Titel: Ueber die Wirkung und Anwendung des Düngers.
Fundstelle: Band 48, Jahrgang 1833, Nr. LXXXVII., S. 457
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LXXXVII. Ueber die Wirkung und Anwendung des Duͤngers. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Februar 1833, S. 74. Ueber die Wirkung und Anwendung des Duͤngers. Hr. de la Giraudière, Praͤsident der Société d'agriculture de Loiret et Cher, hat in einer der lezteren Sizungen dieser Gesellschaft einen sehr interessanten Bericht uͤber die Versuche, die er uͤber die Wirkung und Anwendung der Duͤnger-Arten anstellte, vorgetragen, aus welchem wir folgenden Auszug mitzutheilen im Stande sind. Hr. de la Giraudière glaubt aus seinen Versuchen schließen zu koͤnnen: 1) daß das Gewicht der Samen und Kraͤuter ganz im Verhaͤltnisse mit dem Gewichte des Duͤngers steht, der zum Duͤngen eines Stuͤk Landes verwendet worden; und 2) daß man, um eine genaue Schaͤzung machen zu koͤnnen, sowohl das Gewicht des Duͤngers, als jenes der Fruͤchte und Kraͤuter auf den troknen Zustand reducirt annehmen muͤsse. Ich sah, sagt Hr. d. l. G., daß ich, wenn ich sehr schlechten Boden eben so reichlich duͤngte, als man die Gemuͤsegaͤrten gewoͤhnlich zu duͤngen pflegt, außerordentliche Ernten bekam. Ich wollte sehen, welcher Unterschied zwischen der Duͤngmethode eines Feldes und jener eines Gemuͤsegartens bestuͤnde. Ich wog zu diesem Behufe eine große Menge kleiner Duͤngerhaufen ab, und ermittelte wie viel Duͤnger auf dem einen und in dem anderen auf die Klafter Landes kommt. Das Resultat dieser Untersuchung war, daß die Felder beinahe 10 Mal weniger Duͤnger erhalten, als die Gaͤrten. Da ich aber andererseits bemerkte, daß die Schwere des Duͤngers, je nach dem Grade seiner Naͤsse von 10 bis zu 50 Pfund per Kubikfuß wechselte, so nahm ich bei meinen Berechnungen den Duͤnger in trokenem Zustande an, in welchem er 4 bis 6 Pfund per Kubikfuß wiegt. Ich war nun nicht wenig uͤberrascht, als ich bei der Vergleichung des troknen Gewichtes der Ernten mit dem Gewichte des troken angewendeten Duͤngers fand, daß das Gewicht der Ernte genau jenem des Duͤngers gleich war. Wenn ich 25,000 Pfund troknen Duͤnger auf das Feld brachte, so erhielt ich genau, oder wenigstens sehr nahe an 25,000 Pfunde Mays, Getreide oder Bohnen; duͤngte ich nur mit 16,000 Pfunden, so betrug die Ernte auch nur 16,000 Pfunde. Von diesen Resultaten ausgehend, behauptet nun Hr. d. l. G., daß die kalkigen, thonigen, eisenschuͤssigen und sandigen Erden nur mechanisch zur Vegetation beitragen, und durchaus keine so wichtige Rolle spielen, als man gewoͤhnlich glaubt; sie dienen nach seiner AnsichtDiese Ansicht ist nichts Neues, sondern etwas sehr Altes, welches schon oͤfter aufgestellt worden. A. d. Ueb. nur zur Befestigung der Pflanzen im Boden, und die Vegetations-Thaͤtigkeit richtet sich bloß nach der Menge des Humus oder der Pflanzen-Abfaͤlle, welche in dem Boden enthalten sind. Luft und Wasser sind nur Mittel zur Uebertragung der wirksamen Agentien, und keine wirklichen Erzeuger oder Productoren. Der Sauerstoff und der Wasserstoff des Wassers koͤnnen fuͤr sich allein nicht von der Pflanze assimilirt werden; es muß, damit diese Zersezung Statt finden koͤnne, noch ein dritter Koͤrper, der Kohlenstoff, dazwischen kommen, und dieser Kohlenstoff ist eben der schwer wiegende Bestandtheil des Duͤngers: die Substanz, um die es sich eigentlich handelt. Die Versuche, welche Saussure, Sennebier, Duhamel mit Pflanzen anstellten, welche sie in reinem, mit Wasser befeuchteten Sande zogen, bewiesen zwar, daß eine Pflanze auch unter diesen Umstaͤnden wachsen und ein gewisses Gewicht erreichen koͤnne; allein dieses Gewicht blieb denn doch immer sehr gering. Und gibt man ein Mal zu, daß die Luft ein Uebertragungsmittel des Nahrungsstoffes ist, so laͤßt sich wohl auch denken, daß die Pflanze waͤhrend ihrer Vegetation aus der Luft den in ihr enthaltenen Kohlenstoff in unsichtbaren Atomen einsaugen konnte. Hr. de la Giraudière nimmt daher auch an, daß das Wasser eine sehr große Menge Duͤnger aufnehmen kann; er haͤlt es mithin fuͤr laͤcherlich einen Abhang cultiviren und sehr fruchtbar machen zu wollen, indem man durch das Duͤngen dieses Landes hauptsaͤchlich die tiefer gelegenen Felder duͤngt, da das Regenwasser die duͤngenden Stoffe immer auswaschen wird. Wir glauben, daß sich uͤber die Ansichten des Hrn. de la Giraudière nur nach neuen und wiederholten, vielfach abgeaͤnderten Versuchen aburtheilen laͤßt; wir halten es fuͤr unsere Pflicht zu diesen Versuchen aufzufordern.Dergleichen Versuche duͤrften am besten in den sogenannten landwirthschaftlichen Unterrichtsanstalten, von den landwirtschaftlichen Vereinen, und selbst in botanischen Gaͤrten angestellt werden, die in ihrer gegenwaͤrtigen Verfassung groͤßten Theils dem Vorwurfe eines geringen Nuzens nicht entgehen koͤnnen. Leider geschieht in den oͤkonomischen Anstalten, und ganz besonders in jenen, welche von Stubengelehrten oder von seyn sollenden Gelehrten, oder gar von Universitaͤten verwaltet werden, selten etwas, was die Landwirthschaft wirklich foͤrdert, ja nicht ein Mal Untersuchungen, die, wie z.B. die fragliche, auch in rein theoretischer Hinsicht von großer Wichtigkeit sind, kommen an diesen Orten gehoͤrig in Betracht. Wir kennen z.B. einen zu einer ehemals beruͤhmten suͤddeutschen Universiaͤt gehoͤrigen, sehr geraͤumigen und vortrefflich gelegenen Oekonomiegarten, in welchem innerhalb mehr dann 20 Jahren auch nicht ein einziger Versuch von Belang oder von einem etwas merkwuͤrdigen Resultate angestellt wurde, obwohl die Verwaltung jaͤhrlich ein nicht unbedeutendes Deficit machte! Es gibt viele Faͤcher, in welchen mit Gelehrsamkeit allein blutwenig geholfen ist, und dahin gehoͤrt auch die Landwirthschaft, die auf unseren suͤddeutschen Universitaͤten so stiefmuͤtterlich behandelt wird. A. d. Ueb. Jedermann weiß, daß ein gut geduͤngter Boden eine reichere Ernte gibt, als ein schlecht geduͤngter; allein auch hierin findet ein gewisses Maß Statt, und dieses Verhaͤltniß eines Duͤngers zu einem gewissen Boden ist es eben, welches man kennen muß. Was nun die Duͤngmethode, durch welche die Assimilirung des Duͤngers durch die Pflanzen am meisten befoͤrdert wird, betrifft, so scheinen die von Hrn. General Bugeaud angestellten, und den Ansichten des Hrn. de la Giraudière allerdings zu Huͤlfe kommenden Versuche zu beweisen, daß durch jene Duͤngerbildung, bei welcher eine lang fortgesezte Faͤulniß Statt findet, eine große Menge der duͤngenden und die Fruchtbarkeit erhoͤhenden Substanzen verloren gehe, indem es erwiesen ist, daß diese Faͤulniß weit besser im Boden selbst vorgehen koͤnne, da die Pflanzen nur nach und nach wachsen, und nur in dem Maße, in welchem sie wachsen, der Nahrung beduͤrfen. Man verliert also theils schon aus diesem Grunde, theils weil der Duͤnger durch den Vegetationsact schneller aufloͤslich gemacht wird, als wenn er an einem Orte aufgeschichtet bleibt, bedeutend an Zeit. Ein Oekonom hat z.B. nach der alten Methode im Maͤrz 100 Fuhren Duͤnger, die er sorgfaͤltig fuͤr die Wintersaaten aufbewahrt. Sein Nachbar hat gleichfalls 100 Fuhren Duͤnger, die er aber nach der neuen Methode gleich im Fruͤhjahre auf ein Runkelruͤbenfeld bringt. Lezterer erhaͤlt also den naͤchstfolgenden August an den Blaͤttern eine große Menge vortreffliches Viehfutter, und im October eine schone Ernte an Runkelruͤben, welche, zur Viehmastung verwendet, wieder eben so viel Duͤnger geben wuͤrden, als deren Production Duͤnger kostete; und bei allem dem wird das Feld noch geduͤngt genug bleiben, um zum Weizenbaue verwendet werden zu koͤnnen. Dagegen hat der Nachbar, der das alte System befolgt, um diese Zeit noch gar nichts an seinem Duͤnger gewonnen; dieser Duͤnger wird durch die Faͤulniß bis auf 50 Fuhren zusammengeschmolzen seyn, mit denen man gewiß keine so schoͤne Ernte erhalten wird, als von dem Felde, welches bereits Runkelruͤben trug. Ohne auf weitere Vergleiche der alten mit der neuen Methode eingehen zu wollen, erhellt schon hieraus deutlich, daß der den alten Schlendrian befolgende Oekonom seinen Duͤnger durch zwei theilt, waͤhrend der in der Erfahrung Fortschreitende ihn mit eben dieser Zahl zwei vermehrt, so daß der Unterschied zwischen beiden Methoden also nicht weniger, als das Vierfache betraͤgt!