Titel: [Kleinere Mittheilungen.]
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 719
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[Kleinere Mittheilungen.] [Kleinere Mittheilungen.] Bücherschau. Das Entwerfen und Berechnen der Verbrennungsmotoren. Von Hugo Güldner. 2. Auflage. Berlin, 1905. J. Springer. In dem Vierteljahrhundert, welches vergangen ist, seit Ottos geräuschloser Motor auf den Markt kam, hat sich die dadurch hervorgerufene Motorenindustrie derart entwickelt, dass es wohl an der Zeit ist, ein Lehrbuch der Konstruktionsregeln für diese Maschinengattung zu entwerfen. Dieses hat Güldner vor zwei Jahren getan und die Geschwindigkeit, mit der die damals erschienene erste Auflage vergriffen worden ist, ist ein Beweis, wie gross das Bedürfnis nach einem solchen Buche war. Jetzt ist die zweite Auflage erschienen, in ihren wichtigsten Teilen Wesentlich verstärkt gegen die erste. Verfasser teilt sein Buch in fünf Teile und einen Anhang; die wichtigsten davon sind der dritte und vierte. Man erkennt das schon äusserlich dadurch, dass Verfasser dem dritten Teil dieselbe Ueberschrift gibt, wie dem ganzen Buche. Der vierte Teil bringt Beispiele für die im dritten gegebenen Konstruktionsregeln. Der erste Teil (140 S.) enthält eine kurze Geschichte der Verbrennungsmotoren. Sehr auffallend ist die Einteilung in Gas- und Oelmotoren. Da Verfasser sie im dritten Teil nicht aufrecht erhält, so sieht er selbst sie wohl nicht für vorteilhaft an. Hätte Verfasser die Nebenteile der Oelmotoren wie im dritten so auch im ersten Teil getrennt behandelt, so hätte sich manche Wiederholung vermeiden lassen. Die gebrachten „Stammarten“ sind gut beschrieben. Der zweite Teil (50 S.) enthält die Untersuchung der Arbeitsverfahren und Arbeitstakte. Die in den ersten Reihen enthaltene Definition von Verbrennungsmotor ist entschieden misslungen. – Verfasser sagt, die Bezeichnung „Verbrennungsmotor“ gilt für alle mit gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen arbeitenden Kraftmaschinen. Danach wäre eine Dampfmaschine, deren Kessel mit Gasen geheizt würde, auch eine Verbrennungsmaschine. Hält man sich an die philologische Bedeutung des Wortes, so hat ja Verfasser Recht. Dass er es aber so nicht meint, geht daraus hervor, dass er in seinem Buch nirgends derartige Dampfmaschinen erwähnt, wohl aber die Kohlenstaubmotoren behandelt. Auch würde er dem allgemeinen Gebrauch widersprechen. Verfasser meint mit Verbrennungsmotoren alle diejenigen Kraftmaschinen, bei denen der chemische Vorgang der Verbrennung im Innern des Arbeitszylinders stattfindet. Nach einigen wärmetheoretischen Vorbemerkungen werden die Arbeitsverfahren: Verpuffung oder Gleichdruck, Viertakt oder Zweitakt eingehend und sehr klar behandelt und miteinander verglichen. Das Resultat der Diskussion ist, dass Verfasser nicht den Meinungswechsel Riedlers mitmacht, sondern bei seiner und Riedlers früherer Meinung stehen bleibt: „Mindestens Zweitakt und bis 500 PS in einem Zylinder“. Aus den wärmetheoretischen Vorbemerkungen möchte ich einen Fehler des Verfassers hier ausführlich besprechen, weil er von allgemeiner Bedeutung ist. In den Gasmotoren ist bekannt: durch Messung in der Gasuhr die im Zylinder enthaltene Gasmenge mit ihrem Heizwert, durch die Kurbelstellung das Volumen der Gasmenge und durch den Indikator der Druck. Um die inneren Vorgänge beurteilen zu können, braucht man die Temperatur, die man aus jenen Messungen berechnen muss, weil sie einer unmittelbaren Messung nicht zugänglich ist. Berechnet man sie aus der Gasmenge, dem Heizwert und der bei Zimmertemperatur gemessenen spezifischen Wärme, so erhält man eine bedeutend heissere Temperatur, als wenn man sie aus Druck, Volumen und Gasmenge mit Hilfe der Zustandsgleichung der Gase berechnet. In einer der beiden Rechnungen muss also über die zulässigen Grenzen hinaus extrapoliert worden sein. Es kann entweder die Zustandsgleichung der Gase bei den heissen Temperaturen falsch sein; man müsste sie dann abändern, vielleicht nach Art der van der Waalsschen Gleichung. Es kann aber auch, und das ist wahrscheinlicher, die spezifische Wärme veränderlich sein. Ob sie vom Druck, oder von der Temperatur, oder von beiden zugleich abhängt, ist zunächst noch gleichgültig; für die Motorentechnik kommt es nur darauf an, die Aenderung unter den Verhältnissen festzustellen, welche in Motoren vorkommen. Das hat Dr. A. Langen getan; seine Versuchsanordnung ist den Verhältnissen in Gasmotoren so ähnlich, wie sich zwei physikalische Vorgänge überhaupt nur sein können. Langen hat in seinen Resultaten die spezifische Wärme als Funktion der Temperatur dargestellt, ob das richtig ist oder nicht, schadet der Anwendung der Formeln (D. p. J. 1904, 319, S. 152) nichts. Die von v. Linde aufgestellte Formel gehört einer Versuchsanordnung an, welche mit den Vorgängen in Gasmotoren gar keine Aehnlichkeit hat; sie darf also auf keinen Fall für diese extrapoliert werden. Ebensowenig kommen für Wasserdampf die Untersuchungen in Betracht, die man jetzt anstellt, um das Verhalten des überhitzten Dampfes in Dampfmaschinen kennen zu lernen. Diese Untersuchungen sind sämtlich auf Zustände in der Nähe der rechten Grenzkurve beschränkt, während in Gasmotoren, infolge des schwachen Partialdruckes und der heissen Temperatur die Wasserdämpfe derart überhitzt sind, dass man jene Versuche auf keinen Fall soweit extrapolieren darf. Der fünfte Abschnitt (47 S.) enthält die für die Verbrennungsmaschinen wichtigsten Brennstoffe: Gase und deren Herstellung, Oele und deren Verarbeitung und Spiritus, ferner die Vorgänge bei der Verbrennung. Hier hätten die alten Anschauungen über Schichtung usw. ruhig wegbleiben können. Die jetzigen Anschauungen sind sehr eingehend diskutiert und begründet und daraus Folgerungen für die Einrichtung von Motoren gezogen. Im Anhang (63 S.) kommt noch einmal etwas aus der Wärmetheorie und dann das für den Motorenbauer Wichtigste aus der Chemie. Aus diesem letzten Abschnitt, welcher vielen Motorenbauern noch recht unklar ist, will ich nur einen Fehler hervorheben: Auf S. 580 wird behauptet, dass das Volumen der Verbrennungsgase „nie grösser“ sei als das anfängliche Gesamtvolumen. Die Verbrennungsgleichung des schon verdampften Spiritus C2H5OH + 3 O2 = 2 CO2 + 3 H2O zeigt, dass aus den vor der Verbrennung vorhanden gewesenen vier Molen durch die Verbrennung fünf geworden sind. Das bedingt selbst bei Luftüberschuss eine Volumenzunahme von 6 y. H. Die dieser Volumenzunahme entsprechende Arbeit wird direkt aus der chemischen Energie gewonnen, ohne Zwischenverwandlung in Wärmeenergie. Es ist nicht ausgeschlossen, dass zum Teil hierdurch der günstige Wirkungsgrad der Spiritusmaschinen bedingt ist. Im praktischen Anhang sind die Spirituspreise veraltet; jetzt ist der Spiritus viel teurer. Den Hauptbestandteil des Buches bilden der dritte (231 S.) und der vierte Teil (84 S.) In den grundlegenden Erwägungen des dritten Teiles werden eingehend diskutiert: liegende oder stehende Bauart, mit oder ohne Kreuzkopf, einfach- oder doppeltwirkende Zylinder, Mehrzylinderanordnung, verlängerte Ausdehnung oder Verbundanordnung, Hubverhältnis und Umlaufzahl, Normaldiagramm, zulässige Stoffanstrengung. Dann gibt Verfasser Regeln zur Ermittlung der Hauptmasse aus dem Luftbedarf und mit Hilfe praktischer Leistungskoeffizienten; beide Verfahren sind nicht so unabhängig voneinander wie es Verfasser darstellt. Die Methode der Entwicklung ist nicht ganz einwandfrei; es wiederholen sich in diesem Abschnitt vielfach Gruppen von je drei Gleichungen, welche eigentlich nur eine Gleichung sind. Aus dem Luftbedarf ergibt sich nur eine der drei gesuchten Grössen S (Hub), D (Durchmesser), n (Umdrehungszahl) und zwar auch noch nicht endgültig, sondern noch als Funktion der beiden anderen. Es muss, wie es auch in einer späteren Tabelle geschehen, ein Wert des Verhältnisses \frac{S}{D}=\rho und ebenso eine Umdrehungszahl n auf Grund allgemeiner Ueberlegungen willkürlich angenommen werden. Diese beiden Willkürlichkeiten hätten als zweite und dritte Gleichungen in jene Gruppen geschrieben werden müssen, dann hätte man sie lösen können. Sind so die Hauptmasse gewonnen, so bespricht Verfasser die allgemeinen Bauteile: Gestelle, Rahmen, Zylinder, Deckel, Stopfbüchse usw. Die Methode, in welche das geschieht, ist die aus den Konstruktionsbüchern für Dampfmaschinen bekannte, so dass jeder, nachdem er sich für eine bestimmte Form eines Bauteiles entschlossen hat, die den Festigkeitsregeln entsprechenden Abmessungen zu entnehmen in der Lage ist. Alle Bauteile werden durch genaue Konstruktionszeichnungen nach ausgeführten Motoren erläutert. Sehr häufig wiederholt sich hier die Unterschrift „Bauart Güldner. Nachdem Verfasser am Anfang des dritten Teiles sehr eingehend gegen das Erfinden sich ausgesprochen: „Nicht mit Unrecht gilt deshalb ein guter Konstrukteur allgemein als schlechter Erfinder – und umgekehrt“ drängt sich dem Leser dabei unwillkürlich die Frage auf: Ist Herr Güldner ein guter Erfinder und schlechter Konstrukteur oder umgekehrt? Verfasser meint jedenfalls mit seiner Warnung: nicht erfinden um zu erfinden, um recht viele Patentnummern zu haben, sondern nur um etwas Brauchbares zu liefern. Der vierte Teil enthält gewissermassen die Anwendung des dritten; es wird, illustriert durch viele Figuren und grosse Konstruktionstafeln, eine Reihe von verschiedenen Firmen ausgeführter Maschinen beschrieben. Zu bedauern ist, dass sich der Verfasser hier hat etwas zu sehr von der Grösse der Maschine imponieren lassen. Wenn auch der Gasmaschinenbau sich zum Bau von Grossgasmaschinen entwickeln muss, so ist diese Entwicklung bis jetzt doch noch viel zu jung, als dass sich schon hätten allgemein anerkannte Regeln ergeben können. Publikationen von Erstlingsmaschinen einer Firma, mögen sie noch so geschickt entworfen sein, gehören in Journale, nicht in Lehrbücher. Die kleinen Maschinen, für welche man schon bestimmte Regeln hat, sind viel zu kurz weggekommen. Bei der grossen Menge geschickt ausgewählten und gut dargestellten Stoffes, welches der dritte, der Hauptteil des Buches bringt, wird auch diese zweite Auflage sehr bald vergriffen sein. Bei einer dritten Auflage wäre zu erwägen, ob sich nicht das jetzt schon 2,5 kg schwere Buch in zwei Bände zerlegen liesse, von denen der eine für das Entwerfen, der andere für das Durchkonstruieren bestimmt ist. Das Buch wird in seiner zweiten Auflage dem Motorenbau gute Dienste leisten. Dr. K. Schr. Bei der Redaktion eingegangene Bücher. Elemente der Vektor-Analysis. Mit Beispielen aus der theoretischen Physik von Dr. A. H. Bucherer, Privatdozent an der Universität Bonn. Zweite Auflage. Leipzig, 1905. B. G. Teubner. Preis geb. M. 2.40. Die Patentgesetze aller Völker. Herausgegeben von Josef Kohler, Prof. an der Universität Berlin, und Maximilian Mintz, Patentanwalt in Berlin. Band 1. Lieferung 2. Berlin, 1905. J. Guttentag G. m. b. H.