Titel: Polytechnische Schau.
Fundstelle: Band 339, Jahrgang 1924, S. 225
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Polytechnische Schau. (Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge – nur mit Quellenangabe gestattet.) Polytechnische Schau. Englische Luftschiff bauten. Trotz der vielen Mißerfolge und Unglücksfälle, die der englische Luftschiffbau zu verzeichnen hat, beschäftigt man sich dort doch mit Plänen zum Bau von Verkehrsluftschiffen auf weite Entfernungen. Auf der Frühjahrsversammlung der Institution of Naval Architects vom 9.–11. April 1924 wurde in einem Vortrag „Entwicklung des Luftschiffes, mit besonderer Berücksichtigung des Verkehrsluftschiffes“, ausgeführt, daß im Schiffbau die Bruttotragfähigkeit der Verdrängungseinheit etwa 1000 mal so groß ist wie im Luftschiffbau. Wasserstoff wird noch für lange Jahre das einzige Mittel zur Erzielung des gewünschten Auftriebes sein. Helium, dessen wertvollste Eigenschaft die Unverbrennbarkeit ist, hat höheres spezifisches Gewicht und höhere Herstellungskosten. Zur Erzeugung von Wasserstoff sind nur einfache Anlagen notwendig. Das Luftschiff ist mit Rücksicht auf den geringsten Luftwiderstand bei hohen Geschwindigkeiten zu bauen. Der geringste Widerstand wird durch eine Form erhalten, dessen Inhalt 0,52 des Inhaltes des umschriebenen Zylinders beträgt. Das wirtschaftlich günstigste und am meisten angewandte Verhältnis liegt bei 0,62. Der Bug muß sehr völlig sein, das Hauptspant vor der Mitte liegen und dementsprechend ist das Heck schlank auszuziehen. Die zahlreichen Untersuchungen haben dazu geführt, daß man jetzt nur noch ¾ der vor 3 Jahren erforderlichen Motorleistung zur Erzielung derselben Geschwindigkeit braucht. Ein weiterer Fortschritt in der Betriebsicherheit des Luftschiffes ist die Verwendung eines leichten Schwerölmotors. Auf die leichte Entzündbarkeit des Benzins sind wohl die zahlreichen Unglücksfälle zurückzuführen. Man hofft in England baldigst einen Schwerölmotor einfacher Bauart mit einem Einheitsgewicht von 2,75 PSe verwenden zu können. Das gedachte Verkehrsluftschiff soll etwa 150 t Auftrieb haben, von dem die Hälfte für Schiff und Marine verbraucht wird. 20 t sind dabei für den Brennstoff vorgesehen für eine Fahrstrecke von 6000 km bei 130 km Stundengeschwindigkeit. Vorgesehen sind 140 Fahrgäste mit Post und Ladung, sowie Ballast. Dieses Luftschiff soll für den Verkehr London-Kairo-Bombay dienen. Das englische Luftministerium ist beauftragt, umfassende Forschungen und Versuche mit Luftschiffen in Carlington auszuführen und den Bau eines neuen Luftschiffes von 142000 m3 baldigst zu beginnen. Ferner sollen Anlagen eines Endpunktes und einer Zwischenlandung über See geschaffen werden, damit Luftschiffe sicher zwischen England und Indien fahren können. Die gewählten Orte werden noch geheim gehalten. Es wird hierfür und für den Bau von zwei Luftschiffen 4,8 Mill. Pfund für einen Zeitraum von 15 Jahren vorgesehen. 54 Offiziere der Kriegsmarine werden baldigst im Luftschiffdienst ausgebildet. W. Elektrolytische Darstellung reinsten Eisens. Das zweite Heft des 3. Bandes der Wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus dem Siemens-Konzern (herausgegeben von C. D. Harries) enthält eine interessante Arbeit von E. Duhme über die Gewinnung von sehr kohlenstoffarmen Elektrolyteisen in glatten Niederschlägen unter Verwendung eines Anodeneisens mit mehr als 3 % Kohlenstoff und mehr als 1 % Silizium bei gleichzeitiger Reinigung des Elektrolyten. Ferner gelang es, unter Zwischenschaltung einer wechselstromüberlagerten Hilfskathode aus phosphorhaltigen Anoden ein fast phosphorfreies Elektrolyteisen herzustellen. Verfasser erinnert an die bei der Abscheidung des Eisens einzuhaltenden Versuchsbedingungen, um die Elektrolyse erfolgreich durchzuführen, als da sind: richtige Eisenkonzentration, Azidität und Temperatur des Elektrolyten, sowie die kathodische Stromdichte. Gut anhaftende, feinkristalline Niederschläge erhält man aus einer bei gewöhnlicher Temperatur gesättigten Magnesiumchlorid enthaltenden Eisenchlorlösung und es beträgt dann die Stromausbeute pro quem 92 % bei Stromdichten bis zu 0,1 Amp. Nach den Versuchen gelingt es aus Anoden von wenig verunreinigtem Eisen bei Benutzung von Diaphragmen und nicht allzu hohen Stromdichten ein Eisen von sehr großer Reinheit zu erzeugen. Bei größeren Stromdichten jedoch sind die bisher benutzten Diaphragmen nicht mehr widerstandsfähig gegen heiße salzsaure Lösungen und stellen einen verhältnismäßig hohen Widerstand dar, erhöhen also nicht unwesentlich den Energieaufwand. Verwendet man aber als Anodenmaterial ein sehr kohlenstoff- und siliziumhaltiges Eisen, so werden die Verunreinigungen ohne Diaphragma nicht mit überführt, sobald sie nicht mehr als 3 % Kohlenstoff und 1 % Silizium betragen. Die anodischen Verunreinigungen an diesen Stoffen bleiben dann als Skelett fest mit der Anode verwachsen und bilden selbst ein Diaphragma, das den Austritt kleiner, aus der Anode herausbröckelnder Kohlenstoffteilchen verhindert. Unter gewissen Bedingungen kann man solche Skelette aus Kohlenstoff-Silizium bis zu 2 mm Stärke wachsen lassen. Auch kleine Kohlenstofflitterchen im Elektrolyten lassen sich noch von der Kathode fernhalten, denn sie bilden auf Grund ihres guten Leitvermögens innerhalb des stromdurchflossenen Teiles des Bades einen Zwischenleiter, bleiben in der Nähe der Kathode infolge ihres remanenten Magnetismus magnetisch haften und wachsen als lange Aeste aus der Kathodenoberfläche heraus. Solche im Entstehen begriffene Auswüchse waren experimentell als Kohlenstoffpartikelchen nachzuweisen und durch starke Magnetfelder innerhalb des Bades abzufangen. Als unangenehmste Verunreinigung im Anodeneisen erwies sich der Phosphor und ohne besondere Hilfsmittel war aus phosphorhaltigem Anodenmaterial ein phosphorfreies Eisen nicht zu gewinnen. Schaltet man aber zwischen Anode und Kathode eine wechselstromüberlagerte Hilfskathode, so konzentrieren sich die Phosphorsäureionen an der Zwischenelektrode und es bildet sich Eisenphosphid, im Elektrolyteisen aber (bei Verwendung stark phosphorhaltigen Anodenmaterials) wird der bisher vorhandene Phosphorgehalt von 0,5 % auf 0,0001 % herabgedrückt. So gelang es aus sehr unreinem Anodenmaterial ein sehr reines Elektrolyteisen zu erzeugen, nämlich aus Anodeneisen Elekrolyteisen C     3,2 % 0,002 % Si     1,1 % 0,001 % Mn 0,05 % 0,002  % P     0,4 % 0,0001 % Cu  0,02 % Dr. Bl. Rawhide. Mit „Rawhide“ (Rohhaut) wird von den Amerikanern ein Leder benannt, bei dessen Herstellung die Haut weder gekalkt wird, noch einem eigentlichen Gerbprozeß unterliegt. Insbesondere wurde die von den Indianern zubereitete Büffelhaut so genannt, die rund aus der Haut in lange breite Streifen zerschnitten, mittels Steinen notdürftig gereinigt und über rauchendem Feuer mit Fett geschmeidig gemacht wurde. Aus dem so erhaltenen Material stellten sie ihre fast unzerreißbaren Lassos her. Der Deutsch-Amerikaner Krüger, hierauf fußend, ließ sich ein Verfahren patentieren, um die ganze Haut ohne Anwendung von Kalk oder sonstigen Chemikalien zu enthaaren und zu entfleischen und um die Blöße in geeigneter Weise auf besonders konstruierten Maschinen zu imprägnieren und geschmeidig zu erhalten. Er erzielte damit ein außerordentlich zähes und auch haltbares, aus fast reiner Hautfaser bestehendes Leder. Die von Krüger begründete Chicago-Rawhide Co. stellte alsdann dieses Leder, das in der ganzen Welt mit gutem Erfolge eingeführt wurde, fabrikmäßig her. Im Jahre 1904 erwarb Verfasser dieses das genannte Verfahren, das alleinige Recht zur Herstellung des Leders und zur Führung des Namens „Original Chicago-Rawhide“ für ganz Europa. Er übertrug seine Rechte der Deutschen Chicago-Rawhide-Gesellschaft. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß der Wert eines Riemenleders im wesentlichen bedingt wird durch die Güte und die Menge der Hautsubstanz, die es enthält. Bei der Umwandlung der Haut in gebrauchsfähiges Leder sollte daher die Faser in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit qualitativ und quantitativ nach Möglichkeit erhalten bleiben. Beide Bedingungen können bei der üblichen Herstellungsweise von lohgarem, chromgarem und anderen Ledergattungen nur unvollkommen erfüllt werden, weil die zum Zweck der Enthaarung, Gerbung und Zurichtung verwendeten Alkalien, Mineral- und Gerbsäuren die Haltbarkeit der Hautfaser beeinträchtigen und weil die Umhüllung der Fasern mit Gerb- und Fettstoffen die Menge der Hautsubstanz im fertigen Leder auf den niedrigen Satz von etwa 38 Prozent vermindert. Die nach Beseitigung der Oberhaut mit den Haaren und der Unterhaut mit den Fleischteilen sich ergebende eigentliche Lederhaut, die sogenannte Blöße enthält nach Dr. Körner „im wasserfreien Zustande 95 Prozent Hautfaser (Fibroin), welche die Grundsubstanz derselben bilden.“. Es wird angenommen, daß die übrigen 5 Prozent vorwiegend aus Eiweißkörpern, etwas Fett und Spuren von Mineralstoffen bestehen, die den Fasern Zusammenhang und Nahrung geben. In diesem Zustande hat die Hautfaser ihre höchste Zerreißfestigkeit, die in verschiedenen Häuten und Teilen der Haut naturgemäß verschieden, im Durchschnitt aber mit etwa 800 kg für 1 qcm angenommen werden kann. Beim Aeschern werden durch die Einwirkung des Kalkes Eiweiß und Fettgehalt stark vermindert und die Faser der Menge nach zwar nicht in ihrer Güte – das heißt in ihrer Zähigkeit – aber stark beeinträchtigt, desgleichen auch durch die Einwirkung der Säuren beim Entkalken, durch die Gerbsäure beim Gerben und beim Aufhellen des Leders durch Alkalien und Säuren bei der Zurichtung. Das Resultat ist, daß das Leder schließlich eine Zerreißfestigkeit von höchstens 300 kg pro Quadratzentimeter behalten hat. Allen diesen, die Zähigkeit und den Fasergehalt des Leders beeinträchtigenden Einflüssen ist die echte Chicago-Rawhide nicht unterworfen. Nach Untersuchungen von Dr. Jablonsky enthält Chicago-Rawhideleder: Wasser 13,4 % Hautsubstanz 75,4 % Fett 10,5 % Mineralstoffe   0,7 % Der Menge und Güte der Hautsubstanz entsprechend ist auch die Zerreißfestigkeit etwa doppelt so hoch, wie die des lohgaren Leders, während die Dicke, da jede „Füllung“ fehlt, nur etwa 4/7 des lohgaren Leders erreicht. Im umgekehrten Verhältnis stellt sich naturgemäß der Gewichtspreis. Der Meterpreis ist wieder der gleiche wie für entsprechend dickere lohgare Riemen. Wenn nun auch die Zerreißfestigkeit eines Leders nicht im direkten Verhältnis steht zu der Uebertragungsfähigkeit des daraus gefertigten Riemens, so gibt die Zerreißfestigkeit immerhin einen Anhalt zur Beurteilung der Güte des Materials, das allerdings auch nicht überschätzt werden darf, da manches faßgegerbte Leder beim Zerreißen höhere Ziffern aufweist als eins von 12 monatlicher Grubengerbung. Es ist beim Transmissionsriemen immer zu berücksichtigen, daß die Belastung im normalen Betrieb (ohne Spannrollen) 25 kg pro qcm nicht überschreiten darf, da sonst Gleiten und Verbrennen eintritt ohne Rücksicht darauf, ob das Leder ursprünglich 250 oder 600 kg Festigkeit gezeigt hat. Indes lehrt die Erfahrung, daß ein Leder von unter 250 kg Bruchfestigkeit für Treibriemen nicht verwendet werden sollte. Dünne und leichte Riemen sind bei schwerem Trieb, langsamem Lauf, großen Scheiben, Ausrückern und Stufen durchaus nicht angebracht, dagegen kann bei Scheiben von kleinstem Durchmesser und höchster Umdrehungszahl (zum Beispiel bei modernen Holzbearbeitungsmaschinen) das Leder nicht dünn und geschmeidig genug sein, vorausgesetzt, daß die erforderliche Zerreißfestigkeit dabei erhalten bleibt. Für solche Zwecke ist Rawhide das geeignetste und relativ haltbarste Material. Ebenso für Keilriemen, Hochkantriemen, Lederband-Kupplungen, für schwere Betriebe als doppelte und dreifache Riemen und überall da, wo bei leichtem Gewicht ein verhältnismäßig dünner Riemen mit hoher Zerreißfestigkeit verlangt wird. Arnold Frommeyer, Hannover. Schlechte und gute Merktafeln (Franz Neumann). In allen technischen Betrieben, z.B. in Fabriken, auf Eisenbahnen usw. sind Merktafeln nötig, die teils Bekanntmachungen, teils Warnungen enthalten, oder dem Bedienungspersonal und dem Publikum Verhaltungsmaßregeln geben sollen. Schon rein sprachlich ist die Fassung dieser Tafeln recht häufig zu bestanden; gerade ein tausend –, ja oft hunderttausendmal verbreiteter Wortlaut sollte aber dem Volk ein Beispiel guter Sprache geben, namentlich wenn er so abgefaßt ist –, was er soll –, daß er schlagwortartig wirkt und sich dem Leser infolgedessen einhämmert. Eine Verbotstafel muß nicht gleich so schlecht abgefaßt sein, wie die bekannte: Dieser Weg ist kein Weg. Wer es denoch tut, erhält drei Mark Strafe und fließt in die Gemeindekasse“; sie kann trotzdem unbefriedigend sein. Da steht z.B. in jedem deutschen Eisenbahnwagen: Textabbildung Bd. 339, S. 227 Zur Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege wird dringend ersucht nicht in den Wagen zu spucken. Die öffentliche Gesundheitspflege fördert man, indem man fünf bis zehn Pfennige in eine Büchse des Roten Kreuzes steckt, nicht durch das Unterlassen des Ausspuckens! „Die öffentliche Gesundheitspflege“ ist offenbar eine schlechte Uebersetzung von „Hygiene“. Auf die Volksgesundheit kommt es an, nicht auf die nur ein Mittel zum Zweck ihrer Erhaltung bildende Gesundheitspflege! Und muß man denn immer gleich (wenn auch in ganz kleiner, vom gegenüberliegenden Sitz unlesbarer Schrift) „dringend ersuchen?“ Solche behördliche Aufforderungen reizen nur zum Widerspruch. Belehrungen wirken besser. Man würde der Merktafel daher besser den Wortlaut geben: Textabbildung Bd. 339, S. 227 Ausspucken schädigt die Volksgesundheit. Denn so ist es! Nicht nur im Eisenbahnwagen, nein überall! Ein solcher Wortlaut prägt sich ein. Da wir nun gerade beim Eisenbahnwagen sind, so soll gleich noch eine andere Merktafel draus folgen, die bisher also lautete: Textabbildung Bd. 339, S. 228 Notbremse!; Um sofortiges Halten des Zuges zu veranlassen, ist bei dringender Gefahr an dem an der Wagendecke befindlichen, mit Notbremse bezeichneten; Handgriffe zu ziehen.; Jeder Mißbrauch wird mit Geldstrafe bis zu 100 ℳ bestraft, wenn nicht nach den allgemeinen Strafbestimmungen eine höhere Strafe verwirkt ist (§§ 80 und 82 der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung). Schröcklich, schröcklich! Nun hat man zwar den letzten Satz gekürzt; er heißt jetzt: „Jeder Mißbrauch wird bestraft“ (wenn man den Täter erwischt!) Immerhin ein Fortschritt! Aber oben steht noch immer der lange Summs, den der davorsitzende nicht lesen kann, weil er an der oberen Hinterkante seines Schädels keine Augen hat, und der Gegenübersitzende auch nicht, weil für ihn die Schrift zu klein ist. „An dem an der Wagendecke befindlichen“ heißt auf Deutsch: am Griff an der Wagendecke: dann geht es ohne das Bürokratenwort „befindlichen“. So lange Inschriften liest aber überhaupt kein Mensch, im Gegensatz zu folgender: Textabbildung Bd. 339, S. 228 Notbremse! Griff an der Wagendecke ziehen! Mißbrauch strafbar! Oder sollte die Eisenbahnverwaltung wirklich glauben, es sei nötig, die Fahrgäste darüber zu belehren, daß die Notbremse dazu dient, ein sofortiges Halten des Zuges zu veranlassen? Zur Zeit des alten Fritzen mag das zweckmäßig gewesen sein – heute weiß es schon der Säugling! Der Zwecke dieser Zeilen ist nicht etwa der, die beiden als Beispiele verwendeten Merktafeln zu geißeln, sondern dazu anzuregen, alle solchen Tafeln – nicht bloß bei der Eisenbahn, überhaupt nur behördliche! – auf ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen und sie dementsprechend zu ändern: sie kurz zu fassen, und zwar so, daß sie sich einprägen, große Schrift zu verwenden (was dann möglich ist), und sie in Augenhöhe anbringen. Dann werden sie ganz anders wirken, als bisher!