Titel: Zur Berechnung gewölbter Böden für Rauchröhrenkessel.
Autor: Reichelt
Fundstelle: Band 335, Jahrgang 1920, S. 52
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Zur Berechnung gewölbter Böden für Rauchröhrenkessel. Von Dipl.-Ing. Reichelt, Königsberg. [Zur Berechnung gewölbter Böden für Rauchröhrenkessel.] In den Bauvorschriften für Landdampfkessel der allgemeinen polizeilichen Bestimmungen vom 17. Dezember 1908 sind gewölbte Rohrböden nicht besonders behandelt, so daß dem Erbauer wie dem prüfenden Sachverständigen ein ziemlicher Spielraum gelassen ist. Auf Anregung beteiligter Kreise hat das Ministerium für Handel und Gewerbe eine Umfrage bei den Preußischen Dampfkesselüberwachungsvereinen veranstaltet, um die bei den einzelnen Vereinen bzw. den beteiligten Kesselfabriken herrschenden Ansichten und gemachten Erfahrungen kennen zu lernen für den Fall, daß eine Ergänzung der Bauvorschriften nach dieser Richtung in Aussicht genommen werden sollte. Ueber die bisher übliche Berechnungsweise gewölbter Böden sei zunächst folgendes vorausgeschickt: Betrachtet man den Boden als Teil einer Hohlkugel, so ergibt sich für die dünnwandige Hohlkugel bei Beanspruchung auf inneren Druck die einfache Formel: πr2Pi = 2π rsk . . . . . 1) worin Pi = innerer Druck in kg/cm2,             r = Krümmungshalbmesser des Bodens,             s = Wandstärke des Bodens,             k = Zugspannung im Blech bedeutet, diese als gleichmäßig über den Querschnitt verteilt angenommen. Hieraus ergibt sich s=\frac{P_1\,.\,r}{2\,k} oder s=\frac{p_1\,.\,r}{200\,k} . . . 2) wenn k, wie üblich, in kg/mm2 eingesetzt wird. Ueblich ist eine etwa 4,5 fache Sicherheit, so daß nach den Bauvorschriften für Landdampfkessel mit einem k = 6,5 kg/mm2 für Flußeisen, = 5,0 Schweißeisen, = 4,0 Kupfer für Dampftemperaturen bis 200° C gerechnet wird. Nach Formel 2) ist die Bodenstärke lediglich eine Funktion des Krümmungshalbmessers und des inneren Druckes. Der Durchmesser D spielt keine Rolle. Für gleiche Drucke ändert sich die Wandstärke nur mit dem Krümmungshalbmesser. Danach wäre es also möglich, durch Wahl eines kleinen Krümmungshalbmessers, also starker Wölbung, beliebig kleine Wandstärken zu erzielen. Dem steht der Umstand im Wege, daß für große Kesseldurchmesser sich dann ein zu großes Maß h (s. Abb.) der Bodenhöhe ergibt, die das Einwalzen der äußeren Rohre erschwert. Um also eine gute Dichtung der Rohre zu gewährleisten, muß für Böden großen Durchmessers mit einem gewissen nicht zu überschreitenden Maß von h gerechnet werden, wodurch sich unter Umständen nach der Formel 2) zu große Wandstärken ergeben, die die Walzwerksnormalien häufig überschreiten und infolgedessen schwer geliefert werden können. Die nach Formel 2) vorgenommene Berechnung gilt streng genommen nur für volle Böden, nicht für Rohrböden, deren gesamte belastete Fläche um die Fläche der Löcher für die Rohre geringer ausfällt, deren Festigkeit aber entsprechend der Materialverminderung durch Rohrlöcher verringert ist. Die Formel setzt aber voraus, daß der Einfluß der dadurch verursachten Bodenschwächung gegenüber dem vollen Boden ausgeglichen wird durch die Verminderung der Gesamtbelastung. Wie weit dies der Fall ist, ist eine offene Frage. Neigt man der Ansicht zu, daß die Schwächung durch die Rohrlöcher erheblich ist, dann ist die Verankerung der innerhalb des Rohrbündels liegenden Fläche durch Ankerrohre geboten. In diesem Falle werden die gewölbten Rohrwände im allgemeinen wie ebene Rohrwände behandelt, wobei mangels einer geeigneten Formel, nach der für ebene Wände gebräuchlichen Formel: s=0,014\,\sqrt{p_1\,.\,(a^2+b^2)} . . . . 3) also etwas zu günstig gerechnet wird. Hierin bedeuten a und b den Abstand der Ankerrohre voneinander in einer Reihe bzw. den Abstand der Reihen voneinander. Textabbildung Bd. 335, S. 52 Die Umfrage, über deren Ergebnis der Zentralverband der Preußischen Dampfkesselüberwachungsvereine am 28. November 1919 an den Minister für Handel und Gewerbe berichtet, hatte gezeigt, daß die Kesselfirmen im allgemeinen mit einem k = 6,5 kg/mm2 in Formel 2) rechnen. Für Böden großen Durchmessers gehen einzelne auf 7 bis 7,5 kg, bilden aber einen Teil, im allgemeinen 10 v. H., der Heizrohre dann als Ankerrohre aus. Für kleinere Böden sind mitunter Zuschläge zu der nach Formel 2) errechneten Wandstärke erforderlich, um ein sicheres Einwalzen zu ermöglichen. Beachtenswert erscheint der Vorschlag einer Kesselfabrik, bei großen Böden nicht mit dem vollen Betriebsdruck zu rechnen, sondern diesen im Verhältnis der durch die Rohrlöcher verkleinerten Fläche zur vollen Bodenfläche zu vermindern, um zu große Blechstärken zu vermeiden. Anstatt mit p wird also mit \frac{p\,.\,F_0}{F} gerechnet, worin F die volle und F0 die rohrfreie Bodenfläche bedeutet. Eine Versteifung durch Ankerrohre wird im allgemeinen nicht für erforderlich gehalten, wenn k den Wert 6,5 nicht überschreitet, bzw. nur auf besonderen Wunsch der Besteller ausgeführt. Verschiedene Fabriken sind aber im Gegensatz dazu der Ansicht, daß durch das Einschneiden der Rohrlöcher der Böden derart geschwächt wird, daß ein Teil der Rohre als Ankerrohre ausgebildet werden muß. Die Schwierigkeiten des Bohrens der achsial verlaufenden Löcher in den gewölbten Böden, Einschneiden des Gewindes und Aufwalzens der Rohre lassen sich vorteilhaft dadurch vermeiden, daß der durch das Rohrbündel begrenzte Teil der Wand als ebene Fläche ausgebildet, der Boden also entsprechend gepreßt wird. Dann liegen alle Rohre senkrecht zur Bodenfläche und die Befestigung der Rohre bietet keine Schwierigkeiten. Die Berechnung der Wandstärke erfolgt dann nach Formel 3). Für den gewölbten Teil ist Formel 2) maßgebend. Die Frage, wie weit die größere Steifigkeit der gewölbten Rohrwand gegenüber der ebenen auf Verminderung der Wandstärke einwirke, wird zum Teil dahin beantwortet, daß von einem nennenswerten Einfluß der Wölbung keine Rede sein könne, da von der gewölbten Fläche nur noch die Stege zwischen den Rohrlöchern übrig bleiben. Die Anordnung der Ankerrohre müsse also ohne Rücksicht auf die Wölbung nach Formel 3) erfolgen. Einige überschreiten die sich nach Formel 3) ergebende Zahl der Ankerrohre besonders für den oberen Teil der Wand bedeutend und bilden bei 10 bis 11 at jedes dritte, bei 12 bis 15 at jedes zweite Rohr als Ankerrohr aus. Ueber die Frage, welchen Einfluß die Ankerrohre auf die Stärke gewölbter Böden gegenüber nicht verankerten gewölbten Böden haben, sind die Ansichten geteilt. Die einen rechnen die gewölbten rohrfreien Teile nach der Formel für ebene Böden, also sehr vorsichtig. Im allgemeinen ist man der Ansicht, daß die Anwendung von Ankerrohren keinen Einfluß auf die Bemessung der rohrfreien Teile habe, es müßten sonst die Flächen oberhalb und unterhalb des Rohrbündels ebenfalls verankert werden. In der Regel wird mit Rücksicht auf genügend breite umlaufende Dichtungsflächen an den Laibungen der Rohrlöcher die Bodenstärke so reichlich gewählt, daß sie auch für den nicht verankerten gewölbten Teil ausreicht. Eine besondere Klärung der Anschauungen ist durch die Umfrage nicht erfolgt. Im allgemeinen scheint man mehr und mehr zur Ausbildung ebener Bodenflächen für das Rohrbündel überzugehen, teils um die Schwierigkeiten der Bearbeitung zu vermeiden, teils weil es an klaren Bestimmungen für die Berechnung fehlt. Im Interesse der Einheitlichkeit der Handhabung der Bauvorschriften wird vom Zentralverband auf Antrag des Württembergischen Revisionsvereins vorgeschlagen, von einer Ergänzung der Bauvorschriften preußischerseits zunächst abzusehen, vielmehr das Material der Dampfkesselnormenkommission zu überweisen und für das ganze Reich einheitlich zu bearbeiten. Meines Erachtens wäre dabei auch dem Umstände Beachtung zu schenken, daß, um Rohrlecken zu vermeiden, eine gewisse Elastizität der Böden gegenüber unterschiedlichen Wärmedehnungen zwischen Rohrbündel und Kesselmantel erwünscht ist, und eine zu starke Bemessung bzw. zu steife Ausbildung der Böden in diesem Sinne schädlich wirkt.