Titel: Rechtswesen.
Autor: Werneburg
Fundstelle: Band 337, Jahrgang 1922, S. 65
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Rechtswesen. Rechtswesen. Maschinenerfindungen und Patentrecht. Neue Erfindungen auf dem Gebiete der technischen Maschinenkonstruktion sind nichts seltenes, da gerade hier dem Erfindungsgeist infolge der ständig fortschreitenden Maschinentechnik der weiteste Spielraum gelassen ist. So ist denn auch der Streit um Patentrechte für solche Erfindungen auf diesem Gebiete ein besonders lebhafter, wie schon ein Blick auf die hierzu ergangenen Entscheidungen des Reichsgerichtes und des Patentamtes deutlich zeigt. Nach der grundlegenden Bestimmung des § 1 des Patentgesetzes werden nun Patente nicht für alle neuen Erfindungen erteilt, sondern nur für solche, die eine gewerbliche Verwertung gestatten. Es muß also zunächst eine Erfindung vorliegen, die neu ist. Nach dem Standpunkte des Reichsgerichtes liegt nun eine solche Neuschöpfung nicht vor, wenn die Veränderungen gegenüber dem Vorhandenen nur in konstruktiven, d.h. den Sachverständigen durch die technische Erfahrung ohne weiteres an die Hand gegebenen Maßnahmen besteht, so zum Beispiel in Mengen-, Größen-, Gewichts- und Formveränderungen, sowie in dem Ersatz eines bisher angewendeten Mittels durch ein gleichwirkendes anderes usw. Wenn durch derartige Maßnahmen nichts weiter erzielt wird, als was nach dem Stande der Technik ohne weiteres auf der Hand liegt, so ist eine Erfindung im Sinne des Patentgesetzes nicht gegeben. Erreicht zum Beispiel jemand durch die Vergrößerung eines bekannten Maschinenteiles um das Doppelte lediglich die doppelte Wirkung, so ist dieser Erfolg selbstverständlich nichts erfinderisches und nichts patentierbares im Sinne des Patentgesetzes. Bei dem der Entscheidung des Reichsgerichtes vom 15. 11. 1919 zu Grunde liegenden Sachverhalte handelte es sich bei dem Patentstreit darum, ob sich das in dem einen Patent erwähnte „Schleifen von Holz und Steinen“ mit dem Schärfen der Schärf flächen von Holzfasern des anderen Patentes deckte oder nicht. „Es ist richtig“, so führt das Reichsgericht in dieser Entscheidung aus, „daß die Auswechselbarkeit arbeitender Teile an Hand- und Maschinenwerkzeugen seit langer Zeit bekannt gewesen ist. Was aber das hier in Betracht kommende besondere technische Gebiet anlangt, so hat das Oberlandesgericht festgestellt, daß bei Schärfrollen, die eine zylindrisch gestaltete Schleiffläche haben, die Loslösung der Schärffläche von dem Tragkörper noch nicht bekannt gewesen ist. Ob die durch das Patent eingeführte Neuerung als patentwürdig angesehen werden dürfte, ist im Verletzungsprozeß nicht nachzuprüfen. Wenn sich die Klägerin darauf beruft, daß für den Stand der Technik zur Zeit der Anmeldung des bezeichneten Patentes auch das andere Patent in Betracht komme, so kann das nicht durchgreifen. Daß das Oberlandesgericht dieses Patent, das in dem von ihm angeführten Gutachten erörtert wird, übersehen haben sollte, erscheint als ausgeschlossen. Es kommt hierauf indessen nicht an, weil durch das Patent tatsächlich der Stand der Technik nicht zu Ungunsten der Klägerin verschoben wird. Denn das in der Beschreibung erwähnte Schleifen von Holz und Steinen deckt sich nicht mit dem Schärfen der Schärfflächen von Holzfasern, worauf es bei dem Patent der Klägerin allein ankommt.“ Verwendung von Beton und insbesondere armiertem Beton für Ventile einer Wasserleitung ist patentfähig (E. des Patentamtes vom 25. 1. 1919). Die Uebertragung der vorbenannten Dichtung mittels elastischer Filzringe von Kordengelenken auf kleine Kugelgelenke ist patentfähig. (R. G. E. v. 8. Oktober 1919): Eine neue vorteilhafte Legierung kann auch bei Bekanntsein sehr ähnlicher Legierungen patentfähig sein. Ein einfacher Querschnittswechsel ist bei Fortschrittlichkeit dann patentfähig, wenn der Fachmann weder durch die Form oder Benutzung des Gegenstandes noch auch durch das Bestreben leichter Herstellung darauf hingewiesen wurde (E. des Patentamtes vom 3. Mai 1917). Wenn eine Erfindung die Verbesserung oder sonstige weitere Ausbildung einer anderen, zu Gunsten des Patentsuchers durch ein Patent geschützten Erfindung, bezweckt, so kann der Patentinhaber die Erteilung eines Zusatzpatentes nachsuchen. Die Prüfung einer solchen Zusatzpatentanmeldung unterliegt den gleichen Grundsätzen, wie die einer selbständigen Anmeldung einer sonstigen Erfindung, insbesondere ist der Begriff der Erfindung nicht anders zu bestimmen, als im Falle einer Hauptanmeldung. Ist die Zusatzerfindung bereits in der Patentschrift des Hauptpatentes beschrieben, so schließt diese, wenn sie vor der Zusatzanmeldung im Druck erschienen ist, die Neuheit der Zusatzerfindung aus. „Mit Unrecht meint die Klägerin,“ so führt das Reichsgericht hierzu aus, „daß sich aus dem Eingang der Patentschrift des Zusatzpatentes eine Beschränkung des Schutzumfanges auf eine Maschine nach dem Hauptpatent ergebe. Aus diesem Eingang geht nichts weiter hervor, als daß die Erfindung an der Maschine des Hauptpatentes gemacht ist und daß sie zunächst zur Verbesserung dieser Maschine dienen sollte. Nach dem in den Vorinstanzen erörterten Stand der Technik war diese Vorrichtung neu. Eine Beschränkung des behaupteten Inhaltes ergibt sich aus ihr nicht. Die Beklagte benutzt aber den Erfindungsgedanken des Zusatzpatentes bei ihren Vorrichtungen und die vorhandenen Unterschiede ergeben sich nur daraus, daß die Beklagte diese Vorrichtung bei einer anderen Maschine anwendet als der des Hauptpatentes. Uebrigens genügt es, daß nur ein Teil der Haupterfindung durch die Zusatzerfindung verbessert oder anderweitig ausgebildet werden soll. Auch wird das Zusatzverhältnis nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Zusatzerfindung noch anderen Zwecken als dem der weiteren Ausbildung der Haupterfindung dienen soll. Dient eine Erfindung der weiteren Ausbildung eines Zusatzpatentes, so kann auf sie ein Zusatzpatent zu letzterem erteilt werden. Letzteres ist dann ihm gegenüber das Hauptpatent. Berechtigt zu der Anmeldung des (späteren) Zusatzpatentes ist nur der Inhaber des Hauptpatentes, oder, wenn die Hauptanmeldung noch schwebt, deren Anmelder. Eine andere Berechtigung an dem Hauptpatent genügt nicht; für die Inhaberschaft des Hauptpatentes ist der Inhalt der Patentrolle maßgebend. Der Begriff der Neuheit schließt nach dem Gesagten eine Vergleichung in sich; der Maßstab hierfür ist verschieden, je nach dem Gegenstande, um dessen Neuheit es sich handelt. Daher ist der Maßstab für die Neuheit einer Erfindung aus dem Begriffe der Erfindung zu entnehmen. Nicht diejenige Erfindung ist also neu, die irgendwie von dem bisherigen abweicht, sondern die, deren Abweichung von dem bisher vorhandenen etwas erfinderisches enthält. Ferner muß aber auch die Erfindung als solche selbst technisch ausführbar sein, wofür namentlich der Inhalt der Patentschrift maßgebend ist. „Die Patentschrift,“ so führt das Reichsgericht aus (e. v. 13. 12. 1918), „darf und muß als einheitliches Ganzes gelesen werden. Es fehlt der Erfindung als Ganzes betrachtet durchaus nicht an der Ausführbarkeit, und die Patentschrift läßt es auch nicht an der Angabe der Mittel zur Ausführung fehlen. Der Sachverständige, der nach ihr arbeiten will, muß nur bis zu Ende lesen. Der Verfasser der Patentschrift ist bemüht gewesen, durch die Formulierung der Ansprüche zugleich den Umfang des Schutzes zum Ausdruck zu bringen, in dem dieser einer solchen über den Rahmen des Ausführungsfalles hinaus dem allgemeinen Erfindungsgedanken zukommt. Ob das empfehlenswert oder zweckmäßig ist, steht hier nicht zur Entscheidung.“ Bemerkenswert ist noch, daß bei einer sogenannten Kombinationserfindung als neuer technischer Effekt die Wirkung der Kombination in Betracht kommt (R. G. E. vom 4. 2. 1920). Nach der oben erwähnten Bestimmung des § 1 des Patentgesetzes muß die neue Erfindung, wenn sie Anspruch auf Erteilung eines Patentes gewähren soll, eine gewerbliche Verwertung gestatten. Mit diesem Erfordernis der gewerblichen Verwertbarkeit ist aber nicht auch das Erfordernis einer gewinnbringenden Verwertung aufgestellt, vielmehr ist die Frage nach der Patentfähigkeit von derjenigen nach der Rentabilität des späteren Patentes unabhängig. Gewerblich bedeutet aber nur soviel wie in einem Gewerbe, so zum Beispiel also in einem Fabrik- oder sonstigen industriellen Betriebe. Unter Gewerbe ist im übrigen diejenige menschliche Tätigkeit zu verstehen, die sich mit der Gewinnung, Bearbeitung oder Verarbeitung oder dem Umsatz von Fabrikaten zwecks Erzielung von Gewinn befaßt. Die Erfindung gestattet eine Verwertung, wenn schon die Möglichkeit ihrer Anwendung, besteht. Ob die tatsächliche Anwendung in einem Gewerbe zu erwarten ist, ist unerheblich; es ist also unerheblich, ob der maschinellen Konstruktion Unvollkommenheiten anhaften, die eine gewerbliche Aufnahme der Erfindung in unveränderter Form unwahrscheinlich machen. Nach der Bestimmung des § 2 des Patentgesetzes gilt eine Erfindung nicht als neu, wenn sie zur Zeit der Anmeldung in öffentlichen Druckschriften aus den letzten hundert Jahren bereits derartig beschrieben oder im Inlande bereits so offenkundig benutzt wird, daß danach die Benutzung durch andere Sachverständige als möglich erscheint. Das Gesetz bestimmt also hier negativ, was nicht als neu zu gelten hat. So ist ausschließlich neuheitsschädlich diejenige Beschreibung einer Maschine oder Maschinenkonstruktion, die in einer öffentlichen Druckschrift erfolgt. Die Gleichwertigkeit eines Anmeldungsgegenstandes gegenüber einem nicht veröffentlichten Patent wird nicht dadurch beseitigt, daß mit dem einen oder anderen Mittel eine erhöhte Wirkung erzielbar ist, insofern der Wirkungsüberschuß aus der bekannten Eigenart des betreffenden Mittels sich von selbst ergibt (E. des Patentamtes v. 14. Juni 1920). Hat der Anmelder einen Teil aus der Anmeldung ausgeschieden mit der Erklärung, ihn in einer besonderen Anmeldung weiter zu verfolgen, so behält diese abgezweigte Anmeldung die Priorität der Stammanmeldung, wenn nicht etwa aus übermäßiger Verzögerung der Weiterverfolgung auf Verzicht auf die Priorität zuschließen ist (E. d. P. A. v. 2. Juli 1918). Ist eine Maschine patentiert, so führt eine teilweise unrichtige Beschreibung der Wirkungsweise der Maschine nicht zu einer Beschränkung des Patentanspruchs (R. G. E. 4. 2. 1920). Rechtsanwalt Dr. Werneburg, Berlin-Schöneberg.