Titel: Abwärmeverwertung bei Dieselmotoren.
Autor: E. Mrongovius
Fundstelle: Band 331, Jahrgang 1916, S. 165
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Abwärmeverwertung bei Dieselmotoren. Von Dipl.-Ing. E. Mrongovius, Berlin. MRONGOVIUS: Abwärmeverwertung bei Dieselmotoren. Infolge des immer schärfer werdenden Mitbewerbes und der steigenden Brennstoffpreise ist man bestrebt, jede im Brennstoff enthaltene Kalorie auszunutzen. Der Dampfmaschinenbau ist schon seit langer Zeit zur weitesten Ausnutzung des Abdampfes und der Rauchgase übergegangen durch Verwendung von Vorwärmern, Kondensatoren, Ueberhitzern, modernen Feuerungen usw., und hat dadurch den thermischen Gesamtwirkungsgrad von Dampfmaschinenanlagen, also deren Wirtschaftlichkeit, ganz erheblich gesteigert. So erfordert z.B. eine Dampfmaschine für 1 PS/Std. rund 3500 bis 10000 Kalorien, die dem Brennstoff entnommen werden müssen. Davon werden aber nur (75 • 3600) : 427 = 632 Kalorien in Arbeit umgesetzt. Der thermische Wirkungsgrad der Maschine allein ist also nur 18,1 bis 6,3 v. H. Durch weitgehende Ausnutzung der Wärme der Abgase und des Abdampfes kann man aber einen thermischen Gesamtwirkungsgrad der Anlage von 73 v. H. erreichen. Der Dieselmotor braucht für 1 PSe/Std. nur 1800 bis 2300 Kalorien, was einem thermischen Wirkungsgrade von etwa 35 bis 27,3 v. H. entspricht. Wenn der Dieselmotor an sich also auch bedeutend wirtschaftlicher arbeitet als eine Dampfmaschine, so bleibt er doch weit hinter einer modernen Dampfmaschinenanlage zurück. Man hat sich deshalb in den letzten zehn Jahren bemüht, auch bei Dieselmotoren den thermischen Gesamtwirkungsgrad zu verbessern durch weitgehende Ausnutzung der in dem Kühlwasser und den Abgasen enthaltenen Wärme. Die Firma Gebrüder Sulzer ist bahnbrechend auf diesem Gebiete vorangegangen und hat schon vor mehreren Jahren eingehende Versuche mit Abgasverwertern für Dieselmotoren gemacht. Da der Dieselmotor infolge seiner verschiedenen großen Vorzüge, wie z.B. Wirtschaftlichkeit im Betriebe, geringe Anforderungen an die Bedienung, stetige Arbeitsbereitschaft, geringer Platzbedarf u.a.m., eine immer größere Bedeutung im wirtschaftlichen Leben gewinnt, so ist es wohl angezeigt, zu untersuchen, wie hoch der erreichbare thermische Gesamtwirkungsgrad bei Dieselmotoren ist, und was auf diesem Gebiete bereits erreicht wurde. Textabbildung Bd. 331, S. 165 Abb. 1. Die Arbeitsweise des Dieselmotors, das sogenannte Gleichdruckverfahren, ist jedem Fachmann bekannt. Der gewöhnliche Brennstoff des Dieselmotors, das Naphtha oder Rohöl, hat einen Durchschnittsheizwert von rund 10000 Kalorien für 1 kg. Der Brennstoffverbrauch der Dieselmotoren für 1 PSe/Std. bei verschiedenen Größen der Motoren und verschiedenen Belastungstufen ist aus Abb. 1 ersichtlich. Er ändert sich wenig bei den verschiedenen Motorgrößen, steigt aber bedeutend bei verminderter Belastung. Bei den weiteren Betrachtungen soll als der häufigste nur der Fall der Vollbelastung berücksichtigt werden. Der Kühlwasserbedarf von Dieselmotoren ist aus den Kurven (Abb. 2) ersichtlich. Die Eintrittstemperaturen sind verschieden angenommen, die Austrittstemperatur ist für alle Kurven die gleiche. Der Kühlwasserbedarf steigt sehr langsam mit wachsender Motorleistung. Das Kühlwasser kann ohne weiteres für verschiedene Zwecke verwendet werden, da es ja nicht verunreinigt wird. Oder aber man nutzt die im Kühlwasser enthaltene Wärme aus, indem man sie dem Wasser entzieht. In beiden Fällen kann die in das Kühlwasser übergegangene Wärmemenge in der Wärmebilanz als Gewinn gebucht werden. Die durch das Kühlwasser abgeführten Wärmemengen, die aus der Temperaturdifferenz leicht zu ermitteln sind, wurden in Abb. 3 eingetragen. Der Brennstoffverbrauch wurde dabei zu rd. 190 g für 1 PSe/Std. angenommen. Die abgeführten Wärmemengen nehmen langsam zu mit steigender Motorleistung. Die Eintrittstemperaturen des Wassers spielen natürlich keine Rolle, da bei niedrigeren Anfangstemperaturen auch ein geringeres Wasserquantum nötig ist, um dieselben Wärmemengen abzuführen. Textabbildung Bd. 331, S. 166 Abb. 2. Erfahrungsgemäß kann man aus dem Kühlwasser 500 bis 700 Kalorien für 1 PSe/Std. gewinnen, was rund 26 bis 37 v. H. des Wärmebedarfs einer PSe/Std. entspricht. Im Durchschnitt kann man mit rund 30 v. H. rechnen. Textabbildung Bd. 331, S. 166 Abb. 3. Die in den Abgasen enthaltene Wärmemenge läßt sich auf folgende Weise berechnen: Zur Verbrennung von 1 kg Rohöl sind theoretisch 11,3 m3 oder 14,5 kg Luft erforderlich. Bei einem Luftüberschußkoeffizienten von 1,4 bis 1,6, also rund 1,5 bei Vollast, ergibt sich ein Abgasgewicht für 1 kg Brennstoff von: 1 + 14,5 • 1,5 = 23 kg. Die spezifische Wärme der Abgase, die eine Temperatur von 400° bis 600° C haben, ist durch neuere Versuche zu rund 0,255 bestimmt. Bei einem Brennstoffverbrauch von 190 g für 1 PSe/Std. ergibt sich eine in den Abgasen enthaltene Wärmemenge: 0,19 • 23 • 0,255 (400 bis 600) = 445 bis 660 Kalorien, oder 23 bis 35 v. H. des Wärmebedarfs. Wie Versuche ergaben, kann man aus den Abgasen 300 bis 500 Kalorien, oder 16 bis 26 v. H. durch Verwendung von geeigneten Abgasverwertern wiedergewinnen. Aus Abgasen und Kühlwasser zusammen können bis 900 Kalorien für 1 PSe/Std. oder bis 50 v. H. des Wärmebedarfs wiedergewonnen werden. Aus verschiedenen praktischen Gründen geht man mit der Abkühlung der Abgase nicht unter 150° herunter. Die Abgase enthalten rd. 5,5 v. H. Wasserdampf, der bei weiterer Abkühlung anfangen würde zu kondensieren und die Eisenteile des Abgasverwerters zum Rosten brächte. Ferner entwickeln die Abgase in kälterem Zustande Sulfate, die mit dem in manchen Oelen enthaltenen Schwefel den Abgasverwerter angreifen. Deshalb baut man auch die neueren Abgasverwerter aus gußeisernen Teilen, da das Gußeisen den Säuren gegenüber widerstandsfähiger ist. Bei geringerem Temperaturgefälle würden auch die Kühlflächen sehr groß ausfallen, da die Abgase einen sehr schlechten Wärmeübergangskoeffizienten durch Metalle haben (6 bis 12 Kalorien für 1 m2 und Stunde bei 1° Temperaturdifferenz). Die Wärmebilanz einer modernen Dieselmotoranlage wird im Durchschnitt folgendermaßen lauten: In Nutzarbeit umgewandelt 630 Kal.   33 v. H. Aus Kühlwasser gewonnen 570   „   30   „ Aus Abgasen gewonnen 320   „   17   „ In Abgasen verloren 230   „   12   „ Reibung, Strahlung usw. 150   „     8   „ –––––––––––––––––––––––– Summe 1900 Kal. 100 v. H. Zu beachten ist, daß ein Teil der in Wärme umgesetzten Reibungsarbeit durch Ausnutzung der Abwärme auch wiedergewonnen wird. Die obigen Werte ergeben einen thermischen Gesamtwirkungsgrad von 33 + 30 + 17 = 80 v. H., somit erreicht der Dieselmotor bei guter Ausnutzung der Abwärme nicht nur den höchsten thermischen Wirkungsgrad einer modernen Dampfmaschinenanlage, sondern übertrifft ihn sogar noch. Zum Vergleich seien hier die höchsten erreichbaren thermischen Gesamtwirkungsgrade der verschiedenen Maschinen angegeben: Dieselmotor 80 v. H. Gasmaschine 84   „ Auspuffdampfmaschine 73   „ Kond. Dampfmaschine 72   „ In der Praxis wird der thermische Gesamtwirkungsgrad von 80 v. H. nur dann erreicht, wenn es sich um gleichmäßigen Dauerbetrieb handelt mit ebenso gleichmäßiger und andauernder Ausnutzung der Abwärme. Meistens arbeiten Dieselmotoranlagen mit einem thermischen Gesamtwirkungsgrade von 50 bis 60 v. H. Die neueren und modernen Abgasverwerter bestehen aus schrankartigen Kästen. In denen gußeiserne Elemente oder Radiatoren hintereinander geschaltet sind. Die Radiatoren werden von außen von den heißen Abgasen umströmt, innen fließt das die Wärme aufnehmende Wasser durch. Die Gase und das Wasser durchströmen den Abgasverwerter im Gegenstrom. Die günstigsten Ergebnisse erzielt man bei hohen Geschwindigkeiten, die Wassergeschwindigkeit hat dagegen keinen großen Einfluß. Die Abgasverwerter erhalten eine Kühlfläche von rund 0,2 m2 für 1 PSe, wobei 1 m2 mit rund 2000 bis 3000 Kalorien stündlich beansprucht werden kann. Der Widerstand eines Abgasverwerters beträgt 0,18 bis 0,2 at und wirkt in keiner Weise störend auf den Betrieb. Dagegen hat man den großen Vorteil, daß der Abgasverwerter als Schalldämpfer wirkt, so daß der eigentliche Auspufftopf beinahe überflüssig wird und nur als Bereitschaft für den Fall der Außerbetriebsetzung des Abgasverwerters angeordnet wird. Die Apparate erfordern nur geringen Raum, sehen gut aus und können im Maschinenräume Platz finden. Zwecks guter Zugänglichkeit beim Reinigen werden sie gewöhnlich reichlich mit Türen und Oeffnungen versehen. Man kann mit Hilfe dieser Abgasverwerter Wasser bis 100° erhitzen; Dampf kann auch erzeugt werden, nur muß dann das Wasser in dem Apparate unter Druck sein. Die Erzeugung von Dampf ist aber thermisch nicht so günstig, weil das Temperaturgefälle zwischen Abgas und Heizkörper bei einer bestimmten Heizfläche zu gering wird. Zum unmittelbaren Heizen von Räumen eignet sich der Auspuff nicht, da die Auspuffrohre so heiß sind, daß ständige Feuersgefahr besteht. Braucht man nur warmes Wasser, so läßt man das Kühlwasser sich auf die nötige Temperatur erwärmen und speist den Abgasverwerter mit frischem Wasser. Will man dagegen heißes Wasser haben, so läßt man das auf 60 bis 70° erwärmte Wasser durch den Abgasverwerter fließen und die nötige Temperatur erreichen. Die auf diese Weise erzielte oder ersparte Abwärme wird zu den verschiedensten Zwecken verwendet, so z.B. zum Lufttrocknen, Lufterhitzen, zum Trocknen, Dämpfen, Warm- und Heißwasserbereiter für Bierbrauereien, Mälzereien, Zuckerfabriken, Ziegeleien, Brikettfabriken, Wasch- und Badeanstalten, chemische Fabriken und dergleichen. Besonders wirtschaftlich ist die Aufstellung von Abgasverwertern für größere Anlagen, die mit Dauerbetrieb arbeiten und die Abwärme auch dauernd verwenden können. Kleinere Anlagen, dazu noch mit einem kleinen Belastungsfaktor, werden naturgemäß weniger wirtschaftlich arbeiten. Eine Dieselmotoranlage von 300 PSe würde bei 180 g Rohölverbrauch für 1 PS und Std. an Wärme gewinnen: 0,18 • 10000 • 300 (0,30 + 0,17) = 253000 Kal./Std. Bei einem Preise von 10 M für 100 kg Rohöl ergibt das eine stündliche Ersparnis von 2,53 M. Ein Abgasverwerter für 300 PS von 0,2 • 300 = 60 m2 kostet rund 4000 M. Er würde sich also in drei Monaten bereits bezahlt machen. Die jährlichen Ersparnisse belaufen sich auf rund 20000 M. Die Anschaffung einer Abgasverwertungsanlage ist in diesem Falle selbstverständlich. Eine Anlage von 20 PSe bei 240 g Oelverbrauch gewinnt stündlich 900 • 20 = 18000 Kalorien, oder 0,18 Mark. Ein Apparat von 20 • 0,2 = 4 m2 Heizfläche kostet rund 1000 M, bei einem Belastungsfaktor der Anlage von rund 33 v. H. wird der Apparat sich erst in 1000 : (0,18 • 8) = 700 Tagen oder etwa zwei Jahren bezahlt machen. Für manche Anlagen, die heißes Wasser brauchen, wäre die Anschaffung des Apparates immerhin noch in Erwägung zu ziehen. Es ist anzunehmen, daß keine Dieselmotoranlage mehr entworfen wird, ohne daß dabei die Aufstellung von Abgasverwertern ernstlich in Erwägung gezogen wird.