Titel: Versuche über die Zukerarten und Melassen; von A. Bouchardat.
Fundstelle: Band 59, Jahrgang 1836, Nr. XXXII., S. 197
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XXXII. Versuche uͤber die Zukerarten und Melassen; von A. Bouchardat. Aus dem Journal de Pharmacie. December 1835, S. 627. Bouchardat, Versuche uͤber die Zukerarten und Melassen. Ueber die Wirkung der Saͤuren auf den Zuker. Alle Koͤrper, die sich unter dem Einfluß von Ferment in Kohlensaͤure und Alkohol umaͤndern, muͤssen zur Gattung Zuker gerechnet werden, welche demnach drei Arten umfaßt: 1) den Rohrzuker; 2) den Traubenzuker; 3) den Schwammzuker. Der Ahorn-, Runkelruͤben- und Rohrzuker bilden nur eine einzige und dieselbe Art; von dem Traubenzuker gibt es hingegen mehrere Varietaͤten. Ich beabsichtige im Folgenden nur von der Wirkung der Saͤuren und Alkalien auf die Zukerarten, ferner von der Wirkung der Zukerarten auf einander zu sprechen, weil diese Reactionen bei den technischen Verfahrungsarten in den Manufacturen Anwendungen darbieten. Die Wirkung der Saͤuren auf die Zukerarten ist gewiß eine der interessantesten. Mehrere Chemiker haben bereits Versuche daruͤber angestellt; unter die umfassendsten Arbeiten uͤber diesen Gegenstand gehoͤrt Boullay's Abhandlung uͤber das UlminPolytechn. Journal Bd. XXXVII. S. 23., und die neueste Abhandlung Malaguti's.Polytechn. Journal Bd. LIX. S. 62. Aus folgenden Versuchen wird man ersehen, in welchen Punkten ich mir lezterem Chemiker uͤbereinstimme und in welchen ich von ihm abweiche; wenn er seine Versuche auf die verschiedenen Varietaͤten des Traubenzukers ausgedehnt haͤtte, so wuͤrden unsere Schlußfolgerungen weit mehr uͤbereinstimmen. 29 Gramm Rohrzuker wurden in 50 Gramm Wasser aufgeloͤst, die mit 5 Gramm kaͤuflicher Schwefelsaͤure geschaͤrft waren und im Wasserbade zum Sieden erhizt; in dasselbe Bad stellte man zugleich ein aͤhnliches Gemisch, worin der Rohrzuker durch Staͤrkmehlzuker ersezt war. Einige Minuten anhaltendes Kochen reichte hin, um den Niederschlag von Humussaͤure in der Flasche, welche den Rohrzuker enthielt, zu beseitigen, und die Fluͤssigkeit, welche den Staͤrkmehlzuker aufgeloͤst enthielt, war dann erst schwach gefaͤrbt; nach einstuͤndigem Kochen hatte sich aber in beiden Flaschen der Niederschlag gleichmaͤßig gebildet. Bei diesem Versuche war eine viel zu große Menge Saͤure angewendet worden. Ich nahm nun mehrere Flaschen, wovon jede 50 Gr. Wasser und 1 Gr. kaͤufliche Schwefelsaͤure enthielt und loͤste darin auf: 1) 10 Gr. Rohrzuker; 2) 10 Gr. reinen und krystallisirten Traubenzuker, den ich durch Behandlung des Rohrzukers mit Schwefelsaͤure erhalten hatte; 3) 10 Gr. krystallisirten Traubenzuker, aus getrokneten Trauben bereitet; 4) 10 Gr. krystallisirten Traubenzuker, durch Behandlung von Staͤrkmehl mit Schwefelsaͤure dargestellt. Nach einige Minuten dauerndem Kochen fing in der ersten Flasche Humussaͤure sich abzusezen an; diese Erscheinung stellte sich bald darauf auch in der zweiten ein; es verstrich aber eine geraume Zeit, ehe man in der dritten etwas bemerken konnte, und erst nach sechsstuͤndigem Kochen sezten sich in der vierten Flasche einige leichte Floken ab. Dieser Versuch wurde auf mehrerlei Art abgeaͤndert; wenn man die Menge der Saͤure etwas vermehrt oder noch vermindert, und immer gleichzeitig in demselben Wasserbad operirt, so bildet sich die Humussaͤure unwandelbar in folgender Ordnung: zuerst im Rohrzuker; dann im Traubenzuker, welchen man durch Behandlung von Rohrzuker mit Schwefelsaͤure erhaͤlt, hierauf im eigentlichen Traubenzuker, und viel spaͤter endlich zulezt im Staͤrkmehlzuker. Man ersieht hieraus, daß wenn die zersezende Wirkung der Schwefelsaͤure auf den Rohrzuker zeitig aufgehalten wird, sie nachher viel langsamere Fortschritte macht, als wenn sie auf eine continuirliche Weise thaͤtig ist. Ich habe mich uͤberzeugt, daß alle Saͤuren, die ich versuchte, auf die Zukerarten gleichmaͤßig wirken und sich bloß in der Staͤrke der Einwirkung von einander unterscheiden. Wenn wir aber auch die endliche Wirkung der Saͤuren auf die Zukerarten ziemlich gut kennen, so ist dieß doch keineswegs mit der intermediaͤren Wirkung der Fall, naͤmlich derjenigen, die vor der Bildung von Humussaͤure Statt findet. Ich kochte in drei Theilen Wasser aufgeloͤsten Rohrzuker mit 1/300 Salpetersaͤure, Schwefelsaͤure und Salzsaͤure, und hielt die Wirkung an, sobald sich die geringste Faͤrbung in jeder der drei Flaschen zu zeigen anfing; die Saͤure wurde nun mit Kalkwasser gesaͤttigt und ich erhielt als Product der freiwilligen Verdampfung einen weißen unkrystallisirbaren Syrup von sehr suͤßem und gar nicht bitterem Geschmak. Selbst nach laͤngerer Zeit konnte keine Spur von Krystallisation bemerkt werden. Ich verminderte nun immer mehr die Dosis der Saͤuren und es gelang mir mit bloß 1/1000 Salpetersaͤure ebenfalls einen unkrystallisirbaren Zuker zu erhalten. Alle fixen Saͤuren, die ich versuchte, die Phosphorsaͤure, Aepfelsaͤure, Weinsteinsaͤure, Kleesaͤure, Citronensaͤure etc. bringen dieselbe Wirkung hervor. Wenn man die Zukeraufloͤsung sehr lange kocht, so erleidet sie dieselbe Veraͤnderung wie durch Einwirkung der Saͤuren; um aber einen vollkommen unkrystallisirbaren Syrup zu erhalten, muß man sie mehr als sechszig Stunden lang sieden lassen, waͤhrend mit den Saͤuren einige Minuten meistens hinreichen. Es ist also erwiesen, daß die Saͤuren den Rohrzuker, ehe sie ihn in Traubenzuker umaͤndern, vorher in einen unkrystallisirbaren Zuker verwandeln, der suͤßer schmekt als der Rohrzuker. Ich fuͤhrte zwei gleiche Theile Rohrzuker, wovon der eine in unkrystallisirbaren Zuker verwandelt worden war, der andere aber nicht, in die geistige Gaͤhrung uͤber und erhielt in beiden Faͤllen gleich viel kohlensaures Gas. Der unkrystallisirbare Syrup von den vorhergehenden Versuchen wurde mit 1/125 Schwefelsaͤure vermischt, vier Stunden lang einer Waͤrme von 60° C. (48° R.) ausgesezt, das Gemisch dann mit seinem doppelten Gewicht Wasser verduͤnnt, hierauf mit Kalk gesaͤttigt, und die Fluͤssigkeit, welche einen großen Theil ihres zukerigen Geschmaks verloren hatte, abgedampft; nach einigen Tagen gestand sie zu Zuker; der nicht krystallisirte Antheil wurde mit Alkohol abgesondert, und ich hatte nun eine große Menge gut krystallisirten Traubenzukers. Mit den anderen Saͤuren gelingt der Versuch eben so gut, nur muß man ihre Dosis nach ihrer relativen Staͤrke abaͤndern; erhoͤht man aber die Temperatur uͤber 60° C. (48° R.), so muß man aus den unten angegebenen Gruͤnden sehr aufmerksam seyn. Die Saͤuren verwandeln mit der Zeit auch in der Kaͤlte schon den Rohrzuker in Traubenzuker, was die Pharmaceuten bereits bei ihren sauren Syrupen beobachtet haben und Hr. Boullay auch in seiner Abhandlung uͤber das Ulmin bemerkte. Wenn man dem unkrystallisirbaren Syrup anstatt 1/125 Schwefelsaͤure, davon 1/23 zusezt und die Temperatur bis zum Kochen steigert, so erhaͤlt man nach einigen Minuten eine stark braun gefaͤrbte Fluͤssigkeit, welche nach der Saͤttigung kein Anzeichen von Krystallisation mehr gibt; nach dem Abdampfen hat man eine braune Melasse, die bitter und zugleich suͤß schmekt. Die beste Knochenkohle entfaͤrbt dieselbe nur unvollstaͤndig, und der erhaltene Syrup krystallisirt niemals. Die dunkle Faͤrbung ruͤhrt nicht von einer Aufloͤsung von Humussaͤure im Zuker her, denn ich kochte frisch bereitete Humussaͤure mit Zuker und erhielt nur eine braͤunliche Faͤrbung; es ist dieß eine Verwandlung des krystallisirbaren Traubenzukers in einen neuen unkrystallisirbaren Syrup, den man durch Behandlung des Traubenzukers mit Alkalien, wie wir bald sehen werden, viel leichter darstellen kann. Ueber die im Handel vorkommenden Melassen. Ich habe eine große Anzahl kaͤuflicher Melassen vergleichsweise untersucht, und fand, wie sich dieses nicht anders erwarten ließ, nach den sehr verschiedenen Umstaͤnden ihrer Bereitung, auch ihre Natur sehr wandelbar; sie sind gewoͤhnlich ein Gemenge aller Zukerarten, in welche man den Rohrzuker verwandeln kann, und bestehen also: 1) aus unveraͤndertem Rohrzuker, der in den unkrystallisirbaren Syrupen aufgeloͤst ist; 2) aus dem ersten unkrystallisirbaren Syrup, welcher sich durch Einwirkung der Saͤuren in Traubenzuker verwandeln kann; 3) aus dem schwarzen unkrystallisirbaren Syrup, welcher durch Veraͤnderung des Traubenzukers entsteht; 4) muß außerdem oft Traubenzuker darin vorkommen, welcher durch die Einwirkung der freien Saͤuren des Rohr- oder Ruͤbenzukers auf den Rohrzuker entsteht. Durch die Saͤuren werden die reichen Melassen, d.h. diejenigen, welche am meisten von Rohrzuker und der ersten Varietaͤt des unkrystallisirbaren Zukers enthalten, groͤßten Theils in Traubenzuker umgeaͤndert; arme Melassen nennt man im Gegensaz die, welche nur Traubenzuker und die zweite Varietaͤt von unkrystallisirbarem Zuker enthalten. Ich muß noch beifuͤgen, daß einzig und allein durch Einwirkung von Hize der Rohrzuker niemals in Traubenzuker verwandelt wird; er geht anfangs in den ersten unkrystallisirbaren Syrup uͤber, und spaͤter, besonders bei einer Hize uͤber 110° C. (88° R.) in die zweite Varietaͤt; es war mir aber nie moͤglich die intermediaͤre Varietaͤt des Traubenzukers abzuscheiden. Ueber die Wirkung der Alkalien auf verschiedene Zukerarten. Die Alkalien wirken unter verschiedenen Umstaͤnden sehr verschieden auf den Zuker; so gibt er bekanntlich bei einer gewissen Temperatur mit Aezkali erhizt Humussaͤure, und bei einer anderen Kleesaͤure; in Beruͤhrung mit wasserfreiem Kalk liefert er, wie unlaͤngst Frémy gezeigt hat, Aceton, Metacon und Kohlensaͤure. Es wurden besonders viele Versuche angestellt, um die Wirkung des Kalks auf den Rohrzuker auszumitteln, und diese bietet auch ein besonderes Interesse dar, weil sie bei allen technischen Operationen, denen man den Zuker unterzieht, in Betracht kommt. Daniel, Besizer einer Zukerraffinerie in London, bemerkte zuerst, daß wenn man eine Aufloͤsung von Kalk in Zuker einige Monate stehen laͤßt, sich wasserhaltiger kohlensaurer Kalk bildet, waͤhrend zugleich die Aufloͤsung ihre Eigenschaft verliert und sich in eine derjenigen des Staͤrkmehls aͤhnliche Gallerte umaͤndert; zu dieser Umwandlung sind neun bis zwoͤlf Monate noͤthig: Daniel's Zuker enthielt offenbar einige fremdartige Substanzen, denn Pelouze hat bewiesen, daß die Kohlensaͤure bei diesem Versuche durch die Luft geliefert wird und daß der Zuker nicht zersezt wird, so lange Kalk in der Fluͤssigkeit vorhanden ist; man weiß uͤberdieß, daß eine chemisch reine Zukeraufloͤsung durch die Zeit nicht veraͤndert wird, wenn sie gegen die Sonne verwahrt ist. Bis jezt hat man nur immer die Wirkung des Kalkwassers auf den Zuker bei der gewoͤhnlichen Temperatur untersucht. Da sie aber in mehreren Perioden der Fabrikation bei Einwirkung von Hize mit einander in Beruͤhrung sind, so veranlaßte mich dieß, die Wirkung des Kalks auf die vorher angefuͤhrten Zukerarten bei erhoͤhter Temperatur auszumitteln: ich brauche aber bloß von dem Verhalten des Kalkwassers zu dem Rohr- und Traubenzuker zu sprechen, da sich die verschiedenen Varietaͤten des leztern alle gleich verhielten. Eine Aufloͤsung von einem Theil Rohrzuker in vier Theilen Wasser, mit Kalk in Ueberschuß versezt, wurde in einer gut verkorkten Flasche vom 15. Jan. v. J. bis zum 19. Maͤrz einer Temperatur von 60° C. (48° R.) ausgesezt, dann die klare Fluͤssigkeit abgegossen, mit Schwefelsaͤure genau gesaͤttigt und filtrirt, worauf sie beim Abdampfen Krystalle von Rohrzuker lieferte. Eine aͤhnliche Aufloͤsung von Rohrzuker, welche denselben 15. Jan. mit einem Ueberschuß von Kalk in eine genau verschlossene Flasche gebracht worden war, wurde den 20. Septbr. untersucht; es hatte sich kein wasserhaltiger kohlensaurer Kalk wie bei Daniel's Versuchen darin gebildet, weil die Fluͤssigkeit nicht mit der Luft in Beruͤhrung kam, und die gesaͤttigte Aufloͤsung lieferte beim Abdampfen noch Krystalle von Rohrzuker; das Resultat, welches Daniel erhielt, war also offenbar nicht eine Folge der Einwirkung des Kalks. Das Zukerwasser loͤst eine so große Menge Kalk auf, daß wenn man die oben beschriebene Aufloͤsung mit Schwefelsaͤure saͤttigt, die Fluͤssigkeit durch die große Menge des gebildeten schwefelsauren Kalks zu einer Masse gesteht. Ich wende in meinem Laboratorium diese Aufloͤsung von Kalk in Zukerwasser jedes Mal an, wenn ich ein aͤzendes Alkali brauche und der Zuker den Resultaten, die ich erhalten will, nicht schadet. Ich sezte auch die verschiedenen Varietaͤten von Traubenzuker, jede besonders in Wasser aufgeloͤst, mit einem Ueberschuß von Kalk in gut verschlossenen Gefaͤßen vom 6. Jan. bis zum 19. Maͤrz einer Temperatur von 60° C. aus; schon in den ersten Tagen faͤrbten sich die Aufloͤsungen stark und nach und nach immer mehr; ich beseitigte nun den Kalkuͤberschuß durch einen Strom von kohlensaurem Gas, dampfte die filtrirte Fluͤssigkeit ab und erhielt dadurch ein braunes Extract, welches nicht mehr suͤß, sondern bitter schmekte, sich in Wasser und Alkohol sehr leicht aufloͤste und nicht mehr in die geistige Gaͤhrung uͤberging. Ich werde spaͤter wieder auf dasselbe zuruͤkkommen, denn wahrscheinlich ist es die Substanz, welche sich vor der Humussaͤure bildet. Sie entsteht, wenn sich der Traubenzuker durch Saͤuren in unkrystallisirbaren Zuker verwandelt; ich habe mich uͤberzeugt, daß eine geringe Menge von dieser Substanz hinreicht, um eine sehr große Menge Traubenzuker und sogar noch unveraͤnderten Rohrzuker unkrystallisirbar zu machen. Berzelius widerspricht der Behauptung, daß der Kalk in der Kaͤlte den Traubenzuker braͤunt. Den 30. Jan. versezte ich 100 Gr. Traubenzuker, in 50 Gr. Wasser aufgeloͤst, mit einem Ueberschuß von Kalk, und ließ das Gemenge bei gewoͤhnlicher Temperatur bis zum 3. April stehen; uͤber dem Kalk stand nach dieser Zeit ein geringer Niederschlag von rosenrother Farbe; die bloß gelbe Fluͤssigkeit wurde durch Neutralisation mit Schwefelsaͤure merklich braun; die filtrirte Fluͤssigkeit zeigte nach dem Abdampfen keine Spur von Krystallisation. Alle Varietaͤten des Traubenzukers gaben aͤhnliche Resultate; mit nicht vollstaͤndig gereinigtem Harnruhrzuker war der Kalkniederschlag sehr schoͤn rosenfarbig. Wirkung der Zukerarten auf einander. Man glaubte den Rohrzuker dadurch verfaͤlschen zu koͤnnen, daß man ihn mit Staͤrkmehlzuker zusammenkrystallisirt; folgende Versuche zeigen aber, daß dieses nicht moͤglich ist. Ich loͤste 20 Gr. Staͤrkmehlzuker (durch Behandlung des Staͤrkmehls mit Schwefelsaͤure erhalten) in 32 Gr. Wasser auf und ließ den Syrup in einer heißen und trokenen Luft freiwillig verdampfen; nach zehn Tagen bemerkte man darin noch keine Spur von Krystallisation, und erst viel spaͤter fand ich in der teigartigen Fluͤssigkeit einige Krystalle, die dem System des Rohrzukers anzugehoͤren schienen. Ich kochte gleiche Theile Syrup von Rohr- und Traubenzuker mit thierischer Kohle und erhielt dadurch einen vollkommen klaren Syrup, der aber weniger suͤß schmekte als vorher; das Gemisch krystallisirte nach zwei Monaten allmaͤhlich und gestand ganz zu einer festen Masse; die Krystalle waren aber dieses Mal nicht mehr Rohr-, sondern Traubenzuker, und der zuruͤkgebliebene unkrystallisirbare Zuker entsprach nicht 1/5 des angewandten Rohrzukers; lezterer hatte sich also in diesem Falle in Traubenzuker umgeaͤndert. Wiederholte Versuche ergaben, daß der unkrystallisirbare Zuker, welcher in diesen beiden Faͤllen zuruͤkblieb, ein Gemenge der beiden Zukerarten war. Anwendung der vorhergehenden Versuche auf die Zukerfabrikation. Fabrikation und Raffination des Rohr- und Runkelruͤbenzukers. – Wir haben gesehen, daß der Kalk selbst bei der Siedhize der Syrupe keinen zerstoͤrenden Einfluß auf den Rohrzuker ausuͤbt; diese Versuche erklaͤren sehr' gut die gluͤkliche Anwendung, welche man davon taͤglich in den Fabriken macht; ich habe mich auch uͤberzeugt, daß die aufloͤslichen Kalksalze eben so wenig nachtheilig wirken; ganz anders verhaͤlt es sich aber mit den Saͤuren, selbst wenn sie außerordentlich verduͤnnt wurden; sie verwandeln zuerst den krystallisirbaren Zuker in einen weißen unkrystallisirbaren Zuker, dann bei groͤßerer Menge in Traubenzuker, hierauf in eine zweite Zukerart, die in Folge ihrer Verbindung mit einer braunen Substanz unkrystallisirbar zu seyn scheint, und zulezt endlich in Humussaͤure etc. Es gibt auch noch eine dritte Art von unkrystallisirbarem Zuker, welche durch Einwirkung des Rohrzukers auf den Traubenzuker entsteht; sobald ein Zuker aber von einer Varietaͤt in die andere uͤbergegangen ist, kann man ihn unmoͤglich mehr in die erstere uͤberfuͤhren. Bei der Bearbeitung des Rohr- und Runkelruͤbenzukers ist es also von der hoͤchsten Wichtigkeit, die freien Saͤuren schnell zu saͤttigen, damit sie keinen nachtheiligen Einfluß ausuͤben koͤnnen, und die Ruͤben nur so lange, als es durchaus noͤthig ist, aufzubewahren, denn wenn die Lebenskraft in denselben abnimmt, gewinnen die chemischen Kraͤfte die Oberhand und veraͤndern den Zuker, was besonders schnell geschieht, wenn die Ruͤben salpetersaures Kali enthalten; wir haben oben die zerstoͤrende Einwirkung der Salpetersaͤure auf den Zuker kennen gelernt und nach Berthollet's Geseze muß solche in freiem Zustande in jeder Fluͤssigkeit vorkommen, die eine freie Saͤure und salpetersaures Kali enthaͤlt. Obgleich die Ruͤbenzukerfabrikation gegenwaͤrtig sehr große Fortschritte gemacht hat, so erhaͤlt man doch nach den besten Verfahrungsarten nur 6 Proc. Zuker aus den Runkelruͤben, waͤhrend diese 10 Proc. enthalten und aller Wahrscheinlichkeit nach kommt darin urspruͤnglich gar kein unkrystallisirbarer Zuker vor, sondern entsteht erst bei ihrer Behandlung in Folge einer Zersezung des krystallisirbaren. Fabrikation des Staͤrkmehlzukers. – Die Fabrikation des Staͤrkmehlzukers hat in Frankreich bei weitem keine so großen Fortschritte gemacht, wie die Ruͤbenzukerfabrikation. Der Handel lieferte bisher den Braͤuern nur einen schwarzen Syrup von sehr unangenehmem Geschmak; seit den neueren Versuchen von Biot, Payen und Persoz hat sich dieser Industriezweig jedoch verbessert und ausgedehnt, und man muß gestehen, daß die Producte der Fabrik in Neuilly, und besonders die des Hrn. Beudant in vielfacher Hinsicht schon genuͤgend sind. Die Anwendung der gekeimten Gerste zur Fabrikation von Staͤrkmehlsyrup ist jedoch nicht so vortheilhaft, als man glauben sollte; es ist naͤmlich sehr schwer, immer Malz von gleicher Wirksamkeit zu erhalten; auch wird haͤufiger, als man glaubt, mit Schwefelsaͤure bereiteter Syrup als Dextrinsyrup verkauft. In den Fabriken beruͤksichtigt man bis jezt die Bedingungen, welche zum vollstaͤndigen Gelingen der Syrupbereitung mittelst Schwefelsaͤure noͤthig sind, noch nicht gehoͤrig; ich will sie kurz anfuͤhren: 1) muß man moͤglichst wenig Schwefelsaͤure anwenden, aber sie laͤnger einwirken lassen, und sie nicht eher neutralisiren, als bis sich das Staͤrkmehl ganz in Zuker verwandelt hat; dieß ist der Fall, wenn eine Portion der Fluͤssigkeit, mit dem Dreifachen von Alkohol versezt, keinen Niederschlag mehr gibt; 2) muß man die Saͤure saͤttigen, nachdem die Umwandlung des Staͤrkmehls vollstaͤndig ist; denn wir haben gesehen, daß wenn man diese Graͤnze uͤberschreitet, die Saͤure auf den Zuker wirkt; 3) es ist viel besser Dampf anstatt des directen Feuers anzuwenden; 4) die Saͤttigung und Klaͤrung erfordern eine besondere Sorgfalt und gerade hierin fehlen alle Fabrikanten; sezt man beim Saͤttigen der Saͤure zu viel Kalk zu, so wird der Zuker, wie wir gesehen haben, schnell geschwaͤrzt und vollkommen veraͤndertDer Staͤrkmehlzuker ist naͤmlich mit dem sogenannten Traubenzuker identisch.A. d. R.; es ist daher besser, wenn man der Fluͤssigkeit etwas wenige freie Saͤure laͤßt, als wenn man die Neutralisation uͤberschreitet. Die Wahl der Kohle zum Klaͤren sezt die Fabrikanten in nicht geringe Verlegenheit; einige nehmen Knochenkohle, andere Schieferkohle, wieder andere ein Gemenge dieser beiden, aber mit sehr zweifelhaftem Erfolg; dieß ruͤhrt daher, daß die Kohle geringe Quantitaͤten von Kalk oder Alkali oder Schwefelmetallen enthaͤlt, die nur sehr unbedeutend zu seyn brauchen, um den Syrup waͤhrend des Abdampfens zu faͤrben und seiner Krystallisation zu schaden. Ich habe mich immer mit dem besten Erfolg der Kohle bedient, welche man in den Berlinerblaufabriken beim Schmelzen von Horn und Blut mit Potasche erhaͤlt; sie muß aber mit Salzsaͤure und dann mit Wasser ausgesuͤßt werden. Diese Kohle entfaͤrbt den Staͤrkmehlzuker sehr gut und ist in Paris wohlfeil, weil die zahlreichen Berlinerblau-Fabrikanten keinen anderen Absaz dafuͤr haben, als an die Oekonomen. Mittelst der oben angegebenen Vorsichtsmaßregeln laͤßt sich wohlfeil sehr schoͤner und gut krystallisirter Staͤrkmehlzuker ohne fremdartigen Beigeschmak bereiten, und zwar erhaͤlt man hiebei keinen Abfall von unkrystallisirbarem Zuker; dieser Staͤrkmehlzuker verdient gewiß sowohl zu pharmaceutischen als zu technischen Zweken den unvollkommenen Syrupen vorgezogen zu werden, welche gegenwaͤrtig im Handel vorkommen, die schwer zu transportiren sind, meistens einen sehr unangenehmen Geschmak haben, oft 40 Proc. aufloͤsliches, nicht in Zuker verwandeltes Staͤrkmehl enthalten, und sehr leicht in Gaͤhrung kommen.