Titel: Ledertreibriemen und Riementriebe.
Autor: P. Stephan
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 323
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Ledertreibriemen und Riementriebe. Von Regierungsbaumeister P. Stephan in Dortmund. (Fortsetzung von S. 310 d. Bd.) STEPHAN: Ledertreibriemen und Riementriebe. Textabbildung Bd. 328, S. 323 Abb. 11.Rückenstreifen (10 cm vom Wirbel) Von dem ganz dünnen, komprimierten Treibriemenleder standen dem Verfasser zwei Streifen zur Verfügung,Sie wurden von E. Luckhaus in Duisburg überlassen. der eine aus der Rückenbahn 10 cm von der Wirbellinie entfernt, der andere von der Seite eines Croupons, 60 cm vom Wirbel entfernt, die vor der Untersuchung entsprechend der Vorbehandlung bei Herstellung des Riemens vorgestreckt wurden. Die Einzelheiten enthalten die nachfolgenden beiden Zusammenstellungen; die erhaltenen Dehnungskurven sind in den Abb. 11 und 12 nebeneinander aufgezeichnet. Man erkennt, daß besonders bei geringer Belastung erhebliche Unterschiede zwischen den Dehnungskurven der einzelnen Stellen bestehen, die sich nur teilweise durch die verschiedene Vorbehandlung erklären. Eigentümlich ist z.B. die verschiedene Wölbung des Anfangsteiles der Kurven bei den einzelnen Stücken desselben Lederstreifens. Die in den Zusammenstellungen aufgeführten Werte der Dehnungsziffer haben deshalb nur für höhere Beanspruchungen, σ ∾ 100 kg/qcm, Geltung. Da in einem Riemen sich diese Stellen in einer ganzen Reihe von sicher nicht völlig miteinander übereinstimmenden Häuten regelmäßig folgen, so kann auch nur ein Mittelwert der Dehnungsziffer angegeben werden, der bei den gebräuchlichen Beanspruchungen von einer Konstanten nicht weit entfernt ist. Mehrfache Beobachtung zeigte noch, daß der mit der Zeit ganz erhebliche Rückgang der Vorstreckung (vergl. oben) sich zum Teil bei der ersten Belastung wieder ausgleicht, so daß die in Abb. 12 bei Nr. 4 und 3 gestrichelten, fast geradlinigen Anfänge der Dehnungskurven bei einer zweiten Wiederholung als die wahrscheinlicheren anzusehen sind. Etwas ähnliches würde wohl eine Wiederholung auch bei der Abb. 10 ergeben haben, so daß Verfasser auf Grund der mitgeteilten Diagramme die Meinung vertritt, eine mittlere konstante Dehnungsziffer kommt den mittleren Verhältnissen eines eingelaufenen Riemens innerhalb der tatsächlichen Beanspruchungsgrenzen am nächsten. Textabbildung Bd. 328, S. 323 Abb. 12.Flankenstreifen (60 cm vom Wirbel) Rückenstreifen. Lage in der Haut Hals Schwanz Nummer 1 2 3 4 5 Länge                              cm 33 21 21 30 30 Stärke i. M. mm 3,3 4,1 4,3 4,4 4,0 Vorstreckung naß          attrocken     „ 150 250 110125 115115 Einheitsgewicht    ungestreckt               g/ccm 0,87 0,83 0,88 0,90 0,88    gestreckt                      „ 0,88 0,85 Zerreißfestigkeit         kg/qcm                                   kg/cm 393123 339224 352151 345150 425173 Streckgrenze              kg/qcm                                     v. H. 2920,74 2240,73 257 0,72 3210,75 Bruchdehnung                 „ 18,2 16,2 15,8 15,5 Dehnungsziffer    für Gesamtdehnung qcm/kg 1 : 1820 1 : 1640 1 : 2640 1 : 2910     „   elastische Dehnung  „ 1 : 2420 l : 2140 1 : 3090 1 : 3570 Flankenstreifen. Lage in der Haut Hals Schwanz Nummer 1 2 3 4 Länge                                   cm 30 27 27 28 Stärke i. M.                          mm 3,4 3,7 3,75 3,9 Vorstreckung naß            attrocken        „ 150 130355 250 125250 Einheitsgewich ungestr. g/ccmgestreckt    „ 0,88 0,90 0,890,90 0,860,91 Zerreißfestigkeit            kg/qcm                                       kg/cm 528183 486179 450143 355137 Streckgrenze                 kg/qcm                                        v. H. 4200,79 3840,79 3380,75 2650,75 Bruchdehnung                     „ 15,0 15,0 16,9 18,7 Dehnungsziffer    für Gesamtdehnung     qcm/kg 1 : 1820 1 : 2860 1 : 2560 1 : 3340      „  elastische Dehnung     „ 1 : 2180 1 : 3060 1 : 3340 1 : 3710 Wie man ferner sieht, schwankt die Festigkeit des Materials je nach der Lage in der Haut sehr stark, so daß für Rückenbahnen nur etwa 340 kg/qcm als Festigkeit eingesetzt werden können, dagegen für Seitenbahnen etwa 355 kg/qcm. Daß die Dehnungsziffern der Seitenstücke mit denen der Rückenbahn annähernd übereinstimmen, liegt zum guten Teil daran, daß die letzteren stärker vorgestreckt worden sind. Die alte Beobachtung, daß der Mittelrücken unter gleichen Verhältnissen am starrsten ist, bleibt durchaus bestätigt. Dagegen wird die von Gehrckens gemachte Angabe, daß die auf den cm Riemenbreite berechnete Beanspruchung annähernd dieselbe ist, auch für dieses komprimierte Leder nicht bestätigt. Bemerkt sei noch, daß ein größerer Wassergehalt als der hygroskopische von 15 v. H. die Dehnbarkeit des Leders ganz beträchtlich erhöht und auch die Zerreißfestigkeit etwas hinaufsetzt. Die Chromgerbung greift die Fasern der Hautsubstanz weniger an als die gewöhnliche, so daß sie erheblich fester und elastischer bleiben. Die Rißstelle eines Chromlederstückes zeigt demgemäß meist Fasern, die die eines gleichen lohgaren Stückes um das doppelte an Länge übertreffen. Obwohl das Chromleder bei der Gerbung nicht so stark aufquillt – als größte lieferbare Stärke ist 7 mm anzusehen –, besitzt es infolge der geringeren Menge des aufgenommenen Konservierungsstoffes ein leichteres Gewicht: Bei Stärken bis 5 mm ist γ ∾ 0,84 g/ccm; 6 mm starkes Leder zeigt γ = 0,74 – 0,76 g/ccm. Die Dehnungskurve eines 4,25 mm starken Stückes ist in Abb. 13 wiedergegeben.Das Material wurde von Fr. Möller in Brackwede zur Verfügung gestellt. Auch hier wird naturgemäß bei der ersten Vorstreckung eine wesentlich größere Dehnung festgestellt und eine starke Veränderlichkeit der Dehnungsziffer. Bei der zweiten Streckung ist die Dehnungskurve auf dem ganzen Verlauf nahezu geradlinig und die bleibende Dehnung eine recht geringe. Das Ergebnis ist eine Zerreißfestigkeit von 407 kg/qcm bei einer Bruchdehnung von 23 v. H. nach einer Vorstreckung mit anfänglich 170 kg/qcm, die dann bis auf 132 kg/qcm zurückging und eine bleibende Dehnung von etwa 3 v. H. hervorbrachte. Als Dehnungsziffer erhält man \alpha\,\sim\,\frac{1}{1600} qcm/kg bei dem noch nicht weit genug vorgestreckten Material. Leder von 6 bis 6,3 mm Stärke lieferte nach einer Vorstrek-kung mit 180/120 kg/qcm, der eine bleibende Dehnung von etwa 5 v. H. entsprach, als Mittelwert der Zerreißfestigkeit 320 kg/qcm bei einer Bruchdehnung von im Mittel 34 v. H. Jedoch ist die Dehnungskurve weniger gleichmäßig als bei dem dünneren Leder. Für starke und sehr wechselnde Beanspruchungen scheinen die dünneren Qualitäten vorteilhafter zu sein. Textabbildung Bd. 328, S. 324 Abb. 13. Ein Vorteil des Chromleders ist noch, daß es in Hitze und Feuchtigkeit sein elastisches Verhalten nur wenig ändert. III. Die Herstellung der Treibriemen. Die eigentliche Riemenfabrikation beginnt mit dem Zuschneiden der Bahnen aus den Croupons. Die Rückenbahn wird dabei etwa 2 cm breiter herausgeschnitten, als der verlangte Riemen sein soll, und die Seitenstücke bleiben vorläufig unbeschnitten. Da das von oben auf den ausgebreiteten Croupon heruntergehende Messer der Stanzschere das Leder an der Schnittstelle etwas verdrückt, so wird häufig auch ein dünnes Schnittmesser von Hand oder durch einen Kettentrieb über den Tisch hinweggeführt. Die einzelnen Stücke werden dann kurze Zeit in Wasser gelegt und kommen von da auf die Streckmaschine, wenn es sich um die Herstellung besserer Qualitäten einfacher Riemen handelt. Die billigeren Treibriemen werden nicht naß gestreckt, ebenso nicht die für Doppelriemen bestimmten Stücke (Abschnitt IV). Die Enden des Lederstückes werden dabei von geriffelten Exzenterklemmbacken gefaßt, die an einem eisernen gezahnten Rahmen verschiebbar sind, und werden darauf mittels einer Schraubenspindel um etwa 12 bis 15 v. H. ihrer Länge auseinandergezogen. Die dazu gebrauchte Kraft beträgt 120 bis 150 kg/qcm. Um die Fasern möglichst gleichartig zu strecken, läßt man bisweilen während des Streckens noch eine Anzahl von Streichbrettern auf der Fleischseite des Leders hin- und hergehen. Ueber den Einfluß der Naßstreckung auf das Material sind bereits oben Angaben gemacht worden. Textabbildung Bd. 328, S. 325 Abb. 14. Textabbildung Bd. 328, S. 325 Abb. 15. Die Klemmbacken stellen sich mit Hilfe von kleinen federnden Sperrklinken fest, die in die Zähne der Seitenteile des Streckrahmens eingreifen, und das Lederstück wird dann in dem Rahmen nochmals eingefettet und kommt darauf in die Trockenkammer, die gut geheizt wird, um das Eindringen des Fettes in das Innere der Haut zu befördern. Bei der Entspannung nach dem Trocknen geht die Dehnung um etwa ⅓ des Gesamtbetrages wieder zurück. Da das Leder auf ziemlich gewaltsame Weise zu einer ebenen Tafel ausgearbeitet worden ist, so zieht es sich beim Strecken mehr oder weniger krumm, am krummsten werden naturgemäß die Seitenbahnen. Die einzelnen Stücke sind deshalb wieder gerade und parallel zuzuschneiden, zuerst an den Seitenkanten, dann werden auch die Endstücke, in welche sich die Riffeln der Klemmbacken eingedrückt haben, senkrecht zu den Seitenkanten abgetrennt. Es bleiben so Stücke von höchstens 1,25 m Länge übrig, die nun auf beiden Enden mit Hilfe einer durch Handkurbel oder bei breiter Ausführung durch ein Handrad bewegten Maschine derart zugeschärft werden, daß eine schräge Schnittfläche von 15 bis 20 cm Länge, je nach der Stärke des Leders, entsteht. Die Maschine besteht aus einem sich allmählich anhebenden Zuführungstisch und einer federbelasteten eisernen oder auch bei weicheren Lederarten mit Gummi umkleideten Zuschiebewalze, die dicht vor dem breiten Abschärfmesser angeordnet ist und sich je nach der Stärke des eingeführten Leders etwas anheben kann (Abb. 14).Nach einer Ausführung der Maschinenfabrik Cillissen & Pappert in Aachen. Die übrigen Abbildungen geben Ausführungen der Maschinenfabrik Moenus A.-G. in Frankfurt a. M. wieder. Man setzt nun die Bahnen stets so zusammen, daß Stücke gleicher Dehnung, also gleicher Lage in der Haut aneinanderstoßen; bei Riemen aus Seitenbahnen richtet man sich ferner so ein, daß stets auf eine linke Bahn eine rechte folgt u.s.f., was an der Narbung der Unterseite erkannt werden kann, damit, wenn beim Recken des Riemens während des Einlaufens und im Betriebe sich die eine Bahn nach links krumm ziehen sollte, die folgende etwa um den gleichen Betrag nach rechts geht und der Riemen doch annähernd gerade bleibt. Der zur Verbindung der einzelnen Stücke gebrauchte Leim muß getrocknet sich ebenso verhalten wie das Leder selbst, er muß also den gleichen Temperaturkoeffizienten und dieselbe Dehnungsziffer besitzen. Ein Material, das dieser Forderung ungefähr entspricht, wird aus der vor dem Gerbprozeß abgezogenen Unterhaut mit Zusatz von Hausenblase gewonnen. Sogenannte wasserfeste Riemen für feuchte und tropische Betriebe, deren Verbindungsstellen von der Feuchtigkeit nicht beeinflußt werden dürfen, leimt man mit einer Auflösung von Zelluloid in Azeton oder Eisessig. Vor dem Zusammenleimen müssen die Zuschärfungsstellen aufgerauht werden, damit der Leim besser haftet. Man benutzt dazu eine einfache Maschine, die im wesentlichen aus einer Führungswalze und der Aufrauhwalze besteht, die mit einem Kratzband mit dünnen Drahtkratzern belegt ist, wie es auch in der Tuchfabrikation Verwendung findet. Die mit dem Leim bestrichenen Zuschärfungsstellen werden dann aufeinander gelegt und unter eine kräftige Spindelpresse mit Schlagrad gebracht, deren Untergestell meist geheizt wird. Der Riemen bleibt hier einige Minuten liegen, bis die nächste Stelle preßbereit ist u.s.f. Die gängige Handelsware wird gewöhnlich in Längen von 100 bis 120 m und darüber hergestellt. Um die Leimstelle völlig zu sichern, wird sie außer bei Dynamoriemen und dergleichen noch mit Nähriemen aus angenäßter Rohhaut in zwei, drei und vier Reihen, je nach der Breite, vernäht. Da die Nähriemen nicht aus der glatten Unterfläche herausragen dürfen, so pflegt man sie auf der Nahtbearbeitungsmaschine in das Material hineinzupressen, die aus einer Reihe nebeneinander angeordneter Preßringe besteht, unter welchen der Riemen durchgezogen wird (Abb. 15). Dynamoriemen müssen naturgemäß so lange unter der Presse bleiben, bis der Leim gut getrocknet ist, so daß ihre Herstellung längere Zeit in Anspruch nimmt. Der fertige Riemen kommt dann auf die Einlaufmaschine, die in der Hauptsache zwei breite Trommeln enthält, deren eine feststeht und von einem Elektromotor oder einer Transmission aus angetrieben wird, während die andere in etwa 20 bis 30 m Abstand davon verschiebbar gelagert ist und durch eine Winde oder zwei Schraubenspindeln beliebig eingestellt werden kann. Die beiden Enden des Riemens werden mit einem dünnen Nähriemen provisorisch stumpf gegeneinander genäht, worauf der Riemen langsam 3-6-12 Stunden lang einläuft, wobei die bewegliche Scheibe von Zeit zu Zeit nachgestellt wird. Die Anspannung wird mindestens bis an die Streckgrenze des Leders, vielfach sogar etwas darüber getrieben, so daß der Riemen eine ziemlich bedeutende Dehnung von 10 bis 12 v. H. erfährt, wovon etwa 6 bis 8 v. H. bleibend sind. Tatsächlich lehren Dünnschnitte bei mikroskopischer Betrachtung, daß die Gewebefasern der Haut bei Treibriemen viel gestreckter liegen als etwa bei Sohlleder. Diese Streckung macht das Material erst geeignet, größere Anspannungen dauernd ohne erhebliche bleibende Verlängerungen zu ertragen (vergl. Abschnitt II). Allerdings zieht sich das Leder bis zur Verwendung wieder mehr zusammen, und so pflegen ja neue Riemen während der ersten, je nach der Belastung verschieden lange dauernden Einlaufzeit noch weitere bleibende Dehnungen zu erfahren. Nach den Erfahrungen des Verfassers ist ein neuer Riemen mit etwa um die Hälfte höherer Spannung aufzulegen, als die Betriebsvorspannung betragen soll. (Fortsetzung folgt.)