Titel: Angenäherte Streckung von Kreisbögen nach Rankine.
Autor: G. Duffing
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 20
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Angenäherte Streckung von Kreisbögen nach Rankine. Von Oberingenieur G. Duffing, Berlin-Südende. DUFFING: Angenäherte Streckung von Kreisbögen nach Rankine. In der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1916 S. 986 hat Prof. H. Lorenz, Danzig-Langfuhr, ein Näherungsverfahren für die Rektifikation von Kreisbögen beschrieben, das darin besteht, daß man den Endpunkt des Bogens P auf die Tangente AB projiziert, aus einem Projektionszentrum, dessen Entfernung OC vom Mittelpunkt des Kreises gleich dem doppelten Halbmesser ist. Die Länge des Bogens AP ist dann gleich der Länge der geraden Strecke AB (Abb. 1). Der Veröffentlichung von Prof. H. Lorenz über „Angenäherte Streckung von Kreisbögen nach Huygens“ (S. 986 d. Zeitschr.) möchte ich ein anderes Verfahren zur Seite stellen, das gegenüber dem Huygensschen Verfahren gewisse Vorzüge besitzen dürfte. Textabbildung Bd. 332, S. 20 Abb. 1. Textabbildung Bd. 332, S. 20 Abb. 2. Das Verfahren stammt meines Wissens von Rankine und ist veröffentlicht in dem Lehrbuch über Maschinenelemente von Unwin (übersetzt von Fritz, Assistent für Maschinenlehre am Eidgen. Polytechnikum Zürich), allerdings ohne nähere Begründung und Fehlerabschätzung. Es besteht in Folgendem: Um in Abb. 2 den Kreisbogen AP auf der Tangente in A nach AB abzuwickeln, verbinde man P mit A durch die Gerade PAD und mache AD gleich \frac{1}{2} AP; dann liegen P und B auf einem Kreis mit dem Mittelpunkt D. Diese Punkte P und B liegen aber auch auf einem Kreisbogen mit dem Mittelpunkt C, wo A\,C=\frac{1}{4}\,A\,B, und diese Eigenschaft wird benutzt, wenn die gerade Strecke AB auf den Kreisbogen AP verbogen werden soll. Da diese beiden Eigenschaften elementar geometrisch auseinander hervorgehen, wie leicht aus dem gleichschenkligen Dreieck PBD (Abb. 3) mit der Basis PB = b zu ersehen ist, so braucht nur der Fehler bei einer der geschilderten Operationen zum Beispiel bei der erstgenannten abgeschätzt zu werden, was in Folgendem geschehen soll: Setzt man in Abb. 4 die Strecke OP = 1, so ist A\,P=2\,\sin\,\frac{\varphi}{2} und D\,P=3\,\sin\,\frac{\varphi}{2}=D\,B. Da der Winkel DAF gleich \frac{\varphi}{2} ist, so ist D\,F=\sin^2\,\frac{\varphi}{2}. Daraus folgt \begin{array}{rcl}A\,B&=&\sqrt{9\,\sin^2\,\frac{\varphi}{2}-\sin^4\,\frac{\varphi}{2}}-\sin\,\frac{\varphi}{2}\,\cos\,\frac{\varphi}{2}\\&=&3\,\sin\,\frac{\varphi}{2}\,\left[1-\frac{1}{9}\,\sin^2\,\frac{\varphi}{2}\right]^{1/2}-\frac{1}{2}\,\sin\,\varphi\end{array}.. (1) Unter Benutzung der Reihenentwicklungen \sin\,\frac{\varphi}{2}=\frac{\varphi}{2}-\frac{\varphi^3}{48}+\frac{\varphi^5}{32\,.\,120}\ .\ .\ . \sin^2\,\frac{\varphi}{2}-\frac{\varphi^2}{4}-\frac{\varphi^4}{48}+\frac{\varphi^6}{1440} . . . (1-u)^{1/2}=1-\frac{1}{2}\,u-\frac{1}{8}\,u^2-\frac{1}{16}\,u^3 . . . wo u=\frac{1}{9}\,\sin^2\,\frac{\varphi}{2} folgt: AB = φ – 0,00093 φ5 +..: . . . (2) Mit φ = 40° ergibt sich aus Gleichung (1) AB = 0,6980 gegen 0,6972 (Huygens) und 0,6981 genau. Das Verfahren ist daher, was arithmetische Genauigkeit anbetrifft, demjenigen von Huygens überlegen. Bezüglich der zeichnerischen Genauigkeit und der praktischen Verwendbarkeit kann das Huygenssche Verfahren überhaupt nicht in Betracht kommen. Textabbildung Bd. 332, S. 21 Abb. 3. Textabbildung Bd. 332, S. 21 Abb. 4. Nach Huygens wird zur Uebertragung von P nach B das Lineal benutzt, während nach Rankine die Uebertragung von P nach B und umgekehrt lediglich vermittels des Spitzenzirkels erfolgen kann, der eine viel größere Genauigkeit als das Lineal, selbst bei Verwendung eines harten meißelförmig geschliffenen Bleistiftes gewährleistet. Geht in Abb. 1 die Gerade CB nicht genau durch Punkt P (in zeichnerischer Auffassung), so kommt der Fehler in voller Größe bei AB zum Vorschein. Bei Operation mit dem Spitzenzirkel kann in dieser Hinsicht kein Fehler von Bedeutung auftreten, sofern man die Vorsicht gebraucht, die Spitze über das Zeichenpapier gleiten und frei in das sorgfältig gestochene Loch bei P einfallen zu lassen. Man könnte nun noch als Nachteil des Rankineschen Verfahrens die Zweiteilung der Strecke AP und die Vierteilung der Strecke AB bezeichnen. Dieser Einwand hätte Geltung, wenn die Teilung mit großer Genauigkeit erfolgen müßte. Dies ist jedoch nicht der Fall; kleine Fehler in der Lage der Punkte C und D verursachen nur kleine Fehler zweiter Ordnung in der Lage des Punktes B relativ zu P. Es ist bei einiger Uebung nicht erforderlich, die Gerade PA zu zeichnen, die Lage von D kann genau genug lediglich durch Spitzenzirkel und oberflächliches Einvisieren gefunden werden. Bei dem Verfahren nach Huygens (Abb. 1) bei praktischen Anwendungen fällt der Punkt C häufig außerhalb des Zeichenpapiers. Vielleicht ist dieses eines der Haupthindernisse gewesen, das einer Einbürgerung des Verfahrens beim technischen Zeichnen im Wege stand. Jedenfalls trifft die Mathematiker, insbesondere diejenigen der von H. Lorenz angezogenen Weierstrassschen Schule keine Schuld, denn „Näherung“ und „Strenge“ sind zwei Dinge, die keineswegs zueinander im Gegensatz stehen. Darin stimme ich aber mit H. Lorenz überein, daß Näherungsverfahren für Rektifikation, Quadrativ, Auflösung von Gleichungen usw. seitens des Herausgebers des Taschenbuches für Ingenieure in weitestem Maße berücksichtigt werden müssen. Dazu gehört das von Lorenz beschriebene Huygenssche Verfahren wegen seiner Eleganz und seiner geometrischen Anwendungsmöglichkeit, die Lorenz am Schluß seiner Darlegung gezeigt hat, dann aber auch das Verfahren von Rankine als einfaches und leistungsfähiges Werkzeug.