Titel: Bücherschau.
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 352
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Bücherschau. Bücherschau. Normenlehre. Grundlagen, Reform und Organisation der Maß- und Normensysteme, dargestellt für Wissenschaft, Unterricht und Wirtschaft von W. Porstmann. 256 Seiten. Leipzig 1917. A. Haase. Preis geh. 6,– M, geb. 7,– M. Ein groß angelegtes, dankenswertes Werk von grundlegender Bedeutung. Auf unzähligen Arbeitsgebieten werden heute Normen festgelegt, mehr denn je jetzt namentlich in der Industrie unter dem Eindruck der Erkenntnis, daß die Notwendigkeit äußerster Energieersparnis uns nach dem Kriege zu einer möglichst weitgehenden Verwendung von Normalteilen und Normalerzeugnissen zwingen wird. Da ist es ein sehr verdienstvoller Gedanke des Verfassers, das gesamte Gebiet der Normalisierung, die Normenlehre, einmal im Zusammenhange einer Untersuchung auf die leitenden gemeinsamen Grundlagen zu unterziehen, um damit überhaupt erst einmal den Boden zu bereiten für den Aufbau standfester und formgerechter Normengebäude. Denn es ist geradezu beschämend, wenn man sich klar wird, in welchem ungeordneten Gewirr von Begriffen wir uns tagtäglich bewegen in bezug auf die allgemeinsten Verständigungs- und Ordnungsmittel, wenn man von überschauendem Standpunkt aus sieht, wie widerspruchsvoll und wie planlos unsere Zahlen- und Maßsysteme ausgebildet sind. Ja, es ist überraschend zu sehen, daß uns offenbar grundlegende Grundgesetze bisher vollständig entgangen sind, weil sich bisher niemand die Mühe genommen hat, diesen infolge des täglichen Gebrauchs scheinbar so selbstverständlichen Dingen nachzugehen. So ist es zweifellos ein Verdienst des Verfassers, eine vergleichende und grundlegende „Normenlehre“ begründet zu haben, zu dem der Verfasser zu beglückwünschen ist. Im einzelnen versteht es sich fast von selbst, daß bei einer erstmaligen Neubearbeitung eines bisher gänzlich unbeackerten Geländes noch Unebenheiten vorkommen, ebenso, daß ungleicher Ausführlichkeit auf einzelnen Stellen Lücken an anderen gegenüberstehen. Das kann bei einer weiteren Durcharbeitung gebessert werden. Nach einer Besprechung und kritischen Wertung der Längen-, Flächen- und Raummessung, der Gewichte und Münzen, die in zwar übersichtlicher und klarer Darstellung doch im wesentlichen Bekanntes bringen, wird in dem Kapitel Mengennormen das Wesen unserer Mengenbegriffsbildung, insbesondere des Zählens einer näheren Untersuchung unterzogen, die vom Begriff der intinuitiven Zahl, d.h. der ohne Abzählen in ihrem Gesamtbegriff erfaßten Anzahl ausgehend, äußerst beachtenswerte und neue Gesichtspunkte liefert, unter denen namentlich die Betonung des Dreistellenprinzips in unserer Zählweise sich für die Grundlegung der Normenlehre als äußerst fruchtbar und wesentlich erweist. Im Kapitel Normierung der Normensysteme, das wohl den Kern der gesamten Arbeit umfaßt, wird dann dieses Dreistellenprinzip als Leitmotiv in fast allen unseren Normensystemen nachgewiesen, die sich ja alle mehr oder minder an das Zahlensystem anlehnen müssen, und es sind da, wo die gebräuchlichen Systeme Abweichungen oder Vernachlässigung dieses Dreistellenprinzips zeigen, Systemergänzungen oder Ersatzsysteme aufgestellt. Es zeigt sich in der Tat eine nicht wegzuleugnende innere Unberechtigtkeit für viele unserer ganz gebräuchlichen Normenwerte, wie zum Beispiel für das Zentimeter. Nun wird man allerdings nicht überall mit dem Verfasser bis ans Ende seiner Neuaufstellungen mitgehen können, ohne hier und da einen gelinden Widerspruch gegen die Ausführung laut werden zu lassen. So geht er zweifellos zu weit in der Gewalt, die er der Sprache antut, wo es sich um Neubenennungen neuer Einheiten handelt. Man muß schon ein recht überzeugter Anhänger der Kunstsprachen („Sprachnormierungen“! s. Porstmann S. 133) sein, um in Bezeichnungen wie „millina“ oder „linono“ für Mengennormen mehr als eine geistreiche Spielerei zu sehen. Andere Neubildungen, wie zum Beispiel das aus 2 π gebildete „Dopi“ für die Einheit des in 1000 Teile geteilten Kreisbogens mögen indessen durchaus als brauchbar anerkannt werden. Für die Leser dieser Zeitschrift ist es im Hinblick auf die im Jahrgang 1915 ausgefochtene Erörterung zwischen dem Verfasser und dem Berichterstatter von besonderem Interesse, daß dem Buch auch ein ausführlicher Teil über Formatreform eingefügt ist, der leider, wie es nach den früheren Ausführungen des Verfassers nicht anders zu erwarten war, immer noch das vom Berichterstatter für falsch gehaltene Prinzip der Begründung der Formatnormen auf der Flächeneinheit statt auf der Längeneinheit vertritt (vgl. D. p. J. 1915 Heft 19 und 23), somit dem bereits weitverbreiteten Weltformatsystem ein anderes entgegensetzt und in die begonnene Einführung einer Formatnorm Zersplitterung sät. Ein neckischer Zufall will indessen, daß das Buch mit einer Abweichung von weniger als einem halben Zentimeter nach jeder Seite – Weltformat hat. Aeußerlich ist sehr zu bedauern, daß dem Buch ein Sachverzeichnis fehlt und daß Quellenangaben nur sehr spärlich und meist ganz unzureichend angeführt sind. Es ist dringend zu wünschen, daß diese Mängel bei einer Neuauflage ergänzt werden. Durch die angeführten Ausstellungen soll indessen eben so wenig wie durch die erwähnte grundsätzliche Meinungsverschiedenheit der große Wert des Buches herabgesetzt werden. Es sei wiederholt, daß es eine grundlegende Arbeit von hoher Bedeutung darstellt, an der niemand vorübergehen kann, der sich ernsthaft mit der Aufstellung oder Begutachtung von Normen zu beschäftigen hat. Dipl.-Ing. W. Speiser. GrundzügedesUnterwassertunnelbaues. Von A Haag. Berlin 1916. Julius Springer. Das Heft enthält auf 37 Seiten mit 56 Textabbildungen eine Darstellung der Entwicklung und Konstruktion einer Arbeitskammer mit Vortriebsschild oder Tunnelbohrer usw., die für den Bau von Unterwassertunnels unter den verschiedensten Verhältnissen verwendbar ist. Leider besitzt es den Nachteil, daß auf die geschichtliche Entwicklung und die Konstruktionen von anderen Fachleuten als dem Verfasser garnicht eingegangen wird. Es wird ferner nicht mitgeteilt, ob bzw. wo die vorgeführten Einzelkonstruktionen bereits benutzt worden sind, so daß dem Leser schließlich das Gefühl verbleibt, zwar die Beschreibung einer auf dem Papier durchgearbeiteten Sonderbauart vor sich zu haben, über die jedoch im Vergleich mit anderen älteren Ausführungen besonders günstige Erfahrungen, was schnellen Vortrieb, billige Arbeitsweise und vollkommene Sicherheit betrifft, vorläufig nicht beigebracht werden können. Es ist zu erwarten, daß unter diesen Umständen mancher Leser den allgemein gehaltenen Titel des Heftes als irreführend ansehen dürfte, denn die allgemeinen Angaben über all die Einzelheiten, die bei der Ausführung von Unterwassertunnels zu beachten sind, sind ziemlich knapp und wenig erschöpfend gehalten. Abgesehen davon dürften noch einige Einzelvorschläge des Verfassers, zum Beispiel über die Dichtung der Fuge zwischen Tunnel und Vortriebsschild, bei den auf dem Gebiet tätig gewesenen Ingenieuren wenig Beifall finden. Das Heft gibt demnach dem erfahrenen Leser mancherlei Anregungen, kann aber nicht als Gesamtdarstellung des im Titel genannten Gebietes gelten. Stephan. Die Schubsicherung der Eisenbetonbalken durch abgebogene Hauptarmierung und Bügel nach Vorschrift der neuen Bestimmungen vom 13. Januar 1916. Von H. Schlüter. Berlin 1917. Hermann Meußer. Preis brosch. 2,40 M. Die neuen preußischen Eisenbeton-Bestimmungen enthalten die früher fehlende Vorschrift, daß Schubspannungen im Beton, die 4 at überschreiten, durch aufgebogene Eisen bzw. durch Bügel oder durch beide zusammen vollkommen aufgehoben werden müssen. Das vorliegende Oktavheftchen von 67 Seiten Inhalt gibt nun in knapper Form die notwendigen Berechnungsgrundlagen. Auf Grund der zahlreichen, in den letzten Jahren angestellten Versuche kann man die Eisenbetonbalken in der Nähe der Auflagerstellen, wo das verringerte Biegungsmoment nur noch einen Teil der flach durchlaufenden Zugeisen erfordert, die in der Balkenmitte nötig sind, als Fachwerkträger auffassen, dessen Zugdiagonalen durch die am besten unter 45° aufgebogenen Eisen gebildet werden, während die Druckdiagonalen, deren günstigste Neigung 67½° beträgt, aus dem dazwischen befindlichen Beton bestehen. Das Buch führt außerdem den Nachweis, daß die Fachwerkberechnung dieselben Ergebnisse liefert wie die bisher übliche Berechnung aus dem Schubspannungsdiagramm. Das beschriebene Verfahren gestattet noch eine Weiterbildung, indem für die beste und vielleicht auch die eine oder andere Form des Fachwerkes eine Tabelle aufgestellt wird, die bei gegebenem Eisendurchmesser gleich die größte von dem Eisen aufzunehmende Schubkraft enthält. Damit wäre den in der Praxis stehenden Fachgenossen die Rechenarbeit erleichtert worden. Auch die Einlegebügel lassen sich wie die Vertikalen eines einfachen oder mehrfachen Fachwerkes berechnen, das nach der Mitte zu steigende Druckdiagonalen von 45° Neigung aus dem dazwischenstehenden Beton besitzt. Hiernach kann man auch für die Bügel eine bequeme Tafel aufstellen, die bei gleichbleibendem Verhältnis des Bügelabstandes a zur Trägerhöhe z (zwischen Mitte der Zugstangen und Druckmittelpunkt der Druckfläche des Querschnittes) die Größe der von dem Bügel aufgenommenen Querkraft in Abhängigkeit von der Eisenstärke des Bügels angibt. Jeder in der Praxis stehende Konstrukteur wird sich diese beiden Tafeln selbst herstellen, um so die Berechnung der Balken mit einem Blick erledigen zu können. An die vorstehenden Darlegungen schließen sich noch weitere Winke und Angaben über die sonstigen Aufgaben der Bügel, den Entwurf durchlaufender Balken, den Einfluß der Haken usw. Das Heftchen ist jedem im Eisenbetonbau tätigen Fachmann zu empfehlen. Stephan.