Titel: Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen.
Autor: Otto Arendt
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 679
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Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen. Von Otto Arendt, Kaiserl. Telegrapheningenieur. (Fortsetzung von S. 647 d. Bd.) Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen. Kleinere Anstalten werden zu mehreren durch eine einzige Leitung verbunden, die mit Morseapparaten in Ruhestromschaltung betrieben wird, nach Fig. 28, einer Schaltung, bei welcher dauernd Strom in der Leitung fließt. Die Zeichen werden durch Stromunterbrechung gegeben; die Batterien sind auf die einzelnen Anstalten in kleineren Gruppen verteilt, so daß Isolationsfehler der Leitung weniger störend zur Geltung kommen. Für den Verkehr zwischen zwei größeren Anstalten dient meistens der leistungsfähigere und billigere Klopferapparat (Fig. 29)aus Karraß, Geschichte der Telegr. in Arbeitsstromschaltung nach Fig. 30. Für Arbeitsstrombetrieb ist vereinzelt auch noch der Morseapparat in Gebrauch. Der vom Telegraphierstrom durchflossene Elektromagnet des Morseapparates zieht hierbei einen Arm eines zweiarmigen Hebels an, wodurch ein am andern Arm befestigtes Farbrad gegen einen Papierstreifen gedrückt wird. Textabbildung Bd. 324, S. 679 Fig. 28. Zur Verwendung in Ruhestromleitungen wird in dem zweiten Arm des Morsehebels durch Anspannung einer Feder ein Gelenk derart frei gemacht, daß das Farbrad den Papierstreifen nicht bei angezogenem Anker berührt, sondern wenn der Anker infolge der Stromunterbrechung losgelassen wird. Der Anker des Klopfers ist ein einarmiger Hebel H (Fig. 29), dessen Ende eine durch die Gegenmutter g2 festzustellende Anschlagschraube s2 trägt, die beim Anziehen des Ankers auf die Anschlagsäule S1 schlägt. Bei der Rückkehr in die Ruhelage trifft der Ankerhebel den Anschlag s1. Durch die beim Auftreffen auf S1 und s1 hörbaren Schläge wird Anfang und Ende eines Zeichens für den aufnehmenden Beamten bemerkbar gemacht. Der Klopferapparat steht in einer Schallkammer, welche den Schall nach dem Ohr des Beamten richten und von der Umgebung möglichst fern halten soll. Textabbildung Bd. 324, S. 680 Fig. 29. O. Henrichsen in Kopenhagen hat eine neue Form für den Klopferapparat angegeben, die seinen Anschlag für die Umgebung ganz unhörbar macht. Elektromagnet und Anker werden sehr klein gemacht und in eine Metallhülse vollkommen eingeschlossen. Die Hülse ist durch ein kurzes Rohr mit einem verhältnismäßig langen Schalltrichter verbunden, an dessen Ende die Zeichen abgehört werden. Textabbildung Bd. 324, S. 680 Fig. 30. Um die Annehmlichkeit der Verteilung der Batterie über die ganze Leitung (Ruhestrom) mit der sichereren Zeichengebung des Arbeitsstromes auch für den Betrieb der kleineren Anstalten zu vereinigen, hat man, zuerst in Amerika, die Schaltung der Fig. 31 (amerikanischen Ruhestrom) getroffen. Der Arbeitskontakt der Taste wird während der Ruhe durch einen Umschalter überbrückt. Textabbildung Bd. 324, S. 680 Fig. 31. Morse- und Klopferapparat besitzen ein neutrales Elektromagnetsystem, das auf positive und negative Ströme in gleicher Weise anspricht. Die verabredeten Telegraphenzeichen werden durch einzeln und gruppenweise nacheinander abgesandte Ströme gleicher Richtung aber verschiedener Dauer hervorgebracht; (Einfachstrombetrieb). Die Zurückführung des vom Elektromagneten des Empfangsapparates beim Eingang eines Stromes angezogenen Ankers erfolgt durch regulierbare Federn. Diese an sich sehr einfache Betriebsweise hat den Nachteil, daß die für die Zeichengebung und für die Zeichentrennung auf den Anker des empfangenden Elektromagneten wirkenden Kräfte verschiedener Natur sind – mechanisch und elektromagnetisch –, daß sie daher nicht symmetrisch auf den Anker wirken, daß sie voneinander unabhängig sind und durch äußere Einwirkungen ganz verschiedenartig beeinflußt werden. Erfährt z.B. der ankommende Telegraphierstrom infolge von Isolationsschwankungen der Leitung Aenderungen, so muß die Spannung der Abreißfeder, deren Gegenkraft beim Anziehen des Ankers ja zu überwinden ist, neu reguliert werden. Dem Uebelstande wird dadurch abgeholfen, daß die Zurückführung des Elektromagnetankers bei der Beendigung eines Zeichens ebenfalls durch die Entsendung eines elektrischen Stromes und zwar eines solchen entgegengesetzter Richtung bewirkt wird. Der hierdurch gekennzeichnete Doppelstrombetrieb erfordert polarisierte Empfangsapparate, die auf positive und negative Ströme in verschiedenem Sinne ansprechen, z.B. Elektromagnete, deren weicher Eisenkern durch den einen Pol N (Fig. 32) eines Dauermagneten magnetisiert wird, während der Anker, der z.B. als eine zwischen den Polen des Elektromagneten schwingende Zunge s angeordnet sei, unter dem Einfluß des zweiten Poles S des Dauermagneten steht. Die Ankerzunge wird dann von demjenigen Pol des Elektromagneten angezogen, dem sie am nächsten steht (symmetrische Konstruktion und daher gleich starke magnetische Induktion auf beide Pole vorausgesetzt). Textabbildung Bd. 324, S. 680 Fig. 32. Sobald ein positiver Strom aus der Leitung kommend den Elektromagneten durchfließt, erregt er in dessen Pol n Südmagnetismus, schwächt also den vorhandenen Nordmagnetismus, während er in dem Pol n1 den vorhandenen Nordmagnetismus verstärkt, so daß sich die Zunge, wenn der Strom kräftig genug ist, gegen n1 bezw. gegen den Anschlag k1 legt. Werden die Zunge s und die Kontaktstücke k und k1 zur Schließung eines Ortsstromkreises, der Apparat also als Relais benutzt, so bewirkt ein positiver Strom die Schließung des Ortsstromkreises und an dem Morseapparat die Niederschrift eines Zeichens, indem der Elektromagnet E den Anker A anzieht und durch Hebelübertragung den Schreibstift St gegen den Papierstreifen P führt. (Zeichenstrom). Die Unterbrechung des positiven Stromes ändert hieran nichts, das Zeichen bleibt bestehen. Ein negativer Strom jedoch legt die Zunge s wieder um, trennt den Ortsstromkreis und beendet das Zeichen; (Trennstrom). Wenn nicht telegraphiert wird, muß also dauernd Trennstrom in die Leitung gesandt werden, um die Zunge s an k festzuhalten; ihre Umlegung gegen k1 erfordert um so größere Kraft, je näher k an n1 liegt, bezw. je weiter die Zunge s sich von der indifferenten Mittellage entfernt hat. Zur Erhöhung der Empfindlichkeit des Apparates hat man daher die Kontaktstücke k und k1, die auf einem zwischen n und n1 verschiebbaren Schlitten Sch angebracht sind, möglichst eng zusammenzuschrauben (bis auf Bruchteile eines Millimeters), und den Schlitten so einzustellen, daß sich die Relaiszunge möglichts genau in der neutralen Lage befindet, d.h. bei stromlosen Magnetumwindungen von beiden Polen gleich stark angezogen wird und sowohl an k wie an k1 liegen bleibt. Dann genügen äußerst geringe Ströme zur Umlegung der Zunge; aber auch auf erheblich stärkere Ströme spricht der Apparat sicher an, denn schwillt der Zeichenstrom an, weil z.B. Isolationsfehler der Leitung verschwinden, und erzeugt eine erhöhte magnetische Remanenz in den Magnetkernen, so ist auch der Trennstrom jetzt entsprechend kräftiger, da Zeichen- und Trennbatterie gleich stark sind. Ein polarisiertes Relais der beschriebenen Art ist auch mit Einfachstrom zu betreiben. Da in diesem Falle der Trennstrom fehlt, muß der Schlitten mit den Kontakten k und k1 (Fig. 32) so weit dem einen Pol genähert werden, daß die Zunge s bei stromloser Leitung dauernd von ihm angezogen wird. In neuerer Zeit werden auch Klopferapparate mit polarisiertem Elektromagnetsystem verwendet. Textabbildung Bd. 324, S. 681 Fig. 33. Der britische Ingenieur Viln hat einen polarisierten Klopfer angegeben, der insofern von der oben besprochenen und meist verbreiteten Bauart polarisierter Empfangsapparate abweicht, als der Anker auch noch unter der Einwirkung einer Abreißfeder steht. Für den Betrieb mit Einfachstrom erfolgt die Einstellung ähnlich wie beim nicht polarisierten Klopfer, so daß der vom Telegraphierstrom zu verstärkende Magnetismus des Dauermagneten die Gegenkraft der Abreißfeder zu überwinden hat. Für Doppelstrombetrieb stellt man den Anker und die Spannung der Feder so ein, daß die Anziehung durch den Dauermagneten gleich der Federspannung ist. Verändert der ankommende Strom den Dauermagnetismus, so zieht der Magnet den Anker z.B. nach unten, trotzdem hierbei die Federspannung wächst, denn es wächst mit der Annäherung an die Pole auch die Anziehungskraft des Magneten und zwar 4 mal mehr als die Federspannung. Aus diesem Grunde genügt es, durch einen kurzen schwachen Strom das Gleichgewicht zu stören und den Anker nur wenig nach der einen oder anderen Seite aus seiner neutralen Lage zu bewegen, um die vollständige Umlegung des Ankers gegen den einen oder den anderen Anschlagkontakt einzuleiten. Durch den Trennstrom wird die Wirkung des Zeichenstromes aufgehoben und der Anker zum anderen Anschlag zurückgeführt. Der Apparat macht die Entsendung von Strömen längerer Dauer (z.B. für den Morsestrich) entbehrlich und gestattet die Verwendung von Kondensatorströmen. Die Spulen des Klopferapparates sind differential gewickelt, was ihn z.B. für den Gegensprechbetrieb (der weiter unten besprochen wird) geeignet macht. Das Grundbrett ist als Resonanzboden ausgebildet. Die Vorteile des Doppelstromes sind, daß das Empfangsrelais neutral eingestellt werden kann und infolgedessen empfindlicher und schneller arbeitet, daß der Einfluß des remanenten Magnetismus vermindert oder ganz beseitigt wird, daß ferner Schwankungen in der Stärke des ankommenden Stromes in gewissen Grenzen zugelassen werden können, ohne den Empfang der Zeichen zu stören, daß fremde Ströme, z.B. die aus Nachbarleitungen induzierten Ströme, den Empfangsapparat weniger beeinflussen können und schließlich, daß die elektrische Ladung, welche der Leitung durch jeden Stromstoß erteilt wird, durch den folgenden Strom, der immer die entgegengesetzte Richtung hat, sofort wieder vernichtet wird. Textabbildung Bd. 324, S. 681 Fig. 34. Textabbildung Bd. 324, S. 681 Fig. 35. Dieser letztere Vorzug kommt hauptsächlich dem Betriebe langer Kabel zugute, denn dieser leidet erheblich unter den nachteiligen Einwirkungen der elektrostatischen Ladung des Kabels. Jedes kleinste Teilchen eines Kabelleiters bildet mit dem in demselben Querschnitt mit ihm liegenden Teilchen der Schutzhülle und der benachbarten Adern einen Kondensator. Der in ein Kabel eindringende elektrische Strom hat deshalb nicht nur den Ohmschen Widerstand des Leiters zu überwinden, sondern er muß an jeden dieser kleinen Kondensatoren eine gewisse Menge Elektrizität abgeben und auf Nachschub aus der Stromquelle warten, bis er zum nächsten Leiterteil vorzudringen vermag. Die Elektrizität gelangt so gewissermaßen nur schrittweise durch das Kabel und es bedarf einer vom Leitungswiderstand R und der gesamten Kapazität C abhängigen Zeit, bevor der am Anfang in das Kabel gesandte Strom am Ende wahrnehmbar wird. Diese Zeit wird als die Zeitkonstante des Kabels bezeichnet und ist nach Thomson τ = C . R . 0,02915 . 10– 6 Sek. In Fig. 33 geben die Kurven 1, 2, 3 usw. den Verlauf des am Kabelende ankommenden Stromes für den Fall, daß der Kabelanfang für die Dauer von 1τ, 2τ, 3τ Sek. usw. mit der Batterie in Verbindung gestanden hat. Je empfindlicher der Empfangsapparat ist, um so schneller spricht er auf den allmählich ansteigenden Strom an; je steiler die Stromkurve abfällt, um so eher ist der Apparat für den Empfang eines neuen Zeichens bereit; je geringer der erste Anstieg der Kurve war, um so schneller erreicht sie die Nullinie wieder. Die Kabeltelegraphie erfordert also möglichst empfindliche Empfangsapparate, um kurze und wenig hoch ansteigende Stromstöße verwenden zu können, sowie Vorkehrungen, nach der Absendung eines Stromstoßes das Kabel schleunigst wieder zu entladen. Dabei bleibt für die Telegraphiergeschwindigkeit immer die Zeitkonstante des Kabels maßgebend. In zwei verschiedenen Kabeln verhalten sich die Telegraphiergeschwindigkeiten umgekehrt wie die Zeitkonstanten, also umgekehrt wie die Produkte aus Kapazität und Widerstand. Aus vorstehendem erhellt der Vorteil des Doppelstrombetriebes für Kabelleitungen. Fig. 34 erläutert das Prinzip einer zur Entsendung von Doppelstrom geeignete Doppeltaste, wie sie im Kabelbetriebe verwendet wird. Die beiden Hebel h1 und h2, um die Achse aa' drehbar, sind durch die isolierenden Hartgummiteile i verbunden und werden beim Druck auf den Knopf h gemeinschaftlich bewegt. In der in Fig. 34 gezeichneten Ruhelage ist der positive Pol der Batterie mit der Leitung, der negative mit Erde verbunden; es fließt positiver Trennstrom in die Leitung. Wird die Taste bei h niedergedrückt, so werden die Batteriepole umgetauscht, so daß negativer Zeichenstrom in die Leitung fließt. Als Empfänger für Doppelstrombetrieb kommen die oben erwähnten polarisierten Klopfer und Relais in Frage. Ferner findet für längere Kabel vielfache Anwendung der Undulator von Lauritzen, der bereits Ströme von weniger als 0,1 Milliamp. anzeigt. Zwischen den ganz eng zusammen zu schiebenden Polschuhen P des Empfangselektromagneten (Fig. 35) schwingt um eine senkrechte Achse der polarisierte Anker, der aus zwei sehr leichten, mit den entgegengesetzten Polen zusammengelegten kleinen Stabmagneten NS besteht und einen Glasheber H aus Kapillarrohr trägt. Mit Hilfe der aus einem Farbbehälter F aufgesaugten Farbe schreibt der lange Arm dieses Hebers die Abweichungen des Ankers aus der Ruhelage vergrößert auf einen sich abrollenden Papierstreifen Str. (Fortsetzung folgt.)