Titel: Das Flettner-Ruder.
Autor: Walther Parey
Fundstelle: Band 339, Jahrgang 1924, S. 29
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Das Flettner-Ruder. Von Dipl.-Ing. Walther Parey. PAREY, Das Flettner-Ruder. Eine der hervorstechendsten Neuerungen im modernen Schiffbau ist das strombetätigte Flettner-Ruder. Der Erfinder, dessen Namen es führt, hatte als Angehöriger der Inspektion der Fliegertruppen während des Krieges die Notwendigkeit erkannt, bei den Großflugzeugen die Arbeit des Steuerlegens zu verringern. Aus der Ueberlegung, daß, gleich wie das Flugzeug durch das Steuer gelenkt wird, dieses Hauptsteuer durch ein Hilfssteuer betätigt werden könnte, ergab sich die Lösung der Aufgabe. Versuche bestätigten die Richtigkeit dieses Gedankens, und auf Grund deren guter Erfolge wurde die Ausrüstung der Großflugzeuge mit Flettnersteuern vorgeschrieben. Der Gedanke lag nun nahe, die Erfindung auch für den Schiffbau, namentlich für Seeschiffe, zu verwenden, da bei diesen umfangreiche Maschinenanlagen erforderlich sind, um die Arbeit des Ruderlegens zu verrichten. Die Bedenken erfahrener Fachleute gegen die Einführung des strombetätigten Ruders auf Seeschiffen waren groß, da man vom Seegang und Propellerstrom Einwirkungen auf das Ruder erwartete, die die Steuerfähigkeit des Schiffes in Frage stellen könnten; Dabei wies man auf die in dieser Beziehung besonders große Verschiedenheit zwischen Luft- und Wasserströmung hin. Der Erfinder schreibt selbst in einem Aufsatz (in „Werft, Reederei, Hafen“ 3. Jahrgg. Heft 16), daß ein ausländisches Patentamt wegen Unmöglichkeit der Ausführung die Patentfähigkeit des Flettner-Ruders verneint hatte. Trotz dieser entgegenstehenden Bedenken ging der Erfinder an den Ausbau seiner Konstruktion für Seefahrzeuge. Nach umfangreichen Versuchen mit Modellen, die die Sicherheit des Ruders auch in bewegtem Wasser gezeigt hatten, wurde Ende 1920 der Kühldampfer „Frigido“ als erstes Seeschiff mit Flettner – Ruder ausgerüstet. Auf Grund der guten Erfahrungen hiermit ließ die Hamburg-Amerika-Linie im Frühjahr 1922 ihr 9000-t-Motorfrachtschiff. „Odenwald“ mit einer Flettner-Ruder-Anlage ausstatten, die anscheinend alle Erwartungen erfüllt hat; über die Ergebnisse der Probefahrten wird weiter unten zu berichten sein. Zur Betrachtung der Vorgänge beim Steuern eines Schiffes will ich zurückgreifen auf die Strömungsascheinungen an einer ebenen Rechteckplatte, die in Wasser relativ zu diesem bewegt ist. Neuere Versuche haben gezeigt, daß die älteren Formeln für den Strömungswiderstand schräger Platten ungenau sind, da sie wirbelfreie Strömung voraussetzen. Abb. 1 zeigt den Verlauf der Strömung–. Die Lage der schraffierten Stauungsgebiete ergibt, daß die Widerstandskraft nicht im Schwerpunkt der Platte angreift, sond. innerhalb des vorderen, der Strömung entgegengewendeten Teiles der Platte. Mit zunehmendem Winkel α wandert der Angriffspunkt der Mitte zu bis er bei α = 90 Grad annähernd im Schwerpunkt liegt. Versuche von Prandtl u.a. haben ergeben, daß bei einem kritischen Anstellwinkel αK ~ 30° :  40° der Widerstand senkrecht zur Platte erheblich größer ist als bei α = 90 Grad infolge Fortfalls der sekundären Stauung im Rücken. Etwa entsprechend diesem αK findet sich auch ein günstigster Ruderwinkel, nach dessen Ueberschreitung die Ruderwirkung fast plötzlich abfällt. Das Bestreben Flettners ging nun dahin, das sekundäre Stauungsgebiet im Rücken der Platte durch ein Hilfsruder soweit künstlich zu vergrößern bezw. es soweit an die Hinterkante des Ruders zu verlegen, daß sein Moment dem des Widerstandes der Platte das Gleichgewicht zu halten vermochte. Textabbildung Bd. 339, S. 29 Abb. 1. Textabbildung Bd. 339, S. 29 Abb. 2. Abb. 2 zeigt den aus Abb. 1 entwickelten Strömungsverlauf, wie er sich bei Anwendung eines Hilfsruders ungefähr einstellen wird; die eingezeichneten Kräfte geben angenähert die Lage der Resultierenden aus dem Wasserdruck an. Man erkennt ohne weiteres, daß der Druck auf die Rückseite des Ruders erheblich kleiner sein kann als der auf die Vorderseite, da er durch seinen viel größeren Hebelarm dem Moment des Vorderflächenwiderstands das Gleichgewicht hält. Wird das große Ruder als Balance-Ruder ausgebildet, so wird der Hebelarm von P noch kleiner, also können auch P' und P'' entsprechend kleiner werden, wenn ihre Hebelarme gleich bleiben. Die rechnerische Erfassung der Vorgänge am Flettner-Ruder ist kaum möglich, solange nicht ausreichende Versuche über den genauen Verlauf der Strömung vorliegen. Für angenäherte Vorausberechnungen kann wohl am besten die Formel von Joessel dienen, die auf Grund von Versuchen an Rechteckplatten aufgestellt ist. Bedeutet F die Ruderfläche in m2, V die Schiffsgeschwindigkeit in Knoten und α den Ruderwinkel, so ist (für V > 16 Kn und α > 25°) der Druck auf die Ruderfläche P=\frac{5,293\,.\,sin\,\alpha}{0,2+0,3\,.\,sin\,\alpha}\,F\,V^2 Der Abstand des Angriffspunktes dieser Kraft vom Drehpunkt ist x = (0,2 + 0,3 sin α) B, wobei B-Ruderbreite. Bei Anwendung dieser Formeln müssen für das Hilfsruder Annahmen gemacht werden über die Strömungsrichtung, die der Berechnung zugrunde gelegt werden soll; denn parallele Strömung zur Rückseite des Hauptruders ist nach Abb. 2 genau so wenig vorhanden wie Parallelströmung zur Fahrtrichtung. Da bei der Ausführung am Schiff außerdem noch die Einflüsse des Schiffskörpers wie die des Propellerstromes hinzukommen, die sich vollständig der Berechnung entziehen, ist man nach vorheriger angenäherter Berechnung hauptsächlich auf Modellversuche angewiesen. Ueber die Ergebnisse derartiger Versuche, die ich soweit sie von der Flettner-Schiffsruder-Gesellschaft angestellt sind, dem oben genannten Aufsatz des Herrn A. Flettner entnehme, wird weiter unten zu berichten sein. Die Vorgänge beim Steuern eines Schiffes sind nun folgende: Nach dem Ruderlegen dreht sich das Schiff anfänglich um den Schwerpunkt, bald jedoch um einen Punkt, der ja nach der Bauart mehr oder weniger vom Schwerpunkt entfernt ist. Bei Beginn der Drehung beschreibt der Schwerpunkt eine Spirale, den Evolutionsbogen, die nach Drehung um ~ 90 Grad in einen Kreis übergeht. Es beschreiben dann alle Teile des Schiffes konzentrische Kreise um den Drehkreismittelpunkt; der Kreis des Schiffsteils, der das Ruder trägt – im allgemeinen das Heck –, ist der größte (siehe Abb. 3). Der Winkel zwischen Schiffsmittellinie und Drehkreistangente, der Abtrift- oder Derivationswinkel y, ist von dem tatsächlichen Ruderwinkel abzuziehen, um den wirksamen Ruderwinkel zu erhalten. Nehmen wir für die folgende Betrachtung an, das Schiff drehe sich dauernd um einen im Abstande s vom Heck befindlichen Punkt, so ergibt sich das Steuermoment zu E = P ∙ (x + s cos α); dabei ist x der Abstand des resultierenden Ruderdruckes von der Ruderachse. Das Rudermoment wird zu Null für α = 0° und nahezu Null (= P ∙ x, da x sehr klein) für α = 90°. Der Größtwert ergibt sich für α ~ 40° aus Versuchen. Die Größe dieses wirksamsten Winkels ist mitbestimmt durch die Schiffsform und durch die Propellerwirkung; er soll nicht überschritten werden, da sonst, wie schon oben gesagt, der Ruderdruck P plötzlich abfällt und da außerdem der wirksame Hebelarm von P zu klein wird, so daß das Ruder bei geringem Steuermoment lediglich als Bremse wirkt. Textabbildung Bd. 339, S. 30 Abb. 3. Die Gründe, die zur Konstruktion des Flettner-Ruders geführt haben, waren in erster Linie die Bestrebungen, die Platz und Kosten erfordernden Rudermaschinen zu sparen. Entsprechend der Vergrößerung der Schiffseinheiten nahm die erforderliche Ruderfläche zu; den Ausschlag aber gab die gesteigerte Geschwindigkeit, denn der Druck auf das Ruder wächst mit ihrer zweiten Potenz. Der Versuch, den Kraftausgleich durch vollständig ausbalancierte Ruder zu erreichen, scheiterte daran, daß die Ruderstabilität unzulässig klein wurde. Man legt heute nicht mehr als ¼ der gesamten Ruderfläche vor die Ruderachse. Infolgedessen bleibt das Rudermoment so groß, daß bei allen größeren Schiffen eine Rudermaschine erforderlich ist. Das Flettner-Ruder entnimmt, wie schon oben ausgeführt, durch das kleine Hilfsruder die Kraft zum Verstellen des Hauptruders aus der Strömungsenergie; es ist also lediglich die Kraft zum Verstellen des Hilfsruders aufzubringen, und diese ist ungefähr im Verhältnis der Flächen kleiner als die Kraft, die für das Hauptruder erforderlich wäre. Die Fläche des Hilfsruders verhält sich zu der des Hauptruders etwa wie 1,1 : 13, wenn das Hauptruder als Einflächenruder ausgebildet ist. Ein noch günstigeres Verhältnis (1 : 18 bis 1 : 30) läßt sich erzielen durch die Anwendung eines Dreiflächenruders. Hierbei trägt die am hohlen Ruderschaft befestigte Mittelfläche an ihrem hinteren Ende das Hilfsruder. Durch starre Tragarme mit der Mittelfläche verbunden sind zwei parallel zu dieser liegende Seitenflächen. Der gegenseitige Abstand der drei Flächen ist so groß, daß sie sich auch bei größtem Ruderanstellwinkel nicht beeinflussen. Beim Einblattruder hatte sich gezeigt, daß oft schon bei einem Anstellwinkel von ~ 25 Grad eine Abnahme der Ruderwirkung eintritt. Das Dreiflächenruder ist hingegen nach Angabe der Flettner – Schiffsruder – Gesellschaft m. b. H. imstande, den Propellerabstrom so günstig auszunutzen, daß bis ~ 45 Grad, bei langsamer Fahrt sogar bis 60 Grad steigende Ruderdrücke auftreten. Bei Doppelschraubenschiffen werden zwei Dreiflächenruder angeordnet, und zwar jeweils hinter den Schrauben, so daß auch bei langsamer Fahrt die Ruder sich in schneller Strömung befinden. Dadurch wird ein erheblicher Druckgewinn und das oben angegebene günstige Flächenverhältnis erzielt. Werden dann noch Haupt- und Hilfsruder in dem zulässigen Maße, also etwa ¼ ausbalanciert, so ist häufig die erforderliche Verstellkraft so gering, daß auf eine Rudermaschine verzichtet werden kann. Als Notrudermaschine bei etwaigem Versagen des Flettner-Ruders dient die Heckverholwinde, wie es z.B. auf der „Odenwald“ vorgesehen ist. Will man aber die großen Kraftverluste in der Axiometerleitung nicht durch Handkraft überwinden, dann wird die erforderliche Rudermaschine sehr klein, so daß ihr Platzbedarf und Gewicht im Vergleich zu den bisher erforderlichen Maschinen kaum in Betracht kommt. Textabbildung Bd. 339, S. 30 Abb. 4. Das Prinzip des Flettner-Ruderantriebes erläutert Abb. 4. Die Seilscheibe sitzt fest auf einer Welle, die durch die hohle Hauptruderachse geht. Das Hauptruder ist mit seiner Achse frei beweglich. Seilscheibe 2 ist fest mit dem Hilfsruder verbunden, das in A drehbar gelagert ist. Beim Ruderlegen wird die Seilscheibe 1 gedreht. Dadurch bewegt sich das durch gekreuzten Seiltrieb gekuppelte Hilfsruder im entgegengesetzten Drehsinn und erzeugt; einen Ruderdruck, der das Hauptruder im Sinne der Drehrichtung von 1 bewegt. Wird nun bei dieser Bewegung des Hauptruders die Scheibe 1 stillgehalten, so dreht sich das Hilfsruder wieder seiner Nullage zu. Die Bewegung beider Ruder hört auf, wenn sich Gleichgewicht zwischen Hauptruderdruck und Hilfsruderdruck eingestellt hat. Der Zweck dieser Einrichtung ist folgender: Wird das Hauptruder durch eine äußere Kraft, z.B. durch Wellenstoß, aus seiner Gleichgewichtslage gedreht, so dreht sich das Hilfsruder im gleichen Sinn, jedoch mit größerer Winkelgeschwindigkeit; denn die Winkelgeschwindigkeiten verhalten sich umgekehrt wie die Radien der Seilscheiben. Das Hilfsruder wirkt also einer Störung des Gleichgewichts sofort kräftig entgegen und stellt das Hauptruder in die eingestellte Lage zurück. Bei Rückwärtsfahrt bleibt das Hauptruder nicht wie bei der bisher üblichen Bauart mit der Hinterkante gegen die Fahrtrichtung stehen, wodurch ungünstige Beanspruchungen des Ruders hervorgerufen werden, sondern das ganze System dreht sich um 180 Grad. Dann steht die Vorderkante des Hauptruders wieder in Fahrtrichtung; die Stellung des Hilfsruders relativ zum Hauptruder ändert sich jedoch dabei nicht. Es ist vielleicht noch darauf hinzuweisen, daß die in Abbildung 4 gezeichnete Seilübertragung nur zur Vereinfachung des Verständnisses gewählt ist. Bei der wirklichen Ausführung dient für die geschilderten Aufgaben ein Zahnradgetriebe und Parallelgestänge. Das Hauptruder ist abweichend von der bisherigen Bauart nicht als Platte, sondern als Hohlkörper mit fischförmigem Querschnitt ausgebildet, um das Gestänge des Hilfsruderantriebes bequem unterbringen zu können. Gleichzeitig wird auf diese Weise ein guter Strömungsverlauf erreicht. Das Hilfsruder wird möglichst tief angeordnet, da es dann die beste Wirkung hat Dadurch ist es auch gegen Körper, die an der Oberfläche treiben, geschützt, denn es liegt selbst bei Ballastfahrt noch reichlich unter Wasser. Ueber die Erfolge und Versuchsergebnisse mit dem Flettner-Ruder auf dem. Doppelschrauben-Motorschiff „Odenwald“ berichtet Prof. Dr.-Ing. Hörn in „Werft, Reederei, Hafen“, 4. Jahrg., Heft 12. Mit der „Odenwald“ wurden zum Vergleich zwei Versuchsreihen angestellt: eine mit strombetätigtem Flettner-Ruder und eine zweite mit dem Notsteuerantrieb, wobei das Hilfsruder in der Hauptruderebene festgestellt war. Im zweiten Fall ist zu beachten, daß die wirksame Ruderfläche um die Fläche des Hilfsruders vergrößert war. Hierauf muß beim Vergleich beider Versuchsreihen Rücksicht genommen werden, um eine ungerechte Beurteilung zum Nachteil des Flettner-Ruders zu vermeiden. Zu bedauern ist, daß infolge unvorhergesehener Bauverzögerungen die Versuche nicht in dem ursprünglich beabsichtigten Ausmaß durchgeführt werden konnten; ihre allgemeine Wichtigkeit hätte eine Behandlung in viel weiterem Umfange verdient, als es geschehen ist. Vor allem hätten die Versuche bei den verschiedensten Wind- und Seegangsverhältnissen durchgeführt werden sollen und nicht nur bei so ungünstigen Windverhältnissen, wie sie bei den angestellten Probefahrten vorgelegen haben. Denn das Drehmoment des Windes von Stärke 5–6 auf das hoch herausliegende Schiff war so groß, daß beim Drehkreisfahren entgegen der normalen Drehkreisbildung die Spiralen sich erweiterten, statt sich verengten. Aus dem Umstand, daß dies bei beiden Versuchsreihen – mit festem und mit Flettner-Ruder – der Fall war, kann man erkennen, daß die Schuld nicht am Flettner-Ruder liegt. Außerdem gestatteten die bei den Versuchen angestellten Windmessungen nachträglich eine Rekonstruktion der Drehkreisspiralen. Dabei ergab sich, daß anormal liegende Versuchspunkte stets zeitlich mit besonders großen Windstärken bzw mit ungünstigen Lagen des Schiffes zum Wind zusammenfielen. Außer Drehkreisen bei langsamer und voller Fahrt wurden bei beiden Versuchsreihen Schlangenlinien gefahren, die, abgesehen von den genannten ungünstigen Einflüssen des Windes, einwandfreie Ergebnisse lieferten. Allerdings zeigte sich hierbei, daß die zum Ruderlegen erforderliche Zeit unnormal lang war. Der Grund hierfür liegt, nach Prof. Dr.-Ing. Hörn, in der schlecht eingelaufenen Axiometerleitung, die erst nachträglich montiert war. Die späteren Kapitänsberichte zeigen denn auch, daß der Uebelstand behoben war, nachdem sich die Aximeterleitung eingelaufen hatte. Immerhin wäre es wohl vorteilhaft, zum Ruderantrieb einen im Hinterschiff aufgestellten kleinen Elektromotor oder dergleichen zu verwenden, der von der Brücke aus gesteuert wird. Auf diese Weise entgeht man am besten der mechanischen Uebertragung, die auf ihrem langen Wege durch das Schiff naturgemäß viele Verlustquellen in sich birgt. Außer der Zurückführung der zum Ruderlegen erforderlichen Antriebskraft auf ein Mindestmaß haben sich beim Flettner-Ruder noch zwei weitere grundsätzliche Vorzüge herausgestellt: Erstens ist das Flettner-Ruder unabhängig von dem Einfluß des Abtrift-Winkels. Wie schon oben an Hand von Fig. 3 ausgeführt wurde, ist beim festen Ruder der Abtrift-Winkel von dem gelegten Ruderwinkel abzuziehen, um den tatsächlich wirksamen Ruderwinkel zu erhalten. Da beim Flettner-Betrieb das Hauptruder nicht relativ zum Schiff, sondern relativ zur jeweiligen Strömungsrichtung sich einstellt, und das ist die wirkliche Fahrtrichtung, so fällt der Einfluß des Abtriftwinkels fort. Selbst wenn also in Sonderfällen mit dem Flettner-Ruder nur ein kleinerer Anstellwinkel erreicht werden sollte als bei festen Rudern, so ist dieser kleinere Winkel dem größeren eines festen Ruders doch mindestens gleichwertig. Denn nach Abzug des Abtriftwinkels von letzterem dürfte der Unterschied der wirksamen Winkel kaum zuungunsten des Flettner-Ruders ausfallen. Als zweiter Vorzug des Flettner-Ruders hat sich seine freie Beweglichkeit um die Ruderachse herausgestellt, denn dadurch wird neben dem Vorteil der Vermeidung schädlicher Stoßbeanspruchungen des Rudergeschirrs vor allem ein außerordentlich stetiger Kurs erzielt. Treffen nämlich Wellenstöße auf das Ruder, so bewirken sie beim festen Ruder ein Rudermoment, das eine Kursänderung zur Folge hat und infolgedessen die Stetigkeit des Kurses ungünstig beeinflußt. Beim Flettner-Betrieb weicht das frei um die Achse schwingende Hauptruder den Wellenstößen pendelnd aus, so daß sie kein Rudermoment ausüben können. Durch die oben geschilderte Rückstellvorrichtung drückt das Hilfsruder die Hauptruderfläche immer wieder in die eingestellte Lage zurück. Diese Rückführung hat sich im praktischen Betrieb gut bewährt. Einer der Kapitänsberichte erwähnt, daß selbst bei heftigem Sturm und hoher See von hinten das Flettner-Ruder nur 4–7 Grad gependelt hat. Dieser kleine Winkel genügt aber vollauf, Wellenstöße elastisch aufzufangen, ohne daß sie unerwünschte Rudermomente hervorrufen. In der Tat hat denn auch das Flettner-Ruder eine ausgezeichnete Kursstetigkeit ergeben, die sich namentlich in Verbindung mit einem Selbststeuerer zu bisher nicht erreichter Genauigkeit wird ausbilden lassen. Auf die großen Vorzüge eines stetigen Kurses braucht wohl nicht besonders hingewiesen zu werden. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Probefahrten und die nachfolgenden Dienstfahrten der mit Flettner-Rudern ausgerüsteten Schiffe dessen Gleichwertigkeit mit einem festen Ruder erwiesen haben, was sicheres und schnelles Arbeiten betrifft. Die Schwergängigkeit der Axiometerleitung, die die Schnelligkeit des Ruderlegens anfangs ungünstig beeinflußte, darf mit Recht als eine leicht vermeidbare Erstlingskrankheit angesehen werden. Als besondere Vorzüge des Flettner-Ruders seien noch einmal hervorgehoben: Der Fortfall der großen Rudermaschinen, die bei mittleren Schiffen teilweise durch Handbetrieb, im allgemeinen durch einen Motor von wenigen KW ersetzt werden können; fernerhin sei erwähnt die außerordentlich gute Kursstetigkeit. Wenn weitere Versuche und Betriebserfahrungen sicheres und dauernd gutes Arbeiten des Flettner-Ruders auch fernerhin bestätigen – und daran ist. nach den bisherigen Erfahrungen wohl kaum zu zweifeln –, so wird man diese Erfindung als einen ganz bedeutenden Schritt in der Fortentwicklung des Schiffbaus bezeichnen müssen.