Titel: Der 1. Internationale Kongreß für Kälte-Industrie in Paris.
Autor: Alis Schwarz
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 74
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Der 1. Internationale Kongreß für Kälte-Industrie in Paris. Von Professor Alis Schwarz in Mähr.-Ostrau. Der 1. Internationale Kongreß für Kälte-Industrie in Paris. Als vor mehr als Jahresfrist seitens eines französischen Komitees unter Patronanz des französischen Ackerbau-Ministers und der übrigen beteiligten Ministerien die Einladung zu einem im Jahre 1908 in Paris zu veranstaltenden „Congrès International du froid“ ausgegeben wurde, mag wohl so mancher diesem Gebiete ferner Stehende und wohl auch mancher Fachmann über diese Einladung angesichts der sich immer mehr häufenden Kongresse gespöttelt haben. Wenn auch die Anwendung der Kälte heute ein ebenso unabweisliches und dringendes Bedürfnis des täglichen Lebens geworden ist wie die Anwendung der künstlich erzeugten Wärme, so scheint die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Erforschung dieses Gebietes noch immer nicht in allen Kreisen das rechte Verständnis gefunden zu haben. Trotzdem hatte sich die Anregung des französischen Komitees als eine sehr fruchtbare erwiesen; dank der unermüdlichen Agitation und Rührigkeit des französischen Komitees, an dessen Spitze sich der ehemalige französische Kolonien-Minister Lebon, eines der hervorragendsten organisatorischen Talente befand, und dem sich zahlreiche französische Gelehrte und fachliche Korporationen zur Verfügung stellten, hatten sich zunächst in allen französischen Departements Lokalkomitees für die Förderung dieses Kongresses gebildet; in 43 Staaten der gesamten bewohnten Erde waren durch die betreffenden Regierungen Landeskomitees organisiert worden, welche für die Beschickung des Kongresses und für die Beteiligung der Fachmänner der ganzen Welt an den Arbeiten des Kongresses eifrig tätig waren. In den meisten Staaten hatten sich die leitenden Staatsmänner, die Ressortminister oder mindestens hohe staatliche Funktionäre an der Spitze dieser Komitees gestellt und sich an den Arbeiten eifrig beteiligt. So ist es zu erklären, daß dieser Kongreß eine Teilnehmerzahl aufwies, wie sie wohl noch selten ein Kongreß eines einzelnen Fachgebietes gezeigt hat. Ueber 4000 Einzel-Personen und Vertretungen von Körperschaften hatten ihre Teilnahme angemeldet und waren zum größten Teile auch persönlich erschienen. 43 Staaten aller Weltteile, darunter auch Nord- und Südamerika, Australien und Südafrika, China und Japan hatten sich durch starke offizielle Delegationen, darunter wie erwähnt, durch aktive oder ehemalige Minister vertreten lassen. So bot auch die erste Festsitzung, welche durch den Präsidenten Lebon mit einer geistvollen Ansprache eröffnet und durch den Ackerbauminister Ruau persönlich begrüßt wurde, ein glänzendes Bild. Neben den vorerwähnten ausländischen Delegationen und Staatsmännern waren die hervorragendsten französischen und ausländischen Gelehrten dieses Gebietes, darunter der Nestor und Begründer der französischen Kälte-Industrie, der 70jährige, noch unermüdlich als Konstrukteur und Forscher tätige Tellier, der Präsident der Akademie de médecine Professor Gautier, der berühmte Physiologe Prof. d'Arsoval der Professor der polytechnischen Schule Leauté und das Mitglied der Akademie Tisserand, weiter der Schöpfer und Organisator der deutschen Kälte-Industrie, Geheimrat Professor von Linde, der geniale Physiker der Universität Leyden, Professor Kammerlingh-Onnes, ferner Vertreter von Hochschulen aller Länder, die bekanntesten Konstrukteure und Industriellen dieses Gebietes usw. in der Versammlung vertreten, und so konnte der französische Ackerbauminister in seiner Begrüßungsrede angesichts dieser illustren Versammlung mit Recht an den Ausspruch des berühmten Chemiker Bertelot anknüpfen, daß der allgemeine Triumph der Wissenschaft dazu führen werde, die Menschen dem größtmöglichsten Glück und der Moral zuzuführen. Mit besonderer Liebenswürdigkeit gedachte sowohl der Präsident des Kongresses als auch der Minister nicht nur der unvergänglichen und grundlegenden Arbeiten der französischen Gelehrten und Forscher Carré und Tellier um die Entwicklung der Kälterindustrie, sondern er ließ auch der Tätigkeit der ausländischen Forscher auf diesem Gebiete, insbesonders der Verdienste des Professor von Linde volle Gerechtigkeit widerfahren und fand in seinen Ausführungen die begeisterte Zustimmung der großen Versammlung. Es war auch eine besondere Auszeichnung für den letztgenannten Gelehrten wie für den Kongreß selbst, daß derselbe die Arbeiten des Kongresses durch einen ausgezeichneten Vortrag über die „Kühlung bewohnter Räume“ eröffnete, welcher durch die geistvolle Form und seine technischen Ausführungen die verdiente Anerkennung fand und einen weiten Ausblick auf die Entwicklung der Anwendung künstlicher Kälte durch Anwendung auf dieses Gebiet eröffnete, indem er mit dem Ausspruche schloß: „Unsere heutige Kältetechnik ist in technischer, wirtschaftlicher und hygienischer Hinsicht imstande, allen Erwartungen zu genügen, welche an ihre Entwicklung für die Kühlung bewohnter Räume geknüpft wurden, und sie vermag der Menschheit größere Dienste zu leisten, als sie bisher in dieser Richtung in Anspruch genommen worden sind. Im Bewußtsein dieser Sachlage darf ich wohl mit dem Ausdrucke der Hoffnung schließen, daß bei künftigen Kältekongressen die Kühlung bewohnter Räume eine Entwicklungaufweisen möge, welche Schritt hält mit dem imposanten Zuge, in welchen wir auf anderen Gebieten die Kältetechnik haben voranschreiten sehen.“ Welch ansehnliche Summe von wissenschaftlichen Vorarbeiten dem Kongresse vorangegangen war, ist aus dem Umstände zu entnehmen, daß mehrere Hunderte sehr umfangreiche wissenschaftliche und technische Vorträge dem Organisationskomite eingesendet wurden, über deren Inhalt die Teilnehmer des Kongresses durch ein vom Organisationskomitee ausgearbeitetes Resume in deutscher, französischer und englischer Sprache informiert wurden. Von hohem Werte waren ferner die wissenschaftlich-literarischen Festgaben, welche seitens der einzelnen fremdstaatlichen Komitees den Kongresmitgliedern gewidmet wurden. In erster Reihe stand hier die vom österreichischen Komitee in deutscher und französischer Sprache herausgegebene Festschrift in bezug auf den reichen Inhalt und die vornehme prächtige Ausstattung. Es war ein Quartband von 120 Seiten, 20 Plantafeln und zahlreichen im Text gedruckten Abbildungen, enthaltend nebst einigen wissenschaftlichen Aufsätzen, die Beschreibungen der bedeutendsten österreichischen Kühlanlagen auf allen Gebieten der Industrie, welche Festschrift auch seitens der Kongreßmitglieder die verdiente Anerkennung fand; weiter eine ähnliche, weniger umfangreiche Publikation des ungarischen Komitees in französischer Sprache, enthaltend die Statistik der Kühlanlagen in Ungarn und die Beschreibung derselben; ferner ein kleines aber inhaltreiches Heft des deutschen Komitees über die wirtschaftliche Bedeutung der Kälteindustrie im Jahre 1908, sehr wertvolle statistische Daten und Diagramme über die Ausbreitung der Kälteindustrie in Deutschland enthaltend; weiter ein Bericht des italienischen Komitees, resp der Ministerien für Ackerbau, Industrie und Handel über die Kälteindustrie in Italien, gleichfalls mit einigen Abbildungen und Plänen dortiger Anlagen, und endlich zwei Publikationen des argentinischen Komitees, enthaltend ausführliche Darstellungen der ausgedehnten Anwendung der künstlichen Kälte für die Aufbewahrung argentinischen Fleisches und den Transport nach den europäischen Hauptplätzen. – Sämtliche dieser Publikationen, welche den Kongreßteilnehmern nebst zahlreichen kleinen Flugschriften und Prospekten unentgeltlich übermittelt werden, bildeten den Gegenstand eifrigsten Studiums und werden ebenso wie die noch herauszugebenden ausführlichen Berichte über die Verhandlungen des Kongresses das Interesse für die Kälteindustrie in den weiten Kreisen verbreiten. Ebenso umfassend wie die Vorarbeiten waren die wissenschaftlichen Verhandlungen des Kongresses, welcher sich zu diesem Behufe in sechs Hauptsektionen mit 20 Unterabteilungen geteilt hatte. An der Spitze dieser Sektionen standen die schon genannten hervorragenden Mitglieder und Gelehrten der französischen Akademie wie die Professoren D'Arsonval, Léauté, Gauthier, Tisserand, Levasseur, und an der Spitze der sechsten Sektion der Handelsminister Cruppi persönlich. Die erste Sektion vereinigte die Theoretiker und Gelehrten, und es waren in dieser illustren Versammlung die hervorragendsten ausländischen Physiker und Chemiker zu bemerken, u.a. Professor Kammerlingh-Onnes der Universität in Leyden, welcher seine Apparate und Arbeiten zur Verflüssigung des Heliums unter lebhaftester Aufmerksamkeit vorführte; Professor Touplin, der einen Apparat für die Analyse der seltenen Gase demonstrierte; Professor Mathias, der eine theoretische Studie über den Zustand und Eigenschaften von Flüssigkeiten bei sehr niedriger Temperatur gab, zu welchem Gegenstande Professor Kammerlingh-Onnes die Unterschiede in dem Gleichgewichtszustande der Körper durch Unterschiede der Zusammendrückbarkeit der Moleküle und eine verschiedene Verteilung des Potentiales um die Moleküle erklärte; Professor Becquerel machte neue Mitteilungen über die Absorptions- und Emissionserscheinungen sowie über magneto-optische Erscheinungen in Kristallen und Lösungen bei sehr niedrigen Temperaturen, welche er in Gemeinschaft mit Professor Kammerlingh-Onnes im Laboratorium der Universität Leyden durchgeführt hatte. Endlich führte Ingenieur Claude seinen Apparat für eine neue Methode der Verflüssigung der Luft vor, durch deren Anwendung die Verflüssigung der Luft schon bei 30 bis 40 Atmosphären erfolgt und welche pro Pferdekraft und Stunde einen Liter flüssige Luft liefert. Die genannten Gelehrten wurden zu den Ergebnissen dieser neuesten Forschungen von den anwesenden Fach-Genossen auf das lebhafteste beglückwünscht und es galten diese Anerkennungen insbesonders dem bescheidenen und doch so erfolgreichen Wirken des Professor Kammerlingh-Onnes, welcher in seinem kyrogenen Laboratorium in Leyden in jüngster Zeit so bewunderungswerte Erfolge erzielt, auch vielen Fachgenossen die Benutzung dieses Laboratoriums in der liebenswürdigsten Weise gestattet und ihre Arbeiten werktätig unterstüzt hatte. Einstimmig wurde der Wunsch ausgesprochen, daß die auf dem Kongresse vertretenen Staaten durch entsprechende materielle Unterstützungen es den Physikern ermöglichen sollten, ihre Studien auf diesem Gebiete in diesem berühmten Laboratorium fortzusetzen. Ebenso einstimmig wurde beschlossen, daß eine Internationale Gesellschaft mit dem Sitze in Paris gebildet werde, um das Studium des gesamten Gebietes der Kälte zu spezialisieren und die Bearbeitung aller wissenschaftlichen Fragen bei niedrigen Temperaturen durchzuführen. Die weiteren wissenschaftlichen Arbeiten dieser Sektionen waren bakteriologischer Natur und beträfen die Wirkungen der niedrigen Temperatur auf Fleisch, Milch, Geflügel und andere Genußmittel. Besonderes Interesse erregten die Arbeiten einer amerikanischen Forscherin, Mrs. Pennigton, über die Veränderungen des Fleisches des bei niedrigen Kältegraden konservierten Geflügels, ebenso die Arbeiten über die Wirkung niedriger Temperaturen auf Toxine des Fleischserums. Die Arbeiten der zweiten Sektion beschäftigen sich mit den maschinellen Vorrichtungen für Kälteerzeugung, und es waren in dieser Sektion die bekanntesten Theoretiker und Konstrukteure aller Länder unter Vorsitz des Professor Léauté vereinigt; unter ihnen Professor Leblanc-Paris, zahlreiche amerikanische, englische und belgische Ingenieure, der Begründer der deutschen Kälte-Industrie Geheimrat Professor von Linde, ferner Professor Guthermuth und Dr. Döderlein aus Deutschland, k.k. Hofrat Dr. Pfeundler-Graz, Professor Seidler-Wien und Professor Schwarz-Mähr.-Ostrau für Oesterreich. In dieser Sektion wurden zunächst die Prüfungsmethoden über die Wirkung von Isoliermaterialien, ferner die Leistungsfähigkeit von Kühlmaschinen besprochen. Das Ergebnis der Beratungen dieser Sektion gipfelte in der Bestimmung, daß zur Prüfung der Wirkung der Kältemaschinen eine internationale Einheit geschaffen werden solle, welche Einheit nach Antrag des Professor Kammerlingh-Onnes mit dem Namen Carnot zu Ehren des großen französischen Forschers und Gelehrten bezeichnet werden soll. Weitere Entschließungen dieser Sektion sprachen den Wunsch aus, daß an allen technischen Hochschulen und Gewerbeschulen ein theoretischer und praktischer Unterricht über Kälte-Industrie und ihre Anwendung einzuführen sei, welcher Unterricht von allen interessierten Körperschaften unterstützt werden solle. Die Ergebnisse der Untersuchungen dieser Laboratorien sollten durch das permanente internationale Bureau zur Verbreitung gelangen. Die dritte und vierte Sektion beschäftigte sich mit der Anwendung der Kälte, und zwar die erstere mit der Nahrungsmittel-Industrie, die letztere mit den übrigen Industrien. Aus den Verhandlungen dieser Sektionen, insbesondere aus den von den englischen, nordamerikanischen, argentinischen und australischen Delegierten vorgebrachten statistischem Material konnte ersehen werden, welch ungeheuere Ausdehnung der Verkehr mit Nahrungsmitteln durch die Anwendung der künstlichen Kälte genommen hat. Diese Anwendung hat seit dem Jahre 1877, in welchem durch Tellier der erste Versuch der Kühlung von Fleisch während eines Transportes von Havre bis Bennos-Ayres auf dem Dampfer Frigorifique gemacht wurde, bis zur Gegenwart, wo viele hundert Dampfer zu diesem Zwecke im Dienste stehen, einen mächtigen Aufschwung genommen. Die Fleischausfuhr aus Argentinien hat einen Wert von jährlich 200 Millionen Frs. Das Kapital, das in den Vereinigten Staaten in Kühlanlagen investiert ist, wird auf 2500 Mill. Dollars geschätzt. In Amerika gibt es derzeit an 1000 gekühlte Lagerhäuser mit einem Lagerraume von 180 Millionen Kubikfuß, und der Wert der in diesen Lagerhäusern aufbewahrten und gekühlten Produkte beläuft sich auf 350 Millionen Dollar jährlich. Kühlhäuser, in welchen Fleisch aufbewahrt wird, gibt es den Vereinigten Staaten an 1200, und der Wert der darin aufbewahrten Fleischprodukte wird auf 1300 Millionen Doll. geschätzt. 60 Häuser beschäftigen sich mit der Einlagerung von gefrorenen und gekühlten Fischen und der Wert der in diese Kühlanlagen gehenden Fische wird auf 20 bis 30 Millionen Dollar berechnet. In den 1700 amerikanischen Brauereien sind 2500 Kühlmaschinen aufgestellt, und es beträgt der Wert des von ihnen gekühlten Bieres über 300 Millionen Dollar. In der Molkerei-Industrie sind 800 Kühlanlagen vorhanden, von welchen an 200 Millionen Pfund Butter und 250 Millionen Pfund Käse künstlich gekühlt werden. Ueberdies wird hier gefrorener Rahm im Werte von 45 Millionen Dollar erzeugt. An Eier werden jährlich dreieinhalb Millionen Kisten in Kühlräumen aufbewahrt. Die Aufbewahrung von frischen Früchten in Kühlanlagen ist ebenfalls eine bedeutende Industrie. Es gibt etwa 1000 Kühlanlagen für Aepfel allein, deren Wert 12,5 Millionen Dollar beträgt Im Jahre 1907 wurden 60000 Kisten Gemüse in Wagenladungen verschickt. Im ganzen sind in Nordamerika 12000 Kühlmaschinen in Gebrauch, in welche etwa 400 Millionen Dollar angelegt sind, abgesehen von jenen ungeheuren Kapitalien, die in Schlachthäusern, Brauereien und Milchwirtschaften investiert sind. Diesen enormen Zahlen gegenüber sind die europäischen Verhältnisse verschwindend klein, und zeigen, welcher Entwicklung diese Industrie in Europa noch fähig ist. In England beträgt allerdings der Wert der eingeführten gekühlten Produkte 3000 Millionen Frs. – Von den 417000 Tonnen Waren verderblicher Natur, die in den letzten Jahren aus dem Auslande den Londoner Markt passierten, sind 79% dem Kühlverfahren unterworfen worden, ebenso sind 22% des gesamten in England verbrauchten Fleisches, dessen Konsum 122 Pfund jährlich pro Kopf beträgt, künstlich gekühlt. In Deutschland betrug die Zahl der Kühlanlagen Ende 1907 im ganzen etwa 5100 mit einer Leistung von 267 Millionen Kalorien, davon allein etwa 1000 in Fleischkühlhallen und 2000 in Brauereien. In Oesterreich-Ungarn beträgt die Zahl der Anlagen etwa 600 mit einer Leistung von 52 Millionen Kalorien. Die gesamten auf der Erde unter Mitwirkung deutscher Firmen installierten Kühlanlagen werden vom deutschen Komitee auf etwa 4700 mit einer Gesamtleistung von 376 Millionen Kalorien geschätzt. Die in der vierten Sektion durchgeführten Verhandlungen über die Anwendung der künstlichen Kälte in den verschiedenen Industrien ergaben, daß sie nicht nur in den Gährungsgewerben, sepeziell in der Brauerei, in welcher die Anwendung der künstlichen Kühlung die älteste und verbreitetste ist und schon seit 1875 geübt wird, sondern daß derzeit die künstliche Kühlung bei der Gärung und Konservierung des Weines Anwendung findet, daß sie auch beim Hochofenbetriebe der Lufttrocknung dient, ebenso beim Abteufen von Schächten im schwimmenden Gebirge, in der Fettindustrie, inbesondere zur Abscheidung des Paraffins aus Rohöl und Petroleumrückständen verwendet wird und auch zur Kühlung von Munitionskammern und Pulvermagazinen auf dem Festlande und auf Schiffen, besonders in der französischen, deutschen und englischen Marine erfolgreich in Anwendung steht. Eine der jüngsten Anwendungen ist die zum Aufbewahren von Gärtnereiprodukten, insbesonders von angetriebenen Knollen und Blumenzwiebeln, um Blumen das ganze Jahr erhalten zu können. Die Arbeiten der V. und VI. Sektion behandelten die Anwendung der Kälte beim Transport von Waren zu Schiff und auf den Eisenbahnen. Aus diesen Verhandlungen war zu entnehmen, welch ungeheure weite Bewegungen verderbliche Produkte nehmen können, daß Südfrüchte, Bananen, englisches und amerikanisches Obst in allen europäischen Staaten billig zum Verkauf gelangen können, daß Fische aus allen Meeren nach dem Kontinent gebracht werden, daß sibirische, australische und südamerikanische Butter die minderwertige europäische Ware verdrängt, daß Milch aus Dänemark nach Berlin und amerikanische Eier nach Paris gebracht werden. In Amerika waren im letzten Jahre 140000 Eisenbahnkühlwagen im Verkehr und es wurden allein 60000 Waggons Früchte in Kühlwagen transportiert. Eine einzige Firma hatte im letzten Jahre 15 Schiffe bloß für den Transport von Bananen von Costa-Rica nach Europa im Verkehr, welche 4,5 Millionen Zweige Bananen transportierten, und weitere 70 Schiffe waren zu demselben Zwecke in den Vereinigten Staaten in Verwendung. In den Verhandlungen wurde hervorgehoben, daß dieser internationale Transport von Nahrungsmitteln insbesondere von Rußland nach den anderen europäischen Staaten und von Frankreich nach Spanien sich wesentlich erhöhen würde, wenn es möglich wäre, durch geeignete Vorrichtungen den direkten Uebergang der Waggons aus jenen Ländern, welche nicht normale Spurweiten haben, zu erleichtern. In der VI. Sektion gelangte die internationale Gesetzgebung für den Verkehr mit gekühlten Nahrungsmitteln zur Beratung, und es wurde bezüglich der sanitären Kontrolle darauf hingewiesen, daß es Aufgabe der Internationalen Vereinigung sein müsse, dahin zu wirken, daß die künstlich gekühlten Nahrungsmittel bei ihrem Transport keinen strengeren Bestimmungen zu unterwerfen seien, als die zum Genuß bestimmten Nahrungsmittel überhaupt. Aus den Verhandlungen gingen die Bemühungen der überseeischen Staaten, insbesondere von Argentinien und Neu-Seeland hervor, ihren Massenprodukten an Nahrungsmitteln möglichst zahlreiche Absatzquellen auf dem europäischem Kontinent zu verschaffen. Als Endergebnis des Kongresses, welches in der Schluß-Sitzung gezogen wurde, war zunächst die Bildung einer Internationalen Organisation anzusehen, welche aus den Delegierten der 43 auf diesem Kongresse vertretenen Staaten besteht und sich mit allen Fragen der Anwendung der Kälte sowohl mit ihrer wissenschaftlichen Erforschung als auch mit ihrer Anwendung in allen Industrien, sowie bei der Aufbewahrung und dem Transport von Nahrungsmitteln beschäftigen soll. Dieser Internationalen Organisation wurden auch die zahlreichen gefaßten Resolutionen, 70 verschiedene Fragen betreffend, zum Studium und zur Durchführung überwiesen. Mit Recht konnte der verdienstvolle Präsident de Kongresses Mr. Lebon auf die Summe von erfolgreichen Arbeiten hinweisen, welche der Kongreß geleistet, und konnte unter lebhafter Zustimmung aller Kongreßteilnehmer der unermüdlichen Tätigkeit des Generalsekretärs Ingenieur de Loverdo seine vollste Anerkennung zollen. Die gleiche Anerkennung wurde in der feierlichen Schlußsitzung von dem erschienenen Vertreter der französischen Regierung, dem Unterstaatssekretär im Kriegsministerium Chéron, den französischen und ausländischen Gelehrten für ihre Mitwirkung gezollt und auf die hohe Bedeutung hingewiesen, welche die Anwendung der künstlichen Kälte nicht nur für die Ernährung- der großen Bevölkerungsmassen, sondern insbesondere für die Verpflegung der Armeen im Krieg und Frieden zukomme. Und so konnte auch der berühmte Akademiker D'Arsonval in seinem glänzenden Schluß vortrage über die Bedeutung der Wissenschaft für die Kälte-Industrie die hohe Wichtigkeit der Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und Industrie feiern und die Ueberzeugung aussprechen, daß der erste Kongreß für die Fortschritte der Kälte-Industrie dieselben glücklichen Konsequenzen haben werde wie seinerzeit der I. Internationale Kongreß für Elektrizität im Jahre 1881 sie für die Entwicklung der elektrischen Industrie gezeitigt hat. Diese Hoffnung soll schon beim nächsten Kongresse, der für das Jahr 1910 nach Wien einberufen wird, ihrer Verwirklichung näher gebracht werden und es wird eine dankenswerte, wenn auch schwierige Aufgabe des vorbereitenden Komitees sein, diesem zweiten Kongreß, welcher durch die gleichzeitig in Wien in diesem Jahre stattfindende Internationale Jagdausstellung besondere Bedeutung erhalten wird, den gleichen Erfolg wie dem ersten Pariser Kongreß zu verschaffen.