Titel: Leichtmetall im Flugmotorenbau.
Autor: Alex Büttner
Fundstelle: Band 335, Jahrgang 1920, S. 245
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Leichtmetall im Flugmotorenbau. Von Ing. Alex Büttner, Karlsruhe. [BÜTTNER: Leichtmetall im Flugmotorenbau.] Das Leichtmetall Aluminium, das im deutschten Starrluftschiffbau schon seit langem, im Flugzeugbau für Beschlagteile und auch im Flügelflächenbau in der Sonderlegierung als Duraluminium seit der Erfindung des Flugzeugs mit freitragenden Flächen durch Prof. Junkers als Baustoff im In- und Ausland bereits mehrfach Verwendung findet, gewinnt nun auch als Material für den Bau von Flugmotoren immer mehr an Bedeutung. So kann man eine Bestimmung, die sich in der Ausschreibung für. den Wettbewerb um den Kaiserpreis für den besten deutschen Flugmotor vom 7. Mai 1912 befindet, heute als ein Kuriosum ansehen, denn es heißt da: „Aluminium und Aluminiumlegierungen dürfen bei Kolben und Schubstangenschaften der Motoren nicht als Bautoff verwendet sein!“ Noch vor dem Kriege jedoch schritten zahlreiche Motorenfirmen zur Anwendung von Aluminium, was sich so trefflich erwies, daß man bald dazu überging, das Motorgehäuse allgemein daraus herzustellen. Man goß das Kurbelgehäuse meist aus einer Legierung von 85 v. H. Aluminium, 10 v. H. Zinn und 5 v. H. Kupfer, die bei einem spez. Gewicht von etwa 3 eine Festigkeit von 25 kg/mm2 besitzt. Und erst während des Krieges, als aus Mangel an Hämatiteisen die gußeisernen Kolben der Flugmotoren immer unzuverlässiger und die Zylinderabmessungen zwecks Steigerung der Leistung immer größer wurden, schritt man dazu, Aluminium dann auch für den Kolbenbau anzuwenden. Bekanntlich ist der Kolben eines der wichtigsten Elemente und der am meisten beanspruchte Teil des Motors. Er muß, obwohl größte Gewichtsersparnis bedingt ist, doch gegenüber den starken, bei der Explosion des Gemisches auftretenden Kräften hinreichend widerstandsfähig sein. Hieraus ergibt sich, daß man als Material für den Motorkolbenbau ehemals und auch heute noch vielfach mit Vorteil einen möglichst hochwertigen Stahl verwendet, der neben genügender Festigkeit gegenüber einem gußeisernen Kolben eine bedeutende Gewichtsersparnis erlaubt. Gebräuchlich war und ist jedoch auch die gemeinsame Verwendung von Stahl und Grauguß, so bestand z.B. bei den Kolben der 160 PS-Mercedesmotoren der Boden aus Stahl, die Führung aber aus Grauguß. Allgemein besteht ja der Grundsatz, daß das für den Kolben verwendete Material möglichst etwas weicher sein soll, als das der entsprechenden Zylinder, da ein sich vorzeitig abnutzender Kolben naturgemäß leichter als ein ganzer Zylinder zu ersetzen ist. Da außerdem gleiche Metalle schlecht aufeinander laufen, war es üblich, in Stahlzylindern Gußkolben und in Gußzylindern Stahlkolben zu verwenden, wobei Stahlkolben gegenüber Gußkolben eine etwas stärkere Schmierung erfordern. Diese Reibungsverhältnisse sind nun beim Aluminiumkolben bedeutend günstiger, als bei solchen aus Stahl- oder Graugußmaterial, und das ist bereits ein wichtiger Vorteil dieses Leichtmetalls, dessen praktische Einführung in Deutschland und im Ausland nahezu gleichzeitig geschah. Es war die Firma Basse & Selve, aus deren Werkstätten der erste Aluminiumkolbenmotor hervorging, der im Winter 1916 in Adlershof die Typenprüfung ablegte und die großen Vorteile des Baustoffes erwies: Das geringe spez. Gewicht des Aluminiums macht es möglich, den Kolben trotz größerer Ausmaße im Stückgewicht leichter herzustellen, und das Vorhandensein einer größeren Metallmasse wiederum gewährleistet eine schnellere Abführung der durch die Explosionen im Motorzylinder entstehenden großen Wärmemengen, die außerdem durch das dem Aluminium eigentümliche gute Wärmeleitungsvermögen begünstigt wird. So macht das Aluminium eine allzuhohe Temperaturerzeugung im Zylinder unmöglich, was gerade heute und in nächster Zukunft bei dem herrschenden Mangel an Schmierstoffen mit hohem Entflammungspunkt von wesentlicher Bedeutung ist. Zu diesem Vorzug des Aluminiums kommt auch noch seine recht gute Widerstandsfähigkeit gegen Angriff durch Luft, Wasser, Oele und Säuren hinzu. Ein Wirtschaftsvergleich zwischen Flugmotorenkolben von 140 mm ⌀, die nach verschiedenen Verfahren und aus verschiedenen Metallen hergestellt sind, ergibt folgendes Bild: Bei einem Gußeisenkolben beträgt das Gewicht des rohen Kolbens 6,5 kg, das Gewicht des fertigen Kolbens 4,5 kg, die Zahl der Ausschußstücke beläuft sich auf 10 v. H., die Festigkeit am fertigen Kolben beträgt 18 kg/mm2, nach zehn Betriebsstunden ebenfalls noch 18 kg/mm2, die Dehnung jedoch gleich 0. Bei einem Kolben aus Aluminiumsandguß beträgt das Gewicht roh 3,5 kg, fertig 2,2 kg, der Ausschuß 20 v. H., die Festigkeit 18 kg/mm2, nach zehn Betriebsstunden 16 kg/mm2, die Dehnung 1 v. H. Beim Kolben aus Preßaluminium ist das Rohgewicht 8 kg, das Fertiggewicht nur 2 kg, die Zahl der Ausschußstücke 20 v.H., die Fertigfestigkeit 34 kg/mm2, nach zehn Betriebsstunden noch 28 kg/mm2 und die Dehnung 1,5 v. H. Beim Aluminiumkokillenguß-Kolben schließlich sind die Zahlen für Rohgewicht nur 3 kg, Fertiggewicht 2 kg, für die Ausschußstücke 7 v. H. für die Festigkeit 22 kg/mm2, nach zehn Betriebsstunden 18 kg/mm2 und für die Dehnung noch 1,3 v. H. Da das Preisverhältnis von Eisenguß zu Aluminiumsandguß zu Preßaluminium zu Aluminiumkokillenguß sich wie 1 : 3 : 6 : 2 verhält, ergibt ein Vergleich aller Daten, daß die in Kokillen gegossenen Aluminiumkolben, die allen Anforderungen genügen, auch wirtschaftlich am vorteilhaftesten sind, was auch die steigende Nachfrage und Fabrikation beweist. Trotzdem wurden auch Versuche unternommen, Aluminium in Verbindung von Stahl beim Kolbenbau zu verwenden, doch scheinen die deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, die sich schon 1917 hiermit beschäftigten, keine günstigen Ergebnisse erzielt zu haben. Nachdem Aluminium somit im Flugmotorenkolbenbau eingeführt war, ist es verständlich, daß man dieses Leichtmetall auch für die Herstellung anderer Motorenteile verwendete. Beim Bau wassergekühlter Zylinderblöcke aus Aluminium zeigte sich, daß weniger das geringe spez. Gewicht und die gute Wärmeleitfähigkeit, als vielmehr die äußerst wirtschaftliche und leichte Bearbeitungsmöglichkeit dieses Metalls großen Vorteil brachte, indem eine viel einfachere Massenerzeugung als bei geschweißten Stahlzylindern möglich war. Bezüglich des spez. Gewichts steht der Aluminiumzylinder indes dem Stahlzylinder nicht voran, weil man die Kühlwasserräume nicht so eng herstellen kann, als bei Stahlmaterial, immerhin lassen sich annähernd gleiche Baugewichte erzielen. Jedenfalls wenden heute bereits zahlreiche Motorenfirmen Aluminium auch im Zylinderbau mit bestem Erfolg an, so in England und Frankreich, u.a. die Siddeley-, die Le Rhône- und die Clerget-Werke. Schließlich ist auch die Verwendung von Aluminiumlegierungen zu Lagern an Stelle von Weißmetallausguß versucht worden, und man hat auch hier schon durchaus annehmbare Ergebnisse erzielt, die bei nicht übertrieben hohen Belastungen befriedigten. Um das Baugewicht der Flugmotoren noch mehr zu verringern, hat man nunmehr auch begonnen, an Stelle des Aluminiums das noch leichtere Elektrometall als Baustoff einzuführen, das bei einem spez. Gewicht von nur 1,8 eine Bruchfestigkeit von 32 bis 36 kg/mm2 besitzt, und dessen Hauptbestandteil Magnesium ist. Eigentümlicherweise herrschte sehr lange eine große Abneigung gegen dieses Leichtmetall, weil es brennbar ist, weshalb es übrigens auch den Elektronwerken Griesheim als Baustoff für Fliegerbrandbomben diente. Tatsächlich bedarf die Bearbeitung des Metalls gewisser Vorsichtsmaßregeln, weil seine Drehspäne sehr leicht in Brand geraten. Aber durch Aufgießen von Sand sind kleinere Entzündungen leicht zu löschen, und um größere unmöglich zu machen, müssen die sich ansammelnden Spanmengen häufig entfernt werden. Wasser ist zum Löschen von Elektronbränden übrigens nicht verwendbar, weil es sich unter starkem Spritzen mit der Asche zersetzt, wobei Azetylen entsteht. Von einer leichten Entzündbarkeit größerer Elektronstücke jedoch kann absolut nicht die Rede sein. Das Metall bedarf, um auf seine sehr hohe Entzündungstemperatur gebracht zu werden, infolge seiner sehr guten Wärmeleitfähigkeit und hohen Wärmeaufnahmefähigkeit ganz erheblicher Wärmemengen, die in der Praxis aber nur bei äußerst umfangreichen Bränden erzeugt werden, denen ein Flugzeug sowieso zum Opfer fallen würde. Somit steht der praktischen Verwendung des Elektronmetalls zum Motorenbau aus Feuersicherheitsgründen nichts entgegen, vielmehr ist die Technik, größere Stücke einwandfrei gießen zu können, bis jetzt noch nicht vollkommen entwickelt, doch steht außer Zweifel, daß schon in absehbarer Zeit Güsse in jeder Art und Form möglich werden. Für einzelne Motorenteile, vor allem für die Kühlwasserleitung ist Elektronmetall allerdings nicht geeignet, weil es sich bei Anwesenheit von Wasser zersetzt und zerfällt. Auch bei Verwendung als Baustoff zu Kurbelgehäusen müßte es wohl durch einen Anstrich geschützt werden, weil es von organischen Säuren, die oft im Schmieröl enthalten sind, angegriffen wird.