Titel: [Kleinere Mitteilungen.]
Fundstelle: Band 318, Jahrgang 1903, S. 96
Download: XML
[Kleinere Mitteilungen.] [Kleinere Mitteilungen.] Bücherschau. Elemente der Reinen Mechanik als Vorstudium für die Analitische und Angewandte Mechanik und für die Mathematische Physik an Universitäten und Technischen Hochschulen, sowie zum Selbstunterricht, von Dr. Jos. Finger, o. ö. Professor der Reinen Mechanik an der k. k. Technischen Hochschule in Wien. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage, mit 210 Figuren im Texte, Wien 1901. Alfred Holder. Der Titel des Buches kennzeichnet seinen vielseitigen Zweck. Aus dem Vorwort ist zu ersehen, dass das Lehrbuch den Lehrstoff enthält „der in seinem wesentlichen Teile an der Wiener Technischen Hochschule in den Vorlesungen über die Elemente der reinen Mechanik und der graphischen Statik, welche für die Hörer der Bauingenieurschule, der Hochbauschule und der Maschinenbauschule I im Studienplan des ersten Jahrgangs normiert sind, zum Vortrag gelangt.“ Die Festigkeitslehre ist, zweckmässigerweise, in dem Buche nicht behandelt. Der Raum von 797 Seiten (Format 16 × 24 cm) ist in 10 Kapitel mit zusammen 109 Paragraphen geteilt. Kapitel I (30 S.) enthält die Einleitung, eine Darlegung der grundlegenden Prinzipien und Begriffe. „Die drei Grundgesetze, nämlich das Prinzip der Trägheit, das Prinzip der unveränderlichen relativen Wirkung und das Prinzip der Wechselwirkung sind die Grundpfeiler, auf welchen das ganze Lehrgebäude der Mechanikaufgebaut ist. Aus diesen drei Grundprinzipien entspringen als aus ihrer gemeinsamen Quelle die anderen Prinzipe und alle Gesetze der Mechanik, wie in dem folgenden Lehrgange gezeigt werden soll.“ (Seite 25). „Jener Teil der Mechanik, der ... mit Zuhilfenahme der mathematischen Theorema auf streng deduktivem Wege die Bewegungen der Körper im allgemeinen, also die allgemeine Lehre von den Kräften und ihren mechanischen Wirkungen behandelt, wird die reine oder theoretische Mechanik genannt, im Gegensatz zu der angewandten Mechanik“ (Seite 29.) Ob die Reine Mechanik ein geeignetes Vorstudium für den künftigen Ingenieur oder Architekten bildet, bleibe hier dahin gestellt – an einzelnen deutschen technischen Hochschulen hat sie als solches längst den Platz geräumt. Im II. und III. Kapitel folgt nun die Statik und die Kinematik des materiellen Punkts. Für das Kräfteparallelogramm ist ein sehr ausführlicher statischer Beweis gegeben (nach J. J. Lambert). Die Beschleunigung bei der krummlinigen Bewegung wird mit Hilfe der polaren Geschwindigkeitskurve (Hodograph) erklärt; im Anschluss an diese wird auch der Wert der Zentripetalbeschleunigung ermittelt. Kapitel IV umfasst die Dynamik des Punktes. Auf Grund der leitenden Prinzipien wird der Satz von der gleichförmig beschleunigenden Wirkung konstanter Kräfte abgeleitet, Hören wir den Verfasser selbst: „Da in diesem Falle die Intensität der Kraft von der Zeit ganz unabhängig wäre, so müsste, sofern der materielle Punkt stets derselbe bleibt, der Weg s, der infolge der Einwirkung der Kraft in der beliebigen Zeit t (die etwa sehr klein angenommen sei) dann zurückgelegt würde, wenn der materielle Punkt zu Anfang dieser Zeit, also zur Zeit t = o, in Ruhe wäre, und daher auch \frac{d\,s}{d\,t} und auch \frac{d^2\,s}{d\,t^2} dasselbe t stets den gleichen Wert haben, welchen Zeitmoment man auch immer, also auch, wenn man den Endpunkt der beliebigen Zeit t wählen würde... u.s.w.“ Eine so schwulstige Satzfügung müsste gerade an dieser Stelle unbedingt vermieden werden, da sie das Verständnis der an sich sehr einfachen Sache nur erschwert. In diesem Kapitel finden wir auch den freien Fall und senkrechten Wurf, die Bewegung auf der schiefen Ebene mit und ohne Reibung und Luftwiderstand behandelt, ferner die Zentralbewegung in Kegelschnitten, den schiefen Wurf ohne Luftwiderstand, das Kreispendel (für kleine und grosse Amplituden), das Cykloidenpendel und Zentrifugalpendel. Im V. Kapitel werden die Kettenlinien (lineare, mat. Punktsysteme) behandelt, mit kurzer Anwendung auf Fachwerke, Seilreibung, feste und lose Rolle. Das VI. Kapitel bringt die allgemeinen Grundprinzipien der Mechanik der festen Körper (räumliche materielle Punktsysteme) – das Prinzip der virtuellen Verschiebungen, D'Alemberts Prinzip u.s.w. Das folgende Kapitel schliesst sich mit der Kinematik starrer Systeme an. (Fortschreitende und drehende Bewegung, Zusammensetzung der Rotationen u.s.w.) Kapitel VIII, das in 8 Abschnitte geteilt ist, enthält die Statik starrer Körper: Kräfte in der Ebene und im Raum am freibeweglichen und am beschränkt beweglichen Körper. Die sog. einfachen Maschinen werden nicht behandelt. Gerade die Reine Mechanik hätte es aber am nötigsten, für ihre Lehren Beispiele vorzuführen. Sie verlangt sonst von dem Anfänger (und für diesen ist das Buch ausdrücklich bestimmt) oft zu viel. Gerade an den einfachen Maschinen hat sich doch die Mechanik gebildet. Sehr ausführlich ist in diesem Kapitel die Schwerpunktslehre behandelt. Um so mehr vermisst man die graphische Schwerpunktsbestimmung beliebig umgrenzter ebener Figuren mittels des Seilpolygons. Dieser Mangel wird durch die angegebenen rechnerischen Verfahren nach der Simpsonschen Regel nicht weniger fühlbar gemacht. Den Schwerpunkt eines Schienenprofils wird Niemand mittels dieser Regel bestimmen (S. 507). Kapitel IX umfasst die Dynamik starrer Körper. Die Lehre von den Trägheitsmomenten und Zentrifugalmomenten nimmt naturgemäss einen breiten Raum ein und ist sehr ausführlich behandelt. Auch das Verfahren von Land zur Bestimmung beliebiger Trägheitsmomente aus denen der Hauptachsen fehlt nicht. Von den beiden Verfahren nach Nehls und nach Mohr schreibt der Verfasser dem Mohr sehen die geringere Genauigkeit zu. – Auch das physische Pendel und die Atwoodsche Fallmaschine sind behandelt. Nach den Paragraphen über die Arbeits- und Energieverhältnisse bei der allgemeinsten Bewegung von Systemen starrer Körper bildet den Schluss des Kapitels die Lehre vom Stoss. Beim Arbeitsverlust durch unelastischen Stoss werden mit M und M' in der einen Formel die Massen, in der anderen deren reziproke Werte bezeichnet, was doch leicht zu vermeiden wäre. Das X. Kapitel enthält endlich die Prinzipien der Mechanik flüssiger und gasförmiger Körper. Entsprechend seinem Zweck ist das Buch einerseits sehr reichhaltig, andererseits hat die Vielseitigkeit des Zweckes zur Folge, dass es trotz grossen Umfangs nicht allen Ansprüchen gleich genügen kann. Ein Vorwurf kann daraus nicht erwachsen, solange so vielseitige Ansprüche gestellt werden. Eine weniger breite Ausdrucksweise würde an vielen Stellen die Deutlichkeit erhöhen. Wer sich über die Lehren der Reinen Mechanik unterrichten will, findet in dem Buche einen zuverlässiger Führer. Es ist weniger abstrakt gehalten, als man sonst von Büchern mit dem Titel „Reine Mechanik“ nicht anders erwartet. S. Galileo Ferraris, Wissenschaftliche Grundlagen der Elektrotechnik Nach den Vorlesungen über Elektrotechnik gehalten in dem R. Museo Industriale in Turin. Deutsch herausgegeben von Dr. Leo Finzi. Mit 161 Figuren im Text, Leipzig 1901, B. G. Teubner. Ein hochbedeutsames Werk, welches nicht nur durch die Person Ferraris von ungewöhnlichem Interesse, sondern auch durch die als klassisch zu bezeichnende Art und Weise der Behandlung des Stoffes besonders geeignet ist, die dem Elektrotechniker heutzutage so unumgänglich notwendige theoretische Bildung zu vermitteln und zu fördern. An und für sich kann ein aus einer Sammlung von Vorlesungen zusammengestelltes Werk, welches doch nur dazu geschaffen ist, dem Lernenden in das betreffende Gebiet einzuführen, nichts Neues bringen. Ahoi- in der Art und Weise, wie der gegebene Stoff verarbeitet ist, um den Leser schrittweise zu fördern und ihm die Schwierigkeiten dos Eindringens in die gegebenen Lehren zu erleichtern, liegt der Schwerpunkt derartiger Bücher und prägt sich hier wie nur selten die Individualität des Lehrers aus. Hier habenwir die Arbeit eines berufenen Meisters, der nicht nur den Gegenstand vollkommen beherrscht, sondern es auch versteht, das gesammelte und vollständig verarbeitete Wissen in einer so gründlichen und klaren Weise wiederzugeben, wie selbe nur selten gefunden wird. Ein Charakteristikon für die Art und Weise der Behandlung bilden wohl die von Ferraris gewählten praktischen Beispiele, um eine Bestätigung der Ansichten der Forscher abzuleiten. So sei zum Zwecke der Klarstellung eines dieser Beispiele vorgeführt, welches einen Beleg für die von Maxwell, Hertz und Poynting aufgestellte Ansicht, dass sich die elektrische Energie nur im Dielektrikum und nicht in den sogenannten elektrischen Leitern fortpflanzt, erbringen soll. Bei einer Uebertragung zwischen einem Wechselstromgenerator mit stellendem Anker und einem Wechselstrommotor derselben Type ist nur Kontinuität des Dielektrikums und nicht des Metalles vorhanden, da in diesem Falle die metallische Kontinuität nur zwischen den festen Teilen beider Maschinen bestehen kann, aber nicht zwischen diesen Teilen und den beweglichen. Trotz Fehlens dieser Kontinuität übertragen die Magnetkränze die Bewegung ebenso, wie dies etwa zwei in einander greifende Zahnräder thun würden. Zu der Uebertragung ist also die Kontinuität des Metalles nicht nötig. Die isolierenden Schichten, welche die beweglichen Teile beider Maschinen umgeben, verhindern die Uebertragung nicht, das Dielektrikum lässt sich sonach von der elektrischen Energie durchsetzen. Auffälliger tritt dies noch bei der indirekten Uebertragung durch Transformatoren zu Tage, bei welchen auch zwischen den festen Teilen beider Maschinen eine metallische Kontinuität nicht vorhanden ist. Auf den reichen Inhalt dieses Werkes, dessen Verstehen allerdings bedeutende mathematische und physikalische Vorkenntnisse voraussetzt, näher einzugehen, kann sich wohl versagt werden, da eine Inhaltsangabe noch keinen Rückschluss auf den Wert eines Werkes gestattet. Die Vorzüge des Werkes werden demselben sicher in akademisch gebildeten Kreisen zahlreichen Eingang verschaffen, umsomehr, als die deutsche Bearbeitung desselben eine treffliche ist und die Verlagshandlung keine Auslage gescheut hat, um das Werk in einer dem Inhalte würdigen Weise auszustatten. A. P. Die Dampfkessel. Ein Lehr- und Handbuch für Studierende Technischer Hochschulen, Schüler Höherer Maschinenbauschulen und Techniken, sowie für Ingenieure und Techniker. Bearbeitet von F. Tetzner, Oberlehrer a. d. Kgl. Vereinigt. Maschinenbauschulen in Dortmund. Berlin. 1902. Julius Springer. Wie das Vorwort des Verfassers besagt, stellte sich derselbe die Aufgabe, ein Lehrbuch zu schaffen, „das im knappen Gewande alles das bringt, was zur vollständigen Konstruktion einer beliebigen Dampfkesselanlage und zur Wahl des Kesselsystems nötig ist“. Ein Bedürfnis nach einem solchen Lehrbuche ist trotz mancher in neuerer Zeit erschienenen und recht guter Bücher über Dampfkessel eine nicht zu leugnende Thatsache. Insofern verdient die vorliegende mit 34 gut gewählten und ebenso gut ausgeführten lithographierten Tafeln ausgestattete Schrift eine dankenswerte Anerkennung. Dagegen hätte sich der Verfasser sagen müssen, dass sich das gesteckte Ziel unmöglich in befriedigender Weise erreichen lässt, wenn man einem Lehrbuche, das ausser den eigentlichen Dampfkesseln das Wichtigste über die Brennstoffe, die Verbrennung, die chemische Wasserreinigung, die Kesselwartung, die Dampfüberhitzer und die gesetzlichen Bestimmungen bringen will, ein so knappes Gewand giebt, wie im vorliegenden nur 222 Oktavseiten umfassenden Buch geschehen ist, zumal nur knapp die Hälfte derselben sich mit den eigentlichen Dampfkesseln befasst. Eine auch für den Spezialfachmann so schwierige Frage der Wahl des Kesselsystems dürfte du ich das auf nur 30 Seiten über die Hauptkesselsysteme (hauptsächlich Grosswasserraumkessel) Gesagte keine genügende Behandlung erfahren haben. Einige Zahlenangaben über die chemische Zusammensetzung der wichtigsten Brennstoffe und ihren Heizwert, sowie eine Beschreibung eines Calorimeters werden von jedem Leser sicherlich schmerzlich vermisst werden; über das Verhalten der verschiedenen Kohlensorten beim Verfeuern ist nicht eine Bemerkung zu finden, und gerade danach richten sich doch die verschiedenen Feuerungen. Die Regel 2 auf Seite 27 für die Bedienung des Planrostes dürfte unzutreffend sein und enthält einen Widerspruch gegen Regel 1, denn eine rationelle Bedienung des Planrostes besteht im seltenen regelmässigen Aufmachen der Thüre, Aufwerten und Vorschieben des entgasten Brennstoffs. Beim Lesen der Einleitung und von Seite 82 läuft der Laie die Gefahr anzunehmen, dass die Kessel gegenwärtig zumeist noch aus Schweisseisen hergestellt würden. Wenn nun das Buch nach der angedeuteten Richtung einiger Ergänzungen bedürfte, so ist dem Verfasser die Anerkennung nicht zu versagen, dass er bei den am Schlusse des Buches behandelten Beispielen den richtigen Weg eingeschlagen hat, anhand bewährter Ausführungen renommierter Firmen dem Konstrukteur zu zeigen, wie er beim Entwerfen und Berechnen der Dimensionen des Kessels vorzugehen habe. W. P.