Titel: Die Fortschritte in der elektrischen Heiztechnik.
Autor: Walter Parey
Fundstelle: Band 339, Jahrgang 1924, S. 202
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Die Fortschritte in der elektrischen Heiztechnik. Von Dipl.-Ing. Walter Parey, Charlottenburg. PAREY, Die Fortschritte der elektrischen Heiztechnik. In der Anwendung der Elektrizität zu Heizzwecken sind während des letzten Jahrzehnts bedeutende Fortschritte gemacht worden; sie werden es ermöglichen, der Elektrotechnik neue Gebiete zu erschließen oder die schon erschlossenen erheblich zu erweitern. Denn auf dem Gebiet der Wärmeverwertung ist die Elektrizität noch längst nicht so weitgehend eingeführt, wie beispielsweise auf dem Gebiet der Antriebsmaschinen. Das rührt her von der starken Konkurrenz gut und wirtschaftlich durchgebildeter Verbrennungs-Heizapparate, nicht zum wenigsten aber auch von der Unzulänglichkeit vieler der bisherigen Elektro-Heizapparate. Denn diese waren oft unwirtschaftlich im Betrieb – wozu allerdings ungünstige Stromtarife nicht wenig beitrugen –, ferner waren sie empfindlich gegen rauhe Behandlung, namentlich Ueberlastung. Dadurch wurden viele Reparaturen bedingt, die Kosten und Betriebsstörungen verursachten. Diese Mißstände mußten erst beseitigt werden, wollte man der Elektrizität auch auf dem Gebiet der Heiztechnik die gebührende Stellung verschaffen. Die Fortschritte, die in dieser Hinsicht gemacht wurden, behandelt Dr.-Ing. Zeulmann in „Elektrotechnik und Maschinenbau“ 41. Jahrg. Heft 48. Bei den elektrisch beheizten Dampfkesseln ist bedeutungsvoll der Uebergang von der Heizung durch Widerstandsdrähte zum Elektrodendampfkessel. Die Heizung durch Widerstände, die ins Kesselwasser eingetaucht sind, hat die Nachteile, daß nur verhältnismäßig niedrige Spannungen anwendbar sind und daß die Höhe der Temperatur, also auch die Höhe des Dampfdruckes, sowie die Dampfmenge beschränkt ist. Außerdem neigen die Widerstandskörper dazu, sich voll Kesselstein zu setzen, wodurch der Wirkungsgrad beträchtlich herabgesetzt wird. Der Elektrodendampfkessel vermeidet diese Nachteile, indem er das Wasser selbst als Widerstandskörper benutzt. Der Strom wird ihm durch eingetauchte Elektroden zugeführt. Die Spannung kann dabei nach dem heutigen Stande der Technik bis 20000 Volt betragen, so daß es kaum erforderlich ist, Transformatoren vorzuschalten. Allerdings ist der Elektrodendampfkessel bis jetzt nur für Wechselstrom verwendbar, da bei Gleichstrom eine elektrolytische Zersetzung des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff und dadurch die Bildung des sehr explosiblen Knallgases erfolgt. Man versucht, durch Luftzusatz die Mischung so zu verschlechtern, daß sie nicht mehr explodiert, auch sucht man die Abscheidung von Wasserstoff ganz zu verhindern, indem man dem Wasser Metallsalze zusetzt. Die Entwicklung dieser oder ähnlicher Bestrebungen läßt sich heute aber noch nicht übersehen. Ein besonderer Vorzug des Elektrodendampfkessels ist der, daß sich kein Kesselstein bildet. An den Elektroden setzt er sich, wie die Praxis zeigt, nicht fest, wohl infolge der heftigen Dampfentwicklung, die ihn immer wieder wegsprengt; und an der Kesselwandung kann er nicht festbrennen, da dieselbe keine höhere Temperatur hat, als das Wasser. Die Kesselsteinbildner bleiben lediglich als feiner Schlamm bestehen, der von Zeit zu Zeit abgelassen wird. Eine sorgfältige chemische Unschädlichmachung dieser Bestandteile des Speisenwassers ist also nicht erforderlich. Die Elektrodendampfkessel finden Verwendung in allen Betrieben, denen hochgespannter Wechselstrom billig zur Verfügung steht und die Bedarf an größeren Dampfmengen haben. Man erwägt auch, bei Kraftwerken die überschüssige Energie in Wärmespeichern, die durch Elektrodendampfkessel geladen werden, aufzuspeichern und bei Leistungsspitzen in einem Zusatzaggregat auszunutzen. Neuerdings verwenden die Schweizer Bundesbahnen Heizwagen mit liegenden Elektrodendampfkesseln; ihre Leistung ist zwischen 300 KW und 1200 KW regelbar bei 15000 Volt Betriebsspannung. Der Vorzug dieser Heizungsart gegenüber der Beheizung der Wagen durch eingebaute Widerstände ist vor allem der, daß die für Dampfheizung gebauten Wagen nicht umgeändert zu werden brauchen und daß es für die Heizung der Züge gleichgültig ist, ob sie durch Dampf- oder Elektrolokomotiven gezogen werden. Der größte bisher gebaute Elektrodendampfkessel hat eine Leistung von 6000 KW für eine Dampferzeugung von 7500 kg in der Stunde. Das Bestreben nach Ausgleich von Belastungsspitzen in den Kraftwerken führt zu weitgehender Verwendung von Wärmespeichern. Das gilt nicht nur für die Kraftwerke selbst, sondern auch für die einzelnen Stromverbraucher. Zu diesem Zweck sind verschiedene Heiz- und Kochöfen mit großem Speichervermögen ausgebildet worden. Als wärmespeicherndes Mittel dient meistens Wasser. Die Verwendung von Oel ist nicht ungefährlich, da es sich bei höheren Temperaturen leicht zersetzt und dadurch zu Explosionen führen kann. Die Ladung des Speicherofens erfolgt während der Nacht, die Entladung den ganzen Tag über. Man berechnet für die durchschnittlichen Temperaturen in Mitteleuropa für die verschiedenen Rauminhalte der zu heizenden Räume mittlere Heizleistungen von 2 KW für 30 bis 40 m3 3 KW für 40 bis 60 m3 4 KW für 50 bis 70 m3 Die Wärmeabgabe der speicherfähigen Oefen ist durch Klappen und Schieber in recht weiten Grenzen regelbar. In Zentralheizungsanlagen werden jetzt häufig elektrische Durchlauferhitzer verwendet. In der Uebergangszeit, wo es noch nicht lohnt, den Kohlenkessel in Betrieb zu setzen, übernimmt der Durchlauferhitzer allein die Heizung, bei großer Kälte wird er dem Kohlenkessel parallel- oder vorgeschaltet. Der Leistungsverbrauch beträgt etwa 5 Watt für 1 m3 zu heizenden Raum und 1° Temperaturerhöhung. In Räumen mit großer Längenausdehnung wird neuerdings vielfach die elektrische Linearheizung benutzt. Die ersten Versuche hierzu wurden in Textilfabriken angestellt, wobei die von den Umschnürungen der Baumwollballen abfallenden Eisenbänder benutzt wurden. Diese wurden unverkleidet in etwa 2,5 m Höhe an Porzellanrollen aufgehängt; sie konnten mit 100 bis 120 Amp. belastet werden, ohne daß die Entzündung von Baumwoll- oder Papierablagerungen zu befürchten war. Der große Vorzug der Linearheizung besteht in der gleichmäßigen Heizwirkung ohne starke örtliche Erwärmung. Zur Vermeidung von Feuersgefahr und um die Heizbänder vor Berührung zu schützen, werden sie jetzt meist isoliert in Gasrohre, Stahlpanzerrohre oder Metallschläuche, manchmal auch unisoliert in Glasröhre eingebaut. Zur Regelung der Heizung genügt meist die Schaltung in Reihe und parallel bzw. in Stern und Dreieck. In Hochbauten sind bei Dauerheizung, d.h. bei etwa 20stündiger Heizdauer im Tag, 11 bis 15 Watt je m3 Raum für eine Temperaturdifferenz von 35° gegen die Außentemperatur erforderlich, bei großen Schedbauten mit einfacher Glasabdeckung etwa 25 bis 35 Watt/m3 bei 30° Temperaturdifferenz. Vielfach verwendet wird in großen Arbeitsräumen die Beheizung mittels Warmluft. Ein Lüfter drückt die angesaugte kalte Luft durch die Heizwiderstände eines Warmluftofens und bewirkt so gleichzeitig Beheizung und Belüftung des Arbeitsraumes. In Spinnereien wird die Warmluftanlage mit Vorrichtungen zur Luftbefeuchtung versehen. Zur Erzeugung hocherhitzter Luft, wie sie für Trocknungsanlagen erforderlich ist, dienen meist Silitstäbe, die auf sehr hohe Temperaturen erhitzt werden können. Die bisher häufig beobachtete Lockerung der Stromzuführungen wird dadurch vermieden, daß die Enden der Silitstäbe durch ein Spritzverfahren oder galvanisch mit einem Metallüberzug versehen werden; auf diese metallisch überzogenen Stabenden werden die hülsenförmigen Anschlußstücke aufgesteckt. Außer zur Raumbeheizung und zum Trocknen und Dörren der verschiedensten Stoffe benutzt man die Lufterhitzer jetzt vielfach zum Trocknen der Gußformen in Gießereien. Dafür kann der billige Nachtstrom verwendet werden, und die luftverschlechternden, Wartung erfordernden Koksöfen kommen in Fortfall. Die Silitwiderstände sind verwendbar für alle Stromarten bei Spannungen bis 550 Volt. Weite Verbreitung haben in den letzten Jahren die Wärmestrahler oder Reflektoröfen gefunden. Bei diesen ist der Heizkörper aus Drahtspiralen oder Silitstäben im Brennpunkt eines Hohlspiegels angebracht. Der Spiegel ist in einem Gelenk allseitig beweglich, so daß das Wärmestrahlenbündel, das vor allem der örtlichen Erwärmung dient, überall hin gerichtet werden kann. Durch Aufsetzen von Traggittern auf den Hohlspiegel kann der Apparat auch zum Kochen benutzt werden. Bei den Koch- und Heizgeräten für den Haushalt ist man bestrebt, den thermischen Wirkungsgrad dadurch zu verbessern, daß man die Heizkörper in möglichster Nähe der zu heizenden Flächen anordnet und daß man die Apparate durch Wärmeisolation vor Strahlungsverlusten möglichst schützt. Dadurch wird der Stromverbrauch auf ein Mindestmaß herabgesetzt. Die Beschädigungen der Apparate durch Ueberhitzungen sucht man durch selbsttätige Ausschalter zu vermeiden. So ist z.B. ein Sicherheitsstecker ausgebildet, bei dem die Wärmeausdehnung eines Stiftes bei einer bestimmten Temperatur die Abschaltung des Stromes bewirkt. Aehnliche Vorrichtungen werden auch in den Handgriffen von Bügeleisen angebracht. Für die Beheizung von Arbeitsmaschinen, Geräten und Werkzeugen besitzt die Elektrizität den großen Vorzug, daß sie die Wärme ohne Flammenbildung erzeugt. Für die Behandlung leicht entzündlicher Stoffe, wie z.B. Celloloid und Papier, ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten. Die Elektrizität gestattet, die Wärmequelle nahe an das Arbeitsstück heranzubringen oder gar die Wärmeerzeugung in das Arbeitsstück selbst zu verlegen durch Ummagnetisierung bei Eisen oder durch Wirbelströme bei anderen Metallen. Dadurch werden die Strahlungsverluste vermindert, und die Arbeitsmaschine wird vor Wärmespannungen und dadurch bedingten Verziehungen geschützt. Als Heizkörper kommen namentlich drei Arten in Frage: Patronenheizkörper zum Einbau in zylindrische Bohrungen, Streifenheizkörper für schwache Preßplatten und für alle Fälle, wo wenig Raum zur Verfügung steht, und Stabheizkörper, die bei geringem Querschnitt gute Formanpassung ermöglichen. Die Patronenheizkörper bestehen aus einer zylindrischen Messinghülse, in die die Heizwicklung eingebaut ist. Die Regulierung für volle, halbe und viertel Leistung erfolgt durch Reihen-Parallel-Schaltung zweier gleicher Stromkreise. Die Patronen reichen für Temperaturen bis etwa 200 ° aus. Bei den Streifenheizkörpern ist ein Heizstreifen zwischen Mikanitplatten gebettet; das Ganze ist gegen Beschädigung durch Eisenbewehrung geschützt. Auf diese Weise ist eine ganz flache Formgebung ermöglicht. Den neuesten Fortschritt stellen die Stabheizkörper dar. Bei ihnen ist ein Heizkörper in Isoliermasse eingelegt und durch Metallumhüllung geschützt. Der Metallmantel kann Rippen erhalten zur Vergrößerung der Oberfläche. Als besonders zweckmäßig erwiesen hat sich die Anwendung der Elektrizität für die Wärmebehandlung von Metallen. Im Elektrodenofen wird das Salzbad, das das Einsatzgut aufnimmt, selbst als Wärmequelle benutzt, indem Wechselstrom niedriger Spannung und hoher Stromstärke hindurchgeschickt wird. Mittels eines Regeltransformators lassen sich Temperaturen bis 1350 ° C erreichen. Bei den Muffelöfen dienen Silitstäbe als Heizkörper, die im Innern der Muffel an den Seiten stehend angeordnet sind und in Reihe oder parallel geschaltet werden. Steht Wechselstrom zur Verfügung, so werden massive Niederspannungs-Transformatorwindungen um die Muffel herumgelegt; die Regelung erfolgt dann durch Zu- oder Abschalten von Transformatorwindungen. Der Vorzug der elektrischen Beheizung der Einsatzöfen besteht in dem schnellen, gleichmäßigen Erwärmen des Einsatzgutes und der guten Temperaturregelung, die bis auf 1/10 °C genau möglich ist. Ein besonderes Gebiet bilden schließlich noch die elektrisch heizbaren Gewebe wie Heizkissen, Fliegeranzüge, Reisedecken usw., die namentlich in der Flug- und Automobiltechnik weite Verbreitung gefunden haben. Auch zum Trocknen von Papier- und Stoffbahnen werden neuerdings in der Industrie elektrische Heizgewebe benutzt. Die Fortschritte im letzten Jahrzehnt werden zweifellos der elektrischen Heiztechnik viele neue Gebiete erobern.