Titel: Ueber Anwendung englischer Gräser zu seinen Florentiner-Hüten. Von Hrn. Wilh. Cobbett.
Fundstelle: Band 14, Jahrgang 1824, Nr. LV., S. 220
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LV. Ueber Anwendung englischerFast alle hier als englische Graͤser angegebene Grasarten wachsen auch in Deutschland beinahe uͤberall in Menge wild, und der weit hellere und sonnigere Himmel Deutschlands, als der nebelige britische nicht ist, erleichtert das Bleichen derselben ungemein. Wir koͤnnen demnach in Deutschland noch leichter und schoͤner aus diesen Graͤsern Florentiner-Huͤte verfertigen, als die Englaͤnder. A. d. Ueb. Gräser zu seinen Florentiner-HütenVergl. auch polyt. Journal Bd. 11. S. 15. und S. 18. D.. Von Hrn. Wilh. Cobbett. Aus dem XLI. B. der Transactions of the Society for the Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce, in Hrn. Gill's technical Repository. Maͤrz, 1824. S. 167. (Im Auszuge.) Cobbett, über Anwendung englischer Gräser zu Florentiner-Hüten. Hr. Cobbett erhielt im Junius des J. 1821 ein Schreiben eines Mitgliedes der Society for the Encouragement, in welchem es heißt: daß Miß Woodhouse, die Tochter eines Pachters zu Weathersfield in Connectitut, (Verein. Staat. v. America) der Gesellschaft einen sehr schoͤnen Strohhut aus einem Grase, das man Poa pratensis nannte, eingeschikt hat; daß man nicht wußte, ob dieses Gras in England wild waͤchst, oder allenfalls gebaut werden koͤnnte; daß es gut waͤre, wenn man Samen von diesem Grase aus America erhalten koͤnnte, und daß Hr. Cobbett hieruͤber seinem Sohne schreiben moͤchte, welcher sich damahls in America befand. Hr. Cobbett schrieb seinem Sohne, Jakob, welcher sich damahls zu New-York aufhielt, und dieser reiste im Julius von New-York nach Weathersfield, ungefaͤhr 120 engl. Meilen; holte bei Miß Woodhouse Muster von diesem Grase, und sandte dieselben, nebst einem kurzen Berichte, wie das Gras geschnitten und gebleicht werden muß, im September an seinen Vater. Hr. Cobbett war nun uͤberzeugt, daß man dieses Gras auch in England bauen kannWenn das Gras der Miß Woodhouse wirklich Poa pratensis war (was aber noch zweifelhaft ist, wie man weiter unten sehen wird; fruͤher hieß es das Gras der Miß Woodhouse sey Timothy-Gras oder Phleum pratense, (Vergl. polyt. Journal B. 11. S. 17.) so ist es unglaublich, wie ein Mitglied der Society, oder Hr. Cobbett selbst, nicht wissen konnte, daß Poa pratensis eines der gemeinsten Graͤser Englands ist: es haͤtte ja nur Smith's classische Flora britannica aufgeschlagen werden duͤrfen, wo es heißt: in pratis, pascuis et muris ubique.“ So ist auch bei uns in Deutschland dieses Gras uͤberall. A. d. Ueb., und glaubte sich noch mehr in dieser Ansicht bestaͤtigt, als er einen Buͤndel Florentiner- Stroh sah, welchen man aus Livorno nach England gebracht hatte: dieses Stroh war ein Gemenge von zwei oder drei gemeinen englischen Graͤsern, von Hafer-Weizen und Mauer- Gerste (rye): es war nur noch die Frage, ob die englische Sonne so gut, wie die Florentiner Sonne, dieses Gras zu bleichen vermoͤchte, und folgende Versuche bestaͤtigten die Moͤglichkeit einer solchen Bleiche auf das Erfreulichste. „Was die Jahreszeit betrifft, so wurde alles Gras“ (welches Hr. Cobbett der Gesellschaft geflochten vorlegte), „mit Ausnahme einer Art von Windhalm, (Couch grass)Couchgraß nennt Hr. Cobbett unten Agrostis stolonifera; in Smith's Flor. brit. heißt aber die Queke, Triticum repens, Couchgraß. A. d. Ueb. und des langen Coppice-Grases „(long copice-grass; ein Name, der in Smith nicht vorkommt)“, welche beide in Sussex gesammelt wurden, am 21. Junius in Hertfordshire geschnitten. Ein Rain an einem Weizenfelde wurde in der Fruͤhe abgemaͤhet, und Nachmittags darauf hier und da eine Handvoll abgemaͤhten Grases aufgelesen, nach Hause getragen, und nach der aus America erhaltenen Anweisung gebleicht. Man legte naͤmlich das Gras in eine seichte Kufe, und goß so lang siedend heißes Wasser daruͤber, bis das Gras voͤllig von demselben bedekt wurde. Nachdem dieses ungefaͤhr 10 Minuten lang darin gelegen war, nahm man es aus demselben heraus, und breitete es duͤnn auf einem kurz abgemaͤhten Rasen im Garten aus. Vor dem Einlegen in die Kufe ward das Gras in Buͤndel von ungefaͤhr sechs Zoll Dike zusammen gebunden, was zur leichteren Herausnahme des Grases nach dem Abbruͤhen, damit es nicht in Unordnung geraͤth, nothwendig ist, indem man es dann leicht mit einer Zange herausnehmen kann. Die herausgenommenen Buͤndel wurden in einem Weidenkorbe auf den Rasen getragen, dort einzeln aufgebunden, und in duͤnnen Lagen ausgebreitet, so daß kein Halm den anderen beruͤhrte. Diese Lagen wurden taͤglich ein Mahl umgekehrt, und waͤren in sieben Tagen nach dem Abbruͤhen vollkommen ausgebleicht.“ Spaͤter, in den ersten Tagen des August in Sussex abgemaͤhtes, Gras bleichte, bei schlechter Witterung, in eilf Tagen; so daß man also in England (und um so mehr in Deutschland) immer das Gras ausbleichen kann. „Der Theil des Grashalmes, welchen man zum Flechten brauchen kann, ist derjenige, der sich zwischen dem obersten Gelenke oder den obersten Knoten und der Rispe befindet: alles Uebrige muß weggeworfen werden. Man muß indessen doch das ganze Gras abmaͤhen und bleichen, indem sonst, wenn man diesen obersten Theil allein im gruͤnen Zustande von dem Halme wegnehmen wuͤrde, er dahin schwinden und unbrauchbar werden wuͤrde. Dieser Theil muß mit der ganzen Pflanze absterben, und erst nach dem Bleichen von derselben abgenommen werden.“ „Die Zeit, in welcher das Gras gemaͤhet werden muß, ist nach der Witterung, nach der Lage und nach der Art des Grases verschieden. Das in Hertfordshire gemaͤhte Gras, das so schoͤn als moͤglich war, stand eben in voller Bluͤthe, zugleich mit dem Weizen, so daß man die Zeit der Weizen-Bluͤhte als die schiklichste zum Maͤhen des Grases betrachten kann.Welche Gras-Art meint aber Hr. Cobbett? A. d. Ueb. Das Gras in Sussex wurde geschnitten, als der Weizen bereits reif war; es war aber eine spaͤtere Sorte, und stand in einem Waͤldchen unter schattigen Baͤumen. „Was die Arten des Grases betrifft, so wird das aus denselben erhaltene Stroh ein desto tieferes und mehr todtes Gelb zeigen, je tiefer gruͤn, und mehr aus dem Gelben in das Blaue ziehend, die Farbe des Grases selbst gewesen ist. Je mehr hell, blaß, gruͤn und Weizen-aͤhnlich das Gras ist, desto besser ist das Stroh. Hinsichtlich der Guͤte des Strohes, in Bezug naͤmlich auf die Biegsamkeit und Zaͤhigkeit desselben, muß noch Erfahrung entscheiden.“ Hr. Cobbett sandte der Gesellschaft Muster von Geflechten und von Stroh, das er selbst gebleicht hat, und zwar von Weizen; – von Melica caerulea L. (Enodium caeruleumRoͤm. Schult. S. V. Blaues Perlgras. Purple Melica Grass.) Agrostis stolenifera L. (Fiorin-Grass, d.i., eine Art von Couch-Grass.)Siehe obige Anmerkung, Agr. stolonifera L. ist, nach Schrader's elastischer Flora germanica, in Deutschland noch nirgendwo gesunden worden; sie laͤßt sich aber nicht bei uns ziehen.A. d. Ueb. Lolium perenne L. (ausdauernder Lolch. Ray-Grass.) Avena flavescens L. (Trisetum flavescens. Roͤm. Schult. S. V. Goldhafer. Yellow Oat-Grass.) Cynosurus cristasus L. (Gemeines Kammgras. Crested Dog's-tail Grass Anthoxanthum odoratum L. (Gelbes Ruchgras. Sweet-scented Vernal Grass.) Agrostis canina (Trichodium caninum. Schrad. und Roͤm. Schult. S. V. Brown-Bent Grass)Der deutsche Leser findet diese Graͤser in Schrader's Fl. germ. in Schulte's oͤstr. Flora, in Roͤm u. Schult. S. V. deutlich beschrieben, und die besten Abbildungen derselben daselbst angefuͤhrt. In Dr. A. Weihe's deutschen Graͤsern finden sich dieselben sauber getroknet.A. d. Ueb. „Diese Namen wurden nach dem botanischen Garten zu Kew bestimmt. Auf dem Lande haben aber diese Grasarten nicht dieselben englischen Namen. Das Fiorin-Grass, das Yellow-oat Grass und Brown-Bent Grass koͤmmt unter dem Namen Couchgrass vor, und in Sussex heißt das Brown-Bent Grass auch Red-Robin. Es kommt in den Ebenen von Long-Island haͤufig vor, und heißt dort Red-top. Das Ray-Grass ist dasjenige Gras, welches in dem ganzen Lande mit Klee als Futter gebaut wird. Die Paͤchter nennen es, in einem großen Theile Englands, Bent-Grass oder Bennet-grass, und zuweilen auch Darnel-Grass. Das Crested Dog's-tail Grass geht in Sussex auch unter dem Namen Hendon-Bent. Das Sweet-scented Vernal-grass habe ich nie von den Paͤchtern nennen gehoͤrt. Das -Gras der Miß Woodhouse scheint, nach den Exemplaren, die ich davon sah, eine Art von Couchgrass, und ich bin, in der That, gewiß, daß es ein Couchgrass ist, wenn die Pflanzen, die ich davon sah, aus ihrem Samen gekommen sindWenn!! was kann Wenn fuͤr eine Gewißheit gewaͤhren? Und welche Art von Couchgrass meint Hr. Cobbett, da er drei Arten davon aufzaͤhlt, und die Queken auch noch ein Couch-Grass sind?A. d. Ueb.. Mein Sohn, der dieses Gras in Connecticut wachsen sah, und mir Exemplare davon sandte, sagte mir bei seiner Ruͤkkehr (er war bei mir als ich das Gras in Sussex abmaͤhte), daß das Gras der Miß Woodhouse ein Couchgras ist. Miß Woodhouse sagte in ihrem Berichte nichts von dem Abbruͤhen des Grases: diesen Umstand lernten wir erst durch die Reise meines Sohnes nach Connecticut kennen.“ Wenn ein ganzes Feld mit ausdauerndem Lolch (Ray-Grass) oder mit gemeinem Kammgrase (Crested Dog's-tail Grass) bestellt waͤre, so wuͤrde das Maͤhen desselben nicht viel kosten. Wenn es aber auch handvollweise geschnitten werden muͤßte, so wuͤrden die Auslagen fuͤr Schneiden und Bleichen fuͤr einen großen Hut nicht viel uͤber four-pence betragen: ich wollte mich verbindlich machen, um diesen Preis das Gras zu einer halben Million Huͤte zu tiefern. Das Abbruͤhen verursacht die meisten Auslagen, weil man auf jeden Buͤndel Gras in der Kufe frisches Wasser gießen muß: denn, wenn das Wasser einmahl einen Buͤschel kalten Grases abgebruͤht hat, so bruͤht es den zweiten nicht mehr. Ueber dieß zieht das Abbruͤhe-Wasser den Zukerstoff aus dem Grase aus, und erhaͤlt von diesem eine Farbe, wie London-Porter. Man koͤnnte indessen diese Grasbruͤhe den Schweinen geben; denn viele Leute geben ihren jungen Schweinen und Kaͤlbern Heutrank (hay-tea). Wenn man daher eine große Menge Grases abbruͤhen wollte, so muͤßte man, da dieses Abbruͤhen eine Hauptsache ist, Mittel bei der Hand haben, die nicht immer zu Gebothe stehen. Vielleicht koͤnnten jedoch bei einem großen Paͤchter, wo ein großer Kessel, und Wasser und Brenn-Materiale reichlich bei Hand ist, vier oder fuͤnf Weiber in einem Tage einen Wagenvoll abbruͤhen, und ein Wagenvoll wuͤrde, wie es mir scheint, rohes Materials genug fuͤr 1000 Huͤte liefern. Man koͤnnte auch, wo es an Wasser nicht fehlt, mittelst eines tragbaren Kessels das Abbruͤhen auf dem Felde selbst vornehmen; und vielleicht waͤre es selbst noch besser, das Wasser auf das Feld, als das Gras nach Hause zu fuͤhren, indem man es auf dem Felde alsogleich nach dem Abbruͤhen ausbreiten kann, und man an dem frisch abgemaͤhten Fleke den schoͤnsten Plaz hierzu hat. Sobald uͤbrigens die Leute sehen werden, daß Vortheil hierbei ist, werden sie auch die beste und wohlfeilste Methode sicher finden.“ „Diese Fabrikation ist uͤberdieß keine Kleinigkeit. Nicht weniger als ungefaͤhr 5 Millionen Menschen tragen in England Strohhuͤte, und ein großer Theil derselben, auf jeden Fall aber gerade der theuerste, kommt aus dem Auslande. Wenn man irgend Etwas aus dem Auslande wohlfeiler erhalten kann, als im Inlande, so koͤnnte man vielleicht noch zweifeln, ob es klug ist, dieses Etwas im Inlande selbst erzeugen zu lassen: in dem gegenwaͤrtigen Falle aber hat man das rohe Materiale selbst bei Hause, und die Verarbeitungs-Kosten kommen nicht einmahl so hoch, als die Fracht fuͤr das Stroh aus dem Auslande zu uns. Nenn alle unsere Landsleute uͤber und uͤber beschaͤftigt waͤren, und selbst diejenigen, welche beschaͤftigt sind, mehr bei ihrer Arbeit gewannen, als wenn sie unser Gras zu Huͤten siechten, so waͤre es allerdings rathsam, Florentiner-Huͤte immerfort einfuͤhren zu lassen: da es sich aber mit unseren Landsleuten gerade umgekehrt verhaͤlt, so ist es offenbar, daß alles Geld und alle Waaren, die wir fuͤr Florentiner-Huͤte nach Livorno schiken, so gut wie hinausgeworfen sind. Die Italiaͤner, sagt man, nehmen uns dafuͤr unsere Waaren ab; sie nehmen z.B. unser Yorkshire Tuch dafuͤr. Nehmen wir aber an, daß es mit diesem Tuchhandel von Yorkshire nach Livorno mit einem Mahle sein Ende haͤtte; verliert Yorkshire etwas an dieser Kundschaft? Gewiß nicht: denn nun werden diejenigen, die aus unserem Grase Florentiner-Huͤte verfertigen, und dadurch die Livorner abhalten den Tuchmachern in Yorkshire ihr Tuch abzukaufen, dasjenige Geld in die Hand bekommen, das die Livorner ehevor fuͤr ihre Florentiner-Huͤte bezogen; sie werden jezt nicht mehr in Lumpen daher gehen, und das Tuch selbst kaufen, das ehevor nach Italien ging. Und ist nicht endlich auch fuͤr unsere Strohhuͤte Ausfuhr moͤglich? Nach America werden wir sie sicher absezen, und es wuͤrde mich gar nicht wundern, wenn wir sie einmahl selbst nach Livorno ausfuͤhrten.“ Wenn diese Strohhuͤte-Fabrication viele Menschen in einer Fabrike zusammen draͤngte, so wuͤrde ich sie, wenn auch noch soviel Gewinn dabei waͤre, nie empfehlen. Gluͤklicher Weise hat hier aber bloß das Gegentheil Statt; es ist nur Handarbeit; Handarbeit eines einzelnen Haͤndepaares. Es bedarf hierzu keiner Maschinen, keines chemischen Laboratoriums, keiner Kohlengruben, keiner Wasser- und Dampf-Maschinen: alles geschieht auf freiem Felde und in einer Huͤtte; uͤberall gibt es Gras, Wasser, Sonne; uͤberall haben Weiber und Kinder Finger: mehr ist hierzu nicht noͤthig. Das Wichtigste endlich hierbei ist noch dieses, daß man keinen Haller Capital bei dieser Unternehmung noͤthig hat. Wie viele Leute verfertigen sich jezt ihre Strohhuͤte selbst; elende Lappen aus uͤberreifen Rokenstroh! Wie gern wuͤrden diese Leute lernen, daß sie unter jeder Heke zehn Mahl dauerhafteres und schoͤneres Materials zu ihrer Arbeit finden koͤnnen! Wuͤßten sie es jezt, so wuͤrde sich auf der Stelle diese Arbeit im Lande verbreiten muͤssen. Jeder hat einen Topf heißen Wassers in seiner Huͤtte; und sollte sein Weib im Sommer nicht Zeit genug finden, die noͤthige Menge Grases zu schneiden und zu bleichen, die sie des Winters mit ihren Kindern verarbeiten kann? Es ist sogar nicht noͤthig, daß Alle Stroh-stechten koͤnnen. Die Einen koͤnnen es schneiden und bleichen; die Andern zurichten: und da jezt schon die Paͤchter in Hertfordshire ihr Gras-Stroh den Flechtern verkaufen, so wuͤrden die Bleicher und Grass Haͤndler das Uebrige besorgen.“ Hr. Cobbett erhielt fuͤr diese Mittheilung die große silberne Medaille. Moͤchten dieselbe auch unsere Landsleute beherzigen!