Titel: POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 809
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. Polytechnische Rundschau. Moderne Dampfkesseleinmauerung. Es wäre eine falsche Sparsamkeit, wenn man die Einmauerung eines Dampfkessels ohne sachkundige Leitung ausführen ließe. Es wird einem Laien kaum möglich sein, alle Punkte gebührend zu berücksichtigen, die die Güte der Anlage beeinflussen. Diese in Betracht kommenden Gesichtspunkte könnte man in zwei Gruppen zerlegen. Die erste Gruppe bezieht sich auf die Ausführung der Mauerung in Rücksicht auf Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer, die zweite Gruppe auf zweckentsprechende Anlage der Züge zur Erzielung eines hohen Wirkungsgrades. Bei der bautechnischen Ausführung sind zunächst die bestehenden Polizeivorschriften zu berücksichtigen. Zwischen den Wänden, die den Feuerraum und den Kessel umgeben, und den Außenwänden muß ein Zwischenraum von 80 mm verbleiben. Die Züge müssen befahrbar sein. Eine Mauer, welche die Züge benachbarter Kessel trennt, muß mindestens 340 mm stark sein. Das Kesselmauerwerk darf nicht zur Unterstützung anderer Gebäudeteile dienen. Die Erfahrung liefert die weiteren Bauregeln. Bei der Fundamentierung werden Mauerstein und Kalkzementmörtel, bei der Einmauerung Mauersteine und Lehmmörtel verwandt, da Kalkzementmörtel Eisenteile bei der Berührung zum Rosten bringt. Feuerraum, erster Feuerzug, hintere Stirnwand und bisweilen auch der erste Teil des zweiten Zuges werden mit Schamottesteinen verkleidet. Die Wände über dem Rost müssen glatt ansteigen, da Vorsprünge von den Feuergasen zerstört werden. Die durch Mauerwerk gehenden Kesselteile sind nicht fest einzumauern, indessen müssen die Stellen, an denen sie das Mauerwerk durchdringen, abgedichtet werden. Die Befestigung der Kessel erfolgt durch Aufhängung oder Anbringen von Füßen. Die Verankerung muß in Berücksichtigung der fortwährenden Wärmeschwankung stark genug sein. Die Außenwand wird mit Vorteil nach dem Bogensystem hergestellt, wie die Figur zeigt. In dieser ist a die Wand, die den Feuerraum umgibt, b der Luftraum, c konkave Bögen, die den Druck auf die ⊥-Eisen d übertragen. Letztere werden durch Rundeisenanker e zusammengehalten, die an den Ecken der Anlage verschraubt sind. Textabbildung Bd. 327, S. 810 Die Führung der Rauchgase ist mitbestimmend für den Wirkungsgrad des Kessels. Bei Flammrohrkesseln kann dieselbe in folgender Weise erfolgen. Vom Rost ziehen die Heizgase durch die Flammrohre zur Rauchkammer am Ende des Kessels. Von dort gehen sie durch den einen Seitenzug nach vorn, dann durch den anderen Seitenzug wieder nach hinten und in den Fuchs. Bei dieser Führung wird eine Seite des Kessels stärker beheizt als die andere. Hierdurch tritt die zur guten Wärmeübertragung notwendige Wasserbewegung ein, und zwar senkrecht zur Kesselachse. Die früher gebräuchliche Führung der Gase durch die Flammrohre zur Rauchkammer und dann durch zwei Seitenzüge zurück und durch den Unterzug zum Fuchs ruft bei der gleichmäßigen Erwärmung beider Kesselseiten eine geringere Bewegung hervor. Von guter Wirkung ist hingegen die Führung durch die Flammrohre zur Rauchkammer und von da aus durch einen konischen Unterzug zurück, dessen breites Ende der Rauchkammer zugekehrt ist, so daß das dort liegende Kesselende mehr beheizt ist, was eine Wasserbewegung in Richtung der Kesselachse hervorruft. Durch zwei Seitenzüge strömen dann die Gase von vorn zurück zum Fuchs. Bisweilen bringt man zur Trocknung des Dampfes einen Oberzug an. Eine Verstärkung des Wasserumlaufs senkrecht zur Kesselachse bezwecken Einbauten in dem einen Seitenkanal, welche mehrfache Richtungsänderung, gute Durchwirbelung der Gase und intensive Wärmeübertragung bewirken. Wiederum wird eine Kesselseite stärker erwärmt als die andere. Die Aschenkammer legt man praktisch an den Stellen an, an denen die Rauchgase ihre Richtung ändern. Bei Wasserrohr- und Steilrohrkesseln erreicht man eine Gasführung durch Einbau von gußeisernen Platten und Schamottewänden zwischen den Rohren. Diese Lenkplatten stellen Feuerzüge her. Steilrohrkessel erfordern bei der ständigen Längenänderung der Rohre eine elastische Lagerung des Unterkessels. Der Gefahr, daß infolge dieser Lagerung zu viel Heizfläche verloren geht oder die Feuergase einen falschen Weg unter dem Unterkessel hindurchnehmen, begegnet eine Abdichtung der Kosmos G. m. b. H. Die Beheizung der Ueberhitzer erfolgt bei den Flammrohrkesseln von der Rauchkammer aus und kann durch Klappenregelung verstärkt bzw. abgeschwächt werden. Auch bei Wasserrohrkesseln gelangen die Feuerungsgase meist aus dem ersten Zug an den Ueberhitzer. [Zeitschr. für Dampfkessel- und Maschinenbetrieb Nr. 35 und 36.] Schmolke. ––––– Die Wahl einer Betriebskraft. Bei den vielen Arten von Kraftmaschinen, die uns heute zur Verfügung stehen, ist die Wahl der zweckmäßigsten selbst für den Fachmann selten eine leichte Aufgabe. Meist ist man vor die Aufgabe gestellt, die Kraftmaschine zu wählen, die unter Berücksichtigung der örtlichen und der besonderen Verhältnisse die geringsten Betriebskosten ergibt. Die Betriebskosten setzen sich nun aus unmittelbaren und mittelbaren zusammen. Zu den ersteren gehören die Ausgaben für Brennstoff, elektrischen Strom, Wasser, Schmier- und Putzmittel, für Instandhaltung und Ausbesserungen, sowie die Ausgaben für Verwaltung und Bedienung. Zu den mittelbaren Ausgaben gehören Verzinsung und Abschreibung des Anlagekapitals, sodann Steuern, öffentliche Abgaben, Feuerversicherung usw. Durch die Einführung der Sauggas- und Diesel-Maschinen, sowie durch die Anwendung hochgespannten Heißdampfes ist der früher so bedeutende wirtschaftliche Vorsprung des zentralisierten Großbetriebes erheblich geringer geworden. Schon Kraftanlagen mittleren, ja selbst kleineren Umfanges ermöglichen heute einen einfachen und billigen Betrieb. I. Reine Kraftbetriebe. Bei guter Ausnutzung einer Wärmekraftanlage entfällt der Hauptteil der Betriebskosten meist auf die Brennstoffausgaben. F. Barth hat nun in mehreren Zahlentafeln Gewichts- und Wärmepreise verschiedener Brennstoffe, sowie den Wärmeverbrauch und Wirkungsgrad verschiedener Kraftmaschinen zusammengestellt. Nach diesen Tafeln ergeben, abgesehen von dem auf Hüttenwerken und Kokereien als Nebenprodukte gewonnenen Gicht- und Koksofengas, für feste Brennstoffe die Stein- und Braunkohlen den niedrigsten Wärmepreis. Von den flüssigen Brennstoffen weist das beim Verkoken von Steinkohle abfallende Teeröl den niedrigsten Preis auf. Die beste Wärmeausnutzung ist in der Diesel-Maschine gegeben, die schlechteste dagegen in der Dampfanlage. In einer Anzahl von Schaulinien gibt Verfasser eine Uebersicht über den spezifischen Wärmeverbrauch von Dampfkraft-, Diesel- und Sauggasanlagen, von Leuchtgas-, Benzin-, Benzol- und Naphthalinmotoren bei verschiedenen Belastungen, über den mittleren prozentualen Mehrverbrauch bei Teilbelastungen, sowie über die Kosten des PS-Jahres und der PS-Stunde für einen durchschnittlich ¾ belasteten 200 PS-Teeröl-Diesel-Motor. Im Falle der Wahl einer Dampfanlage sind im allgemeinen für kleine Leistungen die Lokomobilen, für mittlere Leistungen diese oder ortfeste Kolbendampfmaschinen und für große Leistungen und ganz besonders zum Antrieb raschlaufender Maschinen die Dampfturbinen zu empfehlen. Bei Verbrennungsmaschinen wird man sich für kleinere Anlagen in der Regel zwischen Leuchtgas-, Benzin- oder Naphthalinmotoren zu entscheiden haben. Für mittlere und größere Anlagen hingegen sind Diesel-Maschinen oder unter Umständen Gasmaschinenanlagen zu bevorzugen. Zugunsten der Dampfanlage sprechen größere Betriebssicherheit, große Ueberlastbarkeit, die Unabhängigkeit von einem bestimmten Brennstoff, sowie auch der niedrigere Anschaffungspreis. Zugunsten von Verbrennungsmaschinen rauch- und rußfreier Betrieb, geringer Platzbedarf, geringer Wasserbedarf, stete Betriebsbereitschaft, sowie auch der Vorzug, daß diese Maschinen in jedem Raum aufstellbar sind. II. Kraftbetrieb mit Abwärmeverwertung. Besonders wirtschaftlich gestaltet sich der Betrieb von Kraftanlagen, wenn außer Kraft auch gleichzeitig Wärme zum Heizen, Kochen, Trocknen, sowie zum Erwärmen von Luft und Wasser gebraucht wird. Hier ist die Dampfanlage sehr im Vorteil, da auch unabhängig vom Betriebe der Kraftmaschine Dampf entnommen werden kann. Bei Verbrennungsmaschinen kann das Kühlwasser durch die Auspuffgase weiter erwärmt werden. In mehreren Tafeln gibt Verfasser eine Uebersicht über die Wärmebilanz verschiedener Wärmekraftmaschinen. Es zeigt sich, daß bei Dampfmaschinen weit mehr Abwärme zur Verfügung steht, als bei Verbrennungsmaschinen, und zwar können bei Kondensations-Dampfmaschinen von 200 PS etwa 3000 WE, bei Auspuffmaschinen etwa 4500 WE und bei Verbrennungsmaschinen ohne Berücksichtigung der Kühlwasserwärme nur etwa 300 bis 500 WE für das Stundenpferd gewonnen werden. Bei voller Verwertung der an das Kühlwasser abgegebenen Wärme, die sich in der Praxis aber meist nicht voll ausnutzen läßt, beträgt die gesamte Wärmeausnutzung bei der Gasmaschine 84 v. H. und bei der Diesel-Maschine 78,5 v. H. gegenüber 72,6 v. H. bei der Auspuffdampfmaschine und 71,6 v. H. bei der Kondensationsmaschine. III. Wärmekraftmaschine oder Elektromotor? Von großem Einfluß auf die Wahl des Motors ist hier die jährliche Betriebsdauer. Diese ist verschieden, je nachdem es sich um einen landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betrieb handelt. Auch in gewerblichen Betrieben schwankt die Betriebsdauer innerhalb weiter Grenzen. Es ist daher stets von Fall zu Fall auf Grund der besonderen Verhältnisse des betreffenden Betriebes die Zahl der Betriebsstunden zu ermitteln. In vielen Zahlentafeln hat F. Barth die Betriebskosten von Leuchtgas-, Benzin-, Naphthalin-, Diesel- und Elektromotoren für verschiedene Leistungen unter Zugrundelegung normaler Brennstoff- und Strompreise ausgerechnet. Der Elektromotor empfiehlt sich besonders da, wo die jährliche Betriebsdauer verhältnismäßig kurz ist, ebenso kommen für ganz kleine Leistungen in der Regel nur Elektromotoren in Betracht. Aber selbst für Leistungen von 100 PS und darüber kann der Elektromotor mit Wärmekraftmaschinen in Wettbewerb treten. Als Vorzüge des Elektromotors kommen noch in Betracht; das An- und Abstellen des Motors ist das Werk eines Augenblicks, und man kann sich daher ganz dem Arbeitsbedürfnis anpassen, der geringe Platzbedarf, ruhiger und stoßfreier Gang, Fortfall jeglicher Rauch- und Rußbelästigung und der geringe Anschaffungspreis. Ebenso kann der Elektromotor fast unbeschadet seiner Wirtschaftlichkeit größer gewählt werden als es der augenblickliche Kraftbedarf erfordert, da der Mehrverbrauch an Strom bei Teilbelastung nur ganz gering ist. [Zeitschr. des Vereines deutscher Ingenieure 1912, Heft 40, 41 und 42.] Rose. –––––––––– Die Entwicklung der Spiralbohrer. Der von Martignoni erfundene Spiralbohrer erlangte erst ziemlich spät die diesem so wichtigen, durch einfaches Nachschleifen immer wieder regenerierbaren Werkzeuge gebührende Beachtung und brachte daher auch seinem Erfinder nicht den erhofften Gewinn. Um so mehr setzten nachher die Bestrebungen ein, ihn nach verschiedenen Richtungen hin zu verbessern. H. Rohde gibt eine geschichtliche Darstellung seiner Entwicklung an Hand der sich darauf beziehenden Patente und Gebrauchsmuster. Der einfache, aus dem Vollen gefräste Spiralbohrer (Fig. 1), wie er heute noch in überwiegendem Maße vorkommt, hat bezüglich der Profilierung der Nutenform, sowie der Steigung der Spirale doch recht viele eingehende Untersuchungen nötig gemacht, um die größte Schneidfähigkeit bei höchster Festigkeit des Bohrers und trotzdem leichtester Spahnabführung – also reichlichem Nutenquerschnitt – zu ermitteln. Textabbildung Bd. 327, S. 811 Fig. 1. Textabbildung Bd. 327, S. 811 Fig. 2. Textabbildung Bd. 327, S. 811 Fig. 3. Textabbildung Bd. 327, S. 811 Fig. 4. Textabbildung Bd. 327, S. 811 Fig. 5. Der wichtigen Frage der Kühlwasser- bzw. Schmiermittelzuführung beim Bohren tiefer Löcher suchte man durch Einarbeiten von Kanälen zu erreichen, die vom Einspannende des Bohrers bis zu seiner Spitze verlaufen und durch welche das Kühlwasser gedrückt wird. Bei der bekanntesten Form (Fig. 2) werden am Umfange des Bohrers spiralig zur Längsachse verlaufende Rillen gefräst und in diese Messingröhrchen oberflächlich eingelötet. Aehnlich wie bei Fräsern wollte man eine verbesserte Schneidfähigkeit durch Unterteilung der Spanbreite erreichen. Zu diesem Zwecke erhalten die Nuten eine solche Form, daß an der Schneidkante ein Absatz entsteht. Ein Ausführungsbeispiel gibt Fig. 3. Von größtem Einfluß auf die Entwicklung der Spiralbohrer sind jene Bestrebungen gewesen, die darauf hinzielen, einen Bohrer fast ohne Abfall einfach durch Verwinden eines von der Stange geschnittenen Stabes von geeigneter Querschnittsform herzustellen. Bei der immer mehr zunehmenden Verwendung hochwertiger und entsprechend teuerer Stahlsorten ist eine derartige Materialersparnis sehr wertvoll. Da außerdem bei den gewundenen Bohrern das Gefüge des Stahles nicht verändert wird, während bei dem gefrästen Bohrer unvermeidlich die Faser zerschnitten wird, so schreibt man ersterem naturgemäß eine größere Bruchfestigkeit zu. Nun fehlt natürlich dem von der Stange geschnittenen, gewundenen Bohrer der massive Zapfen zum Einspannen in die üblichen Morse- oder Backenspannfutter. Von den zahlreich gemachten Vorschlägen können die durch Fig. 4 und 5 dargestellten Ausführungsformen als sehr gute Lösungen dieser Frage bezeichnet werden. Nach Fig. 4 wird der am Ende flache, sonst aber wie der entsprechende Konus geschliffene Bohrer in den Schlitz eines Hilfskonus eingesetzt und so sicher gefaßt und zentriert. Nach Fig. 5 wird der Bohrerschaft besonders eng verwunden, und der entstehende Kolben genau so bearbeitet, wie ein massiver Zapfen. Besondere Erwähnung verdienen noch die Versuche, durch Warmpressen einen Bohrer-Rohling herzustellen, der nur noch verhältnismäßig geringe Nacharbeit erfordert. Die Hauptschwierigkeit liegt hier darin, die doch ziemlich eingreifende Schmiedeoperation in einer Hitze auszuführen, denn gerade hochwertige Stähle sind in dieser Beziehung sehr empfindlich. Immerhin sind diese Versuche noch nicht zu einem Abschluß gekommen. [H. Rohde. Zeitschr. f. prakt. Maschinenbau, 9. Oktober 1912.] Rich. Müller. ––––– Ueber Sicherheitsmaßnahmen gegen Ueberspannungen erstattete Oberingenieur Seidel dem Internationalen Techn. Kongreß für Unfallverhütung und Gewerbehygiene in Mailand ein Referat, dem wir folgendes entnehmen: Als Ueberspannung gilt nach der Definition des Verbandes D. Elektrotechniker jede über das Maß der im normalen Betriebe vorkommenden Spannungsschwankungen hinausgehende Erhöhung der Spannung. Abgesehen von dem durch zufällige direkte Berührung mit einem, höhere Spannung führenden Stromkreise ermöglichten Uebertritt der Hochspannung auf einen Niederspannungskreis können in diesem noch durch verschiedene andere Ursachen Ueberspannungen auftreten. So ist Vorsicht geboten bei plötzlichem Abschalten der Feldwicklungen elektrischer Maschinen, der Wicklungen von Transformatoren und Hubmagneten oder von langen Kabelleitungen. Wenn nicht besondere Maßregeln getroffen sind, wie Parallelwiderstände usw., welche die in dem magnetischen bzw. elektrischen Felde aufgespeicherte Energie möglichst restlos in Wärme umsetzen, können sehr erhebliche Ausgleichspannungen bzw. Ausgleichströme entstehen. Im allgemeinen werden diese Erscheinungen selten ein gefährliches Maß erreichen, desto größere Beachtung verdienen die Gefahrmomente, die in Freileitungsanlagen oder in an solche angeschlossenen Kabelnetzen durch die Wirkungen der atmosphärischen Elektrizität entstehen, sei es, daß Blitzschläge in die Leitung treffen, oder daß ihnen durch elektrisch geladene Wolken, durch Regen, Schnee oder staubführende Winde eine elektrische Ladung von hohem Potential erteilt wird. Die anzuwendenden Maßregeln können entweder vorbeugende sein, die auf eine Vermeidung der Ursachen hinzielen, oder sie sollen entstandene Ueberspannungen unschädlich machen. In vorbeugendem Sinne läßt sich schon sehr viel durch Wahl eines geeigneten Leitungsweges erreichen. Es ist bekannt, daß manche Landstriche besonders häufig von Gewittern heimgesucht werden, die immer denselben Weg nehmen. Ebenfalls sind Leitungen, die große Höhenunterschiede überwinden, der elektrischen Beeinflussung stark ausgesetzt. Wo aus ökonomischen Rücksichten nicht der in dieser Beziehung günstigste Weg gewählt werden kann, bietet eine parallel zu den Leitungen und möglichst dicht darüber verlegte besondere Leitung, die geerdet ist, einen sehr guten Schutz. Bei Anlagen mit Nulleiter ist dieser ohne weiteres als Erdungsleitung verwendbar. Von ausschlaggebender Bedeutung ist allerdings eine nicht nur möglichst häufig, sondern auch an Stellen mit genügender Erdfeuchtigkeit vorgenommene Erdung. Am besten ist die Verlegung der Erdplatten in Grundwasserschichten. Hier genügen verzinkte Eisenplatten oder Rohre, sehr gut auch Siebe von mindestens 0,5 qm Oberfläche. Bei schwierigem Gelände von geringer Feuchtigkeit, wie etwa bei felsigem Grund, hat sich Einbettung der Erdplatten in eine Schicht Koks gut bewährt. Besondere Sorgfalt ist der Verbindungsstelle zwischen Erdplatte und Erdleitung zuzuwenden. Stoßen hier zwei in der Spannungsreihe weit auseinanderliegende Metalle wie z.B. Kupfer und Zink aufeinander, so muß das Kabel entweder gut verzinnt sein, oder die Verbindungsstelle muß gegen Feuchtigkeit gut geschützt sein, da sich sonst hier ein elektrisches Element bildet, und die Kontaktstelle sehr bald durch elektrolytische Anfressung zerstört wird. Auch die nicht selbst stromführenden Apparate und Maschinenteile werden zweckmäßig an Erdplatten angeschlossen, so daß die Bedienungsmannschaft auf jeden Fall gegen elektrische Schläge geschützt bleibt. Ein Nachteil der allgemeinen Erdung ist die größere Erdschlußgefahr. In manchen Fällen ist es deshalb zweckmäßiger, die ganze Anlage sorgfältig zu isolieren. Natürlich muß man auch den Stand für den Bedienungsmann isolieren. Eine einpolige Berührung bleibt dann gefahrlos. Um Ueberspannungen aus der Fernleitung den Eintritt in Maschinen- und Apparatehäuser zu verwehren, verwendet man die allerdings nur gegen Hochfrequentströme wirksamen eisenlosen Drosselspulen. Da jedoch meist eine Transformation der Maschinenspannung auf die Leitungsspannung stattfindet, so ist bei Verwendung moderner guter Transformatoren die Primärseite von der Sekundärseite ohnehin gut isoliert. Da man naturgemäß die spannungführenden Leitungen zur Ableitung von Ueberspannungen nicht einfach an Erde legen kann, verwendet man hier verschiedene Formen von sogen. Ueberschlagsicherungen, die in die Erdleitung geschaltet werden und deren Prinzip darin besteht, künstlich eine schwache Stelle gegen Erde im Leitungsystem zu schaffen. Die in Telephon- und Telegraphenanlagen sehr verbreiteten sogen. Blitzableiter bestehen aus zwei, dicht gegenüber angeordneten geriffelten Walzen oder Platten. Der sehr kleine Luftzwischenraum wird zwar nicht von der Leitungsspannung, wohl aber von einer Ueberspannung durchschlagen. Für Lichtleitungen sind Durchschlagsicherungen in Form der bekannten Schraubstöpel-Schmelzsicherungen in Gebrauch mit zwei kleinen Metallplatten, die durch eine ganz dünne Glimmerplatte getrennt sind. Die Sicherung tritt bei etwa 3 bis 400 Volt in Tätigkeit, die sich an der Durchschlagstelle bildende kleine Schmelzperle stellt die Erdverbindung her. Für größere Energiemengen haben sich die Hörner-Blitzableiter sehr bewährt. Der Funke springt an der passend eingestellten engsten Stelle über, und der sich bildende Flammenbogen wird durch die Luftströmung und die elektrodynamische Wirkung soweit an den nach auswärts gekrümmten Hörnern nach oben getrieben, bis er infolge zu großer Länge abreißt. Da letzteres jedoch nicht immer mit Sicherheit eintrat, suchte man durch Blasmagnete und andere Hilfsmittel die Wirkung zu verbessern. Interessant ist besonders eine Anordnung der Siemens- Schuckert-Werk e, bei der das Resonanzprinzip zur Anwendung gelangt. Die Hörner sind hier so weit eingestellt, daß ein Stehenbleiben des Flammenbogens nicht befürchtet zu werden braucht. Die Ueberspannung durchschlägt nur eine kleine Hilfsfunkenstrecke, zu der eine als Autotransformator ausgebildete Selbstinduktion in Reihe mit einer Kapazität parallel geschaltet sind. Es wird so die Eigenwelle des Schwingungskreises angestoßen, und die von genanntem Transformator abgenommene Hochspannung überbrückt die Hauptfunkenstrecke und leitet den Vorgang ein. Der entstehende Lichtbogen hat einen sehr geringen Widerstand. Um den natürlich nachfolgenden Maschinenstrom abzudämpfen bzw. den Kurzschluß der Anlage zu verhindern, werden in die Erdleitung hohe Widerstände gelegt, deren bekannteste Formen Metallwiderstände – der größeren Wärmekapazität wegen im Oelbade angeordnet –, Karborundumwiderstände, und die sogen. Wasserstrahlerder sind. Eine besondere Klasse bilden die Elektrolyterder. Es sind dies Zellen mit Aluminiumplatten in Alkalilösung oder anderen geeigneten Elektrolyten. Im Betriebe bildet sich eine Oxydschicht, die nur einen ganz geringen Strom durchläßt und bis etwa 300 Volt aushält. Bei Ueberschreitung der Grenzspannung wird die Schicht durchschlagen und die Ueberspannung abgeleitet. Man wird natürlich eine entsprechende Anzahl Zellen hintereinanderschalten. Es ist wichtig, daß bei Mehrphasenanlagen auch sämtliche Leitungen vom Netz abgeschaltet werden. Bei dem von Arcioni ausgebildetem Apparat geschieht dies durch einen von einem eigenartigen Relais gesteuerten Hilfsstromkreis. Eine der Phasenzahl entsprechende Anzahl von der Netzspannung erregter Wechselstrommagnete erzeugen in einer Kupferscheibe ein Drehmoment, dem eine Feder entgegenwirkt. Steigt die Spannung einer Phase beispielsweise auf das doppelte, so dreht sich die Kupferscheibe um einen gewissen Winkel und schließt dabei den zu den Hauptschaltern führenden Steuerstromkreis für die Hauptschalter. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß bei der hochentwickelten Technik heute die Anlagen nahezu unfallsicher ausgeführt werden können, und nur unter ganz besonderen Umständen, wie bei grober Fahrlässigkeit, von einer Lebensgefahr gesprochen werden kann. [Sozial-Technik, Heft 18 und 19, 1912.] R. M. –––––––––– Geheimpatente in Rußland. Gemäß § 176 der russischen Gewerbeordnung können Patente nicht erteilt werden auf Erfindungen und Vervollkommnungen, die zu den Kampfmitteln und Mitteln der Landesverteidigung gehören, wie Artilleriegeräte, sowie auch Schiffpanzer, Unterseeminen, Schiffdrehtürme usw., für deren Gebrauch allein die Regierung zuständig ist. Auf Erfindungen und Vervollkommnungen von Gegenständen, die zwar auch vom Heere verwendet werden, deren Gebrauch aber auch Privatpersonen zusteht, wie Handfeuerwaffen, Metallpatronen, Geschosse und anderes dazu gehöriges Gerät, werden Privilegien (Patente) erteilt, mit der Maßgabe jedoch, daß die Gültigkeit solcher Privilegien sich auf das Heeres- und Marineressort nicht erstreckt, und daß diese letzteren in der Anwendung dieser Erfindungen und Vervollkommnungen für ihre Bedürfnisse sowie an der Vornahme von Versuchen mit ihnen nicht gehindert sind. Nach diesen Sonderbestimmungen sind also einerseits in Rußland Kriegsgeräte an sich (insbesondere Gegenstände und Zubehör für Geschütze, Pulver und Sprengmittel) überhaupt nicht schützbar, andererseits sind die Inhaber von Patenten auf Gegenstände, die als Mittel der Landesverteidigung dienen können, dem Staate gegenüber vollkommen rechtlos. Diese Bestimmungen, die in solcher Schärfe in der Patentgesetzgebung anderer Staaten nicht wiederkehren, sind nunmehr aufgehoben durch das am 16. Juli 1912 veröffentlichte Gesetz vom 28. Juni 1912, dessen Bestimmungen dem Sinne nach im folgenden kurz wiedergegeben sind: Der § 176 der Gewerbeordnung wird aufgehoben. Nach Eingang eines Gesuchs wegen Erteilung eines Patentes auf eine Erfindung oder Verbesserung bei der Industrieabteilung kann der Handels- und Industrie-Minister nach eigenem Ermessen oder auf einen persönlich oder auch durch Vermittlung eines Anwalts gestellten Antrag des Erfinders oder seiner Rechtsnachfolger für notwendig befinden, die angemeldete Erfindung oder Verbesserung aus Gründen der Staatssicherheit geheim zu halten. Ist der Antrag in dem Patentgesuch selbst schon gestellt, so wird das Gesuch mit den Beilagen dem Handels- und Industrie-Minister unmittelbar zugestellt. Wird die Geheimhaltung der Erfindung und Verbesserung für notwendig erachtet, so benachrichtigt der Handels- und Industrie-Minister den Minister oder Oberdirigierenden eines besonderen Ressorts (z.B. Kriegs- oder Marineminister) wegen der Aushändigung eines Schutzscheines an den Anmelder. In diesem Fall wird die Erteilung des erwähnten Schutzscheines nicht veröffentlicht. Ist aber die in Aussicht genommene Enteignung des Patentes zugunsten des Staates nicht erfolgt, so wird, nach erfolgter Entscheidung der Frage wegen der Enteignung, auf Verfügung des Handels- und Industrie-Ministers die erforderliche Veröffentlichung über die Erteilung des Schutzscheines erlassen. Sowohl die von den Regierungsressorts selbst nachgesuchten, als auch die zugunsten des Staates enteigneten Patente werden nicht in der gesetzlich vorgesehenen Weise veröffentlicht, falls das betreffende Ressort aus Gründen der Staatssicherheit einen Antrag stellt. Ueber erteilte Schutzscheine und Patente, die der Veröffentlichung nicht unterliegen, werden geheime Register geführt. Die Einsichtnahme in die Akten über solche Erfindungen wird dritten Personen nicht gestattet. Wer des Verkaufs oder der Anmeldung eines Patentes in einem ausländischen Staate auf eine geheim zu haltende Erfindung betreffend die militärische Defensive des Staates oder der zum militärischen Schutz des Staates bestimmten Wehrkräfte und Einrichtungen überführt worden ist, wird mit Zuchthaus bis zu acht Jahren bestraft. Derselben Strafe unterliegt der, welcher der Veröffentlichung oder der Mitteilung von Geheimpatenten an dritte Personen für schuldig befunden ist. Durch das neue Gesetz ist der seit langem bekämpfte § 176 der russischen Gewerbeordnung aufgehoben worden, nach dem auf Erfindungen, die sich auf Mittel der Landesverteidigung bezogen, Patente überhaupt nicht erteilt werden konnten. Die Erfinder solcher Mittel können nunmehr Geheimpatente erlangen, genießen also in Rußland die gleichen Rechte wie in anderen Staaten. P. C. R. –––––––––– § 5 Abs. I Pat-Ges. schützt auch den Ausländer, der im Auslande produziert und seine Produkte im Inlande nur in Verkehr bringt, gegenüber einem späteren deutschen Patente. .... An die Auslegung des § 5 Abs. I Pat.-Ges. wird in der patentrechtlichen Literatur die Streitfrage geknüpft, ob das „Inbenutzungnehmen“ einer Erfindung durch jede der in § 4 Pat.-Ges. hervorgehobenen, dem Patentinhaber vorbehaltenen Tätigkeiten erfüllt wird, oder ob nur das gewerbsmäßige Herstellen und Gebrauchen, nicht aber auch das gewerbsmäßige in Verkehr bringen und Feilhalten eine Vorbenutzung im Sinne des § 5 darstellt. In der Entscheidung des I. Strafsenats vom 25. Februar 1895 (R. G. St. 27, 52) wird der Begriff des „Inbenutzungnehmens“ dahin definiert, daß der Täter dasjenige ausgeführt haben muß, was nach den Bestimmungen des § 4 dem Patentinhaber vorbehalten und jedem anderen verboten ist, nämlich gewerbsmäßiges Herstellen, in Verkehrbringen, Feilhalten oder Gebrauchen. In dem Urteil des erkennenden Senats vom 14. Dezember 1903 (R. G. Z. 56, 226) wird ausgeführt, eine Benutzung, die zum Erwerb des in § 5 Abs. I bezeichneten Rechtes genüge, könne durch jede derjenigen Handlungen geschehen, zu denen nach § 4 der Patentinhaber ausschließlich befugt ist. Die Klägerin selbst hat die Erfindung im Inlande in Benutzung genommen, indem sie die nach ihr hergestellten Waren durch ihre Abnehmer in Deutschland in Verkehr gebracht hat. Auf den Erfindungsbesitz ihrer Abnehmer in Deutschland kommt es hiernach nicht an. Vielmehr ist sie befugt nach § 5 Abs. I Satz 2, die Erfindung für die Bedürfnisse ihres Gewerbebetriebes in eigenen oder fremden Arbeitsstätten auszunutzen. Ob die Händler, von deren Lager aus das Doppelpapier der Klägerin in Deutschland auf den Markt gebracht wurde, die Herstellungsmethode kannten oder nicht, ist völlig gleichgültig. Hiernach ist davon auszugehen, daß auch der Ausländer, welcher im Auslande bisher produziert und seine Produkte in Deutschland in Verkehr gebracht hatte, in der Ausübung dieses Gewerbebetriebes durch ein späteres deutsches Patent, das die gleiche Produktion zum Gegenstande hat, nicht beeinträchtigt werden darf, sondern sich unter den übrigen gesetzlichen Voraussetzungen mit Erfolg auf den Schutz des § 5 Abs. I berufen kann. Urteil vom 24. Juni 1912. [Juristische Wochenschrift: Vom Reichsgericht.] D.