Titel: Polardiagramm des schiefen Wurfes.
Autor: Josef Kuhn
Fundstelle: Band 342, Jahrgang 1927, S. 265
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Polardiagramm des schiefen Wurfes. Van Dr. techn. Josef Kuhn, Bielitz. KUHN, Polardiagramm des schiefen Wurfes. Wird ein Körper (materieller Punkt) mit der Anfangsgeschwindigkeit c unter einem Winkel ± α gegen den Horizont geworfen, so beschreibt er (wenn von anderen Bewegungsbeeinflussungen abgesehen wird) unter der Wirkung der Erdbeschleunigung g eine Bahn, deren Gleichung in bezug auf ein rechtwinkliges Achsensystem mit vertikal nach aufwärts gerichteter Ordinatenachse und den Anfangspunkt der Bewegung als Ursprung x^2=\frac{c^2}{g}\,\sin\,2\,\alpha\,\cdot\,x\,\mp\,\frac{2\,c^2}{g}\,\cos^2\,\alpha\,\cdot\,y ist. Führen wir in diese Gleichung die Geschwindigkeitshöhe \frac{c^2}{2\,p}=a ein, so erhält sie die Form x2 = 2a sin 2α . x ∓ 4a cos2 α . y . . . . . . . . . . 1). Transformieren wir, indem wir x = x' + m und y = y' + n setzen, so wird für m = ± 2a sin α und n = a sin2 α x'2 = – 4a cos2 α . y . . . . . . . . . . 1a). Die Flugbahn ist also eine Parabel mit dem Parameter 2p = 4a cos2 α, deren Achse der positiven Y-Achse entgegen gerichtet ist. Für den Wurf nach aufwärts, für den das obere Vorzeichen gilt, erhalten wir aus Gleichung 1) für y = 0 die Wurfweite x = W = 2a sin 2α . . . . . . . . . . 2) und für x=\frac{1}{2}\,W=a\,\sin\,2\,\alpha die Wurfhöhe H = a sin2 α . . . . . . . . . . 3). Die Wurfzeit ergibt sich aus der Vertikalkomponente der Bewegung: y=\mbox{ct}\,\cos\,\alpha-\frac{g}{2}\,t^2 für y = 0 mit T=\frac{4\,a}{c}\,\sin\,\alpha 4). Alle durch die vorstehenden Formeln festgelegten Größen lassen sich mit Hilfe eines über dem Durchmesser a beschriebenen Kreises (Abb. 1), welcher die X-Achse im Ursprung von oben berührt, leicht zeichnerisch darstellen. Wir gelangen hierdurch zu einem Polardiagramm, welches in einfachster Weise über die Verhältnisse des schiefen Wurfes Aufschluß gibt. Ziehen wir in Abb. 1 einen Polstrahl unter dem Elevationswinkel α, so ist die Kreissehne AM proportional der Flugzeit T; ihre Projektion auf die Vertikale stellt die Wurfhöhe H, ihre Horizontalprojektion den vierten Teil der Wurfweite W und die Strecke NB = a – H ein Viertel des Parameters der Wurfparabel dar. Um dies nachzuweisen, ziehen wir MB ⊥ AM. Dann ist in dem Dreiecke AMB die Seite AM = a sin α und damit T=\frac{4}{c}\,A\,M oder A\,M=\frac{c}{4}\,T a). Weiter ist: AN = PM = AM sin α = a sin2 α = H (= n) . . . . . . . . . . b), A\,P=N\,M=A\,M\,\cos\,\alpha=2\,a\,\sin\,2\,\alpha=\frac{1}{4}\,W\,(=\frac{m}{2}) (c) und schließlich B\,N=A\,B-A\,N=a-H=a\,\cos^2\,\alpha=\frac{2\,p}{4} d). Das für den schiefen Wurf nach aufwärts so charakteristische Dreieck AMP, durch welches die zu einem bestimmten Elevationswinkel gehörige Wurfhöhe, Wurfweite und Wurf zeit festgelegt sind wollen wir als Wurfdreieck bezeichnen. Aus dem Polardiagramm erkennen wir unmittelbar, daß die größte Wurfweite, Wmax = 2a, sich für \alpha=\frac{\pi}{4} ergibt und daß zu ihr die Flughöhe H=\frac{1}{2}\,a gehört; ebenso, daß für \alpha=\frac{\pi}{2}, den vertikalen Wurf nach aufwärts, H den Maximalwert a erreicht. Verlängern wir PM nach oben, so ergibt sich ein zweiter Schnittpunkt M' mit dem Polarkreis, zu dem die Sehne AM' und der Elevationswinkel α' gehören. Wir erhalten also für dieselbe Basis A\,P=\frac{1}{4}\,W ein zweites Wurfdreieck AM'P, dessen Winkel bei M' als Pheripheriewinkel über dem Bogen AM gleich \alpha=\frac{\pi}{2}-\alpha' ist. Daraus folgt, daß die zu komplementären Winkeln gehörigen Wurfweiten gleich sind (Flach- und Steilwurf). Die zugehörigen Wurfhöhen H = PM und H' = PM' ergänzen sich, wie ein Blick auf die Abbildung zeigt, zur Geschwindigkeitshöhe a. Textabbildung Bd. 342, S. 266 Die Aufzeichnung der Flugparabeln bietet, nachdem durch das Polardiagramm ihre Scheitel und Parameter und damit auch die Leitlinien und Brennpunkte festgelegt sind, keine Schwierigkeiten und ist in Abb. 1 für die Elevationswinkel α und α' durchgeführt. Nach d) ergänzt sich die Wurfhöhe mit dem Viertelparameter, der den Abstand der Leitlinie vom Scheitel bestimmt, bei allen durch A gehenden Parabeln zur konstanten Geschwindigkeitshöhe AB, daher ist die durch B gelegte Horizontale die allen Parabeln gemeinsame Leitlinie. Da die Parabelpunkte A von der Leitlinie und dem Brennpunkte gleichen Abstand haben, so gilt: Alle Parabeln, welche die aus A mit derselben Anfangsgeschwindigkeit c geworfenen Körper beschreiben, haben die im Abstande a zur X-Achse Parallele als gemeinsame Leitlinie und ihre Brennpunkte liegen auf einem aus A mit dem Halbmesser a beschriebenen Kreise. Aus der Kongruenz der Dreiecke MNB und MSF folgt noch, daß sich der Brennpunkt auch als Schnitt des Strahles BM mit der Parabelachse ergibt. Für α = 0, den horizontalen Wurf, ist H = 0, der Viertelparameter erreicht dann den Größtwert a und die Parabelgleichung lautet x2 = – 4a . y. Wird der Körper unter dem Winkel – a, also nach abwärts geworfen, so muß der Polstrahl über A nach rückwärts verlängert werden, um seinen Schnittpunkt M1 mit dem Polarkreise zu erhalten. Aber auch jetzt liefert uns das Polardiagramm die zur Konstruktion der Wurfparabel (die zu der für den Elevationswinkel + α erhaltenen hinsichtlich der Y-Achse symetrisch liegt) erforderlichen Werte. Von dieser Parabel kommt aber beim schiefen Wurf nach abwärts, für den in den angegebenen Formeln das untere Vorzeichen gilt, nur der unter der Horizontalen liegende, in der Abb. 1 voll ausgezogene, Teil in Betracht. Zum Schlusse sei noch bemerkt, daß, wenn c und g gegeben sind, sich die Geschwindigkeitshöhe a aus diesen Werten leicht konstruieren läßt, was in der Abb. 1 ebenfalls ersichtlich gemacht ist