Titel: Der Klydonograph, ein Gerät zur Registrierung von Ueberspannungen in Hochspannungsnetzen.
Autor: F. A. Förster
Fundstelle: Band 345, Jahrgang 1930, S. 61
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Der Klydonograph, ein Gerät zur Registrierung von Ueberspannungen in Hochspannungsnetzen. Von Oberingenieur F. A. Förster-Berlin. FÖRSTER, Der Klydonograph. Ueberspannungen in Hochspannungsnetzen mit ihren gefährlichen Wanderwellen und sonstigen unerfreulichen Nebenerscheinungen und Auswirkungen sind immer mit Gefahren für die angeschlossenen Transformatoren, Oelschalter, Maschinen und Apparate und damit auch für die angeschlossenen Niederspannungsanlagen verbunden. Textabbildung Bd. 339, S. 61 Abb. 1. Explosion eines 30 kV-Oelschalters infolge einer durch Blitzschlag verursachten Ueberspannung, die einen Kurzschluß herbeiführte. Sei es, daß das Auftreten der Ueberspannung auf atmosphärische Entladungen (vgl. Abb. 1) oder auf Betriebsvorgänge im Leitungsnetz (Zu- und Abschaltung größerer Leistungen, Kurzschlüsse, infolge von Ueberlastungen oder andere Ursachen) zurückzuführen ist. Man war deshalb, um sich gegen diese Gefahren zu schützen, gezwungen, Ueberspannungsschutzapparate in den Hoch- und auch in den Niederspannungsanlagen einzubauen und andere zweckmäßige Vorkehrungen (Verstärkung der Eingangswindungen an Transformatoren u.a.) zu treffen, um diesen Gefahren zu begegnen.vgl. D. Müller-Hillebrand. „Gewitterschutz elektrischer Anlagen unter Berücksichtigung von Niederspannungsanlagen“ aus „Mitteilungen des Oberschlesischen Bezirksvereins etc.“ Beuthen. Heft 9/1929. Um sich über die Zweckmäßigkeit der hierzu erforderlichen Maßnahmen Klarheit zu verschaffen, mußte man versuchen, das Entstehen, den Charakter, den Verlauf der Ueberspannungen und alles, was damit zusammenhängt, näher zu ergründen. So hat man durch Beobachtung der wahrnehmbaren Erscheinungen, durch Messung der Entfernungen der Ueberschlagbahnen, durch Messungen an Funkenstrecken u.a.m. versucht, über den Eintrittsmoment, über die Häufigkeit, über die Höhe und den Charakter der Ueberspannung Anhaltspunkte zu gewinnen, die zu klaren Erkenntnissen führen sollen. Aber die in dieser Richtung gewonnenen Anhaltspunkte haben zu einem restlos befriedigenden Resultat bis heute nicht geführt. Textabbildung Bd. 339, S. 61 Abb. 2. Klydonograph (offen). Da ist nun neuerdings das als Klydonograph bezeichnete und in Abb. 2 dargestellte Gerät auf den Markt gebracht worden, das mit den einfachsten Mitteln Aufzeichnungen registriert, aus denen der Zeitpunkt des jeweiligen Auftretens einer Ueberspannung, die Höhe derselben, ihr Charakter, d.h. ihre positive oder negative Richtung, sowie die aufeinanderfolgende Häufigkeit des Auftretens von Ueberspannungen in ein und demselben Netz u.a.m. abgelesen werden können. Auf diese Weise kann man zu wertvollen Aufschlüssen über die Beanspruchung einer Anlage gelangen, die u. U. auch in Störungsfällen von Nutzen sein können.vgl. Müller-Hillebrand. „Ueberspannungs-Registrierung mit dem Klydonographen“ in „Siemens-Zeitschrift“ Heft 8/9 1927. – derselbe: Fachvortrag auf der Jahresversammlung des V.D.E in Kiel 1927. Textabbildung Bd. 339, S. 62 Abb. 3. Positives Klydonogramm (Lichtenberg'sche Figur). Die physikalischen Grundlagen des Klydonographen sind folgende: Wenn auf die lichtempfindliche Schicht einer photographischen Platte oder eines Films eine Metallspitze als Elektrode aufgesetzt wird, während eine geerdete Metallscheibe auf der anderen Seite der Platte oder des Films als zweite Elektrode dient, so gehen von der Elektrode bei Spannungen von etwa 2,7 kV an Leuchtfäden aus, welche auf die lichtempfindliche Schicht einwirken. Diese zeigt nach dem Entwickeln das kreisförmige Bild eines Büschels, die sogenannte Lichtenberg'sche Figur, das um so größer im Durchmesser ist, je höher die Spannung war, die es erzeugte. Das Bild ist bei mehr als etwa 10–8 = 1/100 Millionstel Sekunden Wirkungszeit unabhängig von dieser. Das Aussehen des Strahlenbüschels (vgl. Abb. 3 und 4) ist verschieden, je nachdem die Elektrode positiverpositirer oder negativer Pol war. Im ersten Falle zeigen die einzelnen Strahlen mehr oder weniger zahlreiche Verästelungen mit scharf begrenzten Enden, im letzteren Falle bestehen die Figuren dagegen aus breit-flächigen Sektoren, deren Enden allmählich verlaufen und verschwommen aussehen. Bei gleicher Spannung ist das positive Strahlenbüschel stets größer im Durchmesser als das negative (vgl. Abb. 3 u. 4). Bei raschem Spannungsanstieg, hervorgerufen durch eine steile Wanderwellenfront, sind die Strahlen gerader, zuweilen auch zahlreicher und dichter als bei langsamem Anstieg, der auf eine flache Wanderwellenfront hinweist. Bei raschem Spannungsanstieg ist außerdem der Durchmesser des Bildes größer als bei langsamem Anstieg. Textabbildung Bd. 339, S. 62 Abb. 4. Negatives Klydonogramm. Die untere Grenze des Meßbereiches des Klydonographen liegt bei etwa 2,7 kV, die obere bei 18–20 kV, wobei die Zeitdauer der Ueberspannungen oft weniger als 10–8 Sekunden beträgt. In Anlagen höherer Spannungen wird der Klydonograph unter Benutzung einer Schaltung mit Spannungsteilung durch Kondensatoren eingebaut. Textabbildung Bd. 339, S. 62 Abb. 5. Schaltbild eines eingebauten Klydonographen. Die ganze Wartung des Gerätes ist auf ein alle 7 Tage vorzunehmendes Auswechseln des Registrierfilmes und gleichzeitiges Aufziehen des Uhrwerkes beschränkt. Das senkrecht zu montierende Gehäuse des Apparates, das in der Ausführung des bekannten gekapselten Schaltmaterials (vgl. Abb. 2 und 5) gehalten ist, trägt auf der oberen Seite die drei Porzellandurchführungen für die Meßleitungen bzw. Elektroden. Auf der linken Seite des Gehäuses befindet sich das sogenannte Tagesrad mit einer Stundeneinteilung, das normalerweise eine Umdrehung in 24 Stunden macht. Darunter liegt das ihm festgekuppelte Wochenrad mit einer Tagesmarkierung, welches eine Umdrehung in 7 Tagen macht. Ein roter Kennstrich auf dem Wochenrad und ein feststehendes weißes Kennzeichen auf dem Gehäuse lassen erkennen, wann der Film ausgewechselt werden muß. Oberhalb des Tagesrades ist ein kleines Loch vorgesehen, welches dazu dient, die Tageshelligkeit auf den Filmstreifen zu übertragen. Auf der rechten Gehäuseseite befindet sich – was an Abb. 1 und an dem Schema Abb. 6 zu erkennen ist – ein kräftiges Uhrwerk in dem kleinen seitlichen Kastenanbau, das mit Hilfe einer Raste aufgezogen wird. Oberhalb dieser Raste befindet sich ein Umschalthebel für den Wechsel der Ablaufgeschwindigkeit des Filmstreifens. Das Uhrwerk hat eine Laufzeit von mehr als 8 Tagen. Es genügt daher, wenn es jedesmal beim Einlegen eines neuen Filmes, also alle 7 Tage aufgezogen wird. Auf der unteren Gehäuseseite ist die Erdungsschraube angebracht (vgl. Abb. 2 und das Schema Abb. 5). Der mit einem Dreikantschlüssel zu öffnende und nach vorn aufklappbare Deckel ist mit einer Gummidichtung versehen, um das Eindringen unerwünschten Lichtes in das Innere des Gehäuses zu verhüten. Textabbildung Bd. 339, S. 63 Abb. 6. Klydonograph in einer 15 kV-Anlage. Die Aufzeichnung der Lichtenberg'schen Figuren erfolgt auf einem Filmstreifen von 2,5 m Länge, der bei normaler Ablaufgeschwindigkeit für eine Laufzeit von 7 Tagen ausreicht. Ein Stück dieses Filmstreifens (etwa 24 Stunden umfassend) ist in Abb. 7 dargestellt, auf welchem auch die Lichtenbergschen Figuren der aufgetretenen Ueberspannungen zu erkennen sind. Für die Jahreszeit, in der weniger oder gar nicht mit Gewittern gerechnet wird, kann durch die bereits erwähnte Hebelumschaltung die Ablauf zeit des Filmstreifens um vier Wochen verlängert werden. Der Filmstreifen wird über eine auf ihrem Umfang mit einer Isolierschicht versehene Metalltrommel gezogen, die von dem Uhrwerk angetrieben wird und die auf ihrer nach außen verlängerten Welle das Tagesrad trägt. Die Metallteile der Trommel sind geerdet. Unterhalb der Trommel befinden sich in dem Gehäuse die Ablaufrolle des Films und eine weitere Rolle zum Wiederaufspulen desselben. Beide Rollen sind durch einen Spiralfedertrieb zwangsläufig miteinander verbunden, um den einwandfreien Lauf des Filmstreifens zu gewährleisten. Besondere Druckrollen sorgen für gutes Aufliegen des Filmes auf der Antriebstrommel. Einlegen und Auswechseln der Filme kann bei Tageslicht in ähnlicher Weise wie bei Rollfilm-Kameras vorgenommen werden. Innerhalb der umlaufenden Trommel befindet sich auf der rechten Seite eine feststehende Leuchtmasse, die durch Löcher an dem Trommelrande hindurch auf den in der üblichen Weise entwickelten Film einwirkt und dadurch besondere Zeitmarkierungen hervorruft, die erkennen lassen, zu welcher Zeit eine registrierte Ueberspannung aufgetreten ist. Das durch das Loch auf der linken Seite des Gehäuses eintretende Tageslicht wird durch einen in einem Röhrchen befindlichen Spiegel auf den Rand des Filmstreifens reflektiert und erzeugt auf diesem, je nach dem Grade der Tageshelligkeit einen mehr oder weniger geschwärzten Lichtstreifen. Dieser ermöglicht nicht nur eine Kontrolle der Richtigkeit der vorher erwähnten Zeitmarkierung, sondern gibt außerdem noch gewisse Aufschlüsse über die Wetterlage. Die normale Schaltung des Klydonographen sieht die gleichzeitige Ueberwachung der Spannungen aller drei Phasen einer Drehstromanlage gegen Erde vor. Zwecks Erzielung einer größeren Genauigkeit kann in Ausnahmefällen die sogenannte ± Schaltung benutzt werden, die jedoch mit einem Apparat nur die Ueberwachung einer einzigen Phase gestattet. Die gleichzeitige Ueberwachung aller drei Phasen bei dieser Schaltung würde drei Klydonographen erfordern, die zur Erzielung gleicher Ablaufgeschwindigkeit fest miteinander gekuppelt werden müssen. Textabbildung Bd. 339, S. 63 Abb. 7. a) Erdschluß in Phase T; b) Aussetzender Erdschluß in Phase R; d) Einschalt-Ueberspannung; e) Gewitter-Ueberspannung; c) Ausschalt-Ueberspannung; f) Spannungsverlagerung. Als Dauerspannung an dem Klydonographen unter dem Einfluß der Betriebsspannung werden zweckmäßig etwa 2,4–2,5 kV gewählt. Bei höheren Betriebsspannungen muß daher durch Anwendung einer Schaltung mit Spannungsteilung für die Einhaltung dieser Teilspannung Sorge getragen werden. Erfüllt wird diese Forderung dadurch, daß der Meßeinrichtung besondere Kondensatoren vorgeschaltet werden, und zwar bei Spannungen bis zu 6 kV Repelitkondensatoren, bei Spannungen über 6 kV Repelitwanddurchführungen, während für die genaue Abgleichung der Teilspannung weitere Kondensatoren parallel zum Klydonographen angeschlossen werden. Zur Vornahme irgendwelcher Arbeiten auf der Klydonographenseite, beispielsweise um gefahrloses Auswechseln des belichteten Films zu ermöglichen, müssen die Zuleitungen zum Klydonographen über einen leicht bedienbaren Schalter gut und sicher geerdet werden.