Titel: Nachträgliche Bemerkungen zu dem Aufsaze: „Ueber den gegenwärtigen Zustand und die künftigen Aussichten der Dampfwagen, insbesondere auf gewöhnlichen Straßen.“ Von Ritter Joseph v. Baader.
Autor: Honorar-Prof. Dr. Joseph Baader [GND]
Fundstelle: Band 48, Jahrgang 1833, Nr. XXIX., S. 168
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XXIX. Nachtraͤgliche Bemerkungen zu dem Aufsaze: „Ueber den gegenwaͤrtigen Zustand und die kuͤnftigen Aussichten der Dampfwagen, insbesondere auf gewoͤhnlichen Straßen.“ Von Ritter Joseph v. Baader. (Polytechnisches Journal, Bd. XLVIII. S. 1.) Baader, uͤber den Zustand der Dampfwagen. Der Gedanke, die Kraft des Wasserdampfes statt der Pferde zum Forttreiben von Raͤder-Fuhrwerken zu benuzen, entstand in England schon vor mehr als 70 Jahren; und da zu jener Zeit die Bauart der Eisenbahnen noch sehr unvollkommen, und ihre Anwendung nur auf sehr kurze Streken und auf den Transport von Steinkohlen allein beschrankt war; da noch Niemand an die Moͤglichkeit dachte, diese Bahnen als ein allgemeines inneres Communicationsmittel zu gebrauchen, so koͤnnte damals natuͤrlicher Weise nur von Dampfwagen auf gewoͤhnlichen Landstraßen die Rede seyn. Schon im Jahre 1759 machte Dr. Robison zu Glasgow (nachher Professor der Naturlehre an der Universitaͤt zu Edinburgh), ein Jugendfreund des großen James Watt, und dessen Mitarbeiter an der Vervollkommnung der Dampfmaschine, den ersten Vorschlag zu dieser neuen Anwendung der Dampfkraft. „Im Jahre 1772 beschaͤftigte sich ein sinnreicher Mechaniker in Nordamerika, Oliver Evans, mit derselben Idee, und erfand eine solche fortschaffende Maschine, auf welche er dort 1787 ein Patent erhielt. Im Jahre 1784 nahm Watt selbst zu Birmingham ein Patent auf die Anwendung der Dampfmaschinen zum Forttreiben von Raͤder-Fuhrwerken, wovon er indessen, durch mehrere mißlungene Versuche belehrt, keinen Gebrauch machte. Im Jahre 1802 erhielt ein geschikter Ingenieur in Cornwall, Richard Trevithick, in Verbindung mit Andrew Vivian, ein Patent auf einen von ihm neuerfundenen, durch eine Hochdrukmaschine betriebenen Dampfwagen, mit dem er im suͤdlichen Wales verschiedene Versuche anstellte, durch welche zuerst die Moͤglichkeit, mit solchen Maschinen auf gewoͤhnlichen Straßen zu fahren, oͤffentlich dargethan wurde. Nachdem er sich indessen bald uͤberzeugt haͤtte, daß die damit verbundenen Unbequemlichkeiten, Schwierigkeiten und Kosten zu bedeutend waren, um ein solches Fuhrwerk im Großen mit Vortheil einzufuͤhren, gab er diesen Plan wieder auf, und sezte seine Maschine mit groͤßerem Gluͤke auf eine Eisenbahn, wo dieselbe, bei einer weit leichteren, sanfteren und gleichfoͤrmigeren Bewegung, begreiflicher Maßen um Vieles wirksamer und dauerhafter sich erwies. Seit dieser Zeit haben zwar mehrere andere Mechaniker, wie Bellingham zu Dublin im Jahre 1820, Griffith in London 1821, James und Gordon 1824, Burstall, Hill und Gurney 1825, Anderson 1828, und Napier 1830 Patente auf die von ihnen erfundenen und ausgefuͤhrten Dampfkutschen genommen, uͤber deren glaͤnzende Erfolge und erstaunliche Leistungen die oͤffentlichen Blaͤtter von Zeit zu Zeit die pompoͤsesten Berichte erstatteten, indem sie jedes Mal die baldige Eroͤffnung regelmaͤßig fortzusezender Dampf-Diligencen auf verschiedenen Hauptstraßen bestimmt ankuͤndigten. Wehr als hundert solcher Wagen wurden auf verschiedene Art gebaut und oͤffentlich producirt, die Erwartungen des Publikums auf den hoͤchsten Grad gespannt, aber auch jedes Mal wieder getauscht, und das ganze Resultat blieb immer nur auf ein unnuͤzes Spielwerk zur Belustigung der großen Menge, oder auf ein unterhaltendes Experiment fuͤr Liebhaber der Mechanik reducirt. Die kluͤgsten Capitalisten und Geschaͤftsmaͤnner, und die verstaͤndigsten Mechaniker verzichteten daher auf dieses undankbare Project, an welchem seit mehr als einem halben Jahrhunderte die geschiktesten und sinnreichsten Kuͤnstler gescheitert hatten, und sie wendeten dagegen ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Vervollkommnung der Dampf-Fuhrwerke auf Eisenbahnen, wo es ihnen denn auch in der neuesten Zeit gelang, zuerst zwischen Stockton und Darlington, dann zwischen Liverpool und Manchester, Resultate zu erhalten, welche, in Hinsicht auf Schnelligkeit des Transportes und auf Groͤße der fortgeschafften Lasten, alle fruͤheren Leistungen dieser Maschinen weit uͤbertrafen, und so befriedigend erschienen, daß der einige Jahre fruͤher entworfene Plan, die Hauptstaͤdte Englands und Schottlands mit allen bedeutenden Handels- und Manufacturstaͤdten und Seehafen, so wie diese unter sich selbst, durch ein nach allen Richtungen ausgebreitetes Nez von Eisenbahnen in directe Verbindung mit einander zu bringen, wieder allgemein zur Sprache gebracht wurde. Als sich indessen zeigte, daß jene glaͤnzenden Resultate viel zu theuer erkauft werden sind, daß die Anlage der Liverpool- und Manchester-Bahn mit ihren Maschinen das Doppelte des Voranschlages: eine Million Pfund Sterling, gekostet hat, und daß die Unterhaltung der lezteren einen ungeheueren Aufwand erfordert, da schoͤpften die Landstraßen-Mechaniker wieder neuen Muth, und hofften dieselben Resultate auf gewoͤhnlichen Straßen wohlfeiler erhalten, und die so kostbaren Eisenbahnen ganz verdraͤngen zu koͤnnen. Ohne zu bedenken, daß jener unverhaͤltnißmaͤßige Aufwand nicht im Princip seinen Grund haͤtte, sondern nur durch unnuͤze Verschwendungen und Maͤngel in der Ausfuͤhrung herbeigefuͤhrt ward, verschuͤtteten jezt diese Herren das Kind mit dem Bade; und, statt an, eine wohlfeilere, dauerhaftere und leichtere Construction der Locomotive Engines auf Eisenbahnen zu denken, wollten sie von diesen kuͤnstlichen Straßen gar nichts mehr hoͤren! – In diesem Wahne haben seit drei Jahren die HH. Gurney, Ogle and Summers, Hancock, Church und Gibbs ihre Versuche auf gewoͤhnlichen Landstraßen mit dem groͤßten Eifer erneuert, und durch einige mit scheinbar besserem Erfolge unternommene weitere Fahrten so viel Aufsehen erregt, daß das Unterhaus des Parlamentes im Jahre 1831 zur Pruͤfung der durch diese neuen Erfindungen erhaltenen Resultate eine besondere Commission zu ernennen sich bewogen fand, welche, nach Vernehmung vieler Zeugen, ihren Bericht mit der Ueberzeugung schloß: 1) Daß Wagen auf gewoͤhnlichen Chausseen durch Dampf mit zehn Meilen Geschwindigkeit auf die Stunde anhaltend sich fortbewegen lassen; 2) daß sie mit dieser Geschwindigkeit uͤber 14 Passagiere befoͤrdert haben; 3) daß ihr Gewicht, mit Einschluß der Maschine, des Brennmaterials, des Wassers und der Bedienung, weniger als drei Tonnen (60 Centner) betragen koͤnne; 4) daß sie Berge von bedeutender Steile leicht und sicher hinan und hinab fahren koͤnnen; 5) daß die Reisenden in diesen Wagen durchaus keiner Gefahr ausgesezt seyen; 6) daß diese Wagen dem Publikum keine Ungelegenheiten verursachen, oder wenigstens bei gehoͤriger Einrichtung keine zu verursachen brauchen; 7) daß sie ein schnelleres und wohlfeileres Transportmittel als die von Pferden gezogenen Kutschen abgeben werden; 8) daß die Radreifen oder Felgen ihrer Raͤder breiter seyn koͤnnen als an anderen Fuhrwerken, und daß sie wegen des Wegfallens der den Straßen so aͤußerst nachteiligen Wirkung der Pferdehufe, den Wegen weniger Schaden zufuͤgen werden, als die von Pferden gezogenen Kutschen.Man sehe im Edinburgh Review vom Monat October 1832 einen Auszug aus dem 1831 in London erschienenen Report from the Select Committee of the House of Commons on Steam-carriages. Hoͤchst auffallend und unbegreiflich ist, daß die von dieser Commission verhoͤrten Zeugen, mit Ausnahme von zweien, ganz aus den patentirten Erfindern und Eigenthuͤmern der neuen Dampfkutschen und ihren Associés und Werkmeistern bestanden; daß die Aussagen dieser Leute fuͤr strenge Wahrheit (Evidence) angenommen wurden, und, ohne dieselben durch eine gleiche Anzahl von andern, bei der Sache nicht interessirten, folglich ganz unbefangenen, Personen zu controlliren, ein so guͤnstiger Bericht darauf gegruͤndet worden ist! – B. Wer haͤtte nun nach einem so uͤberaus guͤnstigen Berichte einer parlamentarischen Commission nicht glauben sollen, daß das große Problem vollkommen geloͤset, daß alle seit 60 Jahren bestandenen Schwierigkeiten gluͤklich besiegt seyen, und daß die neuen Dampf-Eilwagen auf den vorzuͤglichsten Chausseen Englands unverzuͤglich in regelmaͤßigen Gang kommen wuͤrden? – Daß dieses indessen bis zum Monat October des vergangenen Jahres, also 1 1/2 Jahr nach der Bekanntmachung jenes Berichtes, noch nicht der Fall war, geht aus dem mit gruͤndlicher Sachkenntniß geschriebenen Aufsaze: Ueber den gegenwaͤrtigen Zustand und die kuͤnftigen Aussichten der Dampfwagen, im Foreign Quaterly Review (einer der gediegensten englischen Zeitschriften), von welchem ich im vorlezten Hefte des Polytechnischen Journals eine woͤrtliche Uebersezung geliefert habe, und wo, S. 6, geradezu behauptet wird: daß (wie Jedermann weiß) in diesem Augenblike keine einzige oͤffentliche Straße in Großbritannien existirt, auf welcher eine regelmaͤßige Fahrt mit Dampfwagen nur mit einer gewoͤhnlichen maͤßigen Geschwindigkeit eingefuͤhrt ist,“ auf das Unwiderlegbarste hervor; und daß das erwuͤnschte Ziel auch am Schluͤsse des Monats Maͤrz des gegenwaͤrtigen Jahres noch nicht erreicht worden ist, weiß ich aus den neuesten und glaubwuͤrdigsten Privatnachrichten aus London. Die neuen Versuche der HH. Gurney, Ogle and Summers, Hancock, Church und Gibbs haben also, wie es scheint, die Loͤsung jener großen Aufgabe um nichts weiter vorgeruͤkt, und die angegebenen Resultate und Erfahrungen, welche zum Theil gar keinen Glauben verdienen,Die Leichtglaͤubigkeit und Geduld, mit welcher die genannte Commission von einigen der am Meisten in der Sache interessirten Zeugen die unverschaͤmtesten Gasconnaden und die handgreiflichsten Mahrchen sich aufheften ließ, ist in der That zu bewundern. So z.B. behauptete Hr. Daniel Ogle, „„daß er auf einem nassen, stellenweise bekieseten (also schlechten) Wege mit einer Geschwindigkeit von 32–35 englischen Meilen auf die Stunde gefahren, und einen der hoͤchsten Berge bei Southampton, dessen Steigen 1 Fuß auf 6 betraͤgt, mit einer Geschwindigkeit von 16 1/2 Meilen auf die Stunde hinaufgefahren sey!““ und sein wuͤrdiger Compagnon, Hr. Wm. Altoft Summers, gab zu Protocoll, „„daß er an einer schwierigen Stelle bergan mit der Geschwindigkeit von 15 Meilen auf die Stunde und haͤufig 4 1/2 Stunden hintereinander mit einer Geschwindigkeit von 30 Meilen per Stunde gefahren sey!““ – (S. historische und praktische Abhandlung uͤber Fortbewegung ohne Thierkraft mittelst Dampfwagen auf gewoͤhnlichen Landstraßen, von Alexander Gordon. Aus dem Englischen. Weimar, 1833. SS. 140–141, 147–448 und 238.) – Ist dieser Kuͤnstler 4 1/2 Stunden hintereinander mit einer Geschwindigkeit von 30 Meilen auf die Stunde gefahren, so hat er in einem Zuge einen Weg. von 135 Meilen zuruͤkgelegt! – Wer mit Consequenz luͤgen will, muß ein gutes Gedaͤchtniß haben, und dieses scheint Hrn. Summers hier verlassen zu haben: denn er hat vergessen, daß er und sein Associé Ogle bei einer anderen Gelegenheit die Commission versichert hatten, sie muͤßten mit ihren Wagen alle 7–8 Meilen anhalten, um frische Vorraͤthe von Wasser und Kohlen einzunehmen. Auf einem Wege von 135 Meilen muͤßte er also wenigstens 17 Mal angehalten, oder einen 17 Mal groͤßeren Vorrath von Kohlen und Wasser mitgenommen haben, als sein Wagen, seiner eigenen Aussage nach, fassen und tragen koͤnnte! – Abgesehen davon, daß bei einer solchen Sturmesgeschwindigkeit, wenn sie auch auf einer gewoͤhnlichen Straße moͤglich waͤre, der Wagen mit der Maschine und allen darauf befindlichen Personen jeden Augenblik Gefahr liefe, umgeworfen, in einen Seitengraben geschleudert, oder durch Anprellen an andere Gegenstaͤnde in tausend Stuͤke zertruͤmmert zu werden, daß dabei andere Fuhrwerke, Reiter und Fußgaͤnger auf der Straße nicht schnell genug ausweichen koͤnnten, und Niemand seines Lebens sicher waͤre, will ich mich hier nur damit begnuͤgen, die absolute mechanische Unmoͤglichkeit dieser Leistung durch die einfachste Berechnung zu beweisen. Nach der eigenen Angabe der HH. Ogle und Summers wiegt ihr Dampfwagen mit dem noͤthigen Vorrathe von Brennmaterial und Wasser, mit der Bedienung und 16 Passagieren wenigstens 80 Centner. Wir koͤnnen die zur Fortbewegung eines Raͤder-Fuhrwerkes auf einer nassen, stellenweise bekiesten Landstraße in horizontalem Zuge noͤthige Kraft nicht geringer als 1/10 der ganzen Last annehmen, also im gegenwaͤrtigen Falle zu 800 Pfund. Diese Kraft mit der Geschwindigkeit von 51' multiplizirt gibt das Product 40,000 als das fuͤr jede Secunde erforderliche Kraftmoment. Da nun, nach Watt's allgemein angenommener Bestimmung, das Kraftmoment eines guten Pferdes = 550 fuͤr die Secunde ist, so muß die Maschine des Hrn. Ogle (ohne uͤbrigens den bei einer so schnellen Bewegung nicht unbedeutenden Widerstand der Luft in Anschlag zu bringen) die dynamische Kraft von mehr als 74 Pferden bei diesem Rennen ausgeuͤbt haben! – Allein derselbe Mechaniker hat auf die von der Commission an ihn gestellte Frage: „„die Kraft wie vieler Pferde uͤbte Ihre Maschine aus, als Sie 19 Personen befoͤrderten?““ geantwortet: „„Etwa die von 20 Pferden.““ – ! – Noch auffallender wird der Widerspruch und noch handgreiflicher die Aufschneiderei bei den Angaben uͤber das Berganfahren. Hier war, nebst den Reibungen an den Achsen und am Umfange der Raͤder, der Widerstand der Schwere zu uͤberwinden, welcher, bei einer Steigung von 1/6, 8000/6 = 1333 Pfund betragen mußte. Die ganze zur Bewegung erforderliche Kraft war daher in diesem Falle, wenn wir auch den Widerstand der Reibungen etwas geringer annehmen, wenigstens 2000 Pfund, und da die Geschwindigkeit von 16 1/2 Meilen in einer Stunde, 24 Fuß in jeder Secunde betraͤgt, so muͤßte die Maschine mit einer Energie von 24 × 2000 = 48,000 Pfund = 87 Pferden gearbeitet haben! – Wenn daher Hr. Ogle nicht das bis jezt unentdekte und unbegreifliche Geheimniß besizt, die dynamische Kraft einer Dampfmaschine von 20 Pferdekraͤften auf 87 zu steigern, so ist er – der groͤßte Gascogner in England. A. d. O. beweisen durchaus nichts fuͤr die praktische Ausfuͤhrbarkeit der Dampf-Fuhrwerke auf gewoͤhnlichen Straßen, am wenigsten aber fuͤr die Wahrscheinlichkeit einer Concurrenz dieses Systems mit jenem der Eisenbahnen. Wir lernen aus diesen Versuchen nicht mehr, als was wir schon seit 30 Jahren wissen: daß es naͤmlich moͤglich ist, Raͤderfuhrwerke auf allen gewoͤhnlichen Straßen durch die Kraft des elastischen Wasserdampfes fortzutreiben. In der That, wenn es bloß auf die Moͤglichkeit einer verlangten Leistung, ohne Ruͤksicht auf Kraft-, Stoff- und Geldverschwendung, ankoͤmmt, und wenn man ein wenig Hals- und Beinbrechen nicht achtet, kann man im Gebiete der fortschaffenden Mechanik noch aͤndere, viel unglaublichere und staunenswuͤrdige Kunststuͤke und Gewaltstreiche (tours de force) produciren. Es koͤnnte z.B. Jemand auf den genialen Einfall gerathen, nicht nur die Eisenbahnen, sondern auch alle gemachten Straßen, deren Bau und Unterhaltung in manchen Gegenden nicht viel weniger als jene der Eisenbahnen kostet, zu ersparen, und alle Waaren und Reisenden durch ungeheure Riesenmaschinen von 200–300 Pferdekraͤften uͤber alle Felder und Graͤben, uͤber Stok und Stein fortzuschleppen; und, beim Lichte besehen, waͤre diese ganz neue Idee von Ersparung nicht viel ungereimter, als das Project der Straßen-Dampffahrer: denn in Beziehung auf Kraftersparniß und Leichtigkeit der Bewegung verhaͤlt sich eine gute Eisenbahn zu einer guten Chaussee, wie diese zu einem ungemachten Wege; der Ruͤksprung von der Chaussee zum ungemachten Wege waͤre nicht weiter, als von der Eisenbahn zur gewoͤhnlichen Landstraße, und es sollte uns daher gar nicht wundern, wenn naͤchstens in England ein Patent auf diese neue großartige Erfindung genommen wird! – Es gibt in der Bewegungskunst zwei verschiedene Mittel, eine verlangte Wirkung hervorzubringen: entweder die Kraft nach dem zu uͤberwindenden Widerstande zu verstaͤrken, oder diesen selbst so zu vermindern, daß dieselbe Wirkung mit einem geringeren Kraftaufwande erhalten wird. Das Leztere haben wir nur selten in unserer Gewalt; wo es uns aber zu Gebote steht, da waͤre es unverzeihlich, sich dessen nicht zu bedienen. Dieß ist nun gerade hier der Fall. Durch eine zwekmaͤßig, mit gehoͤriger Sorgfalt, Genauigkeit und Soliditaͤt hergestellte Bahn von eisernen Geleisen erhalten wir das Ideal einer vollkommen harten, glatten und ebenen Straße, auf welcher die groͤßten Lasten mit dem geringsten Kraftaufwands fortgeschafft werden koͤnnen. Ist es nun nicht ungereimt, dieses eben so einfache und natuͤrliche, als sichere Mittel zu verschmaͤhen, und dafuͤr zwanzig bis dreißig Mal mehr an Bewegungskraft und Stoff auf den gewoͤhnlichen, selbst in ihrem besten Zustande rauhen und holperigen, in mancher Jahreszeit beinahe unfahrbaren, Landstraßen zu verschwenden? – Man hat noch vor 50 Jahren in den meisten deutschen Gruben die eisernen Kolbenrohre an den Wasserkuͤnsten ungebohrt eingesezt, und es war sehr begreiflich, daß die Reibung der, notwendiger Weise sehr streng gelederten, Kolben in diesen rauhen, zum Theil ungleichen Cylindern so außerordentlich stark war, daß nicht nur ein großer Theil der bewegenden Kraft darauf verwendet werden mußte, diese Kolben durchzuzwaͤngen, sondern daß auch die Lederung selbst schnell abgenuͤzt und sehr oft erneuert werden mußte. Durch das genaueste Ausbohren dieser Kolbenrohre auf besonders dazu eingerichteten kuͤnstlichen Bohrmaschinen ist in neueren Zeiten der Gang dieser Maschinen st erleichtert worden, daß fast die Haͤlfte des sonst noͤthigen Aufschlagwassers, und an den Kosten der Lederung mehr als 4/5 erspart werden; und jezt wuͤrde der gemeinste Kunstknecht einen Projectanten auslachen, welcher die alten rauhen Kolbenrohre wieder einfuͤhren wollte, um die kostbaren Bohrmaschinen zu ersparen. Bis zur Erfindung und allgemeinern Anwendung der Eisenbahnen war der wichtigste Theil der Bewegungskunst: die fortschaffende Mechanik, in Beziehung auf Landtransport und im Vergleiche zur hebenden Mechanik, in dem erbaͤrmlichsten Zustande; oder vielmehr: wir hatten eigentlich noch keine fortschaffende, nur eine fortschleppende Mechanik. Erst durch die Verbesserung der Eisenbahnen und der darauf sich bewegenden Maschinen haben wir angefangen, uns aus dem Straßenschlamme heraus zu arbeiten, und das Landfuhrwesen wirklich zu einem Zweige wissenschaftlicher Mechanik zu erheben. Statt nun auf einer so viel versprechenden Bahn vorwaͤrts zu schreiten, und diese Epoche machende Erfindung noch weiter zu vervollkommnen, sollen wir uns jezt durch die Launen einiger englischen Projectanten zu einem ebenso zweklosen als unruͤhmlichen Ruͤkschritt, zum tausendjaͤhrigen Schlendrian unserer sogenannten. Kunststraßen zuruͤkwerfen lassen, und, statt auf spiegelglatten Flaͤchen mit der groͤßten Leichtigkeit, Annehmlichkeit und Sicherheit mit Windes Schnelle fort zu gleiten, auf jenen ewig zermalmten und zermalmenden, ewig zerstoͤrten und wieder erneuerten Schutt- und Kothhaufen mit ungeheurem Geld- und Kraft-Aufwande langsam und muͤhselig uns wieder durcharbeiten, oder, bei einer widernatuͤrlich erzwungenen groͤßeren Geschwindigkeit, jeden Augenblik Hals und Bein zu brechen Gefahr laufen? – Ich habe meine Meinung uͤber diesen Gegenstand seit 18 Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten, und neuerlich im ersten Octoberhefte dieses Journals vom vorigen Jahre mit meiner gewohnten Freimuͤthigkeit ausgesprochen, und diese meine Meinung durch (wie ich glaube) unwiderlegbare Gruͤnde unterstuͤzt, auf welche ich, um mich nicht selbst abzuschreiben, die Leser des gegenwaͤrtigen Aufsazes hinweisen zu duͤrfen bitte. Ich habe alle Achtung fuͤr das Genie und die Geschiklichkeit, so wie fuͤr die Geduld und Beharrlichkeit so vieler englischen Mechaniker, welche sich bisher mit der Loͤsung dieser wichtigen Aufgabe abgemuͤhet haben; und ich zweifle nicht, daß es dem menschlichen Erfindungsgeiste noch gelingen werde, manche schwere Aufgabe zu loͤsen, deren Loͤsung bis jezt unmoͤglich geschienen hat. Allein einer vortheilhaften Einfuͤhrung von Dampf-Fuhrwerken auf gewoͤhnlichen Straßen, in einem großen und ausgedehnten Maßstabe, stehen, nach meinem Dafuͤrhalten, einige bedeutende Schwierigkeiten und Hindernisse entgegen, welche ihrer Natur nach unbesiegbar sind. Aus den uͤbereinstimmenden Aussagen der meisten Zeugen, welche von der erwaͤhnten parlamentarischen Commission vernommen wurden, geht unter Anderm hervor, daß diese Dampfwagen uͤberhaupt nur fuͤr den schnellsten Transport von Reisenden und leichten Gegenstaͤnden von hohem Werthe, folglich als Diligencen und Eilwagen, keineswegs aber fuͤr das langsamere Fortschaffen schwerer Guͤter von specifisch geringem Werthe geeignet sind, indem der Aufwand von Brennmaterial, Wasser und Bedienung, welcher in geradem Verhaͤltnisse mit der verbrauchten Zeit steht, fuͤr den Transport der lezteren Gegenstaͤnde zu groß waͤre, um durch die zu erhebenden geringeren Frachtpreise verguͤtet zu werden.Auf die von der Commission an Hrn. Gurney gestellte Frage:„„Sind Sie nicht der Meinung, daß die Dampfwagen (auf gewoͤhnlichen Straßen) sich nicht allein dazu eignen wuͤrden, Fuhrwerke schnell fortzuschaffen, sondern auch, um gewisse Guͤtertransporte langsam zu bewirken?““antwortete dieser Ingenieur:„„Ich halte das Leztere fuͤr moͤglich; allein es wuͤrde sehr kostspielig seyn: denn nach meiner Erfahrung kostet das Brennmaterial, wenn man langsamer als vier Meilen in der Stunde faͤhrt, mehr als die Pferde.““Darin stimmten auch mehrere andere der vernommenen Zeugen uͤberein. Wenn nun dieses in England der Fall ist, wo das Brennmaterial ungemein wohlfeil, der Ankauf und die Unterhaltung der Pferde hingegen sehr theuer ist, um wie viel mehr wuͤrde dasselbe in andern Laͤndern Statt finden, wo die Kosten des Brennmaterials und der Pferde in einem umgekehrten Verhaͤltnisse stehen? – Nun ist es aber gerade eine schnelle Bewegung, welche diesen Maschinen auf einer gewoͤhnlichen Straße am nachtheiligsten und gefaͤhrlichsten wird. Wir wissen, daß die Dampfwagen auf der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester, deren Geschwindigkeit im Durchschnitte 20 englische Meilen in einer Stunde nicht uͤbertrifft, und wo doch die Bewegung so sanft und gleichfoͤrmig als moͤglich ist, sich so außerordentlich schnell abnuͤzen, daß sie bei taͤglichem Gebrauche kaum ein Jahr lang aushalten. Von 24 solchen Maschinen, welche die dortige Gesellschaft besizt, sind immer nur sechs im Gange, waͤhrend die uͤbrigen achtzehn in den großen Werkstaͤtten an beiden Enden der Bahn unaufhoͤrlichen Flikereien und Reparaturen unterliegen. Wie lange soll nun eine solche Maschine, deren Bau nothwendiger Weise complicirt und delicat ist, bei einem Rennen von 25–30 Meilen auf die Stunde, auf einer gewoͤhnlichen holperigen, neu bekieseten oder ausgefahrenen Landstraße aushalten, wo alle Theile jeden Augenblik den heftigsten Stoͤßen und Erschuͤtterungen und dabei noch der zerstoͤrenden Einwirkung des Staubes und des aufgeworfenen Straßenkothes ausgesezt sind?Haͤufige Erfahrungen haben gezeigt, daß große Feuersprizen, wenn sie ehr schnell gefuͤhrt werden, durch die heftigen Erschuͤtterungen so zerruͤttet und verdorben werden, daß sie, an der Brandstelle angekommen, oft ganz unbrauchbar sind; und daher haben die besten Feuerloͤsch-Ordnungen das zu schnelle Fahren dieser Maschinen verboten. Nun ist aber eine Dampfmaschine ein ungleich complicirteres und delicateres Werk als eine Feuersprize. – Durch Federn koͤnnen diese Stoͤße noch weniger als auf Eisenbahnen vermieden oder gemildert werden, weil die Haupttheile der Maschine, die Cylinder und Kolbenstangen, mit den Achsen der Raͤder in einer unveraͤnderlichen steifen Verbindung stehen muͤssen, daher in keinem Falle auf Federn gelegt, oder daran aufgehaͤngt werden koͤnnen. Wenn daher je ein auf das Vortheilhafteste gebauter Dampfwagen auf unsern gewoͤhnlichen Landstraßen mit Sicherheit und Dauer, und ohne Gefahr, auf eine regelmaͤßige Art in Gang gebracht werden sollte, so duͤrfte derselbe nur mit einer sehr maͤßigen Geschwindigkeit, hoͤchstens so schnell, als unsere deutschen Lohnkutscher zu fahren gewohnt sind, betrieben werden; dabei waͤre aber kein Vortheil, weder fuͤr den Unternehmer, noch fuͤr die Reisenden oder das handelnde Publikum, weil das Fahren mit Pferden bei gleicher Schnelligkeit wohlfeiler zu stehen kaͤme. Die Vertheidiger des Straßen-Dampffuhrwerkes meinen zwar, die Hindernisse, welche der allgemeinen Ausfuͤhrung ihres Systems entgegenstehen, laͤgen bloß in der schlechten Beschaffenheit und in der vernachlaͤssigten Unterhaltung der Landstraßen, und man duͤrfte daher nur alle Chausseen macadamisiren, und so eben, glatt, fest und hart machen, wie eine Tenne; dann koͤnnten die Dampfwagen auf denselben so leicht, sanft und schnell, wie auf Eisenbahnen, fortrollen; oder man sollte zu diesem Zweke die Straßen durchaus pflastern. Liese Herren scheinen aber nicht zu wissen, oder wollen nicht bedenken, daß die Herstellung und bestaͤndige Erhaltung einer so idealisch vollkommenen Straße, wenn sie auch zu allen Jahreszeiten und bei jeder Witterung moͤglich waͤre, so wie auch das Pflastern, weit mehr als die Anlage einer (zwekmaͤßig und ohne Verschwendung gebauten) Eisenbahn kosten wuͤrde, und daß auf einem Steinpflaster die heftigsten Stoͤße und Erschuͤtterungen zwar etwas gemildert, aber doch auch nicht ganz vermieden wuͤrden. Besser wuͤrden hiezu die Holzbahnen, nach dem Vorschlage des kurhessischen Bau-Conducteurs, Hrn. Wagner, sich eignen, welche uͤberhaupt noch das leidendlichste Surrogat fuͤr Eisenbahnen, jedoch nur in solchen Gegenden werden koͤnnen, wo die hiezu tauglichsten Holzarten außerordentlich wohlfeil zu haben sind, das Eisen hingegen sehr theuer ist. Der einzige Vortheil, welcher fuͤr die Dampfwagenfahrt auf gewoͤhnlichen Straßen vor jener auf Eisenbahnen, nach ihrer gegenwaͤrtigen Bauart, mit einigem Grunde behauptet werden kann, besteht darin, daß das Berganfahren mit jenen verhaͤltnißmaͤßig weniger Schwierigkeiten als mit diesen verursacht; und es ist sonderbar, daß dieser Vorzug eben in der schlechten Beschaffenheit der gewoͤhnlichen Straßen und in der Vollkommenheit der Eisenbahnen gegruͤndet ist, und desto großer erscheint, je schlechter jene und je vollkommener diese in Bezug auf Leichtigkeit der Bewegung sind. Da naͤmlich der eigentliche Vorzug der Eisenbahnen vor den gewoͤhnlichen Straßen nur in der Verminderung der Reibung besteht, welchen die Raͤder an ihrem Umfange zu leiden haben, so kann sich dieser Vorzug nur auf einem ganz horizontalen, oder unmerklich steigenden Grunde bewahren, wo der Widerstand der Schwere gar nicht, oder nur in sehr geringem Maße entgegenwirkt. Bei betraͤchtlich steilen und zugleich langen Anhoͤhen hingegen verschwindet dieser Vorzug in dem Verhaͤltnisse, als der Widerstand der Schwere jenen der Reibung uͤbertrifft; und obwohl der gesammte Widerstand zwar allemal kleiner ist, als auf einer gewoͤhnlichen, unter demselben Neigungswinkel ansteigenden Straße, so wird doch der Unterschied zwischen beiden Arten von Fuhrwerk desto geringer, je groͤßer dieser Winkel ist; und daher muß beim Berganfahren auf einer Eisenbahn die Zugkraft in einem weit groͤßeren Verhaͤltnisse zu jener auf der Ebene vermehrt werden, als auf einer gewoͤhnlichen gemachten Straße. So z.B. erfordert ein gewoͤhnlicher Frachtwagen, welcher, mit 72 Centnern beladen, auf flachem Lande von sechs Pferden gezogen wird, wenn derselbe uͤber eine Anhoͤhe hinausgeschafft werden soll, deren Steigung 1 Fuß auf 12 Fuß betraͤgt, noch eine Vorspann von sechs Pferden, deren jedes mit einer Kraft von 100 Pfund ziehen muß, um den Widerstand der Schwere zu uͤberwinden, und es ist also des Berges wegen ein doppelte Bespannung (von 12 Pferden) noͤthig. Drei solche Wagen werden auf der Ebene 18 und bergaufwaͤrts 36 Pferde brauchen. Auf einer guten, horizontal liegenden Eisenbahn kann dieselbe Ladung von 216 Centnern von einem Pferde fortgezogen werden; da aber der Widerstand der Schwere auf diesen Bahnen eben so stark wie auf gewoͤhnlichen Straßen entgegenwirkt, so wird, wenn diese Ladung uͤber eine Anhoͤhe von gleicher Steile gezogen werden soll, auch auf der Eisenbahn ein Vorspann von 18 Pferden hiezu noͤthig seyn, und die ganze Bespannung, welche zwar immer um 17 Pferde geringer als auf der Landstraße bleibt, wird aus 19 Pferden bestehen, folglich neunzehn Mal groͤßer als auf der Ebene seyn muͤssen. Man sieht hieraus, daß auch dieser so hoch gepriesene Vorzug der Dampf-Fuhrwerke auf gewoͤhnlichen Straßen eigentlich nur scheinbar ist, und daß der Transport auf Eisenbahnen, selbst in unebenen und bergigen Gegenden, im Ganzen genommen doch immer einen um Vieles geringeren Kraftaufwand als auf gewoͤhnlichen Straßen erfordert. Ein zweiter Umstand, welcher das Berganfahren der Dampfwagen auf Eisenbahnen um Vieles schwieriger macht, als auf gewoͤhnlichen Straßen, liegt eben auch in der staͤrkeren Reibung am Umfange der Raͤder, welche auf einem rauhen und weichen Grunde fest eingreifen,Dabei werden aber auch die Raͤder eines solchen Wagens und sein ganzes Maschinenwerk außerordentlich angegriffen. Merkwuͤrdig ist in dieser Beziehung, was einer der ausgezeichnetsten Ingenieure, Hr. Farrey, welcher bei keiner solchen Unternehmung interessirt ist, vor derselben Commission ausgesagt; hat: „„Es ist mir noch keine Dampfkutsche vorgekommen, deren Maschinerie so stark und dauerhaft waͤre, daß sie, ohne Gefahr zu zerbrechen, auch nur einen maͤßig steilen Berg hinauffahren koͤnnte; denn obgleich sie durch Anhaͤufung ihrer Dampfkraft bergauf fahren, so werden doch die Maschinentheile dabei so angestrengt, daß sie auf die Dauer dieser Arbeit nicht gewachsen seyn duͤrften. Wenn man sie mit Beibehaltung der jezigen Bauart so stark anfertigen wollte, daß sie das Berganfahren, an steilen Bergen gut vertragen koͤnnten, so wuͤrden sie fuͤr die gewoͤhnlichen Leistungen (auf der Ebene) zu schwer ausfallen.““ – Wie hoͤchst gefaͤhrlich das Anhaͤufen oder Steigern der Dampfeskraft im Kessel ist, haben wir bereits bemerkt. waͤhrend sie auf den glatten eisernen Schienen sich schleifend umdrehen, ohne den Wagen vorwaͤrts zu bringen. Dieses lezte Hinderniß waͤre indessen noch leicht zu beseitigen, wenn man es in seiner Gewalt haͤtte, die Kraft der Dampfmaschine nach Belieben, und, so wie der Widerstand des Fuhrwerkes sich veraͤndert, zu verstaͤrken und zu modificiren. Da aber dieses, ohne die groͤßte Gefahr von Explosionen oder Unterbrechungen, auch nur bis auf einen kleinen Grad, z.B. auf eine Verdoppelung der dynamischen Kraft des Dampfes, unmoͤglich ist, so ist man, nach dem gegenwaͤrtig angenommenen Systeme, bei der Anlage von Eisenlahnen genoͤthigt, an jeder schiefen Flaͤche, welche mehr als 1 auf 90 ansteigt, die Wagen an langen Seilen durch eine auf dem hoͤchsten Punkte erbaute, feststehende Dampfmaschine (Stationary Engine) hinaufzuziehen, oder alle Ungleichheiten des Terrains zu ebenen, und durch Abgraben aller Erhoͤhungen, Ausfuͤllung aller Vertiefungen, Auffuͤhrung hoher und langer Daͤmme, durch tiefe Einschnitte oder unterirdische Galerien (Stollen) ein kuͤnstliches Niveau auf der ganzen Linie der zu errichtenden Eisenbahn herzustellen. Beide Mittel sind jedoch mit sehr bedeutenden Schwierigkeiten und Kosten verbunden. Am die Wagenzuͤge bei ihrer Ankunft am Fuße einer Anhoͤhe ohne Aufenthalt weiter zu foͤrdern, muß das Feuer unter dem Kessel der feststehenden Maschine bestaͤndig so unterhalten werden, daß dieselbe jeden Augenblik mit ihrer vollen Wirkung in Gang gesezt werden kann. Brennmaterial und Dampf muͤssen daher, wenn der Verkehr nicht so außerordentlich stark ist, daß die Wagenzuͤge sich in dichten Reihen schnell auf einander folgen, in den oft Stunden langen Zwischenraͤumen unnuͤz verschwendet werden. Auch unterliegen die langen Seile einer sehr starken Reibung und Abnuͤzung, wodurch ihre Unterhaltung sehr kostbar wird.Die Behandlung dieser schiefen Flaͤchen mit Meilen langen Seilen ist nicht nur aͤußerst beschwerlich, sondern selbst gefaͤhrlich. Durch das Brechen solcher Seile waͤhrend des Zuges sind in England schon haͤufige Ungluͤksfaͤlle von der schreklichsten Art entstanden. A. d. O. Nach groͤßere Auslagen verursachen die zu einer ganz ebenen und gleichfoͤrmigen Terrassirung erforderlichen Erd- und Mauer-Arbeiten, welche, wie wir schon bei mehreren anderen Gelegenheiten gezeigt haben, in manchen Gegenden die Kosten der eigentlichen Eisenbahn oft um das Sechsfache uͤbersteigen.Durch meine, im Polytechnischen Journal, XLI. Band, 1. Hefte von 1831, und im Allgemeinen Anzeiger der Deutschen N. 43–44 vom gegenwaͤrtigen Jahre angekuͤndigten Verbesserungen werden die beiden hier angezeigten Mittel entbehrlich, und man kann auf einer nach meinem neuen Systeme gebauten Eisenbahn die schwersten Wagenzuͤge mit einer bedeutenden Geschwindigkeit uͤber die steilsten, laͤngsten und hoͤchsten Anhoͤhen schaffen. Alle diese Kosten und Schwierigkeiten wuͤrden nun fuͤglich mit einem Male gehoben, wenn man gar keine Eisenbahnen mehr brauchte, und alle Arten von Transport durch Dampf-Fuhrwerke auf gewoͤhnlichen Straßen eben so leicht, schnell und wohlfeil betreiben koͤnnte. Daß aber dieser Zwek bisher noch keineswegs erreicht worden, geht aus allen bis auf den heutigen Tag gemachten Erfahrungen hervor, und daß er hoͤchst wahrscheinlicher Weise nie erreicht werden wird, glaube ich in gegenwaͤrtigem Aufsaze und im 1sten Octoberhefte des Polytechnischen Journals von 1832 durch unbestreitbare Gruͤnde gezeigt zu haben. Nach dem Berichte der zur Pruͤfung der neuesten Versuche ernannten Commission beschrankt sich, wie bereits erwaͤhnt wurde, die Anwendbarkeit dieser Dampfkutschen nur auf den Transport von Reisenden mit einer Geschwindigkeit von 10 Meilen auf die Stunde, also kaum die Haͤlfte von jener, mit welcher auf der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester gefahren wird; und ich glaube bewiesen zu haben, daß selbst diese Geschwindigkeit ohne die groͤßte Gefahr nicht eingehalten werden koͤnnte. Der groͤßte Vortheil, welchen die Substituirung der Dampfkraft an die Stelle der thierischen Kraͤfte gewahren kann, geht also schon verloren. Da es sich ferner aus den Aussagen der vernommenen Zeugen selbst ergibt, daß ein solcher Dampfwagen nur hoͤchstens 16 Passagiere aufnehmen kann, wogegen ein einziger Dampfwagen (der Simson) auf der Liverpooler Eisenbahn eine Reihe angehaͤngter Wagen mit 108 1/4 Tonnen Ladung mit einer mehr als doppelten Geschwindigkeit zu ziehen vermag; was (15 Personen auf eine Tonne gerechnet) zum Fortschaffeil von 1623 Passagieren hinreichen wuͤrde, so ist klar, daß dieser leztere in derselben Zeit zwei Mal 1623 oder 3246 Reisende eben so weit bringen kann, als ein Dampfwagen à la Hancock, Ogle oder Church mit 16 Passagieren gelangt, und daß folglich fuͤr einen Dampfwagen auf einer Eisenbahn 3246/16 = 202 solcher Dampfwagen auf der gewoͤhnlichen Straße fuͤr denselben Transport gehalten werden muͤßten. Da ferner die Abnuͤzung dieser Wagen und Maschinen auf gewoͤhnlichen Straßen, selbst bei einer langsameren Bewegung, wenigstens zwei Mal staͤrker als auf einer Eisenbahn seyn muß, so wild die Unterhaltung von 202 Dampfwagen auf der Landstraße 400 Mal so viel als die eines einzelnen Dampfwagens auf der Eisenbahn kosten. Hiezu kommen dann noch: der zwanzig bis dreißig Na! groͤßere Aufwand von Brennmaterial, welcher zum Betriebe von so vielen Maschinen erfordert wird; die Kosten, welche das Beifuͤhren so bedeutender Massen von Steinkohlen an die Fuͤllungs-Stationen verursacht, welche am ganzen Wege, und zwar in weit kuͤrzeren Entfernungen von einander, folglich in groͤßerer Anzahl errichtet werden muͤssen, und die kostbare Unterhaltung dieser Stationen selbst, an deren jeder in einem besonderen kleinen Gebaͤude ein Brunnen, ein Pumpwerk, ein bestaͤndig geheizter Kessel und ein Arbeiter sich befinden muͤssen, um die Behaͤlter der Dampfwagen mit heißem Wasser zu versehen, weil durch Nachfuͤllen mit kaltem Wasser die Dampferzeugung in den Kesseln unterbrochen und der Gang der Maschinen gehemmt, oder wenigstens geschwaͤcht wuͤrde.Nach der Angabe Robert Stephenson's in seinen 1830 zu Liverpool erschienenen Observations on the comparative merits of Locomotive and fixed Engines, as applied to Railways, Seite 31, betragen die jaͤhrlichen Kosten einer solchen Station (water Station) 104 Pfd. Sterl. Durch eine Zusammenstellung und genaue Berechnung aller dieser Kosten und bestaͤndigen Auslagen waͤre es leicht, den Beweis zu fuͤhren, daß die Summe derselben, statt einer beabsichtigten Ersparung, den Transport ungleich theurer als auf der kostbarsten Eisenbahn machen wuͤrde, ja daß man selbst in solchen Gegenden, wo das Brennmaterial aͤußerst wohlfeil zu haben ist, mit Pferden noch weit wohlfeiler, und dabei schneller, bequemer und sicherer auf unseren Landstraßen faͤhrt, als es mit solchen Dampfwagen moͤglich waͤre. In keinem Falle ist daher zu befuͤrchten, daß diese alten, laͤngst aufgegebenen, und jezt mit neuem Eifer wieder aufgewaͤrmten Hochstraßen-Dampf-Projecte irgendwo einem rationellen, vollkommneren und oͤkonomischeren Eisenbahn-Systeme nachtheilig werden koͤnnen; und die im London Journal of Arts vom Monat Julius 1832 ausgesprochenen sanguinischen Hoffnungen des Dr. Church, „„daß seine Verbesserungen an den Dampfkesseln einen so gewaltigen Kraftgewinn gewaͤhren werden, daß die Eisenbahnen an den gewoͤhnlichen Chausseen einen unuͤberwindlichen Nebenbuhler, und das Publikum auf den lezteren eine wohlfeilere, gefahrlosere und eben so schnelle Befoͤrderung finden werden,““ duͤrften wohl schwerlich je in Erfuͤllung kommen.Wenn durch irgend eine Verbesserung oder neue Construction eines Dampfkessels so viel Kraft gewonnen werden soll, daß ein mit einem solchen Kessel versehener Dampfwagen auf einer gewoͤhnlichen Landstraße mit demselben Aufwande von Brennmaterial und mit derselben Geschwindigkeit eine gegebene Ladung fortzuschaffen vermag, als gegenwaͤrtig zu derselben Wirkung auf einer Eisenbahn erfordert wird, so muß ein solcher Kessel (bei demselben Gewichte) wenigstens zwoͤlf Mal so viel Dampf von gleicher Spannkraft erzeugen, als die bis jezt auf den Eisenbahnen angewendeten Kessel unter uͤbrigens vollkommen gleichen Umstaͤnden erzeugen koͤnnen. Wenn wir nun auch annehmen, daß eine so gewaltige Kraftvermehrung moͤglich, und durch die Verbesserungen des Dr. Church wirklich zu Stande gebracht sey, so entsteht hiedurch offenbar doch kein uͤberwiegender Vortheil fuͤr die Landstraßen vor den Eisenbahnen, sondern nur ein Vorzug dieser neuerfundenen Dampfkessel vor den bis jezt gebraͤuchlichen Kesseln; und es wird alsdann nichts im Wege stehen, dieselben Wunderkessel auch auf den Eisenbahnen anzuwenden, wo ihre Wirkung jene auf gewoͤhnlichen Straßen wieder in demselben Verhaͤltnisse, wie jezt, uͤbertreffen wird. Ich mache keinen Anspruch auf die Wundergabe der Prophezeihung; aber ich getraue mir, mit Jedem, der hiezu Luft hat, eine Wette einzugehen, daß die Actiengesellschaft, welche gegenwaͤrtig zur Unternehmung eines regelmaͤßigen Dampfwagen-Transportes, sowohl fuͤr Guͤter als fuͤr Reisende, zwischen London und Birmingham sich gebildet, und dazu vorlaͤufig ein Capital von 200,000 Pfd. Sterl. bestimmt hat – es mag eine auf derselben Linie projectirte Eisenbahn zu Stande kommen oder nicht – mit einem Bankerotte endigen wird.Ein Londoner Correspondent des Morgenblattes berichtet in N. 223 vom 17. September 1832:„„Ueber dem großen Problem der Dampfwagen auf gewoͤhnlichen Landstraßen geht in England ein Unternehmen nach dem andern zu Grunde.““ Muͤnchen, den 10. April 1833. Joseph Ritter von Baader.