Titel: Die hochfesten Leichtmetalle und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Technik.
Autor: P. Schwerber
Fundstelle: Band 343, Jahrgang 1928, S. 122
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Die hochfesten Leichtmetalle und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Technik. Von P. Schwerber, Bonn a. Rh. SCHWERBER, Die hochfesten Leichtmetalle und ihre Bedeutung. Die hundert Jahre, während deren die vorliegenden altehrwürdigen Blätter in ungeminderter Frische die Fortschritte der Technik verfolgen und darstellen, umschließen eine Spanne technischer Entwicklung von unerhörtem Ausmaß. Hatte zu Beginn des Jahrhunderts die Einführung der Dampfkraft in die Gewerbebetriebe deren Umbildung zur neuzeitlichen Industrie und damit die Entstehung der modernen Technik überhaupt erst recht eigentlich ermöglicht, so gab in seinem letzten Drittel die Nutzbarmachung der elektrischen Energieform durch das Siemens'sche dynamo-elektrische Prinzip der technischen Entwicklung einen weiteren gewaltigen Impuls, dessen Dröhnen uns Heutigen noch recht gut vernehmlich ist und der in dem technischen Fortschritt unserer Tage noch gänzlich ungedämpft weiterwirkt. Immerhin ist bei dieser Entwicklung und Umgestaltung der technisch verwendbaren Kräfte die stoffliche Grundlage der Technik völlig unverändert geblieben: das Eisen bildete nach wie vor die Basis, war und blieb der bevorzugte Baustoff der Technik, wie er es vor Jahrtausenden durch Ueberwindung des Bronzezeitalters geworden war. – Unsere gesamte heutige Technik betrachtet diese überwiegende Verwendung von Eisen als selbstverständliche, a priori vorhandene Voraussetzung ihrer Tätigkeit, obwohl schon allein die Rücksicht auf die in absehbarer Zeit zu erwartende Erschöpfung der irdischen Eisenerzlager uns hier zu ernstestem Besinnen zwingen müßte. Die preußische geologische Landesanstalt hat berechnet, daß in 40 bis 50 Jahren die Eisenerzvorräte Deutschlands aufgebraucht sind, und auf dem Internationalen Geologenkongreß in Stockholm wurde der Eisenvorrat der Welt für nicht länger als 60 bis höchstens 100 Jahre angegeben. Vergleicht man hierzu den Metallgehalt der Erdkruste, die für die bergmännische Gewinnung ausschließlich in Frage kommt, so ergibt sich der Anteil der Metallvorräte in der oxydischen Erdrinde an Al2O3 zu 59%, an SiO2 zu 15%, an Fe2O3 + FeO zu 7% usw. Diese Tatsachen weisen uns somit gebieterisch auf einen Ersatz des Eisens durch Aluminium hin, da das (zwar auch sehr reichlich vorhandene) Silicium wegen seiner Sprödigkeit für sich allein nicht technisch verwendbar ist. Aluminium ist demnach in einer geradezu unerschöpflichen Menge vorhanden; daß es bisher trotz dieses riesenhaften Vorkommens noch nicht in so großem Umfang wie das Eisen technisch verwendet wird, liegt hauptsächlich daran, daß es sich bisher noch schwerer aus seinem Oxyd reduzieren läßt als das Eisen, das in dem verhältnismäßig einfachen thermischen Hochofenprozeß gewonnen werden kann. Aluminium wird dagegen zurzeit noch elektrolytisch gewonnen, eine einfachere, thermische Reduktion ist bis jetzt noch nicht gefunden. Gleichwohl nimmt in den letzten Jahren Erzeugung und Verbrauch von Aluminium mit Riesenschritten zu: innerhalb 15 Jahre hat sich die Weltproduktion an diesem Metall nahezu verdreifacht (von 68000 t im Jahre 1913 auf 220000 t im Jahre 1927). Das sind ganz außerordentlich hohe Mengen, zumal wenn man bedenkt, daß sie volumenmäßig der dreifachen Menge an Schwermetallen entsprechen. Das Aluminium hätte aber an sich trotz mancher vorteilhaften Eigenschaften niemals Aussicht gehabt, das Eisen in nennenswertem Maße ersetzen zu können, da seine Festigkeitseigenschaften verhältnismäßig gering sind. Aluminiumguß hat durchschnittlich 10 kg/qmm Festigkeit bei 20% Dehnung, Aluminiumwalzmaterial 20 kg/qmm bei 4% Dehnung. – Vor zwanzig Jahren jedoch entdeckte der deutsche Ingenieur Alfred Wilm die Eigenschaft der Vergütbarkeit dieses Leichtmetalls. Bei diesen vergütbaren Aluminiumlegierungen handelt es sich stets um Al-Cu-Si-Legierungen (bei denen außerdem stets der normale Fe-Gehalt des Handelsaluminiums vorhanden ist); meist gehen die Zusätze nicht über 6% hinaus. Legierungen dieser Art lassen; sich, nachdem sie mechanisch gut durchgearbeitet Sind (neuerdings auch unter besonderen Bedingungen im Gußzustand) thermisch vergüten, indem sie bei einer nahe dem Erweichungspunkt gelegenen Temperatur (480 bis 520°) geglüht und dann mehr oder minder schroff abgekühlt werden. Die Vergütung des Materials wird durch diesen Abschreckvorgang jedoch nur zum Teil bewirkt; die Festigkeitseigenschaften nehmen weiter zu durch Lagerung nach dem Abschrecken eine bestimmte Zeit lang. Diese Lagerung muß bei mäßig erhöhter Temperatur (100 bis 200°) 16 bis 48 Stunden lang erfolgen, wenn die Legierung außer den oben angegebenen Komponenten (zu denen noch Zink, Mangan oder Titan einzeln oder in Kombination treten können) keine weiteren Zusätze hat. Enthält die Legierung jedoch geringe Mengen Mg (ca. 0,5%) oder Li (ca. 0,1%), so wird der Vergütungseffekt spontan bei Raumtemperatur, allerdings in etwas längerer Zeit (vier Tage) erreicht.Ueber die fabrikationsmäßige Durchführung der Leichtmetall-Vergütung vgl. die ausführlichen Abhandlungen des Verfassers, z.B. P. Schwerber, „Die Erzielung von Festigkeits-Höchstwerten bei vergütbaren Al-Legierungen“ (Z f. d ges. Gießereipraxis, 1927, Nr. 40/41; ferner: „Das Gießen schmiedbarer vergütbarer Al-Legierungen“ (Metall-Technik 52 (1927) S. 409); ferner: „Gieß- und walztechnische Besonderheiten bei vergütbaren Al-Legierungen“ (Metall-Wirtschaft 1927 S. 1256; ferner: „Zweckmäßige und einwandfreie Abfall-Wiederverwendung bei der Fabrikation vergütbarer Al-Legierungen“ (Z. f. d. ges. Gießereipraxis, 1927, Nr. 28/29); „Ursachen und Bekämpfung der Blasenbildung bei Blechen aus vergütbaren Al-Legierungen“ (Aluminium, 1927, Nr. 7/8); „Erzielung einwandfreier Oberflächen bei Blechen aus vergütbaren Al-Legierungen“ (Zentralbl. d Hütten- und Walzwerke, 1927, S. 658). Die theoretischen Zusammenhänge dieser thermischen Vergütung der Al-Legierungen sind recht verwickelt und bis heute noch nicht restlos wissenschaftlich gedeutet. Die heute allgemein angenommene Auffassung kann kurz dahin zusammengefaßt werden, daß es sich hier um Metallsysteme handelt, bei denen Mischkristalle vorkommen, deren Konzentration mit fallender Temperatur geringer wird. So ist nachgewiesen, daß die feste Löslichkeit der intermetallischen Komponenten CuAl2, Mg2Si, MgZn2 usw. im Aluminium mit abnehmender Temperatur sich vermindert. Durch das Abkühlen (Abschrecken) von hoher Temperatur behält der Mischkristall die ihm bei dieser hohen Temperatur zukommende Konzentration zwangsweise bei einer viel niedrigeren Temperatur bei; die Ausscheidung der (bei Raumtemperatur also übersättigten) Teile (CuAl2 usw.), die je nach Art der Legierung bei gewöhnlicher oder etwas erhöhter Temperatur mehr oder minder schnell eintreten wird, ist als wesentliche Ursache für die Erhöhung der Härte und Festigkeit anzusehen. Dieser Auffassung liegt die Annahme zugrunde, daß, wenn ein solcher Mischkristall im Ueberschuß ausscheidet, dies zuerst, weil in festem Zustand und bei niedriger Temperatur vor sich gehend, in außerordentlich feiner Verteilung erfolgt, und daß die vielen äußerst kleinen Teilchen durch Blockierung der Kristall-Gleitflächen verfestigend wirken.Vgl. die ausführliche Darstellung dieser Zusammenhänge in: P. Schwerber, „Die thermische Vergütbarkeit von Leichtmetallen im Lichte neuerer Forschungen“ (Metallbörse, April 1928 Nr. 32 ff). Diese Vorgänge bei der thermischen Vergütung von Al-Legierungen (die nach Forschungen des vergangenen Jahres auch bei Magnesium-, Kupfer-, Nickel-, Eisen- und Silberlegierungen auftretenP. Schwerber, „Die thermische Vergütbarkeit von Schwermetallen (Kupfer, Nickel, Eisen)“. Metallwirtschaft 1928, S. 341.), haben eine gewisse Aehnlichkeit mit der Härtung von Kohlenstoff-Stahl, bei dem bekanntlich die Härtewirkung der Glüh- und Abschreckbehandlung auf den Zerfall des im Eisen gelösten Zementits Fe3C zurückgeführt wird. Der bei der hohen (Glüh-) Temperatur vorhandene und nur für diese Temperatur stabile austenitische γ-Zustand, der bei normaler langsamer Kühlung in den bei Zimmertemperatur stabilen α-Perlitzustand übergehen würde, erreicht infolge des schroffen Abschreckens von der Glüh- zur Raumtemperatur diesen α-Zustand nicht, sondern bleibt auf einer β-Zwischenstufe, dem härteren metastabilen Martensit, stehen. Der wichtigste empirische Unterschied zwischen dieser Stahlhärtung und der thermischen Vergütung der Al-Legierungen liegt darin, daß die Härtesteigerung beim Stahl unmittelbar nach dem Abschrecken schon vorhanden ist, bei den vergütbaren Al-Legierungen jedoch erst nach mehrtägigem Lagern in der Wärme oder in der Kälte seinen Höchstwert erreicht. Auch war es bisher nicht möglich, bei der Vergütung der Al-Legierungen das Auftreten neuer Struktur-Elemente nachzuweisen, während beim Stahl eine Aenderung des Gefüges mikroskopisch ohne weiteres erkennbar ist. Ebensowenig zeigt die Feinstrukturuntersuchung durch Röntgenstrahlen bei den Al-Legierungen eine Beeinflussung des Raumgitters durch die Festigkeitssteigerung, während Austenit und Martensit zwei ausgesprochen verschiedene Gitter aufweisen. – In der Sprache des Schmelzdiagramms drückt sich der Unterschied beider Vorgänge so aus, daß bei den thermisch vergütbaren Al-Legierungen die Sättigungslinie eines Mischkristalls, also die monovariante Gleichgewichtslinie im Sinne der Phasenlehre überschritten wird, während bei der martensitischen Stahlhärtung ein nonvarianter, eutektoider Zerfall eintritt. Das mag für die theoretische Seite dieser äußerst interessanten Vorgänge genügen. Praktisch erreicht man durch Anwendung dieses thermischen Vergütungsverfahrens bei Al-Legierungen im Mittel die Festigkeitswerte von 28 kg/qmm Streckgrenze, 40 kg/qmm Festigkeit bei 18% Dehnung. Diese Durchschnittswerte werden von den verschiedenen Leichtstahlsorten in ungefähr gleicher Höhe erreicht; zurzeit befindet sich nämlich nicht allein das von Wilm erfundene, durch Mg-Zusatz thermisch vergütbare Duralumin, sondern auch eine Anzahl jüngerer Al-Legierungen (Lautal, Skleron, Telektal, Konstruktal usw.) auf dem Markt. Ursprünglich wohl mehr durch die Patentlage hervorgerufen, haben diese neuen Legierungen zum Teil nach einzelnen Richtungen hin höhere Werte erzielen können; die Gesamtqualität der Mg-haltigen Legierungen, die sich vor allem in ihrer vorzüglichen „inneren Zähigkeit“ (nach Czochralski), d.h. Biegefähigkeit, Dehnung, Kerbzähigkeit und Restriktion darstellt, ist jedoch von ihnen nicht übertroffen worden, so daß das von Wilm beim ersten Griff in das vollkommen neue Gebiet erfaßte Mg immer noch als der wesentlichste und günstigste Faktor bei der Vergütung von Al-Legierungen anzusprechen ist. Allerdings haben im Duralumin selbst gegenüber den von Wilm erzielten und zwanzig Jahre unverändert gebliebenen Werten noch Verbesserungsmöglichkeiten geschlummert. Diese wurden vom Verfasser in umfangreichen Untersuchungen Ende 1926 gefunden und führten zu einer 25- bis 30%igen Steigerung der Festigkeitseigenschaften des Duralumin. Dieses verbesserte Material wird seit einem Jahr in der Praxis in großem Ausmaß verwendet; u.a. sind das erfolgreiche Ozeanflugzeug „Bremen“ und der in Kürze seine Fahrten beginnende deutsche Luftkreuzer L. Z. 127 aus diesem neuen Material hergestellt, das 35 bis 40 kg/qmm Streckgrenze, 45 bis 50 kg/qmm Zugfestigkeit bei 22 bis 24% Dehnung, ganz vorzüglicher Biegefähigkeit und einem spez. Gew. von nur 2,8 aufweist. Mit diesen Festigkeitswerten sind die vergüteten Al-Legierungen schon so tief in das bisher ausschließlich von den Schwerstählen behauptete Gebiet der hohen Materialqualitäten eingedrungen, daß auch von diesem konstruktiven Gesichtspunkt aus die Schwerstähle durch die hochwertigen Al-Legierungen ersetzbar sind, für die, wie wir sahen, das Rohmaterial Aluminium (im Gegensatz zu dem beschränkten Eisenvorkommen) in unbegrenzter, gewinnbarer Menge vorhanden ist. Vom rein technischen Standpunkt aus gesehen, gestatten also die vergütbaren Al-Legierungen in allen Fällen von reinen Zug- und Druckspannungen ohne weiteres die Substitution von Schwermetall-Baugliedern durch solche aus Leichtmetall gleichen Querschnitts mit einer Gewichtsersparnis von 60%. – In der Praxis überwiegen nun freilich die Beanspruchungen auf Biegung, Knickung und Torsion, bei denen das für die technischen Konstruktionen maßgebende Moment, der Sicherheitsgrad, nicht mehr von der Festigkeit des Materials, sondern von seinem Elastizitäts-Modul abhängig ist. Der E-Modul aller hochwertigen Al-Legierungen beträgt durchschnittlich 7000 kg/qmm, während der des Eisenstahls etwa 20000 kg/qmm ist. Bei Berücksichtigung dieses Verhältnisses könnte es freilich scheinen, als ob danach die Al-Legierungen dem Eisen erheblich unterlegen wären, zumal letzteres in der jüngsten Zeit in einzelnen Legierungen auf die außerordentlich hohen Festigkeitseigenschaften von 180 kg/qmm Festigkeit bei 13% Dehnung gebracht werden konnten. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall; grade im Elastizitätsmodul findet die Ausnützung der hohen Festigkeitswerte der Schwermetalle sehr bald eine Grenze. Denn diese Ausnützung, das Prinzip der äußersten Materialersparnis, besteht ja darin, die Hebelarme der Widerstandsmomente in der Belastungsebene (d.h. die Entfernungen ihrer äußersten Angriffspunkte) zu vergrößern und gleichzeitig vor allem die aufnehmenden Querschnitte selbst möglichst zu vermindern. Diese Querschnittsverminderung, als die eigentliche Quelle der Gewichtsersparnis, suchen nun die Konstrukteure, durch die fortwährende Steigerung der Festigkeitseigenschaften verleitet, bis zum Aeußersten zu treiben. Kommt dann diese Querschnittsverminderung an eine bestimmte untere Grenze, so können sehr leicht gewisse zusätzliche Deformationsfaktoren zweiter und dritter Ordnung einen solch überragenden und entscheidenden Einfluß auf den Sicherheitsgrad der Konstruktion gewinnen, daß sie das eigentliche primäre Moment in seiner Wirkung vollständig überdecken; diese zusätzlichen Momente liegen naturgemäß meist senkrecht zum Hauptmoment. Typische Beispiele für derartige „kritische Deformationen“ auf Grund zusätzlicher Momente liegen in der Dynamik nicht selten vor, wenn ein um eine Achse rotierendes System nicht genau ausgewuchtet ist und dadurch die bekannten kritischen Schwingungszahlen der Wellen entstehen; in der Statik, wenn z.B. im Fall der Knickbelastung von Stäben die Druckrichtung mit der Stabachse nicht ganz genau zusammenfällt (vgl. die Junkerschen Erfahrungen mit Rohren von stark reduzierter Wandstärke im Metallflugzeugbau) usw.Vergl. P. Schwerber, „Rohre aus vergütbaren Aluminium-Legierungen im Flugzeugbau und ihre Großfabrikation“ (die Röhrenindustrie, 1928, Nr. 11, S. 223 ff); ferner: „Die wirtschaftlichen und technischen Vorteile der Verwendung von Leichtmetallen, insbesondere im Fahrzeugbau.“ (Metallwirtschaft, 1928, S. 617 ff). In allen solchen Fällen, deren Vorbedingungen praktisch so gut wie immer gegeben sind, erzeugt das primäre Moment, wenn der Querschnitt des aufnehmenden Stabes in der Richtung senkrecht zur eigentlichen Momentenebene unter eine gewisse Grenze sinkt, eine Reihe von aufeinanderfolgenden zusätzlichen Elementarmomenten, deren Summe sehr leicht nach Unendlich tendieren kann; das geschieht stets dann, wenn jeder Elementarzuwachs an Deformation durch das Nebenmoment den Hebelarm dieses zusätzlichen Moments in einem solchen Sinne vermehren kann, daß neue Elementardeformationen mit gleicher Wirkung entstehen. So findet die praktische Ausnutzung der außerordentlich gesteigerten Festigkeitseigenschaften der Schwermetalle, insbesondere der Konstruktionsstähle in Form einer Querschnittsverminderung sich sehr eng begrenzt durch die ausschließliche Abhängigkeit der Sicherheit vom E-Modul. Die Verwendung von hochwertigen Leichtlegierungen jedoch bietet eben auf Grund dieser selben Zusammenhänge eine Möglichkeit zu ganz außerordentlicher Steigerung des Sicherheitsgrades, trotz des viel niedriger liegenden E-Moduls, infolge der kompensierenden Wirkung des Gewichts. Denn bei einer Substitution von Metallen verschiedener Festigkeit und verschiedenen E-Moduls ist, wie R. de Fleury in einer eleganten Ableitung nachgewiesen hat, eine Materialersparnis stets dann gegeben, wenn hinsichtlich der E-Grenze die dritte Potenz des Verhältnisses der spezifischen Gewichte gleich oder größer ist als das Quadrat des Verhältnisses der E-Grenzen; hinsichtlich der E-Module jedoch, wenn das Quadrat des Verhältnisses der Dichten gleich oder größer ist als das einfache Verhältnis der E-Module. Bei einer Substitution von Eisen durch Leichtlegierungen würde sich also bereits ein erheblicher Materialgewinn ergeben, wenn die E-Grenzen der Leichtlegierungen nur 1/6 (bei Al-Legierungen) bzw. 1/8 (bei Mg-Legierungen) und die entsprechenden E-Module nur 1/9 bzw. 1/16 derjenigen des Eisens betragen würden. In Wirklichkeit liegen diese Werte für die Leichtmetalle noch ganz beträchtlich günstiger. So ist bei ihnen die Erfüllung der Grundforderung zur Materialersparnis, die Vergrößerung der wirksamen Hebelarme in der Ebene der Widerstandsmomente und gleichzeitig, da man ja auf Grund der obigen Zusammenhänge durch keinerlei Gewichtsbedenken gehindert ist, die Verstärkung der Querschnitte gegen die zusätzlichen Deformationen gradezu unbeschränkt möglich. Damit wird es zahlenmäßig nachweisbar, daß in den technisch weitaus überwiegenden Beanspruchungsfällen mit Leichtmetallen tatsächlich eine höhere Versteifung (Starrheit) und dadurch ein höherer Sicherheitsgrad der Konstruktionen möglich ist als mit Eisen, trotz des dabei noch ganz beträchtlich (bis 50%) niedrigerem Gewichtes der Leichtmetall-Bauglieder. Denn das Gewicht wächst ja lediglich proportional dem Produkt Querschnitt mal Dichte, während die Starrheit der Konstruktion mit der dritten Potenz der Querschnitte multipliziert mit dem E-Modul zunimmt. In diesem Zusammenhang muß auf einen weiteren Vorteil hingewiesen werden, den die vergütbaren Al-Legierungen dem Eisen gegenüber hinsichtlich der konstruktiven Sicherheit aufweisen, nämlich die viel größere Korrosionsbeständigkeit der Leichtstähle. Wenn auch die Leichtlegierungen in solchen Fällen, in denen Korrosionsgefahr vorliegt, nicht ungeschützt verwendet werden (ebensowenig wie man das Eisen in solchen Fällen ohne Ueberzug verbaut), so sind doch zu Vergleichszwecken die Untersuchungen über das Verhalten von ungeschütztem Leichtmetall gegenüber ungeschütztem Eisen von höchstem Interesse. Nach Versuchen des Verfassers zeigte bei vergleichenden Korrosionsprüfungen in der Atmosphäre das Eisen volumenmäßig einen Substanzverlust von 5% gegenüber 0,25% Verlust in derselben Zeit bei den unter gleichen Bedingungen geprüften vergüteten Al-Legierungen; bei der Prüfung beider Stoffe unter gleichen Bedingungen im Seewasser erlitt das Eisen einen Volumenverlust von 15% gegenüber nur 3% Volumenverlust der Al-Legierungen. Diese Zahlen, ermittelt auf den für den Konstrukteur hauptsächlich in Betracht kommenden Gebieten, dürfte die mancherorts noch bestehenden Bedenken hinsichtlich der Korrodibilität der hochwertigen Al-Legierungen als gegenstandslos erscheinen lassen, zumal gegenüber dem Eisen, dessen ausgesprochen viel höhere Korrodibilität seit Jahrhunderten trotzdem kein Hinderungsgrund gewesen ist, es für die kühnsten Konstruktionen zu Wasser und zu Lande erfolgreich zu verwenden. Es kann an dieser Steile nicht näher auf weitere erhebliche Vorteile der konstruktiven Verwendung von vergüteten Al-Legierungen an Stelle von Eisen eingegangen werden, wie z.B. die außerordentliche Steigerung der Bearbeitungsgeschwindigkeit (bei Leichtmetallen sind Schnittgeschwindigkeiten von 1500 m/min praktisch anstandslos erreicht), auf den hohen Schrottwert der ausgedienten Leichtmetallkonstruktionen im Gegensatz zur Wertlosigkeit des Eisenschrotts und vieles andere mehr. Aus vorstehendem geht jedenfalls schon deutlich genug hervor, daß die hochwertigen Aluminium-Legierungen bereits heute in der Lage sind, das Erbe des Eisens zu übernehmen, das ihnen in kürzerer oder längerer Zeit ja doch mit Sicherheit zufallen muß. Die vergütbaren Al-Legierungen ermöglichen nicht nur die Uebernahme fast aller konstruktiven Aufgaben, die heute noch vom Stahl getragen werden, sie gestatten überdies der Technik, ihre Aufgabe viel eleganter und dabei noch beträchtlich wirksamer zu lösen als bei Verwendung von Eisen. – Das oberste Ziel aller technischen Arbeit ist ja die möglichst vollkommene Durchführung des „Oekonomischen Prinzips“: mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum des Ertrages zu erreichen. Der technische Begriff des Aufwandes besteht aus den beiden Faktoren „Stoff“ und „Kraft“, und so ist aller Fortschritt und alle Entwicklung der Technik nichts anderes als das fortwährende Streben nach möglichster Minderung der zur Erreichung der technischen Arbeitsziele erforderlichen Stoffe und Kräfte. Bei diesen beiden Faktoren aber, den Stoffen und den Kräften, spielt der Begriff des Gewichtes die maßgebende Rolle. Tritt bei den Stoffen das Gewicht unmittelbar sehr wirkungsvoll in Erscheinung, z.B. hinsichtlich der Hantierung der Stücke, bei der Bewegung und dem Transport, des Eigengewichtes vor allem bei Verkehrsfahrzeugen („totes“ Gewicht) und insbesondere des Gestehungspreises als linearer Funktion des Gewichtes, so erscheint es bei den Kräften zwar implizit, aber nicht minder wirkungsvoll in dem Zusammenhang: Kraft = Masse mal Beschleunigung; die Masse ist aber bekanntlich dem Gewicht funktionell gleichzusetzen. Jede Verminderung der in den technischen Konstruktionen auftretenden Gewichte, wie sie die Anwendung der hochwertigen Al-Legierungen im Gefolge hat, bedeutet also unmittelbar (bei den stofflichen Baugliedern) wie mittelbar (durch Verringerung der Massenbeschleunigungen und -verzögerungen) eine Aufwandsminderung im Sinne der obersten Maxime aller technischen Arbeit, des ökonomischen Prinzips, in besonders wirkungsvollem Maße. So zeigt sich bei tieferem Eindringen die Bedeutung und die Sendung der hochwertigen Al-Legierungen als eine epochale. Wenn auch die Einführung der neuen Kraftformen des Dampfes und der Elektrizität für die Technik von außerordentlich weittragender Folgewirkung gewesen sind, so vollzogen sie sich doch immerhin innerhalb der Epoche des Eisenzeitalters. Die allgemeine Einführung und Verwendung der hochwertigen Leichtmetalle kennzeichnet jedoch ein neues „Zeitalter“ der Technik und ist einer (wenn auch wohl der letzte) jener Jahrtausende währenden Fortschritte der Technik, in denen sie vom Stein zur Bronze, von der Bronze zum Eisen und eben in unseren Tagen vom Schwermetall zum Leichtmetall überging. Mit dieser Substitution des Eisens durch das Aluminium stehen wir Heutigen am Anfang einer Entwicklung, die sich unter der Einwirkung des zurzeit erreichten allgemeinen Hochstandes unserer technischen Errungenschaften viel tiefgreifender auswirken wird als dies jemals in der Geschichte der Technik (den bisher kulturell folgenschwersten Uebergang vom Stein zur Bronze nicht ausgenommen) der Fall gewesen ist. Der Aufgaben freilich harren noch viele: leichtere Darstellung des Aluminiums aus seinen Erzen durch einen einfacheren thermischen Reduktionsprozeß, Nutzbarmachung der ungeheuren Aluminiummengen unserer heimischen Tone und Kaoline, Steigerung des E-Moduls der Al-Legierungen und endlich Erforschung ihrer ferro-magnetischen Möglichkeiten. Denn auch für die so bedeutungsvolle Erzeugung des elektrischen Stromes auf Grund des dynamo-elektrischen Prinzips ist das Eisen nicht unbedingt notwendig, wie z.B. die gänzlich eisenfreien, stark ferro-magnetischen sog. Heuslerschen Legierungen beweisen; demnach ist es durchaus nicht undenkbar, daß auch nach dieser Richtung noch unerforschte Möglichkeiten im Aluminium schlummern.