Titel: Ueber das Rätselelement Radium.
Autor: Landgräber
Fundstelle: Band 341, Jahrgang 1926, S. 39
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Ueber das Rätselelement Radium. Von Bergwerksdirektor Landgräber. LANDGRAEBER, Ueber das Rätselelement Radium. Radiumerze werden allgemein in Verbindung mit Granitstein gefunden. Während die meisten der ursprünglichen Radiumerze Uraninit, Samarskit, Brannerit, die jedoch nicht in technisch verwertbaren Mengen gewonnen werden, schwarz gefärbt sind, einen glänzenden Bruch und ein hohes spez. Gewicht haben, hat Pechblende, das in Gängen vorkommt, dieselbe Zusammensetzung wie Uraninit und bis auf das Fehlen der Kristallform dasselbe Aussehen. Uran ist das schwerste bisher bekannte irdische Element. Es findet sich nur an wenigen Stellen in Böhmen, Südsachsen, Cornwall und Gilpin County in Kolorado. Bei der Verwitterung der ursprünglichen Erze bilden sich andere Radiummineralien wie Autunit, Torberuit, Karnotit, Tyuyamunit. Karnotit und Tyuyamunit kommen von den hier genannten Erzen am häufigsten vor und liefern die Hauptmengen des Weltradiums. Beide sind von leuchtend kanariengelber Farbe, pulverig und feinkristallinisch oder seltener tonähnlich im innern Aufbau. Karnotit ist wasserhaltiges Kalium-Uranvanadiat. Tyuyamunit ist von ähnlicher Zusammensetzung und enthält an Stelle des Kaliums Kalcium. Die größten bekannten Vorkommen dieser beiden Erze liegen im südwestlichen Kolorado und im südöstlichen Utah, wo beide mit fossilem Holz und anderen Vegetationsüberresten in leicht zerreiblichem, porösem, feinkörnigem Sandstein zusammen auftreten. Kleine Mengen von Karnotit werden auch in der Nähe von Craly-Süd-australien gewonnen. Die einzigen anderen Lager, die Tyuyamunit in bemerkenswerter Menge liefern, sind diejenigen von Tyua-Maja im Bezirk Andiyan im Gouvernement Ferghana im russischen Zentralasien, wo Tyuyamunit mit kupferreichen Erzen in einer Einbettung in Kalkstein vorkommt. Der Physiker Burton hat an einer Probe von Petroleum, die aus einer Oelquelle der nach diesem Produkt benannten Ortschaft Petrolia in dem amerikanischem Staate Catario stammte, Radium festgestellt. Es war bereits bekannt, daß der Erdboden unter Umständen eine strahlende Beschaffenheit besitzt. Man hätte annehmen können, daß das Petroleum daher die Strahlungsfähigkeit angenommen hätte. Das Erdöl kommt aber an der genannten Stelle aus ziemlich tiefen Schichten der Erde heraus. Nach früheren ähnlichen Untersuchungen mußte angenommen werden, daß die Luft aus dem Petroleum einen strahlenden Stoff angenommen hatte, der den Radiumsstrahlen entsprach und jetzt gewöhnlich mit dem allgemeinen Namen Emmanation bezeichnet wird. Daß eine den Radiumstrahlen entsprechende Erscheinung vorlag, wurde im besonderen dadurch erwiesen, daß sich die Wirksamkeit durch Induktion oder gleichsam durch Ansteckung auf andere Körper übertragen ließ, wie es auch bei den Radiumstrahlen der Fall ist. Burton glaubt daher, daß das strahlende Gas dqs rohen Petroleums mit jenem identisch ist. Der deutsche Physiker Himstedt fand ehevor, daß Petroleum aus Quellen im Elsaß ein radioaktives Gas (Emmanation) enthält, so daß die betreffende Radioaktivität keineswegs eine Eigentümlichkeit des amekanischen Petroleums ist. Uebrigens befinden sich in vielen Wasserquellen ebenfalls radioaktive Stoffe, wie z.B. in denjenigen von Wildbad, Fachingen, Baden-Baden, Kreuznach und vielem anderen Orten. Man vermutet, daß die Heilkraft dieser Sprudel durch den Gehalt an radioaktiver Substanz bedingt ist. Da das Radium zusammen mit Uran vorkommt, hat man auch schwedische Uranvorkommen dahin untersucht. Ein pegmatitähnliches Mineral mit etwas Uranocker, allerdings auch nur in ganz geringein Mengen wurde in der Grube Skiekerum in Smäland gefunden. E. Nordenskiöld hat Uran in der Asche des sog. „Kolm“ sowie in einigen anthrazit- oder asphaltähnlichen Mineralien aus schwedischen Gruben nachgewiesen. Ein von ihm Huminit benanntes bituminöses Mineral von Nullaberg in Värmland enthält Uran. Außerdem befindet sich Uran im Gehalt von einigen Prozenten in Mineralien, welche bei Ytterby und teils in alten Brüchen bei Falun gefunden werden. Unter allen diesen Mineralien ist der „Kolm“, dessen eigentliche Fundstätte die Alaunschiefer von Mittel-Billige bilden, hinsichtlich der Menge das weitaus wichtigste. Kolm ist in seiner chemischen Zusammensetzung und feuertechnisch mit der Steinkohle gleichgestellt. Die Größe des in ihm und den Alaunschiefern sich befindlichen Radiumgehaltes beträgt ungefähr ein Centigramm Radium pro t und einige Milligramm pro Tonne Alaunschiefer. Der Radiumgehalt ist demnach gering. Immerhin aber sieht man, daß im Hinblick auf die bedeutendsten Schieferablagerungen die auf der Erde vorhandenen Radiummengen nicht unerheblich sind. Aus einem Stück Zinkstein aus den Alaunschiefern von Carlsro wurden einige Zehntel Milligramm ausgefällt. Einige Kristallkörner des uranhaltigen Minerals Hjelmit ergaben nach einmonatlicher Exponierung so starke Schwärzung, daß aller Wahrscheinlichkeit nach Radium in demselben sich befindet. Alaunschiefer finden sich außer im Kambrium von Vestergötland und Oeland in Schonen (Andrarum), Nerike, Jemtland und anderen Teilen von Norrland in sehr großen Mengen. In der schwedischen Provinz Hailand ist kürzlich in der Nähe von Koltsljunga ein umfangreiches radiumhaltiges Feldspatlager aufgefunden. Ein außerordentliches Radiumgebiet wurde kürzlich westlich von Marienbad an den Osthängen des Bayerischen Waldes entdeckt. Diese Fundstätten sind Linsen, die sich innerhalb von Kupferlagerstätten finden. Wie an anderem Stellen, so haben auch hier die Alten nur das seinerzeit verwendbare Erz, das Kupfer gebaut, und die Pechblende und Uranerze stehen gelassen. Der Prozentgehalt der Erze beträgt im Durchschnitt 5,5% Uran, oder 0,0177 Gramm Radium je Tonne Haufwerk. Das Erz ist daher um ein vielfaches reiner als die bisher allein mit Erfolg in Europa gewonnenen Joachimstaler Erze und fast so reich wie die belgischen Katangaerze. Auffallend ist die Größe dier einzelnen Erzlinsen; eine einzige Linse hat ca. 800 Tonnen Erz oder umgerechnet ca. 1,5 g Radium. Da die Aufbereitung der Erze auf chemischem Wege denkbar einfach und billig ist, so handelt es sich zweifellos um ein für Europa sehr wichtiges Vorkommen. Auf bayerischen Gebieten, die denen in Böhmen und Sachsen in geologischer Hinsicht nahe verwandt sind, bislang aber nirgends Radium bekannt geworden war, hat man neuerdings in den Flußspatgängen am Wölsenberg (im Barbarastollen) Uranpecherz als auch Uranotyl entdeckt. Die dortigen Kupfer- und Kalkuranglimmer sind sogar relativ reich an Radium. Die Pegmatiete des bayerischen und pfälzischen Waldes und des Fichtelgebirges sind zwar als Träger der Radioaktivität sog. Uranmineralien bekannt, treten aber nur in untergeordneten Mengen auf. Die Quellen der Granitgebirge des fränkischen Jura, dem Fichtelgebirge und der Oberpfalz haben nach neueren Untersuchungen meist eine Aktivität von 10 Mache-Einheiten. Eine Quelle im sog. Fuchssteinbruch weist sogar 294 Einheiten auf. Sie verdankt ihre starke Aktivität dem dort vorkommenden Kupfer-Uranglimmer. Die bedeutendste Fundstätte von Kupferuranglimmer befindet sich in Bayern am Ostgang der sog. Platte im Fichtelgebirge. Die Bodenluft in geringer Höhe über dem Erdboden zeigt einen hohen Gehalt von Emmanation. In Oberschlema-Schneeberger Gruben hat man jüngst ebenfalls hohe Emmanationsmengen nachweisen können. In den Diadochithöhlen bei Salfeld zeigte sich bei Messung der Radioaktivität der Grottenluft während der letzten Sonnenfinsternis, daß diese etwa um 11% ihrer gewöhnlichen Stärke sprungartig anstieg, gegen Ende rasch auf 14% unter normal fiel und erst nach mehreren Stunden den Status quo ante wieder erreichte. Auf den Fluren von Stolpen in Sachsen sind in letzter Zeit neue radiumhaltige Quellen entdeckt worden. Den Kongovorkommen ebenbürtige Radiumlager hat man in der Gegend von Ferghana (Turkestan) aufgefunden. In Nordrodesien ist man ebenfalls auf bisher unbekannte Uranerze gestoßen. Radioaktive Eigenschaften weisen die bisher für Eisenerz gehaltenen Mineralien von der Westküste Sumatras auf. Umfangreiche radiumhaltige Monaziterze wurden auf Westborneo festgestellt. Auch aus Madagaskar kommt neuerdings Radiumerz in den Handel. Aus Südaustralien wird berichtet, daß man dort an dem mächtigen erzdurchsetzten Kamme des Mount Panjuter aufsehenerregende Radiumfunde gemacht hat. Die betreffende Schicht ist mehrere Meter breit und setzt in die Tiefe. Der Gehalt an Uran beträgt 1%. Die Karnotitlager in Utah enthalten 2% Uraniumoxyd gleich 5 Milligramm Radium pro Tonne Erz. Die neueren Forschungen über Radioaktivität haben bereits 40 neue Elemente erschlossen. Sie lassen sich als Abkömmlinge, Strahlungsprodukte der drei Grundelemente Uran Actin und Thor ansprechen. Der Ursprung des Aktin ist noch in Dunkel gehüllt. Nadi neueren Ansichten ist die Bedeutung des Radon, auch Ueberradium genannt, das 160000mal mehr Radioaktivität als Radium selbst besitzen soll, bei weitem als übertrieben zu betrachten. Es verliert die Hälfte seiner Kraft schon nach 4 Tagen, während Radium die Hälfte seines Gewichtes 1700 Jahre behält. Es sei noch erwähnt, daß der dreißigste Teil einer Unze an Radium in einer Sekunde 150000 Atome abstößt. Die längste Lebensdauer unter den radioaktiven Elementen benutzt das Jon. Es ist in verschiedenen Mineralien 50mal reicher aufzufinden als Radium selbst. Auch Pflanzen sind radioaktiv. Kürzlich ermittelten amerikanische Forscher, daß reife Tomaten dreimal so hohe radioaktive Strahlung zeigten als das dort vorkommende Leitungswasser. Man nimmt an, daß das Grundwasser radioaktive Substanzen enthält. Es hat sich gezeigt, daß in der Luft überall eine Strahlung radioaktiven Charakters mit erheblicher Durchdringlichkeit vorhanden ist. Schirmt man durch Bleiwände einen Meßraum ab, so zeigt sich, daß die elektrische Leitfähigkeit der Luft um 30–50% zurückgeht. Auch in Salzbergwerken, in denen die Strahlung durch die dichte Salzschicht abgeschirmt wird, hat man ähnliche Feststellungen machen können. Das gleiche gilt bei Bestimmung der Leitfähigkeit unter Wasser. Bekanntlich sind radioaktive Substanzen in geringen Mengen überall vorhanden. Die Strahlung rührt demnach von geringen radioaktiven Beimengungen des Bodens her. Der mittlere Radiumgehalt der Gesteine unserer Erdhaut wird auf etwa ein Millionstel Gramm in der Tonne geschätzt. Wasser und Luft sind noch um mehr als tausendfach geringhaltiger. Man glaubte bislang, daß der Weltenraurn zwischen den Himmelskörpern völlig leer sei. Da aber Kraftübertragungen von der Sonne zur Erde stattfinden, so muß nach unseren Begriffen irgend ein Stoff vorhanden sein, der der Träger dieser Fortpflanzungen ist. Es entstand daraus die Ansicht vom Weltäther, obwohl hierfür nie ein Beweis erbracht ist. Eine andere Ansicht geht dahin, der Weltenraum sei ganz mit einem feinen leichten Gas angefüllt. Nach neueren Untersuchungen soll das Weltall mit unendlich feinem Staub, der unaufhörlich als Eisen-Nickelstaub auf die Irdischen niederfällt, durchdrungen sein. Der Ursprung dieses kosmischen Staubes ist Geheimnis, seine Bedeutung ein Rätsel, für das bereits viele Theorien erdacht sind. Vorhanden ist jedoch dieser Staub. Man hat ihn auf den Häuptern der Alpiden und dem jungfräulichem Gletschereis der höchsten Gebirge gefunden und gemessen. Schätzungsweise sollen täglich 10000 Tonnen dieser metallischen tiefschwarzen Körper auf die Erde niederregnen. Man hat eine Zeitlang angenommen, daß dieser Staub der Träger der Radioaktivität im Weltenraume ist. Beobachtungen in großen Höhen bis zu 9000 m haben ergeben, daß die vorerwähnte durchdringende Strahlung mit zunehmender Entfernung von der Erde abnimmt und zwar während der ersten 1000 m. Beim Anstieg mit wachsender Höhe nimmt die Strahlung zuerst langsam, dann aber immer stärker zu. Es muß demnach außer der Bodenstrahlung noch eine Strahlung von oben her, die sog. Luftstrahlung, auf die Erde einfallen. Diese Luftstrahlenart hat ein so bedeutendes Durchdringungsvermögen, daß sie eine 15mal stärkere Eisenplatte, wie sie allerhöchstens von unseren Röntgenstrahlen durchleuchtet wird, durchdringt. Die härtesten Gammastrahlen vermögen eine Platte von nur 30 cm Dicke zu durchsetzen. Der Energiegehalt ist demnach bedeutend größer als alle bisher bekannten Strahlungsfähigkeiten irdischen Ursprungs. Selbst die Sonne müßte, wenn sie als Spenderin in Frage käme, eine Strahlungsfähigkeit besitzen, die die des Urans um das 170fache übertrifft. Nach unseren bisherigen Meßmethoden sind derartig hochaktive Elemente auf der Sonne nicht aufzufinden. Als Quelle dieser eindringenden Strahlung vermutet man bestimmte Teile des Fixstern himmels, vornehmlich die Milchstraße, die aus stark radioaktiven Elementen bestecht. Dort ist der Ursprung aller Weltenergie. Dort ist der Erneuerer aller Urmaterie und der Sitz der radioaktiven Prozesse zu suchen. Hier wird alle Materie, alle Masse der Welt geboren. Nach dort kehrt sie schließlich im ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens zurück.