Titel: Erfahrungssäze über die Eigenschaften der Seidenfäden; von Robinet.
Fundstelle: Band 91, Jahrgang 1844, Nr. CVI., S. 400
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CVI. Erfahrungssaͤze uͤber die Eigenschaften der Seidenfaͤden; von Robinet. Aus dem Moniteur industriel, 1844, No. 786. Robinet, Erfahrungssäze über die Eigenschaften der Seidenfäden. Dike der Seide. — Wenn man mehrere Fäden einer und derselben Seide vereinigt, so ist die Dike der verbundenen Seidenfäden kein Multiplum der Anzahl der Fäden. Die Dike nimmt immer ab, so daß die Seide von neun Cocons, der Dike nach, nicht das Dreifache ist von der Seide von drei Cocons. Bei aus groben Fäden bestehender Seide tritt dieß noch augenscheinlicher hervor als bei Seide aus feinen Fäden. Der Unterschied kann ein Viertheil betragen, d. h. die grobe Seide verliert, bei gleicher Anzahl der Coconfäden, 25 Proc. mehr an ihrer Dike als die feine. Um aus denselben Coconfäden eine zweimal so starke Seide zu erhalten wie mit vier Coconfäden, braucht man deren neun statt acht. Das Volum der Seide aus vier Coconfäden reducirt sich, im Vergleich zu der aus drei, um 2,8 Proc.; das der Seide aus fünf Fäden um 4,8 aus sechs Fäden um 7,2 Proc. etc. Stärke (Zähigkeit) der Seide. — Die Zähigkeit oder Festigkeit der Seide steht nicht im Verhältniß zu ihrer Dike. Die Festigkeit der aus zunehmender Anzahl Fäden bestehenden Seidensorten nimmt in rascherem Verhältniß zu als das Volum dieser Sorten; mit andern Worten: die Festigkeit nimmt in der aus zunehmender Anzahl Fäden bestehenden Seide in wachsenden Differenzen zu. Die Festigkeit der aus gleicher Anzahl Fäden bestehenden Seidensorten nimmt mit ihrem Volum zu, aber in abnehmenden Differenzen; mit anderen Worten: die feinste Seide ist, unter übrigens gleichen Umständen, verhältnißmäßig die stärkste oder zäheste. Die Festigkeit der zusammengesezten Seide wächst im Verhältniß der unter den Fäden stattfindenden Berührung. Die aus sieben Fäden bestehende Seide ist verhältnißmäßig die festeste. Dehnbarkeit der Seide. — Bei aus der gleichen Anzahl Fäden bestehender Seide ist die relative Dehnbarkeit dem Volum nicht proportional. Bei einer und derselben Seide wächst die absolute Dehnbarkeit in einem sehr schwachen Verhältniß mit dem Volum. Bei aus zunehmender Anzahl Fäden bestehenden Seidensorten steht die Verlängerung nicht im Verhältniß zum Volum. Bei denselben Seidensorten ist die relative Dehnbarkeit beinahe in umgekehrtem Verhältniß den Volumen proportional. Bei denselben Seidensorten nimmt die absolute Dehnbarkeit in einem gewissen Verhältniß mit der Anzahl der Fäden zu. Diese Zunahme der Dehnbarkeit ist eine successive und hat eine gewisse Regelmäßigkeit. Bei gleichem Volum ist jene Seide die dehnbarste, welche aus den meisten Fäden besteht; mit andern Worten: von zwei Seiden von derselben Dike, deren eine aus fünf und die andere aus sechs Fäden besteht, ist die leztere die dehnbarere. Während demnach die Zunahme des Volums bei, aus derselben Anzahl Fäden bestehenden, Seidensorten von beinahe unmerklichem Einfluß ist auf die Dehnbarkeit der Seide, vergrößert hingegen die Vermehrung der Anzahl der Fäden die Dehnbarkeit in bedeutendem Verhältniß. Die gemeinschaftliche Kraft (Solidarität) der Fäden ist indessen sehr verschieden, was Festigkeit und was Dehnbarkeit anbelangt. Die Solidarität macht die Festigkeit in einer stärkern Progression zunehmen, als die der Anzahl der Fäden, während die Dehnbarkeit diese Progression bei weitem nicht erreicht. Jedenfalls haben die feinen Seiden den Vorzug vor den groben, was Kraft und Elasticität anbelangt. Brechen der Seidenfäden. — Zusammengesezte Seidenfäden brechen auf verschiedene Weise. Ein Fall ist, daß sie sich an gewissen Stellen von einander trennen und sie dann brechen, sobald ihre Solidarität aufhört. Ein zweiter Fall ist, daß das Brechen durch das Dünnerwerden jenes Theils des Fadens herbeigeführt wird, der dem Ziehepunkt am nächsten ist, und es tritt bei diesem Theil am öftesten ein. Die längern Fäden leisten etwas längern Widerstand als die andern, d. h. sie tragen ein etwas größeres Gewicht und verlängern sich in stärkerm Verhältniß. Es ist daher bei den verschiedenen Operationen, welche mit der Seide behufs ihrer Abhaspelung und Moulinirung vorgenommen werden, anzurathen, den Zieh- und den Widerstandspunkt von einander zu entfernen.