Titel: TELEFUNKEN-KOMPASS.
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 538
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TELEFUNKEN-KOMPASS. Telefunken-Kompass. Inhaltsübersicht. Beschreibung eines Kompasses für die drahtlose Telegraphie. –––––––––– Ein schwieriges aber äußerst wichtiges Problem besteht für Schiffe, Lenk- und Freiballons und dergl. darin, ihre augenblickliche Stellung oder ihren Kurs bei unsichtigem Wetter festzustellen. Die drahtlose Technik erschien seit langer Zeit als ein geeignetes Mittel und es wurden zahlreiche Methoden bereits angegeben, welche für diesen Zweck die neue Signalmethode nutzbar machen sollten. Man fand eine Reihe von Lösungen, die indessen bisher nie so befriedigten, daß sie zu einer erheblichen praktischen Anwendung führten. Die Aufgabe, etwas genauer präzisiert, besteht darin, die relative Lage einer beweglichen drahtlosen Station zu einer oder zu mehreren festen Stationen durch irgend eine Messung aufzufinden. Zwei prinzipiell verschiedene Wege erschienen von vornherein gangbar. Der eine besteht darin, daß die bewegliche Station, die sich orientieren will, nach den festen Stationen hin Signale sendet und die festen Stationen rückmelden, aus welcher Richtung sie diese Signale aufgenommen haben. Es wird also die eigentliche Ortsbestimmung hierbei in den festen Stationen ausgeführt und das Resultat auf drahtlosem Wege der beweglichen Station mitgeteilt. Das zweite Verfahren besteht darin, daß die festen Stationen Signale geben, und die beweglichen feststellen, aus welcher Richtung die Signale bei ihr ankommen. Bei beiden Verfahren ist es selbstverständlich notwendig, daß die eine der Stationen, also entweder die feste oder die bewegliche, die elektrischen Fernwirkungen nicht nach allen Seiten gleichmäßig abgeben bezw. aufnehmen, sondern mit gerichteter Telegraphie arbeiten. Eine Richtungsgebung wird bekanntlich durch besondere, nicht symmetrisch angeordnete Antennen ermöglicht, welche einseitig wirken. Solche Antennen sind wesentlich komplizierter als ungerichtete symmetrische und beanspruchen eine größere Installationsfläche bezw. einen größeren Installationsraum. Dieser ist aber bei beweglichen Stationen, auf Schiffen oder in Lenk- und Freiballons selten vorhanden. Solche Antennen bilden in jedem Falle eine höchst unvollkommene Komplikation, die nicht ohne störenden Einfluß auf die Betriebsverhältnisse des Schiffes oder des Ballons bleibt. Es folgt hieraus, daß Aussicht für erhebliche praktische Anwendung nur eine Methode haben kann, welche bei der beweglichen Station auf die Anbringung gerichteter Antennen verzichtet. Trotz dieser Sachlage ist, wenn auch vereinzelt, bei der französischen Handelsflotte eine Anordnung eingeführt worden, welche mit gerichteten Antennen an Bord der Schiffe arbeitet, und zwar mit zwei Doppelantennen, deren Ebenen im Winkel von 90° gekreuzt sind. Es ist dies die Anordnung von Bellini-Tosi, bei welcher der Empfangsapparat mit der eben beschriebenen Antenne unter Zwischenschaltung eines sogen. „Radiogoniometers“ verbunden ist. Die Orientierung der Schiffe erfolgt dann in der Weise, daß sie beim Vorbeifahren an den Küstenstationen durch Drehung des Radiogoniometers feststellen, aus welcher Richtung die Signale der festen Station am stärksten oder am schwächsten eintreffen. Mit Hilfe der Karte, auf welcher die festen Stationen eingezeichnet sind, läßt sich auf diese Weise eine Ortsbestimmung der Empfangsstation ausführen. Der Nachteil dieser Anordnung besteht einmal darin, daß die Schiffsstationen unbequeme und komplizierte Antennen, und nicht normale Empfangsapparate einführen müssen, und andererseits, daß eine individuelle verschiedene Eichung dieser „Kompaßeinrichtung“ bei jedem einzelnen Schiff ausgeführt werden muß. In Rücksicht nämlich auf die geringen Breitenmaße der Schiffe, die nur kleine Antennengebilde zulassen, sind für das Bellini-Tosi-Verfahren sehr kurze Wellenlängen notwendig. Kurze Wellen haben aber bekanntlich die Eigenschaft, von leitenden Flächen leicht reflektiert und damit aus ihrer ursprünglichen Richtung gebracht zu werden. Ein großes Schiff mit seinen gewaltigen Metallmassen besitzt stets zahlreiche Möglichkeiten der Reflexion und die so hervorgerufenen Abweichungen müssen durch individuelle Eichung (ähnlich wie beim Magnetkompaß) beseitigt werden. Wesentlich einfacher und zweckmäßiger erscheint demnach für die praktische Einführung das andere Verfahren, wonach feste Stationen gerichtete Signale senden und der bewegliche Empfänger mit einer ungerichteten Antenne ausgerüstet, die Richtung feststellt, aus welcher die Signale kommen. Die eben angeführten Ueberlegungen hat vor zwei bis drei Jahren bereits das Preußische Ministerium der öffentlichen Arbeiten angestellt und hat dementsprechend ein Verfahren ausgearbeitet, Monatelange Versuche wurden in der Nähe Berlins am Müggelsee angestellt und hierbei an zwei festen Punkten Sender mit gerichteten Antennen errichtet, welche aus sehr vielen einzelnen Drähten bestanden. Die Senderantenne bestand beispielsweise aus 32 niedrigen Masten, welche auf den Umfang eines Kreises von etwa 200 m in gleichen Abständen aufgestellt waren. Von je zwei gegenüberliegenden Masten wurden die Zuleitungen zu dem in der Mitte des Kreises befindlichen Apparatenraum geführt. Die Senderapparate wurden nun zeitlich nacheinander mit jedem dieser Antennenpaare verbunden und von jedem Antennenpaar aus ein anderer Buchstabe oder ein anderes Signal abgegeben. Befand sich ein gewöhnlicher Hörempfänger mit ungerichteter Antenne in der Ebene des Mastpaares, mit welchem in dem betreffenden Augenblick gearbeitet wurde, so erhielt dieser Empfänger die Maximalenergie. Das Mastenpaar arbeitet nämlich mit einer solchen Wellenlänge, daß die Wirkung, welche von dem vorderen und von dem hinteren Mäste mit entgegengesetzter elektrischer Phase ausgeht, sich in dieser Ebene addiert. (Die halbe Wellenlänge war annähernd gleich dem Mastabstand gewählt worden.) Befindet sich dagegen der Empfänger genau senkrecht zu der Ebene des benutzten Mastenpaares, so treffen gleichzeitig die beiden von den Masten ausgehenden und in entgegengesetzter Phase schwingenden elektrischen Senderwirkungen auf den Empfänger und heben sich auf. Die Anordnung wurde so gewählt, daß mit jedem Antennenpaar und damit bei jeder Raumstellung ein anderer Buchstabe abgegeben wurde. Der Empfänger mußte nun im Telephon feststellen, welcher Buchstabe am leisesten oder am lautesten ankam. Auf einer Karte werden die Orte des Senders eingezeichnet, ferner die einzelnen Antennenpaare und die verschiedenen Buchstaben der einzelnen Antennenpaare. Sind zwei solcher Sender in bestimmten Abständen vorhanden, so kann der Empfänger die beiden zugehörigen Richtungen feststellen und diese dann auf der Karte so einzeichnen, daß der Schnittpunkt dieser Linie seine augenblickliche Stellung angibt. Bei diesem Verfahren war der Telegraphist genötigt, einerseits die Lautstärke verschiedener Signale sich zu merken, andererseits aber auch den zugehörigen Buchstaben. Je mehr Antennen benutzt wurden, um so genauer konnte zwar die Richtung festgelegt werden, um so zahlreichere Signale mußte aber der Telegraphist auseinanderhalten. Von diesen Versuchen ausgehend, hat Telefunken eine neue Methode ausgearbeitet. Die Tätigkeit des Telegraphisten ist hierbei erheblich erleichtert. Die Sendereinrichtung ist im großen und ganzen beibehalten, nur wird der eben beschriebenen gerichteten Senderantenne noch eine zweite ungerichtete hinzugefügt. Stets vor Beginn der Arbeit des gerichteten Senders wird der Senderapparat an die ungerichtete Antenne geschaltet und es wird mit dieser ein kurzes Signal, das im folgenden als „Zeitsignal“ bezeichnet werden soll, abgegeben. Alsdann wird durch eine selbsttätige Schaltvorrichtung der Sender mit den einzelnen gerichteten Antennenpaaren verbunden und gibt in zeitlich regelmäßigen Abständen mit jeder der gerichteten Einzelantennen ein kurzes Zeichen. Dieses Zeichen ist für alle gerichteten Antennen das gleiche. Die gerichteten Signale beginnen stets mit einer bestimmten Antenne, z.B. der Nord-Südantenne und gehen dann im Sinne des Uhrzeigers mit konstanter Geschwindigkeit der Stoppuhr. Textabbildung Bd. 327, S. 540 Fig. 1. Der normale Empfänger der sich orientierenden Station erhält einen neuen Zusatzapparat in Gestalt einer mit der Drehgeschwindigkeit des Senders synchronen Anzeigevorrichtung. Diese ist als „Stoppuhr“ ausgeführt, welche nicht in Grade geteilt ist, sondern in Himmelsrichtungen wie eine Windrose. Der Anfangspunkt der Stoppuhr ist mit derjenigen Himmelsrichtung bezeichnet, mit welcher der gerichtete Sender seine Drehbewegung anfängt, also in unserem Falle beispielsweise mit der Nord-Süd-Richtung. Der Telegraphist hört das Zeitsignal des Senders, drückt auf die Stoppuhr, so daß der Zeiger seine Bewegung anfängt. In diesem Moment gehen vom Sender gerichtete Signale in der Nord-Süd-Richtung aus und die Zeigerdrehung der Stoppuhr beginnt. Hört der Telegraphist das Minimum der Lautstärke, so arretiert er die Stoppuhr. Ihr Zeiger steht dann auf derjenigen Richtung, in welcher der Sender das mit minimaler Lautstärke angekommene Signal abgab. Die Umdrehungsgeschwindigkeit des Senders bezw. der Stoppuhr beträgt eine halbe Minute, so daß beispielsweise in fünf Minuten zehn vollkommene Drehungen und demnach zehn vollkommene Messungen der Lautstärke ausgeführt werden. Der Mittelwert hat dann eine erheblich größere Genauigkeit, als bei einer einzigen Messung. Die Sendereinrichtungen erhalten selbsttätigen Antrieb, besonderes Bedienungspersonal ist daher unnötig. Die Tätigkeit des Telegraphisten an der Empfangsstation ist auf die Feststellung des Minimums der Lautstärke und auf das Ingangsetzen und Arretieren einer Stoppuhr beschränkt. Ist nur ein fester Sender vorhanden, so läßt sich nur ungefähr die Richtung des beweglichen Empfängers zu diesem festlegen und es muß, wenn eine eindeutige Ortsbestimmung erzielt werden soll, noch eine Abstandsbestimmung von der festen Station hinzugefügt werden. Bei Schiffen auf See ist dies beispielsweise durch Lotungen oder dergl. möglich. Sind zwei feste Stationen vorhanden, so werden vom Empfänger zwei Richtungsbestimmungen ausgeführt, diese auf der Karte eingetragen und der Ort des Empfängers als Schnittpunkt der beiden Richtungen gefunden. Die Genauigkeit wird um so größer sein, je kleiner die Entfernung des Empfängers von der oder den festen Stationen ist und je mehr der beobachtete Richtungswinkel sich 90° nähert. Textabbildung Bd. 327, S. 540 Fig. 2. Nach den bisherigen Ergebnissen scheint es möglich zu sein, für einen festen Sender den Winkel bis auf 3 oder 4° genau zu bestimmen. Die neuen von der Gesellschaft für drahtlose Telegraphie für Richtungsbestimmungen ausgearbeiteten Apparate bestehen aus speziellen Sendeeinrichtungen mit besonderen Antennen. Dazu kommen besonders geeichte Stoppuhren für den sonst normalen Hörempfänger. Die ganze Einrichtung wird als Telefunken-Kompaß bezeichnet. Fig. 1 und 2 zeigen das Modell der Senderantenne und die zugehörige Form der Stoppuhr. Die praktische Einführung dieser Methode für die deutsche Luftschiffahrt würde sich etwa folgendermaßen gestalten: Man würde z.B. an der politischen Grenze Deutschlands eine Kette von festen Stationen mit je 50 bis 100 km Abstand errichten, so daß die größte Entfernung für die Stationen an Bord der Luftschiffe von diesen Stationen beim Ueberfliegen der Kette höchstens 50 km betragen würde. Hierdurch würden die Insassen der Luftfahrzeuge nicht allein die Tatsache der Grenzüberschreitung in ihrem Empfangsapparat beobachten, sondern eine genaue Feststellung ihres augenblicklichen Standpunktes sehr leicht bewerkstelligen können. Eine ähnliche Kette von Stationen, ebenfalls mit 100 km Abstand an der Nordküste Deutschlands installiert, würde die Luftschiffer vor der Gefahr eines unbeabsichtigten Ueberfliegens der See schützen. Textabbildung Bd. 327, S. 541 Fig. 3. Man benötigt für die Westgrenze etwa 15, für die Nordseeküste 4 bis 5 und für die Ostseeküste 5 Stationen. Der Bedarf an elektrischer Energie für jede dieser Richtstationen würde weniger als ½ KW betragen. Die Stationen würden in oder in der Nähe größerer Städte bezw. Ortschaften installiert werden und die Energie könnte daher aus vorhandenen Elektrizitätswerken entnommen werden. Zum Tragen der Antenne würden sich in den meisten Fällen vorhandene Schornsteine oder dergl. benutzen lassen. Personal für die Wartung der Stationen wäre unnötig, da diese selbsttätig arbeiten. Fig. 1 zeigt einen Hauptteil der inneren Einrichtung einer solchen Senderstation, nämlich die selbsttätige Umschaltung auf die einzelnen Richtantennen. Man sieht eine senkrechte Achse aus Isolationsmaterial, an deren oberem Ende kreisförmig eine Reihe von Anschlußpunkten auf Isolatoren installiert sind. Mit diesen sind die einzelnen Richtantennen elektrisch verbunden. Zwei durch den unten sichtbaren Motor in langsamer Rotation erhaltene Kontakte verbinden in regelmäßigen Zeitintervallen die in der Figur nicht sichtbare Sendeapparatur mit den 32 verschiedenen Antennen zeitlich nacheinander. Durch das Getriebe zwischen Motor und Schaltapparat wird nach jeder halben Umdrehung die Sendeapparatur an die nicht gerichtete Zeitantenne einen Augenblick lang angeschlossen. Eine weitere von Telefunken herrührende Verbesserung, nämlich eine neue Antennenanordnung für Richtsender ist in Fig. 3 dargestellt. Von einem einzigen neutralen Mast, Schornstein oder dergl. wird in der Mitte eine Schirmantenne in der üblichen Weise getragen, welche zur Abgabe der Zeitsignale dient. Unter dieser, und zwar durch Isolatoren von den Schirmdrähten getrennt, sind die Drähte der Richtantennen installiert, welche außen an niedrigen Masten oder Pfählen verankert sind. Eine solche Senderanordnung wurde in Gartenfelde bei Spandau installiert, wobei die Masthöhe etwa 20 m beträgt. Der Vorteil dieser Anordnung besteht darin, daß ein einziger Mast beide Antennen trägt. Die Skizze oben links auf der Fig. 3 zeigt schematisch die Orientierung eines Schiffes nach zwei Richtstationen an der Küste. Oben rechts Fig. 3 ist schematisch die Wirkung des Kontaktapparates zur Darstellung gebracht, welcher den Sendeapparat nacheinander mit den Richtantennen verbindet, bei einer bestimmten Stellung aber mit der Zeitsignalantenne.