Titel: Versuchseinrichtungen zur Prüfung von Luftschrauben.
Autor: Paul Béjeuhr
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 85
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Versuchseinrichtungen zur Prüfung von Luftschrauben. Von Paul Béjeuhr, Berlin. (Fortsetzung und Schluß von S. 555, Bd. 327.) BEJEUHR: Versuchseinrichtungen zur Prüfung von Luftschrauben. In den bisherigen Ausführungen haben wir die Laboratoriumversuche und Erprobungen an normalen Schrauben kennen gelernt, die sich jedoch lediglich auf die Prüfung der Schraube allein erstreckten. Das mag für die Gegenwart und auch die nächste Zeit genügen, in Zukunft wird man in die Prüfung auch den verwendeten Motor einbeziehen müssen, oder besser gesagt: die Erprobung wird Motor und Luftschraube als Einheit umfassen müssen. Schon unter den heutigen Verhältnissen läßt sich in vielen Fällen gar nicht scharf angeben, wo der Motor aufhört und die Schraube anfängt, gehören sie doch bei vielen Konstruktionen eng zusammen. Es wird sich bei näherer Kenntnis aerodynamischer Berechnungsmethoden der Leitsatz immer mehr Geltung verschaffen: für jedes Luftfahrzeug ein ganz bestimmter Maschinensatz, also ein bestimmter Motor und eine dazugehörige Schraube, während heute der Auswahl des Propellers lange nicht dieselbe Sorgfalt zugewandt wird wie der des Motors. Es möge gleich hervorgehoben werden, wie sehr ein derartiges Vorgehen, wie es später selbstverständlich sein wird, dazu beitragen wird, die Wirtschaftlichkeit des Fliegens zu heben. Textabbildung Bd. 328, S. 85 Abb. 1. Um auf diesen späteren, notwendigen Ausbau der Versuchseinrichtungen kurz eingehen zu können, müssen zunächst die Anwendungsbereiche der Luftschraube kurz skizziert werden. Während sie in der ersten Zeit ihrer Anwendung lediglich für Luftfahrzeuge in Frage kamen und auch hier mehr als notwendiges Uebel angesehen wurden, das bald durch eine bessere Einrichtung verdrängt werden würde, brach sich allmählich die Erkenntnis Bahn, daß in diesen Luftschrauben der Verkehrstechnik Vortriebsmittel erwachsen waren, die einen weiteren zielbewußten Ausbau wohl lohnenswert erscheinen ließen. Besonders die Oesterreicher Kress und später Wells traten sehr für die Verwendung bei Schlitten ein, und in neuerer Zeit werden die Vorschläge wieder eifriger aufgenommen. So zeigt unser Bild, Abb. 1, einen Automobilschlitten des letzten Pariser Salons mit Luftschraubenantrieb mit allen Vervollkommnungen, denen er seit seiner Entstehung unterworfen wurde. Der Motor ist in der vom Automobil her bekannten und bewährten Weise angebracht, so daß sich auch eine ähnliche Karosserieanordnung ergibt; der Propeller ist hinter den Fahrern montiert, wodurch diese auch dem lästigen Schraubenwind zum Teil entzogen sind, weil die Schrauben die nötige Luft größtenteils zentripetal einsaugen. Ein leichtes Schutzblech gewährleistet ein gefahrloses Fahren auch auf belebteren Straßen, wenngleich für größere Städte die Erlaubnis wohl noch versagt werden dürfte. Aber das Schlittenfahren ist ja doch in der Hauptsache auf verkehrsärmere Strecken beschränkt, so daß sich hier das Anwendungsgebiet von selbst ergibt. Es steht außer Zweifel, daß gerade der Luftschraubenantrieb für Schlitten der gegebene ist, weil durch diesen Vortrieb die Fahrbahn in keiner Weise beschädigt wird, was durch Schnecken, Schaufelräder und dergl. stets geschieht. Auch die hierangewandte Art der Lenkung analog der Automobillenkung hat gegenüber den früher verwendeten Seitensteuern gewisse Vorteile, die besonders im besseren Kurvennehmen zum Ausdruck kommen. Aehnliche Beweggründe haben einen Auto Fachmann veranlaßt, den Luftschraubenantrieb allen Ernstes auch für Kraftwagen vorzuschlagen. Die erwachsenden Vorteile erhellen sofort, wenn man an den Fortfall des Antriebs durch die Räder und Pneumatiks denkt, deren hauptsächliche Abnutzungsursache damit nicht mehr bestehen würde. Wenn ein so angetriebener Wagen auch nicht in das Getriebe der Großstädte hineingehört, so läßt sich sein Verwendungsbereich für das Einlaufen der Motoren auf geschlossener Bahn doch wohl diskutieren, zumal der Lauf der Motoren dann sehr viel einwandsfreier zu kontrollieren ist, weil das Wechselgetriebe in Fortfall gerät. Der Propeller ist doch nur bei einer bestimmten Drehzahl voll auszunutzen, und kleine Zwischenstufen müssen durch Drosseln eingestellt werden. Die Pneumatiks, deren Abnutzung gerade bei diesem Einfahren eine erhebliche Rolle spielt, werden sehr geschont, weil sie ja nur zum Rollen, nicht aber zum Antrieb dienen, und dies bringt die wenigen mit dem Umbau verbundenen Kosten sehr bald ein. Ein weiteres Anwendungsgebiet nimmt nach langen Vorversuchen, an denen sich besonders die Franzosen und Italiener mit großem Geschick beteiligt haben, nunmehr festere Formen an, nämlich das bei den Gleitbooten. Für den Schiffbaukonstrukteur bringt dies keine Ueberraschung, denn durch Benutzung von Luftschrauben wird auch die Konstruktion der Gleitboote verhältnismäßig leichter gemacht, können doch die Hauptschwierigkeiten umgangen werden. Es sind nunmehr lediglich schiffbauliche Grundsätze für die Konstruktion zu berücksichtigen; der bei Wasserschrauben nötige Tiefgang von 40 bis 50 cm braucht nicht eingehalten zu werden, die Gewichtsverteilung wird durch hinten liegenden Motor, Getriebe und Propeller sehr glücklich, das Boot geht flach, hat entlastetes Vorschiff und das früher so gefürchtete Verkrauten der Schraube mit seinen unliebsamen Folgen hört gänzlich auf. So ist denn jetzt von der Firma Blériot für die argentinische Regierung ein Gleitboot zur Ablieferung gelangt, das auf der Seine recht befriedigende Resultate ergeben hat. Wie die Abb. 2 und 3 zeigen, besteht es aus zwei Hauptschwimmern und einem vorderen kleinen Schwimmer, auf die sich ein leichtes gitterträgerförmiges Gestell stützt, das sowohl die Fahrer als auch die Betriebsstoffe und die Vortriebseinrichtungen aufnimmt. Die Steuerung geschieht bei diesem Boot durch Windflächen, wodurch sich nach Angaben der Firma eine Geschwindigkeitssteigerung gegen die vorher verwendeten Wassersteuer ergab, was wohl vor allen Dingen in den geringeren Reibungsverlusten seine Ursache hat. Textabbildung Bd. 328, S. 86 Abb. 2. Bei allen drei Verkehrsarten sprechen ganz verschiedene Gründe für die Verwendung der Luftschraube; beim Schlitten soll die Fahrbahn nicht durch den Eingriff irgendwelcher die Reibung erhöhender Mittel für den Vortriebsmechanismus beschädigt, beim Gleitboot soll ein dynamisches Gleiten über Wasser und damit verbundenes Anheben des Bootes nicht durch Wasserpropeller erschwert und beim Automobil soll der Vortrieb überhaupt nicht durch die der Unterstützung dienenden Räder übermittelt werden. In allen Fällen ist man daher gezwungen, im Gegensatz zu den üblichen Anschauungen von den beiden Medien, an deren Grenzschicht die Bewegung vor sich geht, das am wenigsten dichte als Angriffsmittel für den Vortrieb zu benutzen, wobei man allerdings den großen Vorteil des weichen Anfahrens und Uebergehens auf andere Geschwindigkeiten erreicht. Um einen kurzen Berechnungsüberblick zu geben, sei ins Gedächtnis zurückgerufen, daß sich z.B. die Gesamtfortbewegungsarbeit einer normalen Zuglokomotive zusammensetzt aus etwa 24 v. H. Reibungsarbeit an den Schienen und fast 76 v. H., die zur Ueberwindung des Luftwiderstandes benötigt werden. Dieser letzte außerordentlich hohe Betrag läßt sich natürlich durch geschickte Formgebung der Oberfläche ganz wesentlich vermindern, wird aber selbst beim besten Automobil oder Schlitten noch immer die Größenordnung 60 bis 65 v. H. haben. Nimmt man nun an, daß der Schlitten oder das Automobil etwa 1000 kg wiegt, so ist der Gleit- oder Rollwiderstand etwa 6 kg bzw. beim Automobil 15 kg. Der Luftwiderstand dagegen ist mit etwa 6,5 g für 1 qm Oberfläche und 1 Stundenkilometer Geschwindigkeit einzusetzen. Er wächst etwa mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, hat also bei 100 km/Std. den Betrag von 65 kg für 1 qm Stirnfläche. Textabbildung Bd. 328, S. 86 Abb. 3. Wird diese zu 1,1 qm angenommen, so ist der Luftwiderstand 71,5 kg und der Gesamtwiderstand beträgt 15 + 71,5 = ∾ 87 kg. Bei 100 km/Std., also 27,8 m/Sek. erfordert dies eine Leistung von \frac{87\,.\,27,8}{75}=32\mbox{ PS}, die wiederum bei einem Propeller-Wirkungsgrad von 65 v. H. einen Antriebsmotor von ∾ 50 PS voraussetzen, wenn von den Verlusten in der Kraftübertragung abgesehen wird. Außer diesen direkt gekuppelten Luftschrauben sind in der Praxis (wenn auch seltener) bei Flugzeugen noch die übersetzten Propeller üblich. Sie werden vermutlich gerade beim Wasserflugzeug eine beträchtliche Bedeutung erlangen, weil es hier darauf ankommt, die Schraube außerhalb des Bereiches der Wasserwellen zu bringen. Die notwendige Ketten-Uebertragung hat den großen Vorteil, daß die Luftschraube mit verhältnismäßig geringer Drehzahl arbeiten kann und daß sie ferner so im Luftfahrzeug unterzubringen ist, daß keinerlei Durchmesser-Beschränkung eintritt, so daß ein verhältnismäßig hoher Nutzeffekt erreicht wird. Allerdings ist ein neuer Uebelstand hinzugekommen: die geringe Verläßlichkeit des Uebertragungsmittels. Recht umfangreiche Versuche auf diesem Gebiet sind besonders von der Deutschen Wright-Gesellschaft ausgeführt worden, die ja ein lebhaftes Interesse daran hatte, einen möglichst leichten und doch zuverlässigen Kettenantrieb für ihr Zweischraubensystem einzuführen. Diese Versuche haben dann schließlich zum Einkettenantrieb geführt, bei welchem die gleiche Kette durch Zwischenschaltung zweier Leiträder (ähnlich Abb. 4) nacheinander über beide Propellerachsen läuft und diese entgegengesetzt rotieren läßt. Auf diese Weise soll der Gefahr vorgebeugt werden, daß bei einem Kettenbruch, mit dem man schließlich bei den möglichst leicht gewählten Konstruktionen immer rechnen muß, der betriebsfähig gebliebene Propeller durch seinen einseitigen Schub ein so großes Kippmoment erzeugt, das sich durch Steuerbewegungen nicht mehr ausgleichen läßt. Diese Anwendung nur einer Kette sieht fast wie ein Zugeständnis der Firma aus, daß eine solche Gefahr bei zwei Ketten wirklich besteht; um so wirksamer wurden daher alle Bedenken zerstreut, als mit dem alten System durch den Flieger Abramowitch der Nachweis geführt worden war, daß bei Kettenbruch selbst bei nur einer rotierenden Schraube der einseitige Schub bei genügend betätigter Seiten- und Quersteuerung noch eine glatte Landung, wenn auch in Spiralform, möglich macht. Auch für die skizzierte Art des Antriebs zweier gegenläufiger Propeller müßte die Versuchseinrichtung vorgesehen werden. Als ein Extrem dieser Art möge vielleicht noch erwähnt werden die eigenartige Bauart des Meßpa-Motors, Abb. 5, bei dem in zwei nebeneinander liegenden Zylindern je zwei Kolben gegenläufig arbeiten und zusammen 80 PS auf zwei Propeller übertragen. Jedenfalls dürfte es der heutigen Anschauung entsprechen, daß bei der Erprobung die Arbeit des Motors von der eignen Luftschraube aufzunehmen ist, so daß beide in diesem Fall als Einheit zu betrachten sind. Tunlichst müßten derartige Versuche im freien Fluge vorgenommen werden, weil sich die Verhältnisse auf festem Prüfstand niemals nachahmen lassen. Eine solche Prüfung auf fahrbahrem Rundlauf usw. vornehmen zu wollen, wobei Motor und Schraube mit einem entsprechend nachgeahmten Flugzeug am Ende des langen Armes im Kreise herumfahren, wird nach dem heutigen Wissen kaum noch in Frage kommen. Je mehr man sich mit den Abmessungen der Wirklichkeit nähert, desto mehr zeigt sich, daß die gradlinige Bewegung durch die Luft auch nicht annähernd richtig durch eine Kreisbewegung um eine feste Achse ersetzt werden kann. Besonders bei Dauerversuchen, die für die endgültige Beurteilung sowohl der Schraube als auch des Motors in letzter Linie maßgebend sind, kommt das umlaufende Aggregat sehr bald in sein eigenes Kielwasser, das noch vermehrt wird durch den kreisförmigen Strudel, den die schwere Armkonstruktion durch ihre ständige Rotation erzeugt. Die Ergebnisse, die in diesem wirbelartigen Luftstrom erzeugt werden, sind natürlich für die Praxis gänzlich unbrauchbar. Textabbildung Bd. 328, S. 87 Abb. 4. Textabbildung Bd. 328, S. 87 Abb. 5. Aber selbst wenn alle vorstehenden Einzelheiten berücksichtigt werden, sind für das Verhalten einer Schraube in einem Luftfahrzeug noch keine treffenden Schlüsse zu ziehen, denn es kommt noch als wichtigster Punkt hinzu, daß z.B. durch die Tragflächen des Flugzeugs eine Ablenkung der Luftfäden erzeugt wird, die einen erheblichen Einfluß auf die Propellerwirkung ausübt. So nähern wir uns dann mehr und mehr dem im Schiffbau gebräuchlichen Vorgehen, daß die Maschinenanlage als Ganzes für jedes Fahrzeug besonders erprobt wird, d.h. Motor und Propeller werden für das betreffende Luftfahrzeug eingestellt und haben nur für diesen einen Fall ihre Höchstleistung abzugeben. Gehen wir von diesem Standpunkt aus, dann brauchen wir für Luftschraube und Motor stationäre Prüfanlagen als Kombination der vorbeschriebenen Art mit Pendelrahmen, die evtl. für besondere Erprobungen auch in geradliniger Richtung fahrbar eingerichtet werden können. Die letzte Einstellung der Maschinenanlage, nachdem sie natürlich nach den bestehenden Erfahrungen entworfen worden ist, muß jedoch auf dem Luftfahrzeug selbst erfolgen.