Titel: Ueber das künstliche Bleichen des Bade-Schwammes.
Fundstelle: Band 13, Jahrgang 1824, Nr. XLI., S. 203
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XLI. Ueber das künstliche Bleichen des Bade-Schwammes. (Spongia officinalis Lin.) Vorgelesen in der oͤffentlichen Sizung der mathematisch-physikalischen Classe der koͤnigl. Akademie der Wissenschaften den 10ten Jaͤner 1824. Von Dr. A. Vogel in Muͤnchen. Vogel über das künstliche Bleichen. Schon mehr denn einmal ist es hier zur Sprache gekommen, daß die Chemie auf dem Wege der Spekulation, und selbst durch die sinnreichsten Hypothesen und Theorien zu selten gemeinnuͤzigen und wichtigen Entdekungen gelangt, sondern daß sich in dieser Wissenschaft vorzuͤglich nur von zwekmaͤßig angestellten Versuchen erwuͤnschte Resultate und Fortschritte erwarten lassen; Resultate wodurch entweder das Gebiet der Chemie erweitert, oder woraus eine wohlthaͤtige und nuͤzliche Anwendung auf das Leben und auf die Industrie abgeleitet werden kannHiebei wuͤnsche ich jedoch von Niemanden mißverstanden zu werden, und leid waͤre es mir, wenn Jemand glauben sollte, daß ich auf Nachdenken uͤber chemische Forschungen nicht den geeigneten Werth zu legen wuͤßte. A. V.. Ich glaube daher, dieser hier aufgestellten Ansicht zu entsprechen, und im Sinne dieses Instituts zu handeln, wenn ich jede Beobachtung, wodurch irgend ein Gewinn fuͤr die National-Industrie herbeigefuͤhrt werden kann, hier mittheile, und ich hoffe, daß solche Beobachtungen, wenn sie auch gleich den eigentlichen Standpunct der Wissenschaften nicht immer foͤrdern sollten, von der koͤnigl. Akademie aus diesem Gesichtspunkte beurtheilt, als ihrer Tendenz nicht unwuͤrdig angesehen werden moͤgen. Alle Beduͤrfnisse des Lebens koͤnnen in zwei Haupt-Classen abgetheilet werden; zu der ersten gehoͤren die wirklich unentbehrlichen Lebensbeduͤrfnisse, und diejenigen, welche durch einen anhaltenden Gebrauch uns so zur Gewohnheit geworden sind, daß wir ihren Mangel schmerzlich empfinden, und nicht leicht mit etwas anderm ersezen koͤnnten. Die andere Klasse aber umfaßt alle jene gegenwaͤrtig so zahlreichen Gegenstaͤnde, die durch Luxus und Mode so zur Gewohnheit geworden sind, daß man fast geneigt seyn moͤchte, sie auch mit unter den notwendigen Beduͤrfnissen aufzuzahlen. So koͤnnten wir im strengen Sinne des Worts, die ganze Kunst der Parfuͤmerie vollkommen entbehren; indessen wuͤrde dadurch mancher Lebensgenuß geschmaͤlert manche langjaͤhrige Gewohnheit unbefriedigt bleiben, und der civilisirte Europaͤer ist nun einmal nicht sehr dafuͤr gestimmt, sich Entbehrungen ohne Noch aufzulegen, oder einem schon sehr beliebten Genuß ganz zu entsagen. Es befinden sich indessen unter denen, durch den taͤglichen Gebrauch zum Beduͤrfnisse gewordenen Substanzen eine große Menge, welche aus fremden Gegenden eingefuͤhrt werden, und es waͤre daher, besonders aus dem staatswirthschaftlichen Gesichtspuncte betrachtet, ein nicht uninteressantes Unternehmen, alle diese fremden Erzeugnisse zusammen zu stellen, es moͤchten nun rohe Stoffe, Naturprodukte oder Fabrikate seyn, um zu sehen, welche derselben im Vaterlande von gleicher Guͤte hervorgebracht werden koͤnnen. Hiedurch wuͤrden auf der einen Seite unsere Gewerbe gewinnen, und mehrere Haͤnde nuͤzlich beschaͤftigen koͤnnen; auf der andern Seite wuͤrden wir dadurch vom Auslande unabhaͤngiger und große Summen, welche alljaͤhrlich fuͤr dergleichen Waaren ausser Landes gehen, wuͤrden im Lande bleiben und zum Vortheile desselben umgesezt werden. Dieser Gegenstand ist meines Erachtens wichtig genugsam die Aufmerksamkeit der k. Akademie auf sich zu ziehen, indem er zu ihrem Wirkungskreise gehoͤrt; und es duͤrfte wohl fuͤr die Erreichung dieses, fuͤr die National-Industrie nicht unwichtigen Zwekes am angemessensten seyn, wenn die k. Akademie aus ihrer Mitte eine Commission ernennen wuͤrde, deren Aufgabe es waͤre, fuͤr diejenige Stoffe und Fabrikate, welche wir vom Auslands beziehen, da wo es moͤglich ist, die beßten und zwekmaͤßigsten Ersazmittel im Vaterland ausfindig zu machen. Ich werde vielleicht bei einer anderen Veranlassung Gelegenheit nehmen, hieruͤber das Naͤhere zu entwikeln und den Gegenstand der mathematisch-physikalischen Klasse zur ferneren Berathung in Vorschlag zu bringen, die Ehre haben. Gegenwaͤrtig sey es mir erlaubt, die Aufmerksamkeit der Versammlung nur auf einen in diese Kategorie gehoͤrigen Gegenstand zu lenken, welche ich als Beleg zu dem Gesagten gewaͤhlt habe. Die Schwaͤmme, wovon in Hinsicht der Kunst sie zu bleichen hier die Rede seyn wird, kommen im Meere wie die rothen und mittellaͤndischen Meere, auf Klippen sizend vor und werden an den Inseln des Archipelagus und vorzuͤglich an der Insel Samos gefischt. Sie werden von groben, von feinem und von sehr teurem. Gewebe zu uns gebracht. Leztere von aschgrauer Farbe, kommen indeß nur selten im Handel vor und stehen in einem sehr hohen Preise. Alle haben einen auffallenden Meergeruch und enthalten in ihrem Innern mehr oder weniger erdige Verhaͤrtungen. Die Schwaͤmme haben ihren entschiedenen Nuzen nicht allein in einigen Gewerben, sondern auch in der Heilkunde, wo sie zum Blutstillen etc. mit gluͤklichem Erfolge angewendet werden und duͤrfen sonach wohl unbezweifelt zu den unentbehrlichen Beduͤrfnissen gerechnet werden. Die feineren sind es, welche besonders als Waschschwaͤmme benuͤzt werden. Man war indessen noch nicht damit zufrieden dieselben von der feinsten Sorte zu besizen, sondern man gieng weiter, und wuͤnschte, vorzuͤglich in den großen Staͤdten, wo der Luxus einen hohen Grad erreicht hat auch weiße, gebleichte Schwaͤmme zu haben. Zu dem Ende ließ man in Deutschland bis jezt gebleichte feine Wasch-Schwaͤmme aus der Hauptstadt Frankreichs kommen weil Niemand im Vaterlande sich bisher damit abgegeben, oder es der Muͤhe werth gehalten hatte, die Schwaͤmme selbst zu bleichen. Obgleich nun Ausgaben der Art eigentlich nur die hoͤhern Classen treffen, so geht dennoch hieraus ein doppelter Nachtheil hervor, indem dadurch erstlich, wie schon gesagt wurde, mehr oder weniger große Summen ins Ausland gezogen werden, und ' weil es zweitens ein Vorwurf fuͤr die National-Industrie bleibt, wenn wir irgend etwas aus fremden Staaten beziehen, was im Innern des Landes eben so gut, und von der nemlichen Qualitaͤt erzeugt werden kann. Aus diesem doppelten Grunde haben wir daher es mit zu unsern Pflichten zu rechnen, dahin zu streben, die Einfuhr fremder Producte, wenn es moͤglich ist, sie im Vaterlande zu erzeugen, durch Ausnutzung genuͤgender Ersazmittel entbehrlich zu machen. Das kuͤnstliche Bleichen der vegetabilischen Stoffe, wie das der Baumwolle, der Leinwand, und der schon gedrukten oder gefaͤrbten Zeuge durch Chlor oder oxidirte Salzsaͤure, sie mag nun frei, mit Kalt oder mit Pottasche verbunden seyn, ist heut zu Tage so sehr in das praktische Leben uͤbergegangen, daß man sich dieser Mittel in allen Cottondrukereien bedient, und ich wuͤrde hieruͤber, nachdem Dr. v. Kurrer in Augsburg ganz neuerlich diesen Gegenstand mit seiner ihm eigenthuͤmlichen Gruͤndlichkeit behandelt und erschoͤpft hatS. Dinglers polytechnisches Journal Band 8. Seite 51. A. V., nichts hinzuzufuͤgen haben. Da nun aber die Schwaͤmme nicht als eine vegetabilische Substanz betrachtet, und folglich mit der Baumwolle, und dem Flachse nicht auf eine Linie gestellt werden koͤnnen, so ließ es sich voraussehen, daß die oxidirte Salzsaure zu ihrem Bleichen nicht anwendbar sey, und in der That werden die Schwaͤmme von dieser Saͤure nicht allein gelb, sondern verlieren auch von ihrer Feinheit, und nehmen eine gewiße unangenehme Haͤrte an. Obgleich die Schwaͤmme sich ihrer chemischen Natur nach der Seide und der Wolle viel mehr naͤhern, so koͤnnen sie doch nicht ganz auf die naͤmliche Weise wie jene gebleicht werden, und ich uͤberzeugte noch bald, daß das Bleichen derselben mehr Schwierigkeiten darbietet, indem man mit den bloßen Daͤmpfen des brennenden Schwefels wenig oder gar nichts ausrichtet, wodurch doch bekanntlich Wolle und Seide auf eine sehr genuͤgende Weise gebleicht werden koͤnnen. Folgendes Verfahren aber fuͤhrte mich zu einem vollkommen genuͤgenden Resultate: Beim Bleichen der Schwaͤmme ist es vor allen Dingen notwendig, sie zuerst in kaltem Wasser hinreichend einzuweichen. Laͤßt man aber das Wasser, worin sie erweichen, heiß werden oder gar ins Kochen gerathen, so bringt dieses einen sehr nachtheiligen Effect auf die Schwaͤmme hervor; sie werden naͤmlich dadurch sehr zusammen gezogen, die Pore verkleinern sich dergestalt, daß sie eine gewiße Haͤrte annehmen, indem sie fast zerbrechlich und dadurch fuͤr das Bleichen ganz untauglich werden. Laͤßt man die feinen Schwaͤmme aber in kaltem Wasser erweichen, was alle 3 bis 4 Stunden gewechselt wird, wobei die Schwaͤmme oft ausgerollt werden muͤssen, und zwar so lange, bis sich das Wasser nicht mehr davon truͤbt, so werden sie in 5 bis 6 Tagen hinreichend ausgelaugt und sind nun zum Bleichen hinreichend vorbereitet. Das Wasser loͤst aus den Schwaͤmmen ausser einigen salz- und schwefelsaueren Salzen eine braune animalische in absoluten Weingeist unaufloͤsliche Substanz auf. Wenn diese animalische Substanz durch wiederholtes Waschen vollkommen ausgezogen ist, so loͤst kochendes Wasser aus den Schwaͤmmen noch etwas hydriodsaueres Kali auf, welches abgeraucht und mit concentr. Schwefelsaͤure erwaͤrmt durch seine Daͤmpfe dem feuchten Staͤrke-Papier eine Indigo blaue Farbe ertheilet, wodurch die Existenz der Jodine in den Schwammen auf eine leicht anschauliche Art erwiesen werden kann, ohne daß es noͤthig waͤre, sie erst in Asche zu verwandeln. Wenn sich im Innern der Schwaͤmme, was haͤufig der Fall ist kleine Conchilien und Kalksteine verschlossen finden welche durch das Klopfen nicht entfernt, und ohne den Schwamm zu zerreissen nicht herausgehoben werden koͤnnen, so hat man sie nur 24 Stunden in einer mit 30 Theilen Wasser verduͤnnten Salzsaͤure liegen zu lassen. Es entstehet hiedurch ein schwaches Aufbrausen von kohlensaurem Gase und die kalkartigen Concretionen verschwinden nach und nach, indem sie sich vollkommen aufloͤsen. Nun werden die sorgfaͤltig wieder ausgewaschenen Schwimme in verduͤnnte schweflichte Saͤure gebracht, welche ein specifisches Gewicht von 1,024 oder nach Baumé's Araͤometer etwa 3° hat. Diese Saͤure kann am beßten bereitet werden, wenn man 1 Pf. Kohlenpulver in einem Glaskolben mit 1 Pf. concentrirter Schwefelsaͤure uͤbergießt, und das bei einer allmaͤhlig verstaͤrkten Waͤrme entwikelte Gas vermittelst einer gekruͤmmten Glasroͤhre in 8 baier. Maaß Wasser streichen laͤßtMan kann auch das Gas nur in 2 Maaß Wasser streichen lassen und die concentr. Saͤure zum Behufe des Bleichens mit 6 Maaß Wasser verduͤnnen. A. V.. Nachdem die Schwaͤmme 3 Tage in dieser Saͤure zugebracht haben und waͤhrend dieser Zeit zuweilen ausgedruͤkt worden sind, werden sie 24 Stunden in fließendes Wasser gelegt. Nachdem sie in einer hinreichenden Menge fließenden Wassers ausgewaschen sind, kann man sie, um ihnen einen angenehmen Geruch mitzutheilen noch zulezt in Rosenwasser oder Drangen Bluͤth Wasser eintauchen, und nun muͤssen sie langsam an der Luft getroknet werden. Wer sich damit abgeben will, die Schwaͤmme zu bleichen, und wer dabei die oben vorgeschriebenen Regeln befolgt, wird sie zu eben der Weiße und Feinheit bringen, als diejenigen, welche uns aus Paris zugefuͤhrt werden, und mithin wuͤrde man nicht mehr noͤthig haben, dieselben vom Auslande zu beziehen.