Titel: Ueber die Anwendung des gerösteten Kartoffelstärkmehls in der Wollen-, Seiden- und Baumwollendrukerei; von Hrn. Eduard Schwartz.
Fundstelle: Band 59, Jahrgang 1836, Nr. XXX., S. 191
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XXX. Ueber die Anwendung des geroͤsteten Kartoffelstaͤrkmehls in der Wollen-, Seiden- und Baumwollendrukerei; von Hrn. Eduard Schwartz. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhausen, No. 40. S. 431. Schwartz, uͤber Anwendung des geroͤsteten Kartoffelstaͤrkmehls. Da ich von der Gesellschaft beauftragt wurde, ihr uͤber die Brauchbarkeit des geroͤsteten Kartoffelstaͤrkmehls, welches die HH. Lefebvre, Chabat und Comp. in den Handel bringen, einen Bericht zu erstatten, so mußte ich die Eigenschaften des Kartoffelstaͤrkmehls, sowohl im geroͤsteten als im ungeroͤsteten Zustande, nicht nur mit denjenigen des arabischen Gummis, sondern besonders auch mit denen des Weizenstaͤrkmehls, womit es die groͤßte Aehnlichkeit hat, vergleichen. Man irrt sich sehr, wenn man glaubt, daß jede Wanzensubstanz, die mit Wasser eine dike und klebrige Fluͤssigkeit liefert, aus diesem Grunde allein schon zum Verdiken der Farben fuͤr wollene, seidene und baumwollene Zeuge anwendbar ist; und man taͤuscht sich noch weit mehr, wenn man glaubt- daß eine Gummiart, schon deßwegen, weil ihre Aufloͤsung eben so aussieht, wie die einer anderen, leztere auch zu den verschiedenen Zweken als Verdikungsmittel ersezen kann. Ich will mich hieruͤber weiter erklaͤren. Man benuzt zum Verdiken der Farben fuͤr wollene, seidene oder baumwollene Gewebe dreierlei Substanzen, welche, selbst wenn sie aͤhnliche chemische Eigenschaften besaͤßen, doch immer eine ganz besondere Anwendung erhalten muͤßten, weil sie naͤmlich den Fluͤssigkeiten, worin man sie aufloͤst, eine sehr verschiedene Consistenz ertheilen; diese Substanzen sind: 1) das Staͤrkmehl im natuͤrlichen Zustande; 2) das arabische Gummi; 3) das Traganthgummi. Das Staͤrkmehl kann als Typus der Verdikungsmittel betrachtet werden, welche eine kleisterfoͤrmige Consistenz hervorbringen; zu fast allen feinen Mustern, die man mit der Hand drukt, ist es unumgaͤnglich noͤthig. Das arabische Gummi, der Typus der Gummiarten, liefert Aufloͤsungen von klebriger Beschaffenheit, die aber gut laufen und eignet sich besonders zum Druk von Boͤden aller Art. Das Traganthgummi endlich, welches immer als Typus der Schleime betrachtet wurde, liefert eine Consistenz, welche zwischen den beiden vorhergehenden das Mittel haͤlt, und es wird nur in denjenigen Faͤllen benuzt, wo das Starkmehl oder das arabische Gummi wegen ihrer chemischen Eigenschaften nicht anwendbar sind. Nun gibt es aber verschiedene Staͤrkmehlsorten, die mit Wasser gekocht, einen ganz aͤhnlichen Kleister liefern wie das Weizenstaͤrkmehl, und doch stieß man bisher noch immer auf die groͤßten Schwierigkeiten, wenn man sie zu Drukfarben benuzen wollte. Eben so ist das Gummi des Kirschbaums und anderer inlaͤndischer Baͤume dem arabischen anscheinend ganz aͤhnlich, und doch kann man es nicht zum Verdiken unserer Beizen und Farben benuzen. Wie viele Schleime gibt es endlich nicht im Pflanzenreich, und doch ist der Traganth der einzige, welcher bis jezt zum Verdiken einer gewissen Anzahl von Farben gebraucht werden konnte. Die Aufloͤsung des geroͤsteten Kartoffelstaͤrkmehls in Wasser liefert uns in dieser Hinsicht endlich das auffallendste Beispiel; sie ist naͤmlich der Aufloͤsung des arabischen Gummis vollkommen aͤhnlich und verhaͤlt sich dennoch mit den gebraͤuchlichsten Salzen ganz anders als diese; selbst der Traganth liefert, wenn man ihn, um die schleimigen Gewebe zu zerreißen und zu zertheilen, mehrere Stunden lang mit Wasser kocht und dann durch ein sehr feines Sieb treibt, eine Aufloͤsung, die derjenigen des arabischen Gummis ganz aͤhnlich ist, ausgenommen in ihren chemischen Eigenschaften. Um die chemischen Reactionen, welche man beim Verdiken der Farben und Beizen beruͤksichtigen muß, kurz zusammenzufassen, und damit man die Eigenschaften der verschiedenen Verdikungsmittel in dieser Beziehung leichter mit einander vergleichen kann, habe ich folgende Tabelle entworfen: Folgende Verdikungsmittel geben, wenn man sie in der Kaͤlte behandelt, mit: Weißes Staͤrkmehl. Geroͤstetes Staͤrkmehl. Arabisches Gummi. Traganthgummi. Aufloͤsung von Zinnoxyd    in Aezkali  Mit der Zeit eine      Gerinnung.    Augenblikliche      Gerinnung.     Gerinnung. Keine Wirkung. Aufloͤsung von Alaunerde    in Aezkali   Keine Wirkung.   Keine Wirkung.     Gerinnung.       Deßgl. Essigsaurer Alaunerde         Deßgl.         Deßgl. Keine Wirkung.       Deßgl. Essigsaurem Eisenoxydul.         Deßgl.         Deßgl.        Deßgl.       Deßgl. Salzsaurem Zinnoxyd    (Zinnchlorid)         Deßgl.         Deßgl.        Deßgl.       Deßgl. Schwefelsaurem Eisenoxyd.         Deßgl.         Deßgl.        Deßgl.    Gerinnung. Gallussaurem Eisen.         Deßgl.         Deßgl. Mit der Zeit eine     Gerinnung. Keine Wirkung. Daraus, daß das geroͤstete Staͤrkmehl dieselben Eigenschaften hat, wie das weiße, ersehen wir, daß es beim Roͤsten seine chemische Natur nicht veraͤndert; und da das arabische Gummi den Uebelstand hat, daß es mit den in den Kattundrukereien gebraͤuchlichsten Salzen gerinnt, so laͤßt sich in vielen Faͤllen das geroͤstete Staͤrkmehl, welches diese nachtheilige Eigenschaft nicht hat, vortheilhaft anstatt Gummi anwenden. Dieß geschieht auch haͤufig, sowohl aus diesem Grunde als der Ersparniß wegen, indessen doch nicht so oft, als man glauben koͤnnte. Die zahlreichste Anwendung findet das geroͤstete Staͤrkmehl zum Verdiken der Beizen fuͤr aͤchte Farben behufs des Handdruks (ausgenommen fuͤr Gelb, weil diese Farbe durch die kohligen Theile des Verdikungsmittels etwas verunreinigt wird); zu gewissen Drukfarben laͤßt sich jedoch durchaus kein geroͤstetes Staͤrkmehl anwenden, theils wegen seiner Unreinigkeiten, theils wegen anderer nachtheiliger Wirkungen, deren Ursache noch nicht gehoͤrig ausgemittelt worden ist. Das geroͤstete Staͤrkmehl wird auch vortheilhaft anstatt arabischen Gummis zum Verdiken mehrerer Reservagen und Aezfarben gebraucht; man bedient sich desselben ferner zum Verdiken einiger Tafelfarben fuͤr Wolle, Seide und Baumwolle; bei vielen ist es jedoch nicht anwendbar, entweder weil es ihnen einen Stich ins Braͤunliche verleiht oder weil es sie durch seine chemischen Eigenschaften veraͤndert; so ertheilt es dem Rosenroth einen Stich in Gelb und dem Indigogruͤn in Oliven. Das geroͤstete Kartoffelstaͤrkmehl, welches den Kattundrukereien empfohlen wurde, soll jedoch viele jener nachtheiligen Eigenschaften nicht besizen, weil es viel reiner als das geroͤstete Weizenstaͤrkmehl ist und mit Wasser sogar eben so durchsichtige Aufloͤsungen wie arabisches Gummi liefert. Dieß mußte ich nun untersuchen; vorher glaube ich aber einiges uͤber die verschiedene Natur dieser beiden Staͤrkmehlarten, so wie uͤber die Veraͤnderungen, welche sie beim Roͤsten erleiden, sagen zu muͤssen. Seit Raspail's merkwuͤrdigen mikroskopischen Beobachtungen uͤber das StaͤrkmehlNeues System der Chemie organischer Koͤrper, von Raspail. Deutsche Uebersezung von Fr. Wolff. Stuttgart, 1834. weiß man, daß dieses Pflanzenproduct aus einer Menge kleiner weißer und glaͤnzender Koͤrner besteht, wovon jedes mit einer in kaltem Wasser unaufloͤslichen Huͤlse versehen ist, welche eine dem Gummi aͤhnliche klebrige Substanz enthaͤlt. Diese Huͤlsen koͤnnen entweder durch Reibung, oder durch die Ausdehnung in heißem Wasser oder endlich durch die zerfressende Einwirkung einer Saͤure oder eines Alkalis zerrissen werden. Seitdem wurde erwiesen, daß folgender Unterschied zwischen dem Weizen- und Kartoffelstaͤrkmehl Statt findet: 1) Die Koͤrner der Weizenstaͤrke sind kleiner und von gleichfoͤrmigerer Dimension, haben aber zaͤhere Huͤlsen; sie fuͤhlen sich daher sanfter an, als die der Kartoffelstaͤrke, werden aber durch Saͤuren und Alkalien schwerer als leztere angegriffen und auch durch die Einwirkung der Waͤrme nicht so schnell zerrissen. 2) Das Weizenstaͤrkmehl enthaͤlt immer mehr oder weniger Kleber, waͤhrend dieser in der Kartoffelstaͤrke niemals vorkommt; wahrscheinlich ist dieser den Huͤlsen der kleinen Koͤrner anhaͤngende Kleber die Ursache, daß sie den genannten Agentien besser widerstehen. Hiedurch erklaͤren sich nun leicht die Schwierigkeiten, worauf man bisher bei der Anwendung des Kartoffelstaͤrkmehles stieß: erstens liefert es nie einen so dauerhaften Kleister wie das Weizenstaͤrkmehl; dieser behaͤlt seine Consistenz bei, so lange keine Gaͤhrung Statt findet, waͤhrend jener beim Erkalten und mit der Zeit in eine gummige Fluͤssigkeit und einen Niederschlag zerfaͤllt, welcher leztere großen Theils aus den Huͤlsen besteht. Die Kleisterconsistenz entsteht naͤmlich dadurch, daß alle diese Haͤutchen in der gummigen Fluͤssigkeit suspendirt und innig zusammenhaͤngend bleiben, was großen Theils durch den Kleber bewirkt wird; da nun die Kartoffelstaͤrke keinen Kleber enthaͤlt, so erklaͤrt dieß die geringere Haltbarkeit ihres Kleisters; zwar kann man derselben durch Zusaz eines Zink- oder Kupfersalzes abhelfen, dieses Mittel ist aber nicht in allen Faͤllen anwendbar. Man wird auch leicht einsehen, warum die ungleiche Groͤße der Kartoffelstaͤrkekoͤrner und ihre groͤßere Zerbrechlichkeit das Roͤsten dieser Substanz in dem bisher gebraͤuchlich gewesenen Apparate verhinderten. Dieser bestand naͤmlich aus einer Trommel von Kupfer oder Eisenblech, welche man mehrere Stunden uͤber einem Feuer drehte, dessen Leitung der Hauptpunkt der Operation ist; da die Fugen in der Einsazthuͤre zwar die Wasserdaͤmpfe hinaus-, aber keine Luft von Außen hereinlassen, so findet eine wahre Verkohlung Statt und die Kunst besteht darin, bloß den Kleber und die groͤßten Huͤlsen in Kohle zu verwandeln und nur moͤglichst wenig gummige Substanz zu veraͤndern. Der Inhalt der Trommel muß daher bestaͤndig in einem sehr zertheilten Zustande seyn; die Huͤlsen muͤssen auch gleichzeitig zerreißen und besonders muß, ehe dieses geschehen ist, die Feuchtigkeit vollstaͤndig verdampft seyn; denn sonst ballen sich die einzelnen Theile so zusammen, daß selbst durch die Bewegung der Trommel keine hinreichende Zertheilung mehr moͤglich ist. Da nun die Koͤrner der Kartoffelstaͤrke wegen ihrer verschiedenen Groͤße in sehr verschiedenen Zeitpunkten zerreißen und wegen ihrer großen Zerbrechlichkeit uͤberhaupt die vollstaͤndige Verdampfung der Feuchtigkeit vor dem Moment des Berstens nicht moͤglich ist, so war es schwierig diese Staͤrkmehlart in dem eben beschriebenen Apparate zu roͤsten; wahrscheinlich besteht auch das ganze Geheimniß der Fabrik, welche die geroͤstete Kartoffelstaͤrke gegenwaͤrtig in den Handel bringt, in einer Abaͤnderung der Roͤstmethode. Wir wollen uns nun mit den Eigenschaften dieser Substanz beschaͤftigen. 1) Ist sie nicht so stark gefaͤrbt, als die geroͤstete Weizenstaͤrke; dieß erklaͤrt sich dadurch, daß sie weniger von verkohlten Huͤlsen und verkohltem Kleber enthaͤlt. 2) Gibt es davon mehrere Sorten, die mehr oder weniger gefaͤrbt sind, was wahrscheinlich von dem Grade der Roͤstung abhaͤngt. In der That liefert auch die hellste Sorte in kaltem Wasser den reichlichsten Niederschlag, weil sie am meisten von noch unversehrten Staͤrkmehlkoͤrnern enthaͤlt; die dunkelste Sorte hingegen loͤst sich in kaltem Wasser ganz auf, weil darin alle Huͤlsen durch die Roͤstung zerrissen und verkohlt sind. Das geroͤstete Kartoffelstaͤrkmehl kann nun allerdings anstatt des arabischen Gummis zum Verdiken einer groͤßeren Anzahl von Tafelfarben benuzt werden, weil es weniger gefaͤrbt ist als die gebrannte Weizenstaͤrke; dagegen ist es aber auch fuͤr sich allein zu den meisten aͤchten Farben nicht anwendbar, gerade weil es sie farblos laͤßt, was das Druken sehr erschwert, und man muß sich also bei diesen durch Zusaz von Farbstoffabsuͤden oder fein zerriebener Kohle und anderen unschaͤdlichen Substanzen helfenEin Fabrikant in Straßburg liefert gegenwaͤrtig die 50 Kilogramm geroͤstetes Kartoffelstaͤrkmehl fuͤr 35 Franken und dasselbe wird nun auch in den Drukereien des Elsasses immer mehr angewandt..