Titel: Rechts-Schau.
Autor: Eckstein
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 310
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Wer trägt die Gefahr für eine gekaufte, aber nicht zugleich zu liefernde Maschine? Beim Kauf von Maschinen wird oft vereinbart, wenn der Käufer im Augenblick die Maschine nicht abnehmen kann, daß diese vorläufig in dem Raume des Verkäufers lagern bleiben soll, daß sie aber der Käufer jederzeit soll abholen dürfen. Wer trägt den Schaden, wenn diese Maschine vor der Abholung durch den Käufer durch Brand, Witterung oder einen sonstigen Umstand untergeht oder verschlechtert wird? Für die Beantwortung dieser Frage ist in erster Linie der § 466 des Bürgerlichen Gesetzbuches maßgebend, worin es heißt, daß die Gefahr des Unterganges und der zufälligen Verschlechterung einer gekauften Sache mit der Uebergabe derselben an den Käufer übergeht. Handelt es sich um den Kauf einer später zu liefernden Maschine, so ist das Rechtsverhältnis zweifellos. Wird beispielsweise eine bestimmte Lieferfrist vereinbart oder wird ausbedungen, daß eine bestimmte Maschine vom Käufer nach Abruf zu beziehen ist, oder wird vielleicht vereinbart, daß eine katalogmäßig vorrätige Maschine geliefert werden soll, ohne daß diese schon aus einem größeren Lager gleichartiger Maschinen ausgesondert ist, so ist es zweifellos, daß es sich um ein gewöhnliches Kaufgeschäft mit späterer Erfüllungsfrist handelt. Der Verkäufer bleibt Eigentümer und Besitzer der gekauften Sache, bis er die Lieferung vollzieht, und ganz unabhängig davon ist die Frage, ob er den Kaufpreis gleich oder erst nach der Lieferung zu beanspruchen hat. Zweifel entstehen erst dann, wenn von den Parteien vereinbart wird, daß der Käufer schon im Augenblick des Kaufes Eigentümer werden soll, daß der Verkäufer aber vorläufig die Stellung eines Verwahrers haben soll. Steht eine solche Vereinbarung der Uebergabe der verkauften Sache gleich? Für die Beantwortung dieser Frage ist der § 930 des Bürgerlichen Gesetzbuches maßgebend: Ist der Eigentümer im Besitze der Sache, so soll die Uebergabe dadurch ersetzt werden, daß zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt. Kann man sagen, daß durch eine solche Vereinbarung, die dem Verkäufer die Stelle eines Verwahrers gibt, dem Erwerber der mittelbare Besitz über die Sachen übertragen wird? Wenn der Verkäufer nicht Verwahrer sein soll, sondern beispielsweise Leiher – so daß er also das Recht der Benutzung hätte – oder Mieter, Pächter usw. wie es beim Sicherungskauf, dessen Gültigkeit heute kaum noch in Zweifel gezogen wird, der Fall ist, so ist kein Zweifel, daß der Erwerber, indem er die Stellung eines Vermieters, eines Verleihers, eines Verpächters erlangt, gleichzeitig zum mittelbaren Besitzer wird. Für unseren Fall hat die Rechtsprechung sich früher auf einen anderen Standpunkt gestellt. Das bloße Uebereinkommen fortan im Namen des Erwerbers besitzen zu wollen, soll für eine Verschiebung der Eigentums- oder Besitzlage nicht ausreichen (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts Bd. 49 S. 173 und deutsche Juristen-Zeitg. 1902, 1, 801). Aber dieser Standpunkt dürfte juristisch nicht haltbar sein. Handelt es sich allerdings um eine bloße leere Vereinbarung, die dem Erwerber gar keine Macht über den Gegenstand in die Hände gibt, dann findet natürlich kein Eigentumsübergang statt. Durch bloße mündliche Vereinbarung kann kein Eigentum übertragen werden. In der Regel wollen die Parteien aber mehr als einen bloßen Vertrag schließen. Es soll tatsächlich der Käufer das Eigentumsrecht an der gekauften Maschine erlangen, er soll berechtigt sein, nach Belieben die Maschine abzuholen, er soll nicht bloß einen Anspruch haben, daß der Verkäufer ihm auf sein Verlangen die Maschine ausliefert. Wenn ein Eigentümer eine Sache einem Verwahrer übergibt, so behält er auch sein Eigentum und wird zum sogenannten mittelbaren Besitzer während der Verwahrer den unmittelbaren Besitz erlangt. Es ist nicht einzusehen, warum in unserem Falle die Rechtslage anders sein soll. Der Verkäufer bewahrt die gekaufte Maschine auf, aber nicht in seinem eigenen Namen, in seinem eigenen Interesse, sondern für den Käufer. Er hat keine Dispositionsbefugnis mehr. Diese liegt allein bei dem Käufer. Man kann darum die Vereinbarung eines Miets- oder Leihverhältnisses nicht anders beurteilen, als die Vereinbarung eines Verwahrungsrechtsverhältnisses, und muß darum annehmen, daß durch eine solche Vereinbarung tatsächlich das Eigentum auf den Käufer übergeht, daß dieser Akt der Uebergabe einer Kaufsache gleichsteht, und daß somit der Käufer, nicht aber der Verkäufer die Gefahr trägt. Auf diesen Standpunkt hat sich auch jetzt das Reichsgericht gestellt in einer Entscheidung vom 9. Dezember 1913 II. 560/13. Jemand hat eine Wate in einem von ihm gemieteten Schuppen lagern. Er verkaufte diese Ware mit der Abrede, daß sie in dem Schuppen liegen bleiben, daß aber der Käufer das Recht haben sollte, nach Belieben davon abzuholen. Der Schuppen war nicht dicht, und die Ware litt Schaden. Der Käufer verlangte nachher Schadensersatz, wurde aber mit seiner Klage abgewiesen, weil der Verkäufer als Verkäufer nicht mehr haftete, und weil ein anderes Rechtsverhältnis, das ihn zur Haftung verpflichtete, nicht vorlag. Allerdings kann auch der Verwahrer haften, aber nur dann, wenn er nicht diejenige Sorgfalt aufwendet, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 890 BGB.). Trifft ihn ein derartiges Verschulden nicht, hat er also nicht voraussehen können und schuldhafterweise nicht vorausgesehen, daß die Maschine dort, wo sie aufbewahrt ist, gefährdet ist, so hat er in keiner Weise für etwaige Schäden einzustehen. Dr. jur. Eckstein.