Titel: Rechts-Schau.
Autor: Eckstein
Fundstelle: Band 330, Jahrgang 1915, S. 457
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Schuldbeweis oder Entlastungsbeweis bei Schadenansprüchen aus technischen Mängeln. Wenn ein technischer Unternehmer, Maschinenlieferant usw. durch sein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) einen Mangel einer technischen Anlage, der Maschine usw. verursacht, so liegt in seinem Verhalten eine Vertragswidrigkeit gegenüber dem Auftraggeber, der nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechtes ihn zum Schadensersatz verpflichtet. Dieses Recht des Auftraggebers auf Schadensersatz besteht selbständig neben seinen allgemeinen Rechten aus dem Vertrage, nämlich wegen mangelhafter Leistung, Wandelung oder Minderung zu beanspruchen. Dieses Wandlungs- oder Minderungsrecht ist unabhängig von einem Verschulden des technischen Unternehmers. Dieser Grundsatz wird für den Kaufvertragdurch § 463 des bürgerlichen Gesetzbuches, für den Werkvertrag durch § 635 ausdrücklich ausgesprochen: § 463: Fehlt der verkauften Sache zur Zeit des. Kaufes eine zugesicherte Eigenschaft, so kann der Käufer statt der Wandelung oder der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Das Gleiche gilt, wenn der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen hat. §635: Beruht der Mangel des Werks auf einem Umstände, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Besteller statt der Wandelung oder der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die Rechte des Auftraggebers gegenüber dem Unternehmer sind demnach einfach geregelt. Viel verwickelter dagegen ist die Frage, ob zur Begründung eines Schadensersatzanspruches der Besteller dem technischen Unternehmer, Maschinenfabrikanten usw. ein Verschulden nachweisen muß, oder ob der Schadensersatzanspruch ohne weiteres gegeben ist, außer wenn der Unternehmer, Lieferant usw. seine Schuldlosigkeit beweist. Die Rechtsprechung steht auf dem letzteren Standpunkt, und erachtet den technischen Unternehmer, Lieferanten, falls ein Mangel sich herausstellt, für schadensersatzpflichtig, wenn dieser nicht den sogenannten Entlastungsbeweis führt (vgl. z.B. die Entscheidung des Oberlandesgerichts Kiel U II 201/11). Diese Anschauung stützt sich darauf, daß im Werkvertragsrecht insbesondere in Hinsicht auf die Mängelhaftung dieselben Grundsätze zur Anwendung zu kommen hätten, wie bei der Unmöglichkeit der Leistung. Hinsichtlich der Unmöglichkeit der Leistung bestimmt aber der § 282 des bürgerlichen Gesetzbuches, daß bei einem Streit darüber, ob der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten habe oder nicht, der Schuldner die Beweislast habe. Diese juristische Beweisführung ist aber durchaus nicht so einwandsfrei, wie sie auf den ersten Anblick scheint. Der § 282 des bürgerlichen Gesetzbuches bezieht sich auf die Unmöglichkeit der Leistung, und berechtigt allerdings den Gläubiger zum Schadensersatz, ohne von ihm den Beweis zu verlangen, daß der Schuldner den Umstand, aus dem sich die Unmöglichkeit der Leistung herleitet, zu vertreten hat. Ob aber die Uebertragung des Grundsatzes auf andere Rechtsverhältnisse ohne weiteres berechtigt ist oder nicht, ist eine Frage, die durch die angeführte Entscheidung jedenfalls nicht genügend geklärt ist. Der Gedanke, daß der § 282 BGB nur die besondere Anwendung eines allgemein geltenden Grundsatzes sei, ist eine bloße Behauptung, nicht aber überzeugend bewiesen. Erhebliche Gründe sprechen sogar für das Gegenteil dieser Ansicht. Das Gesetz verpflichtet den Werkunternehmer, das Werk ohne Mängel herzustellen. Wenn bei oder nach der Herstellung des Werkes Mängel festgestellt werden, so kann der Besteller den Auftrag rückgängig machen oder Minderung der Vergütung beanspruchen unabhängig davon, ob den technischen Unternehmer, Maschinenfabrikanten usw. ein Verschulden trifft. Es handelt sich hier gewissermaßen um eine gesetzliche Garantiepflicht des Schuldners. Durch diese Bestimmung ist der Besteller hinreichend geschützt. Selbstverständlich müssen ihm weitere Ansprüche zustehen wenn der technische Unternehmer usw. vertragswidrig gehandelt hat, und durch Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Mängel der Anlage verursacht hat. Es entspricht den Grundsätzen des bürgerlichen Gesetzbuches, daß ein Schadensanspruch nur gegeben ist, wenn dem Schuldner ein Verschulden nachgewiesen wird.Dieser Satz gilt nicht nur von außervertraglichen Rechtsverhältnissen, sondern auch von Verträgen. Der Gedanke, daß jemand Schadensersatz leisten soll ohne Verschulden, ist durchaus unsinnig und wird nur bei einigen besonderen Rechtsverhältnissen vom Gesetz auf Grund besonderer Zweckmäßigkeitserwägungen aufgenommen. So ist es z.B. beim Kauf. Liefert der Verkäufer eine mangelhafte Ware, so kann der Käufer Wandelung oder Minderung des Kaufpreises beanspruchen. Liefert er schuldhafter Weise mangelhafte Ware, durch die dem Käufer ein Schaden erwächst, so kann der Käufer auch Schadensersatz beanspruchen, ist aber genötigt, dem Verkäufer, den er auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will, sein Verschulden bei der Lieferung der mangelhaften Ware nachzuweisen. Dieser Grundsatz ist beim Kaufrecht auch bisher noch nicht in Zweifel gezogen worden. Schon bei der Regelung des § 282 BGB in Hinsicht auf die Unmöglichkeit der Leistung erscheint die Beweislastverteilung des Gesetzes wenig billig und der ganze Paragraph nicht recht glücklich. Wie dem aber auch sei, es liegt kein Grund vor, eine Bestimmung, die ihrem klaren Wortlaut nach nur auf Unmöglichkeit der Leistung zugeschnitten ist, ohne weiteres auf andere Rechtsverhältnisse auszudehnen. Und es würde als ein unbilliger Zwiespalt im Rechte erscheinen, wollte man diesen Grundsatz des § 282 auf das Werkvertragsrecht erweitern, beim Kaufrecht dagegen nicht zur Anwendung bringen. Man muß daher auch in Hinsicht auf den technischen Unternehmer den Grundsatz vertreten, daß ein Schadensanspruch nur gegeben ist, wenn der Mangel einer technischen oder maschinellen Anlage als von dem Unternehmer oder Lieferanten verschuldet nachgewiesen wird. Insofern ist allerdings die gegenteilige Meinung nicht ganz unbegründet, als eine Vermutung in vielen Fällen für die Schuld des technischen Unternehmers sprechen dürfte. Seine Vertragspflicht geht gerade dahin, Mängel der Leistung zu verhindern. Wenn trotzdem Mängel sich herausstellen, so kann man häufig auf ein Verschulden des technischen Unternehmers schließen. Eine bloße Vermutung, die in vielen und nicht einmal in allen Fällen gerechtfertigt ist, ist aber noch kein Beweis. Mag in manchen Fällen eine solche Vermutung auch ausreichen, um den Richter davon zu überzeugen, daß der technische Unternehmer, Maschinenlieferant usw. seine Vertragspflicht vernachlässigt haben muß, so darf man doch keineswegs aus diesem Satze einen allgemein gültigen Grundsatz machen. Wie es den allgemeinen Sätzen des bürgerlichen Rechts entspricht, muß man daher auch beim technischen Unternehmer annehmen, daß der allgemeine Grundsatz nicht im Regelfall durchbrochen ist und daß im Zweifel nicht diese zu einem Entlastungsbeweis verpflichtet sind, sondern daß ein Schadensanspruch gegen sie nur dann begründet ist, wenn ihnen ein Verschulden nachgewiesen wird. Dr. jur. Eckstein.