschinen usw. sorgfältiger aus. Würde man in gleich sorgfältiger Weise wie im Automobilbau auch bei Laufwerken eines Werkbetriebes das Kugellager anwenden und würde man gleichzeitig alle Kraftübertragungsorgane mit höheren Tourenzahlen laufen lassen, was bei Verwendung von Kugellager ohne weiteres möglich ist, so verringern sich die Gewichte aller Maschinenteile, und 50% Kraftersparnis läßt sich mit Sicherheit gegenüber den jetzigen Gleitlagerkonstruktionen heraus wirtschaften. Die Kugellagerindustrie hat zwar an vielen Stellen derartige Laufwerke, auf Kugellager gelagert, geschaffen. Diese Ausführungen galten aber bisher mehr als Spezialkonstruktionen. Die Einführung solcher Laufwerke als Normalkonstruktionen wird daher nur eine Frage der Zeit und der Aufklärung sein. Es sollen aber einige ausgeführte Konstruktionen näher beschrieben werden: So gibt es eine Menge Lagerstellen bei jeder Werkzeugmaschine, bei denen ein Umbau auf Kugellagerungen leicht durchführbar erscheint, z.B. Deckenvorgelege, einschließlich Transmissionen, Leerlaufscheiben, die trotz vorzüglicher Gleitlager auf ihren Wellen fressen. Ferner machen die Leitrollen bei Transmissionen Schwierigkeiten, da sie sich oft festsetzen. Dies ist erklärlich; denn meist ölt man nicht zentral, was aber bei allen Maschinenteilen, die um eine feste Welle laufen und bei denen Gleitlager angewendet werden, rätlich erscheint. Denn die Schmiermittel suchen, wenn sie in Oelkammern der Nabe geführt werden, sich meist zentrifugal zu verteilen und benetzen Welle und Lagerstelle nur unregelmäßig. Gewöhnlich fließt das Oel beim Stillstehen der Scheibe an einen tiefsten Punkt und ölt die Lagerstellen nur, wenn die Leerscheibe stillgesetzt wird; während des Laufens aber nicht, was doch gerade die Hauptforderung bildet. Diesem Umstand hilft man durch Kugellager wirksam ab; denn, wenn auch nur eine zeitweilige Benetzung des Kugellagers mit Oel stattfindet, (sagen wir das Oel gelangt in 10 Stunden nur einigemal in die Laufrillen), so genügt eben diese Benetzung. Aus meiner Praxis führe ich die Konstruktion einer Leitrolle vor. Leitrollen mit schlichten Lagern führten stets zum Fressen. Diese Leitrolle saß an einer Schleifmaschine mit Schleifriemen. Der Riemen lief im Dreieck, d.h. er wurde von einer Antriebsscheibe angetrieben und führte sich an 2 Leitrollen. Die Umdrehungszahl der Leitrollen betrug 6000 Touren i.d. Min. Es wurde deshalb ein Kegellager nach Fig. 11 eingebaut, von dem man sich eine Besserung versprach. Textabbildung Bd. 324, S. 27 Fig. 11. Das Kegellager lief auch etwa 3 Monate anstandslos. Stellte man das Lager nicht rechtzeitig nach, so klapperte es, und die Kanten der Labyrinthsicherung liefen auf den Festkegeln auf. Nach einiger Zeit liefen sich aber die Kugeln auf dem Festkegel und teilweise auf dem Stellkegel so stark ein, daß auch das Nachstellen nichts mehr nützte. Zuweilen kam es vor, daß sich auch der Stellkegel lockerte. Der Kraftverbrauch war wohl bei diesem Kugellager geringer; allein die Betriebssicherheit war nicht höher als bei dem Gleitlager. Die Schmierung erfolgte in der Art, daß man konsistentes Fett in die Hohlräume einfüllte, welche Methode genügte, solange die Kegel nicht ausgelaufen waren. Immerhin war der Erfolg nicht zufriedenstellend und man kehrte wieder zum Gleitlager zurück und nahm eben das zeitweilige Fressen dieser Lager in Kauf. Textabbildung Bd. 324, S. 28 Fig. 12. Nachdem vor einigen Jahren die Ringlager bekannter wurden, wurden die Versuche mit Ringlagern wiederholt Diese lieferten ein gänzlich verändertes Ergebnis. Man baute die Leitrolle nach Fig. 12. Die Hohlräume wurden mit Fett ausgefüllt. Das Lager lief monatelang ohne Störung. Man füllte zeitweilig Fett nach und konnte mit denselben Ringlagern etwa 2 Jahre zufriedenstellend arbeiten. Allerdings liefen diese nach 2 Jahren stark aus, und ein Ersatz der Ringlager war geboten. Immerhin war aber die gewonnene Betriebssicherheit so groß, (wohl auch der geringe Kraftverbrauch, der leider durch Messungen nicht festgestellt wurde), daß die Kosten für 2 neue Ringlager gar nicht ins Gewicht fielen gegenüber der Betriebssicherheit der Lagerung, welche durch die Ringlager zu erzielen war. Das Kugellager scheint dazu berufen zu sein, bei allen rasch laufenden Maschinen eine höhere Betriebssicherheit zu bieten. Auch bei Holzbearbeitungsmaschinen, Zentrifugen, Dreschmaschinen und Ventilatoren spielt es heute bereits eine große Rolle. Die Lagerung einer Holzfräsmaschine auf Kugellager wird von den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken Berlin nach Fig. 13 durchgeführt. Da die Fräswelle vertikal steht, ist ein Drucklager eingebaut. Die Ringlager sind so eingebaut, daß sie in einem Oelbad laufen. Zu diesem Zwecke ist das obere Ringlager auf eine Hülse gesetzt, die sich oberhalb des Kugellagers auf die Welle stützt. Ein fest eingeschlagenes, gut passendes Rohr verschließt die Bohrung der Welle, so daß das Ringlager stets unter Oel steht. Die Oelzuführung ist jedenfalls außerordentlich reichlich. Gewöhnlich genügen einige Oeltropfen im Tage zur Schmierung von Kugellagern. Aus Gründen der absoluten Betriebsicherheit tut man hier mehr als absolut notwendig wäre. Die Ausführungen tragen hoffentlich dazu bei, das Wesen der Kugellagerungen weiteren Kreisen etwas näher zu bringen und ich hoffe, daß viele Ingenieure in kritischen Fällen, wo ein Gleitlager gänzlich versagte, aus obigen Darlegungen eine praktische Nutzanwendung ziehen können. In vielen Fällen wird man in dem Kugellager nicht allein ein vorübergehendes, sondern ein dauerndes Hilfsmittel haben, um Lagerschwierigkeiten zu beheben. Textabbildung Bd. 324, S. 28 Fig. 13.