Titel: Zuschriften an die Redaktion.
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 479
Download: XML
Zuschriften an die Redaktion. (Ohne Verantwortung der Redaktion) Zuschriften an die Redaktion. Zu Stephan, Ledertreibriemen und Riementriebe. Von Regierungs- und Baurat Prof. Dr.-Ing. Skutsch in Dortmund. Herr Stephan erwähnt auf S. 388 d. Zeitschr. einen Demonstrationsapparat, den ich dem Westfälischen Bezirksverein Deutscher Ingenieure gelegentlich eines Vortrages „Ueber Riementriebe, Tatsachen und Meinungen“ am 2. Januar d. J. vorgeführt habe. Da Herr Stephan aus der Demonstration Folgerungen zieht, die mir völlig fern liegen, so bitte ich, die den Apparat betreffenden Ausführungen aus dem Bericht des VereinsorgansTechnische Mitteilungen, Dortmund, Verlag C. L. Krüger, Heft 3 vom 18. Januar 1913. hier wiederholen zu dürfen. Es heißt dort im Verfolg einer Kritik der neueren Arbeiten über Riementriebe: „Kann man bis hierher nicht eigentlich sagen, daß neuere Erkenntnis bereits über Grashof hinausgeführt habe, so ist das doch erfreulicherweise in einigen anderen Punkten der Fall, und zwar durch das Verdienst des Herrn Hennig. Grashof betrachtete den Riemen als ein elastisches, und zwar dem Hookeschen Gesetz folgendes, gewichtsloses aber nicht masseloses Band, welches dementsprechend bei genügender Vorspannung auf seinem Weg von Scheibe zu Scheibe den Tangenten oder bei geeigneter Führung auch irgendwelchen anderen festen Bahnen folgt. Er nahm weiter stillschweigend an, daß die Gesamtdehnung eines Riemens hinlänglich genau erhalten wird, wenn man je die Hälfte seiner gesamten Länge mit S1 und mit S2 belastet denkt. Diesen Abstraktionen entsprachen nachstehende Schlußfolgerungen: Wenn die Spannung eines Trums um ΔS gesteigert wird, so gibt es eine gewisse Länge Δ l an das andere Trum ab, und dieses erfährt somit eine Entlastung – ΔS. Die Summe S1 + S2 der Trumkräfte bleibt also unverändert und stimmt stets mit der Vorspannung 2 S0 überein. Da ferner die Gesamtlänge des Riemens sich nicht ändert und die vorausgesetzte Elastizität bestimmten Längen bestimmte Spannungen zuordnet, so kann die Summe S1S2 auch durch die Fliehkraft nicht über den Anfangswert 2 S0 hinaus gesteigert werden, sofern nicht etwa \frac{q}{g}\,v^2 schon an sich größer wird als S0. Danach müßte also der Achsdruck stets genau um die latenten. Beträge 2\,\frac{q}{g}\,v^2 kleiner sein als die doppelte Vorspannung. Gerade die letzte These, die sich Herr Kammerer vorbehaltlos zu eigen gemacht hat, ist leicht als eine bloße Folgerung aus Voraussetzungen zu erkennen, die sich mit steigenden Geschwindigkeiten und Achsenabständen immer mehr von der Wirklichkeit entfernen. Bei Riementrieben glaubte sich Kammerer dabei auf die Ergebnisse seiner nach Ausdehnung und Genauigkeit unzureichenden Leerlaufversuche berufen zu dürfen; bei seinen Seilversuchen mußte er freilich schon Unstimmigkeiten feststellen, die durch die Angabe, der Leerlauf sei kein rechter Leerlauf gewesen, nach Lage der Sache doch nur kümmerlich begründet erscheinen. Stellt man sich aber, um sich einmal von den Grashofschen Voraussetzungen unabhängig zu machen, statt seines elastischen und gewichtslosen Bandes eine Kette mit einigem Durchhang vor, so ist natürlich gar keine Rede mehr davon, daß der Achsdruck mit steigender Geschwindigkeit abnehmen sollte, er bleibt vielmehr praktisch unverändert, und die Trumkräfte nehmen um den vollen Betrag \frac{q}{g}\,v^2 zu. Die Grashofsche Abstraktion und diese Kette stellen zwei Grenzfälle dar, zwischen denen unsere Riementriebe in Wirklichkeit liegen. Textabbildung Bd. 328, S. 479 Ebenso ist aber auch die Folgerung, daß im arbeitenden Riementrieb jede Vergrößerung von S1 eine gleich hohe Verkleinerung von S2 mit sich führt, streng an die Grashofschen Voraussetzungen gebunden. In diesem Punkte hatten die Charlottenburger Versuche große Ueberraschungen gebracht, denen Herr Kammerer ratlos gegenüberstand, und die erst durch Herrn Hennig aufgeklärt wurden. An einem sehr einfachen Holzmodell nach nebenstehender Abbildung wurde nunmehr die von Herrn Kammerer bis heute bekämpfte Hennigsche Erklärung zur Evidenz gebracht. Die rechte Scheibe ist ganz unbeweglich, die linke in einer Pendelstütze drehbar gelagert. Durch das in der linken Schale befindliche Gewicht wird die Vorspannung in dem über die Scheiben gelegten Riemen hervorgerufen. Belastet man nun den Trieb durch ein in die rechte Schale gelegtes Gewicht, so tritt, besonders wenn man das Gewicht in der rechten Schale etwa reichlich halb so groß wählt, als das in der linken Schale befindliche, eine sehr deutliche Verschiebung der Pendelstütze nach rechts ein, und um diese Verschiebung rückgängig zu machen, muß das Gewicht in der linken Schale beträchtlich erhöht werden. Wäre also die Pendelstütze von vornherein festgestellt worden, so hätte die Belastung der rechten Schale offenbar von selbst eine Erhöhung des Achsdruckes bewirkt. Die durch Berechnung der auftretenden Kettenlinien leicht darzulegende Ursache dieser Erscheinung aber ist die, daß ein Uebertreten eines Riemenstückes Δl von dem oberen Trum ins untere das letztere keineswegs in demselben Maße entlastet, wie das erstere mehr belastet wird.“ Uebrigens ist der Gegenstand, den Herr Hennig graphisch behandelt hatte, von Herrn DuffingZ. d. V. d. I. 1913, S. 967. Vorspannung und Achsdruck bei Riemen und Seiltrieben. neuerdings einer sehr eingehenden Analyse unterworfen worden. Ueber meine Versuche im luftverdünnten Raum hoffe ich demnächst in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes berichten zu können. Sehr geehrte Redaktion! Ich legte seinerzeit den in Abb. 31 wiedergegebenen Messungsergebnissen aus den dort aufgeführten Gründen mehr Gewicht bei als den früher ermittelten und wurde dadurch zu einer Ueberschätzung des Luftdruckes geführt. Meine eigenen Versuche, deren Ergebnis Abb. 33 wiedergibt, lehren, daß jene Angaben nicht zutreffen können. Die bei dem Skutschschen Modell (Abb. S. 479) auftretende Bewegung der einen Riemenscheibe rührt also hauptsächlich von dem eigentümlichen, von Hennig zuerst angegebenen Spannungsverhältnis beider Riementrümer her, für das von mir die geschlossene Formel 14 aufgestellt worden ist. Einen kleinen Einfluß wird allerdings wohl noch der Luftdruck haben; leider gestattet meine Versuchsanordnung nicht, sämtliche Koeffizienten der Gleichung 5' zu berechnen, so daß seine Größe vorläufig noch unbekannt ist. Jedenfalls muß ich die auf Abb. 31 gestützte Zahlenrechnung meiner Abhandlung als unrichtig zurückziehen, ebenso wie die auf Abb. 27 beruhenden zahlenmäßigen Angaben; beide sind soweit als möglich bereits durch Abschnitt V meiner Abhandlung richtig gestellt. Vielleicht ist im Anschluß hieran noch die Bemerkung von Wert, daß der Genauigkeitsgrad der von Herrn Skutsch angezogenen äußerst umständlichen Berechnung des Herrn Duffing eine Gleichmäßigkeit des Ledermaterials voraussetzt, die gar nicht vorhanden ist. Hochachtungsvoll                                     Stephan.