Titel: Die bei der Turbinenregulierung auftretenden sekundären Erscheinungen, bedingt durch die Massenträgheit des zufließenden Arbeitswassers.
Autor: A. Utard
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 505
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Die bei der Turbinenregulierung auftretenden sekundären Erscheinungen, bedingt durch die Massenträgheit des zufließenden Arbeitswassers. Von Dipl.-Ing. A. Utard, Straßburg i.E. (Fortsetzung von S. 492 d. Bd.) Die bei der Turbinenregulierung auftretenden sekundären Erscheinungen, bedingt durch die Massenträgheit usw. 3. Vergleich zwischen den nach den verschiedenen Methoden erzielten Resultaten. Um das einer jeden der beiden Methoden von Pfarr und Alliévi eigene Charakteristikum klar hervorzuheben, wird der Weg eines Vergleiches zwischen denselben mit Hervorhebung ihrer gegenseitigen Abweichungen am schnellsten zum Ziele führen. Am besten gehen wir hierbei an Hand der Kurvenzeichnungen vor. Ebenso wie auf den Kurvenblättern (Fig. 3 u. 4) für die ideellen, d.h. nach Methode von Pfarr ermittelten Werte, sind in Fig. 13 u. 14 sowohl die Schließ- wie die Oeffnungskurven für verschiedene Anfangsfüllungen nach der Methode von Alliévi berechnet und aufgezeichnet worden. Während der ersten \frac{2\,L}{i} Sek. ist das prozentuelle Ansteigen resp. Sinken der verschiedenen Kurven nach beiden Methoden um so steiler, je kleiner der Ausgangswert a ist. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß bei kleiner Beaufschlagung der prozentuelle Betrag des während der gleichen Zeit erfolgten Schlusses ein viel größerer ist, als bei großen Austrittsquerschnitten. Von einem bestimmten a abwärts wird die maximale Höhe der Pfarrschen h-Kurve durch die H-Kurve nach Alliévi überschritten. Dann sucht sich aber die Druckhöhe H in oscillatorischem Gange der ideellen h-Kurve mit jeder Periode \frac{2\,L}{i} mehr zu nähern. Je großer aber umgekehrt die Ausgangsfüllung a ist, um so mehr ähneln sich die nach beiden Methoden gezeichneten Kurven. So hat die Berechnung der allerdings nicht eingezeichneten Schlußkurve für a = 2 eine fast völlige Kongruenz mit der entsprechenden Pfarrschen Kurve gezeigt. Diese Beaufschlagungsgröße a = 2 bedeutet so viel, daß der Leitapparat zweimal so weit geöffnet wird, als es sonst bei maximaler Oeffnung der Fall ist. Es ist daher f = 2f1 und es verdoppeln sich auch die Fließgeschwindigkeit im Rohr, die Wassermenge und die Schlußzeit. Doch bleibt die Höhe von hmax und Hmax völlig davon unberührt, da der Wert von m=\frac{c_1\,L}{g\,H_0\,T} derselbe bleibt. Es dürfte wohl interessant sein, die Grenze der Anfangsbeaufschlagung a festzustellen, bis zu der man die Resultate beider Methoden als sich deckend annehmen kann, d.h. bis wohin die unter Berücksichtigung der Elastizität gezeichnete H-Kurve mit der ideellen h-Kurve zusammenfällt und somit ebenso wie letztere nur bis hmax ansteigt. Textabbildung Bd. 324, S. 506 Fig. 19. Am nächsten läge es wohl, die Bedingung abzuleiten, infolge deren der Enddruck der ersten direkten Druckperiode nach Alliévi dem ideellen hmax gleichkommt. Bei einer so bestimmten anfänglichen Füllung a ist kein Grund mehr vorhanden, warum die H-Kurve in ihrem ferneren Verlauf, d.h. nach Ende der ersten Druckperiode den Wert des ideellen hmax überschritte. Denn die H-Kurve hat, wie oben festgestellt, die Tendenz nach Ablauf der Zeit t=\frac{2\,L}{i} sich wieder möglichst der h-Kurve anzuschmiegen. Doch ist die auf Grund obiger Bedingung erzielte Gleichung äußert kompliziert und somit unbrauchbar, weil unübersichtlich. Einen anderen Anhaltspunkt gibt uns die bereits in einem vorhergehenden Kapitel (s. Gl. 65) angegebene Bedingung zur Verhinderung der Schwingungen der H-Kurve nach Ende der ersten Druckphase. Denn entsprechend obiger Auseinandersetzung können wir rückwärts schließen, daß, sobald die H-Kurve nicht um die h-Kurve schwingt, sie annähernd mit derselben gleichwertig sein muß, da sie sich nicht dauernd darüber oder darunter zu halten vermag. Nach Gl. (65) sind nun Schwingungen ausgeschlossen, sobald: b \cdot c_1\,\geq\,\frac{2\,g \cdot H_0}{i} . . . . . . (121) Da nun dieser Wert von b das Ende der direkten Druckperiode sein soll, müssen wir den Anfang der Verstellung a als um \frac{2\,L}{i} Sek. vorausgehend annehmen. Aus Fig. 19 geht die Beziehung zwischen a und b hervor, nämlich: a=b \cdot \frac{b\,T+\frac{2\,L}{i}}{b \cdot T}=b+\frac{2\,L}{i\,T} In Rücksicht auf Gl. (121) ist somit: a=\frac{2\,g \cdot H_0}{i \cdot c_1}+\frac{2\,L}{i\,T}=\frac{2\,L}{i\,T}\,\left(\frac{1}{m}+1\right) . . . (122) Dieser Wert von a ist als die Grenze für den Nichteinfluß der Elastizität anzusehen. Setze obigen Wert von b aus Gl. (121) in Gl. (58) ein und erhalte: H^2-2\,H\,(\frakfamily{H}+2\,H_0)+\frakfamily{H}^2=0 . . . . . . . . . . (123) oder: z^2-2\,z\,\left(\frac{\frakfamily{H}}{H_0}+2\right)+\left(\frac{\frakfamily{H}}{H_0}\right)^2=0 . . . (123a) Berücksichtige in \frac{\frakfamily{H}}{H_0} aus Gl. (49) obigen Wert von a. Es ist dann: \begin{array}{rcl}\frac{\frakfamily{H}}{H_0}&=&1+\frac{i}{g}\,\frac{ac_1}{H_0}=1+\left(2+\frac{2\,L\,c_1}{g \cdot H_0\,T}\right)\\ &=&3+2\,m\end{array} . . . . . (124a) In Gl. (123a) eingesetzt, ergibt dieses: z2 + 2z(5 + 2m) + (3 + 2m)2 = 0 . . . . . . . . . . (125a) Hieraus ergibt sich: z=5+2\,m-\sqrt{16+8\,m} . . . . . . (126a) oder: z \cdot H_0=H=5\,H_0+2\,\frac{c_1\,L}{g\,T}-H_0\,\sqrt{16+8\,\frac{c_1\,L}{g \cdot H_0\,T}} (126) Dieser Wert von H gibt den Druck an, der nach der ersten Druckphase erreicht wird, sobald der Schließvorgang bei der oben angegebenen Beaufschlagung beginnt, nämlich bei: a=\frac{2\,g \cdot H_0}{i \cdot c_1}+\frac{2\,L}{i\,T} Ein Vergleich zwischen den nach Gl. (74) und Gl. (126) für verschiedene m erzielten Werten von H = H0 . z zeigt uns, daß beide Resultate fast genau übereinstimmen. Dies ist somit ein Beweis für die Richtigkeit obiger Annahme, die als Ausgangspunkt dieser Bestimmung von a diente. Ist nun a kleiner als oben angegeben, so übersteigt H nach t=\frac{2\,L}{i} Sek. den Wert hmax. Somit ergeben sich nachher Schwingungen, die sich aber der ideellen h-Kurve immer mehr nähern. Eine ausführliche Untersuchung hierüber findet sich in einem Aufsatze von Comte de SparreDe Sparre: Remarques au sujet de l'emploi de la méthode de M. Alliévi pour le calcul des coups de bélier. in der Julinummer 1905 von „La houille blanche.“ De Sparre stellt hierin fest, daß bei jeglichem linearen Schließvorgang die größte Druckerhöhung nach Ende der ersten, also direkten Druckperiode eintritt. Er zeigt, daß hierbei die von Alliévi angegebene größte Druckhöhe wesentlich überschritten werden kann, wenn die Anfangsfüllung einen bestimmten Betrag unterschreitet. Doch weicht der Ausdruck, den er für diese Füllung erhält, von Gl. (122) ab; statt der Gleichungen (121) und (122) stellt er die Bedingung auf: a=\frac{2\,g\,H_0}{i \cdot c_1} . . . . . . (127) Letzterer Ausdruck kann jedoch keineswegs die gesuchte Bedingung sein. Da nämlich die Größe L gar nicht darin enthalten ist, wir aber anderseits den Enddruck nach der direkten Druckperiode, also nach \frac{2\,L}{i} Sek. betrachten, so wäre der Wert von b völlig beliebig. Nichts hinderte uns daher L so groß anzunehmen, daß b = 0 würde. Der Enddruck wäre dann ausgedrückt nach Gl. (49) durch: \frakfamily{H}=H_0+\frac{i \cdot ac_1}{g} Textabbildung Bd. 324, S. 507 Fig. 20. Der Schließvorgang und dessen Nachwirkung für verschiedene Rohrlängen bei Berücksichtigung der Elastizitäten. Wenn wir hierin den Wert a nach Gl. (127) einsetzen, lautet diese Gleichung: \frakfamily{H}=H_0+2\,H_0=3\,H_0 . . . . . . . . . . (128) oder: z=\frac{\frakfamily{H}}{H}=3 . . . . . . (128a) Dieser Wert ist unvergleichlich höher als derjenige von z[max. ideell] aus Gl. (74). Diese Abweichung hängt nun zusammen mit der Ungenauigkeit einer Annäherung, die sich de Sparre gestattet, die aber, wie er selbst betont, nur für kleinere Werte von m zulässig ist. Er setzt nämlich ebenso wie Rateau: \sqrt{z}=\frac{1+z}{2} (siehe Gl. 2) Für den prozentuellen Ueberdruck: ζ = z – 1, welcher allgemein am Ende der direkten Druckperiode beim Schließvorgang herrscht, leitet er [auf S. 162, Formel 22] die angenäherte Gl. ab: \zeta+1=z=1+\frac{2\,m}{1-m+m\,\frac{ia\,T}{2\,L}} . . (129a) Setzen wir hierin den von ihm angegebenen Grenzwert a=\frac{2\,g \cdot H_0}{i \cdot c_1} (siehe Gl. 127) ein, so ergibt zwar die Formel als Resultat die von Rateau aufgestellte Gleichung: z=\frac{2+m}{2-m} (siehe Gl. 3), also den angenäherten Wert von z[max. ideell]. Eine genaue Berechnung (also ohne die Annäherung der Gl. (2)) ergibt jedoch keinen einfachen Wert wie (126a), vielmehr einen ganz komplizierten Ausdruck. Obige Gleichung ist immerhin insofern interessant, als auf mathematischem Wege jene Tatsache bestärkt wird, die wir: bereits durch eine bloße Ueberlegung erkennen konnten; daß nämlich bei a=\frac{2\,L}{i\,T} und b = 0 die ungünstigsten Druckverhältnisse eintreten. Es wird z in Gl. (129a) um so größer, je mehr die Füllung a abnimmt; doch darf die Grenze a=\frac{2\,L}{i\,T} nicht unterschritten werden, da sonst der Schließ Vorgang keine ganze Druckperiode mehr in Anspruch nimmt. Setzen wir diesen Wert von a=\frac{2\,L}{i\,T} in obige Gleichung (129a) ein, so geht dieselbe in Gl. (76a) über. Also gerade bei dieser Beaufschlagung ist sie nicht mehr nur angenähert richtig, sondern gibt genaue Werte für x. ––––– Aus den Kurven von Fig. 13 und 14 ist auch der Verlauf der Schwankungen klar ersichtlich, den ein völliger oder partieller Schluß hervorbringt; also die Nachwirkungskurven für verschiedene a und b. Sie dienen als Illustration der früher hervorgehobenen Tatsache, daß die Nachwirkungskurven entweder einen oszillatorischen oder einen asymptotischen Verlauf nach dem Endzustand hin nehmen, je nachdem eine der Bedingungen von Gl. (65), (66) oder (67) erfüllt ist. Textabbildung Bd. 324, S. 508 Fig. 21. Abhängigkeit der h max von der Leitungslänge L nach verschiedenen Autoren. Textabbildung Bd. 324, S. 508 Fig. 22. Abhängigkeit der h max von der Schlußzeit T nach verschiedenen Autoren. Damit wir nach der Methode von Alliévi eine Proportionalität der verschiedenen Druckkurven erhalten, genügt es nicht, daß wir gleiches m haben wie bei Pfarr, sondern es muß auch die Größe \frac{L}{i\,T} gleichen Wert beibehalten, d.h. die Druckperioden müssen gleich groß sein. Die Kurven für verschiedene Anfangsfüllung a von ein und derselben Turbinenanlage haben nach der Methode Alliévis nichts miteinander gemein, während diese Kurven sich nach der Methode von Pfarr durch Verändern des Abszissenmaßstabes, aber unter Beibehaltung der Ordinaten, von einer für beliebiges a bereits konstruierten Kurve ableiten lassen. Entsprechend Fig. 5 sind in Fig. 20 die Schließkurven für verschiedene Werte von L, nämlich: L1 = 100 m; L2 = 200 m; L3 = 300 m; L4 = 400 m eingezeichnet. Wie schon die Theorie zeigt, wird bei linearem Oeffnen und Schließen der Verlauf der direkten Druckperiode durch die Größe von L nicht beeinflußt. Nur die Dauer der Periode \frac{2\,L}{i} hängt von L ab und wirkt bestimmend auf die Höhe des Ueberdruckes ein. Somit fällt z.B. die erste Druckperiode der Kurven für Lz = 200 m zusammen mit der ersten Hälfte der ersten Druckperiode der Kurven für L4 = 400 m. In Fig. 20 finden sich ferner für die verschiedenen Rohrlängen diejenigen Kurven eingezeichnet, welche zu dem beim einfachen Schließvorgang größtmöglichen Drucke gelangen. Dieser maximale Druck ist bestimmt durch Gl. (76), kann aber bloß von einer einzigen Füllung aus erreicht werden, nämlich a=\frac{2\,L}{i\,T}. Daraus geht klar hervor, daß diese Ausgangs-Füllung für verschiedene Rohrlängen verschiedene Größe hat. Ein Vergleich zwischen den nach verschiedenen Autoren erzielten Druckgrößen bei verschiedener Rohrlänge resp. verschiedener Schlußzeit soll uns durch Fig. 21 und 22 erleichtert werden. In Fig. 21 ist: L variabel gedacht, dagegen H 0 konstant = 100 m c 1 = 2 m/Sek. T = 2 Sek. Diese Werte von L sind in dieser Kurvenzeichnung als Abszissen aufgetragen und die zugehörigen Werte von Hmax resp. hmax als Ordinaten. Dagegen nimmt in Fig. 22 die Große der Verstelldauer T alle verschiedenen Werte an, während L = konstant = 200 m; hier sind also die Werte von T als Abszissen aufgetragen. Die Pfarrschen Kurven sind dieselben wie in Fig. 6 und 7 und sind schon dort besprochen worden. Die Kurve von Rateau (s. Gl. (3)) fällt in Fig. 21 anfänglich direkt mit der Pfarrschen zusammen, was keineswegs überraschend ist, wenn wir bedenken, daß beide Autoren von derselben Differentialgleichung ausgehen. Nur hat Rateau sich mit einer annähernden Lösung derselben begnügt, wodurch sich auch die Abweichung für große Werte von m ergibt. Bei L = 1962 m erreicht die hmax-Kurve von Rateau bereits das Unendliche. Sowohl die hmax-Kurven von Budau (siehe Gl. 5) als auch die in Obigem entwickelten Werte für Hmax (siehe Gl. 76) nehmen für wachsende Rohrlängen linear zu. Die Kurven nach Gl. (88) und (95), welche den Einfluß der Resonanz berücksichtigen, sind bereits früher besprochen worden (s. auch Fig. 18). Im allgemeinen stellt sich nun heraus, daß die nach den Gleichungen (76), (88) und (95) ermittelten Druckschwankungen viel höher ausfallen, als die für deren Berechnung bisher aufgestellten Formeln es vermuten ließen. Diese Erkenntnis steht mit mehreren in neuester Zeit in der Praxis gemachten Erfahrungstatsachen im Einklang und wird somit durch dieselben als zutreffend erklärt. Die Druckschwankungen bewegen sich hiernach tatsächlich in weit größeren Grenzen, als Gl. (74) dieses angibt. Der Grund hierfür ist im Einfluß der Elastizität zu suchen. Es soll daher im nächsten Abschnitt der Einfluß der Elastizität speziell untersucht werden. (Schluß folgt.)