Titel: Die Markierung der Luftstraßen.
Autor: Paul Béjeuhr
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 707
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Die Markierung der Luftstraßen. Von Paul Béjeuhr in Berlin. BEJEUHR: Die Markierung der Luftstraßen. Bei dem stetig wachsenden Luftverkehr ergibt sich mit zwingender Notwendigkeit eine allgemeine Regelung der Straßenordnung in der Luft und eine genaue Markierung wichtiger Zugstraßen, Haltepunkte mit Unterkunftsräumen und Häfen. Auf beiden Gebieten wird emsig gearbeitet. Die Regelung des Luftverkehrs wird durch gesetzgeberische Bestimmungen in allernächster Zeit in fast allen Kulturstaaten erfolgen, und für die Markierung der Zugstraßen liegen ebenfalls schon eine Reihe bald zu verwirklichender Vorschläge vor. Die Markierung wird ähnlich wie bei' der Schiffahrt durch eine der Betonnung ähnliche Kenntlichmachung des Landes am Tage und Befeuerung in der Nacht erfolgen. Um ersteres durchzuführen, werden besonders markante Geländepunkte eventl. noch mit besonderen Aufbauten und Zeichen versehen und in eine Karte bzw. ein Handbuch eingetragen, so daß der Führer des Luftfahrzeuges hierdurch in der Lage ist, seine Reise zu bestimmen bzw. seinen Kurs zu korrigieren. Auf dieses Gebiet werden wir später noch zurückkommen. Für die Befeuerung bei Nacht war auf Anregung der Flugplatzdirektion Johannisthai gelegentlich der diesjährigen Herbstflugwoche ein Vergleichsversuch eingeleitet worden, an welchem sich drei Firmen beteiligten, und zwar: die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, die Berlin-Anhaltische Maschinenbau-Aktiengesellschaft und die Julius Pintsch-Aktiengesellschaft. Das Pintsch-Feuer war auf dem Turm der neuen Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Adlershof eingerichtet. Es war ein rotierendes Feuer, wie wir es von den Leuchttürmen der Seeschiffahrt kennen, und zwar lief ein wagerechter Lichtstrahl durch Drehung einer entsprechenden Blende kontinuierlich im Kreise. Das A. E. G. Licht war auf einem besonderen Turm an der Seite des alten Startplatzes eingerichtet und bestand aus einem Scheinwerfer, der so eingerichtet war, daß er einen nicht verlöschenden Lichtkegel senkrecht nach oben warf. Das B. A. M. A. G.-Feuer war auf dem neuen Schuppenplatz in einem besonderen Turm untergebracht, der in seiner schmucken Bauart sehr den bekannten Leuchttürmen unserer Küste ähnelt. Dieses Feuer gab besondere Blinkzeichen und zwar folgte einem längeren Achtungsblitz die Zahl 123 durch die Blitze 1 – 1, 2 – 1, 2, 3. Die Anordnung der einzelnen Feuer war so getroffen, daß die Linie Pintsch-Licht – B. A. M. A. G. -Feuer“ genau die Waldlisere des Flugplatzes begrenzte, während durch das A. E. G.-Licht als dritten, gegenüberliegenden Punkt die Größe des Flugplatzes festgelegt war. Die Landung sollte nach folgendem Prinzip vorgenommen werden: Das Luftfahrzeug steuert zunächst den senkrechten Lichtkegel des A. E. G. – Leuchtfeuers an und umrundet ihn, bis es die Linie Pintsch-Feuer – B. A. M. A. G.-Licht parallel zur Rechten hat. Es fährt dann auf das B. A. M. A. G.-Licht zu und landet unmittelbar vor diesem, wo es günstiges Landungsterrain anfindet. Um dem Führer das Landen noch weiter zu erleichtern, waren nach den Vorschlägen von Major von Tschudi vor dem B. A. M. A. G.-Licht in einer Höhe von 3 m über dem Boden eine Reihe roter Lichter angebracht. In einem Abstand von etwa 50 m hinter dieser Reihe befand sich eine gleich hohe Reihe roter Lichter. Wenn das Fahrzeug daher nach richtiger Umrundung des A. E. G.-Kegels das B. A. M. A. G.-Feuer ansteuert, so sieht der Führer die beiden farbigen Lichterreihen vor sich, und zwar infolge der hohen Lage des Luftfahrzeuges als Parallellinien. Je mehr sich nun das Luftfahrzeug senkt, desto mehr nähern sich die beiden Lichtreihen, bis sie in dem Augenblick ineinander übergehen, wenn das Auge des Führers sich 3 m über dem Boden befindet. Die Grundidee dieser farbigen Lichtreihen ist sicher recht geschickt; die Lichter müßten jedoch etwas höher vom Boden angebracht werden (z.B. 5 m), denn ein im Gleitflug landendes Flugzeug ist in einer Höhe von 3 m sehr schwer abzufangen, zumal wenn man bedenkt, daß das Fahrgestell doch immerhin 1,8 bis 2 m tiefer als das Auge des Führers liegt. Außerdem wäre es vielleicht ganz zweckmäßig, statt einer Parallelreihe in 5 m Höhe vielleicht eine weitere in 10 m Höhe zu haben. Es muß jedoch bedacht werden, daß isoliert stehende Lichtreihen für den Flugbetrieb außerordentlich gefährlich sind, zumal wenn sie aus irgend welchen Ursachen nicht brennen. Es ließe sich daher dieser Vorschlag nur verwirklichen, wenn geeignete Tribünendächer, die ja wohl ungefähr die Höhe haben werden, zur Verfügung stehen. Textabbildung Bd. 328, S. 708 Es muß hervorgehoben werden, daß die Versuche mit den Leuchtfeuern natürlich nur als erste Vorversuche anzusehen sind, um Erfahrungen zu sammeln, ob derartige Feuer von Luftfahrzeugen auch in den genügenden Entfernungen wahrzunehmen sind und ob die Unterscheidung der einzelnen Blinkstrahlen sich genügend scharf ergibt. Die bis jetzt bekannt gewordenen Aeußerungen der Flieger sind recht widersprechend, so daß sich hieraus noch kein abgeschlossenes Urteil bilden läßt. Liegen die erwähnten Erfahrungen einmal vor, so ist es nötig, die Versuche auch auf die Oekonomie zu erstrecken, da die erwähnten drei elektrischen Feuer teilweise mit ganz verschiedenen Lichtstärken ausgerüstet waren (das Pintsch-Licht mit 600 HK, das B. A. M. A. G.-Licht mit 2000 HK), und es ferner für den Dauerbetrieb sehr wichtig ist, ob die Bedienung der Feuer eine genügend einfache ist und ob ihre Betriebsdauer so eingerichtet werden kann, daß sie auch über die Zeiten mit Sicherheit hinwegbrennen, wenn ein Nachsehen bzw. Nachfüllen des Lichtes nicht erfolgen kann. Wir haben hier ja genügend ähnliche Beispiele bei der Seebefeuerung. Ferner verdient die Frage eine große Beachtung, ob die verschiedenen Kennungen, die durch Blinkfeuer eingeführt werden sollen, sich auch dem Gedächtnis der Führer schnell genug einprägen bzw. ob sie so unterschiedlich gemacht werden können, daß der Führer sie aus einer Zusammenstellung ohne weiteres identifizieren kann. Man muß sich darüber klar werden, daß für die Luftfahrt wesentlich andere Geschwindigkeitsverhältnisse vorliegen als für die Seefahrt. Bei den verhältnismäßig langsamfahrenden Schiffen wird der Kapitän immer die genügende Zeit finden, auf der Karte ein sichtbar werdendes Feuer zu identifizieren. Ob dies bei den Reisegeschwindigkeiten unserer Luftfahrzeuge möglich ist, erscheint zum mindesten fraglich. Jedenfalls wird von den Militärbehörden energisch auf die Einführung einer Befeuerung mit Kennung hingearbeitet. So hat z.B. die B. A. M. A. G. ein Azetylen-Blinkfeuer mit Kennung für den Luftschiffhafen Straßburg (2500 HK) und Posen (2000 HK) eingeführt, während außerdem für Reinickendorf, Metz und Königsberg bereits seit längerer Zeit ähnliche Blinkfeuer eingebaut sind. Bei den letzten drei handelt es sich jedoch um die allerersten Typen der B. A. M. A. G., so daß das Feuer nicht so weit leuchtend war wie bei den neuesten Ausführungen. Elektrische Blinkfeuer, ähnlich wie die in Johannisthal vorgeführten, sind mit besonderen Kennungen für Posen und Liegnitz in Lichtstärken von 8500 HK angeordnet, und auch die Stadtverwaltung in Bonn hat eine Blinklichtanlage mit 8500 HK mit Kennung eingeführt. Wie schon aus diesen wenigen Ausführungen hervorgeht, handelt es sich bei diesen großen Feuern um Anlagen, die ganz erhebliche Unterhaltungskosten erfordern werden, so daß wohl nur die Luftschiffhäfen und Flugplätze bzw. die größeren Militär-Fliegerstationen derartige Befeuerungen einrichten werden. Für kleinere Flugplätze werden sich Magnesiafackeln von längerer Brenndauer am besten eignen, wie sie von der Allgemeinen Flug-Gesellschaft ausgeführt werden. Natürlich muß dann eine ganz bestimmte Vorschrift erlassen werden, an welcher Stelle des Platzes die Fackeln brennen sollen. Es würde sich hier vielleicht empfehlen, auf allen Flugfeldern ein großes lateinisches U oder H mit Kalk auf den Boden zu zeichnen, der sich trotz Regen, Schnee usw. monatelang sichtbar erhält. Diese Buchstaben müßten derart auf dem Platz orientiert sein, daß der ankommende Flieger sein Flugzeug auf dem Querbalken zur Bodenberührung bringt und nun in der Straße zwischen den beiden Längsbalken ausrollt. Ist dies allgemein bekannt, so gehören bei einer Nachtlandung die beiden Fackeln an die Schnittpunkte des Quer- mit den beiden Längsbalken der Buchstaben, um dem Flieger eindeutig den Teil des Feldes anzugeben, wo er gefahrlos landen und seinen Apparat ausrollen lassen kann. Denn die Windverhältnisse spielen heute doch nicht mehr eine so große Rolle, daß der Flieger nicht auch einmal mit Seitenwind landen könnte. Zu überlegen wäre freilich, ob sich nicht eine Flugfeldmarkierung mit erschwinglichen Kosten derart ausführen ließe, daß die Markierungslichter an den entsprechenden Stellen in die Erde eingelassen und nun mit armiertem Glas überdeckt werden, so daß der Verkehr über die Lichter hinweg ohne Behinderung vor sich gehen kann. Daß eine derartige Anlage, wenn sie nur weit genug sichtbar ist, den reinen Feuertürmen gegenüber außerordentliche Vorteile besitzt, wird sofort klar, wenn man an die Behinderung des Luftverkehrs durch alle Türme denkt, zumal wenn aus irgendwelchen Gründen die Beleuchtung nicht funktioniert und der Turm dann erst in nächster Nähe sichtbar wird. Eine weitere Vorführung der Flugwoche galt den Fallschirm-Fackeln, die (vom Luftfahrzeug abgeworfen) das Gelände beleuchten sollen. Durch sinnreiche Verbindung einer Fackel, die im Moment des Abwurfes sich entzündet, mit einem Fallschirm wird eine solche Fallverzögerung beigeführt, daß das Gelände genügend lange Zeit beleuchtet bleibt. Für Flugzeuglandungen werden diese Fackeln nicht besonders gut verwendbar sein, denn sie folgen natürlich nach dem Abwurf der Windrichtung und beleuchten daher vielleicht ein Terrain, welches das Flugzeug in senkrechter Richtung schon längst überflogen hat. Gemäß den Vorschlägen der Fédèration Aéronautique Internationale werden nach den demnächst zu erwartenden gesetzlichen Bestimmungen die Luftfahrzeuge ähnliche Lichter zu führen haben wie die Schiffe, und zwar: der Freiballon wie ein kleines Segelboot nur ein weißes Schwanklicht, das Luftschiff eine weiße Topplaterne, ein weißes Hecklicht, eine grüne Steuerbord- und eine rote Backbord-Lampe. Für Flugzeuge ist zunächst nur eine einzige Laterne in Aussicht genommen, die aber durch entsprechende farbige Scheiben die Hauptchsen des Flugzeuges orientieren soll. Eine derartige elektrische Lampe wurde an einem Doppeldecker vorgeführt, bei welchem sie zwischen den Tragflächen angebracht war. Wegen des böigen Windes unternahm der Apparat keinen Flug, sondern rollte nur über den Platz in verschiedenen Richtungen, die man aus der gezeigten Farbe deutlich erkennen konnte. Es wäre aber gerade interessant gewesen, die Lichterführung von unten beobachten zu können. Werden nun derartige Lichterführungen für den späteren Luftverkehr genügen? Ohne den späteren, natürlich allein maßgebenden Erfahrungen vorgreifen zu wollen, scheint doch eine einzige Laterne zum Festlegen der Flugzeugumrisse zu wenig. Man sage nicht: – das Luftmeer sei groß genug, die Lichter könnten sich ja genügend weit ausweichen! – Diese Phrase könnte man mit demselben Recht auf Schiffe anwenden. Wird überhaupt eine Kennzeichnung für notwendig erachtet, so muß sie bei der Vielgestaltheit moderner Flugzeugumgrenzungen auch ausreichen, diese Umgrenzungen auf Entfernungen zu sehen. Ein Flugzeug muß daher unbedingt die rote und grüne Positionslaterne in der Nähe der äußersten Flügelenden tragen; wünschenswert wäre, wenn auch durch die Topp- und Hecklaterne Kopf- und Schwanzende festgelegt wäre, jedoch ließe sich in diesem Fall auch eine Vereinigung in einer einzigen an den Seiten abgeblendeten Topplaterne denken, die dann zweckmäßig am Spannturm oder zwischen den beiden Tragflügeln gezeigt wird. Es könnte sich ferner die Frage ergeben, ob bei frei im Raum sich bewegenden Luftschiffen nicht auch die Höhenbegrenzung derselben wichtig für sich nähernde Fahrzeuge ist. Dies würde sinngemäß zu einer Verdoppelung der Topp- und der Hecklaterne führen. Zweifellos ist ein Luftschiff ja erst durch diese sechs Laternen in seinen Umrissen so festgelegt, daß ein anderes Fahrzeug es bei Dunkelheit ganz überblickt. Aber hier wird die sich immer mehr einführende drahtlose Telegraphie für Luftfahrzeuge wohl überhaupt zu einer besonderen Vorschrift in der Verkehrsordnung führen, die diese Höhenkennzeichnung überflüssig macht. Für drahtlos – telegraphische Zwecke wird sich in vielen Fällen das Herabhängenlassen eines längeren Drahtes als Antenne nötig machen, so daß in der Verkehrsordnung unbedingt vorgeschrieben werden muß, daß ein Vorbeifahren in senkrechter Richtung über oder unter einem anderen Luftfahrzeug auf jeden Fall verboten ist. Wird ein derartiges Verbot aber eingeführt, so erübrigt sich die Kenntlichmachung der Luftschiffe nach ihren Höhenabmessungen. Jedenfalls haben alle diese Versuche recht wichtige Fingerzeige gegeben, so daß bei Einführung besonderer Verkehrsordnungen schon gewisse Erfahrungen für die Befeuerung und die Lichterführung vorliegen werden.