Titel: Ueber den Einfluß der Dampferschrauben auf Kanalsohlen.
Autor: C. Kielhorn
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 530
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Ueber den Einfluß der Dampferschrauben auf Kanalsohlen. Von Konstruktionsingenieur C. Kielhorn in Zehlendorf. [KIELHORN: Ueber den Einfluß der Dampferschrauben auf Kanalsohlen] In Band 327 Heft 44 S. 699 D. p. J. war über die Versuche mit Dampfern mit Schutzblechen unter der Schraube im Durchstich des Großschiffahrtsweges Berlin-Stettin in der Nähe von Saatwinkel berichtet worden. Ein dort vertäuter Einschraubendampfer, der 12000 kg Zugkraft entwickelte und damit drei Kähne von 600 t Ladefähigkeit mit einer Geschwindigkeit von 3,5 km in der Stunde geschleppt hatte, hatte ohne Schutzvorrichtung in der Kanalsohle eine 1,6 m tiefe Grube aufgewühlt. Diese Gruben entstehen dadurch, daß bei Einzelschrauben das Ruder die Strahlen des von der Schraube nach hinten geworfenen Wasserzylinders stark nach dem Grunde zu ablenkt. Das dadurch aufgespülte Material wird an den Seiten bzw. hinter den Gruben wieder abgesetzt und bringt an diesen Stellen unliebsame Auflandungen zustande, die, wenn nicht beständig gebaggert wird, fortwährend Grundberührungen der Schleppzüge mit allen daraus resultierenden Schäden für Schiff und Kanal zur Folge haben. Die Sohleausspülungen sind namentlich dort gefährlich, wo der Kanal auf Dämmen tiefer liegendes Gelände oder Flußtäler überschreitet, da eine Durchwaschung der abdichtenden Tonschichten starke Wasserverluste in der Kanalhaltung und die Versumpfung der anliegenden Geländestrecken zur Folge hat, ja zum Bruch der Kanaldämme führen kann. Die in dem vorerwähnten Aufsatz beschriebene Anbringung eines Schutzbleches unter der Schraube des Dampfers ergab in der Hauptsache eine erhebliche Verminderung des Wirkungsgrades des Propellers, während die Sohle in einem Falle etwas Weniger ausgespült wurde, im anderen Falle dieselbe Ausspülung zeigte wie ohne Schutzblech. Eine andere Lösung hatte der jetzige Leiter der Wiener Versuchsanstalt Dr. Fr. Gebers auf Grund von Modellversuchen in der Königlichen Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau vorgeschlagen. Er versah das Modell eines Einschraubenkanaldampfers mit Doppelrudern zu beiden Seiten der Schraube. Mit mittschiffs bzw. Parallel zur Mittschiffsebene gestellten Rudern ergaben die ersuche eine erhebliche Verminderung der Ausspülungen in der Sohle. Nun ist aber mit dem Doppelruder der Uebelstand verknüpft, daß es nur bei Schleppdampfern mit konstantem Tiefgang verwendbar ist, da die Ruder bei Güterbooten mit wechselndem Tiefgang bald völlig austauchen würden, so daß dieselben schlecht oder garnicht steuern würden, sodann aber ist der Vorteil der Doppelruder gegenüber dem Einzelruder nur in der Mittschiffslage nachgewiesen, es fehlt dagegen der Nachweis, ob die Ruder auch wenn sie umgelegt werden, und dies wird in Wirklichkeit meist der Fall sein, noch die gleiche unschädliche Wirkung auf die Kanalsohle beibehalten. Soviel uns bekannt ist, sind Versuche in dieser Richtung im Gange, über welche auf dem X. Verbandstag des Deutsch-Oesterreichisch-Ungarisch-Schweizerischen Verbandes für Binnenschiffahrt, der vom 19. bis 23. August zu Konstanz am Bodensee tagt, berichtet werden wird. Wie wir nun hören, sind fast sämtliche kleineren Monopolschlepper von der Regierung mit Doppelruder bestellt. Es sei hier zunächst keine Kritik an dieser Maßnahme geübt. Andererseits soll aber hier festgestellt werden, daß wir vom schiffbautechnischen Standpunkt aus alle Ursache haben, anzunehmen, daß das Doppelruder nur in der Mittschiffslage einen gewissen Schutz gewährt, bei seitlicher Stellung aber, wie es beim Steuern die Regel ist, ganz gewaltige Ausspülungen ergeben muß. Inzwischen sind die in dem eingangs erwähnten Artikel angekündigten Versuche mit einer von dem Geh. Reg.-Rat Professor Flamm erfundenen und demselben patentierten Schutzplatte unter dem Ruder auf dem Oder-Spreekanal zur Ausführung gekommen. Im Mai d. J. wurde zunächst der Dampfer „Caesar Wollheim VI“, ein Einschraubenschiff von 160 PSi mit der Schutzplatte versehen. Der Dampfer arbeitete 2 mal 2 Stunden, ohne daß irgend eine meßbare Ausspülung sich in der Kanalsohle gezeigt hätte. Der zweite Versuch fand mit dem 90 PSi-Motorschiff „Cladow“ statt, dessen Schraube 280 Umdr. i. d. Min. macht. Zunächst wurde das Ruder abgenommen, und die Schraube arbeitete 2 × 2 Stunden, ohne daß sich eine meßbare Ausspülung ergeben hätte. Es beweist dies den Satz, daß lediglich die Ablenkung der Strahlen des durch die Schraube nach hinten geschleuderten Wasserzylinders durch das Ruder die Ausspülung der Sohle verursacht. Sodann wurde das Ruder, welches mit einer Flamm sehen Schutzplatte versehen worden war, eingesetzt, und die Schraube arbeitete wieder 2 × 2 Stunden. Von der Königlichen Wasserbauinspektion Fürstenwalde wurde die Kanalsohle auf 40 m Länge und zwar von 10 m vor der Schraube bis 30 m dahinter in Abständen von 1 m in der Längs- und Querrichtung auf das sorgfältigste gepeilt, es konnte jedoch keine irgendwie meßbare Ausspülung gefunden werden. Nachdem die Flammsche Schutzplatte losgenommen war, arbeitete die Schraube mit dem gewöhnlichen Ruder ohne Schutzplatte abermals 2 × 2 Stunden. Dabei wurden jedesmal gewaltige Löcher von etwa 1,50 m Tiefe aus der Kanalsohle ausgespült. Es sei noch besonders darauf hingewiesen, daß der Tiefgang des Schiffes bei diesen Versuchen 1,4 m betrug, und der Wasserstand im Kanal rund 3,20 m, so daß unter dem Schiff noch 1,80 m und unter der Unterkante der Schraubenflügel noch 1,90 m Wasser bis zur Kanalsohle waren. Daraus ergibt sich, daß die von Fachleuten des Wasserbaues geäußerte Ansicht, daß bei einer Kanaltiefe von 3,00 m ein besonderer Schutz der Sohle nicht erforderlich sei, durchaus irrig ist. Ein dritter Versuch fand mit dem Schleppdampfer „Dora“ der Schleppschiffahrts-Gesellschaft auf dem Oder-Spreekanal statt. Das Schiff ist als starker Wühler bekannt. Das Ruder wurde mit einer Schutzplatte nach den Angaben des Geh.-Rat Flamm versehen, und die Schraube arbeitete 2 × 2 Stunden, ohne daß sich eine meßbare Ausspülung ergeben hätte. Dann wurde die Platte losgenommen, und die Schraube arbeitete wiederum zwei Stunden. Hierbei wurden Gruben von 8 bis 10 m Länge, 6 bis 8 m Breite und 1,60 m Tiefe aus der Kanalsohle ausgespült. Der Tiefgang des Schiffes betrug 1,45 m, der Wasserstand im Kanal rund 3,20 m; also auch hier, obwohl noch 1,80 m Wasser unter dem Schiff waren, eine zerstörende Wirkung auf die Kanalsohle. Aus den Versuchen geht klar hervor, daß die Flammsche Schutzplatte einen völlig sicheren Schutz der Kanalsohle gewährleistet, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Kosten der Schutzplatte in gar keinem Verhältnis stehen zu den großen Aufwendungen für den Umbau eines Einzelruderschiffs zu einem Doppelruderschiff oder den Mehrkosten beim Neubau eines Doppelruderschiffs gegenüber einem Einzelruderschiff, noch viel weniger aber zu den Unsummen, die die Regierung für die Ableitung des durchsickernden Wassers, für den Ersatz des abgelaufenen Kanalwassers und für Entschädigungen für Versumpfung der anliegenden Ländereien bei einer Durchwaschung der Kanalsohle zu zahlen hat. Für das Doppelruderschiff müssen wir aber vorläufig noch auf dem Standpunkt stehen bleiben, daß sein Wert noch sehr zweifelhaft und in der Praxis noch nicht einwandfrei erwiesen ist. Weitere eingehende Mitteilungen über diese, die Wirtschaftlichkeit unserer Kanalschiffahrt aufs Empfindlichste berührenden Verhältnisse werden wir unsern Lesern nach der Konstanzer Tagung im August dieses Jahres machen.