Titel: Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten.
Autor: L. Kohlfürst
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 102
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Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. Von L. Kohlfürst. (Fortsetzung von S. 90 d. Bd.) Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. In weiterer Ausgestaltung der zwangläufig gesteuerten Blockfeldauslösungen (vergl. D. p. J. 1905, S. 440 usw.) führen die Wiener Südbahnwerke seit vorigen Jahres für den gemeinsamen Betrieb mit Gleich- und Wechselströmen geeignete Einrichtungen aus, welche mit den gewöhnlichen Siemens-Halskeschen Blockfeldern fast in allen Teilen übereinstimmen. Wesentliche und ganz eigenartige Abweichungen bestehen jedoch darin, daß der Auslöserechen z (Fig. 912) nicht dreieckige, sondern nahezu rechteckige Zähne hat und von seiner Drehachse bezw. vom ganzen Block vollkommen isoliert ist, sowie daß auch die beiden mit den Elektromagnetspulen m1 bezw. m2 durch Zuführungsdrähte ppp bezw. qqq (Fig. 9, 10 und 11) verbundenen Schneiden s1 und s2 isoliert in den Anker a eingesetzt sind und daher beim Eingreifen in den Rechen zu diesem eine leitende Verbindung herstellen. Eine weitere Kontaktvorrichtung vermittelt die Fortsetzung des Stromweges vom Zahnrechen z zu einer der beiden Leitungen l1 oder l2 (Fig. 9, 10 und 13), je nachdem ein im Rechen eingesetzter Kontaktstift i (Fig. 913) die eine oder die andere der im Gestelle angebrachten Federn f1 oder f2 berührt. Textabbildung Bd. 322, S. 102 Fig. 9. Textabbildung Bd. 322, S. 102 Fig. 10. Diese Anordnung ist bestimmt vorwiegend für Auslösevorrichtungen Verwendung zu finden, bei welchen die Blockung, wie bei den gewöhnlichen Wechselstromblockwerken mittels eines von Hand anzutreibenden Siemensinduktors durchzuführen ist, dessen Wechselströme über alle beiden hintereinander geschalteten Elektromagnetspulen laufen, wogegen die Entblockung durch Batterieströme bewirkt wird, welche der fahrende Zug hervorruft und die abwechselnd nur über die eine oder die andere Magnetspule gelangen und wie Fig. 9 und 10 ersehen lassen, über den Rechen z in die Leitung l1 oder l2 eintreten. Textabbildung Bd. 322, S. 102 Fig. 11. Der bei den Entblockungsströmen erforderliche Wechsel der Spulen m1 und m2 wird, vermöge der schon eingangs erwähnten Anordnung des einen Rechenkontaktes durch die Schneiden s1 und s2 beim abwechselnden Eingriff in die Zähne des Rechens besorgt. Durch die diesen Weg nehmenden Ströme treten ganz gleiche Hin- und Herschwingungen des Ankers a ein, wie bei der Betätigung des Elektromagnetes mittels Wechselströmen, weil ersichtlichermaßen die Schaltung derart durchgeführt ist, daß die jeweilig in den Rechen eingreifende und den Stromweg herstellende Schneide s1 und s2 mit jener Elektromagnetspule in Verbindung steht, deren Polschuh die nächstfolgende Ankerbewegung zu bewirken hat, wodurch das Ankerspiel besonders gesichert wird, weil der zum Ankeranziehen erforderliche Strom bei jeder der beiden Ankerlagen so lange andauert, bis sich das Umwerfen der Ankerzunge richtig vollzieht. Textabbildung Bd. 322, S. 103 Fig. 12. Während der in Fig. 12 gekennzeichneten Grundstellung ist die Auslösevorrichtung geblockt, d.h. die Verschlußstange liegt tief, ebenso der Rechen z; dagegen befindet sich die Druckstange in der Hochlage, in welcher sie von der Sicherheitsklinke festgehalten wird. Gleichzeitig besteht ein Stromweg vom Rechen z zur Feder f1, da letztere den Stift i berührt, wogegen die Feder f2 isoliert bleibt. Das Fensterchen des Blockfeldes zeigt schwarz. Bei der während dieser Grundstellung bestehenden in Fig. 9 schematisch dargestellten Stromlaufanordnung kann ein Schluß der Batterie B nicht stattfinden, weil die das Blockfeld mit dem Streckenstromschalter k verbindenden Leitungen l, l1 und l2 zwischen der Kontaktfeder a und dem Stromschlußstück 7, ferner im Stellwerkskontakt c und schließlich im Blockfeld beim Auslöserechen z zwischen i und f2 unterbrochen sind. Der Streckenstromschalter k hat die seinerzeit in D. p. J. (1905, S. 442) ausführlich beschriebene Einrichtung; sobald das erste Räderpaar eines Zuges auf k gelangt, wird die Grundstellung (Fig. 9), bei welcher der Stromweg a, 7 unterbrochen und b, 8 geschlossen ist, in die in Fig. 10 gezeichnete Arbeitslage gebracht, bei welcher a und 7 in Berührung treten, b und 8 hingegen außer Kontakt gelangen. Wenn dann der Zug den Streckenstromschalter völlig überfahren hat und seine letzte Radachse k verläßt, geht der den Kontaktwechsel bewirkende Rollendaumen d wieder hoch und k gewinnt demzufolge die ursprüngliche Ruhestellung wieder zurück. Hierzu kommt noch zu bemerken, daß unter den Umständen, welche die Fig. 913 hinsichtlich der Anwendung des in Rede stehenden Blockfeldes – als Auslösevorrichtung – voraussetzt, das Signalstellwerk in bekannter Weise den Kontakt c schließt, wenn das Signal für Freie Fahrt gezogen ist, wie in Fig. 10 und 13, wogegen während der normalen Haltlage des Signals (Fig. 9) der Stellwerkskontakt c keinen Stromübergang gewährt. Textabbildung Bd. 322, S. 103 Fig. 13. Angenommen, es würde nun das Signal S auf Freie Fahrt gestellt und der Zug, welchem damit die Fahrt erlaubt worden ist, beim Strecken-Stromschalter k angelangt sein, so tritt in k die Arbeitstellung (Fig. 10) ein; es findet sonach ein Strom von B (Fig. 12) seinen Weg über l, m1, 5, 4, s, z, i, f1, l1, c, 7, a und k seinen Weg, der sich nach Umwerfen der Ankerzunge in l, m2, 2, 1, s2, z, i, f1, l1, c, 7, a und k umwandelt und in gleicher Weise abwechselnd über m1 oder m2 verläuft, bis der Rechen z seinen halben Weg zurückgelegt hat, in welchem Augenblick die Berührung zwischen i und f1 aufhört, weil diese Feder durch einen am Gestell isoliert angebrachten Stift v (vergl. auch Fig. 11) aufgehalten wird, während i bereits die Feder f2 erreicht hat und nun die letztere berührt. Dank dieser Aenderung im Zahnrechenkontakt hört nunmehr der die Ankerbewegungen bewirkende Strom auf, denn nebst der zwischen l und l1 entstandenen Unterbrechung bleibt ja auch, so lange der Zug den Streckenstromschalter befährt, die von f2 zur Batterie führende Leitung l2 bei b 8 unterbrochen. Während der eben in Betracht gezogenen in Fig. 10 schematisch dargestellten Halbstellung des Rechens z befindet sich die Verschlußstange des Blockfeldes noch in der Tieflage, ebenso bleibt die Sicherheitsklinke eingeklinkt, weshalb also eine Gebrauchsnahme der Druckstange verwehrt ist. Erst wenn der Zug über k hinweggelangt und der Streckenstromschalter die in Fig. 12 gezeichnete Ruhelage zurückerhält, tritt B neuerdings in Wirksamkeit, indem ihr Strom über l, dann abwechselnd über m, 5, 4, s oder m2, 2, 1, s2, ferner über z, i, f2, l2, 8, b, k einen geschlossenen Weg findet. Die hierdurch erzeugten Schwingungen der Ankerzunge veranlaßt den Rechen z seinen Weg nach aufwärts wieder aufzunehmen und so lange fortzusetzen bis er seine Endstellung (Fig. 11) erreicht, in welchem Zeitpunkte zunächst die Ankerschneide s2 und unmittelbar hinterher s1 den Eingriff in die Zähne des Rechens verliert und sonach jede weitere Stromgebung von selbst aufhört. Zu Ende dieses Vorganges hat die halbdurchfeilte Achse des Rechens die Verschlußklinke sowie die Verschlußstange freigegeben, wodurch auch die Sicherheitsklinke ausgehoben und sonach die Freimachung des Blockfeldes in gewöhnlicher Weise vollzogen wurde. Hierbei hat sich das schwarze Fensterchen in weiß umgewandelt. Textabbildung Bd. 322, S. 104 Fig. 14. Nunmehr läßt sich die Druckstange benutzen und es können, nachdem mit derselben die Stromwege 1, 2 (Fig. 12) und 4, 5 gelöst und dafür 2, 3 und 5, 6 hergestellt worden sind, für Entblockung anderer Felder, zu Ueberprüfungen oder für sonstige Arbeitsleistungen mittels des Induktors Wechselströme in die Linie L1, L2 entsendet werden, welche unter einem als ihre Hauptaufgabe die Blockung des bedienten eigenen Feldes durchführen, indem sie über 6, 5, m2, m1, 2, 3 ihren Weg nehmen müssen und sonach in gewöhnlicher Weise die Tieflage des Rechens festlegen. Hierbei ist das weiß gewesene Fensterchen der zurückgewonnenen Normallage des Blockfeldes entsprechend wieder schwarz geworden. Gelegentlich der weiter oben erwähnten Besprechung der Einrichtung zwangläufig gesteuerten Blockfeldauslösungen (D. p. J. 1905, S. 440) ist hervorgehoben worden, daß die bei diesen Anordnungen zur guten Kontaktgebung zwischen Rechen und Ankerschneiden erforderlichen rechteckigen oder vielmehr etwas trapezförmigen Zähne vermöge dieser Form der verläßlichen Arbeit nennenswerten Vorschub leisten und sich hierin günstiger erweisen als die sonst im allgemeinen verwendeten dreieckigen Rechenzähne. Ueber das Nähere dieses Verhältnisses hat nun vor kurzem Professor R. Edler am k. k. Technologischen Gewerbemuseum in Wien auf dem Wege graphischer Statik Feststellungen durchgeführt, welche als erste theoretische Untersuchung eines der wichtigsten Teile des Siemensschen Blockverschlußes besonderes Interesse erwecken. Die Lösung der Aufgabe erfolgte mit Hilfe der in Fig. 13 und 14 dargestellten Konstruktionszeichnungen, worin als Grundlage nur ein Stück des Rechenzahnkranzes und die beiden Schneiden s1 und s2 der Hemmung am polarisierten Anker dargestellt erscheint. Für beide Zahnformen ist dieselbe gegenseitige Lage, genau die gleiche Größe und der gleiche Weg für die beweglichen Teile angenommen. Ebenso erstreckt sich beiderseits die Untersuchung lediglich auf das Kräftespiel in der Tieflage des Rechens bei gesperrter Riegel- (Arretierungs-) Stange, da nur in dieser Stellung der auf der Druckstange gleitende Schlitten unter dem Einflüsse der gespannten Schlittenfeder den Rechen hochzudrehen sucht und eben nur unter dieser Voraussetzung sich durch das unbeabsichtigte Aufwärtslaufen des Rechens ein bedenklicher Anstand ergeben könnte. Bei dem in Fig. 13 behandelten Fall der Dreieckzähne überträgt die gespannte Schlittenfeder auf den Rechen eine Kraft, welche man auf den Berührungspunkt A oder B zwischen Zahnbogen und Ankerschneide reduzieren kann; diese im richtigen Verhältnis der Hebelarme reduzierte Kraft P wirkt in der Richtung der Tangente, die im Punkte A (oder B) an den Zahnbogen gelegt werden kann und erhielt im graphischen Entwürfe die Abmessung von 100 mm. Werden zuerst die Verhältnisse beim Eingriff der oberen Ankerschneide s1 (Fig. 13) geprüft, so kann man die im Punkte A wirkende Umfangkraft in zwei Komponenten zerlegen, von denen die eine N senkrecht zur Zahnfläche die zweite P1 hingegen in der Richtung des Rechenhalbmessers gelegt ist, so daß letztere auf die Ankerschneide keine Wirkung ausübt, sondern lediglich von der Lagerachse O1 aufgenommen wird. Die Kraft N läßt sich ihrerseits wieder in zwei Komponenten P2 und X zerlegen, derart, daß P2 durch die Ankerachse O2 aufgenommen wird und daselbst lediglich den Lagerdruck erhöht, während die Kraft X in der Richtung der Tangente TT im Punktet an jenen Kreis wirkt, der von der Spitze A der Ankerschneide s1 bei der pendelnden Bewegung des Ankers beschrieben wird. Eben diese Kraft X ist es also, welche rechtshin wirkend die obere Ankerschneide nach rechts auszuwerfen strebt und derselben wirken nachstehende Kräfte entgegen: a) die magnetische Zugkraft des polarisierten Elektromagnetankers; b) die auf den Kreis K reduzierte Reibung in den Körnerspitzen des Ankers; c) die in der Richtung TT fallende Komponente R1 des Reibungsbetrages R zwischen Ankerschneide und Zahnbogen; endlich d) allenfalls das Uebergewicht des Ankers, falls sein Schwerpunkt nicht genau in die Drehachse O2 liegt, doch kann diese Einflußnahme in Anbetracht seiner Außergewöhnlichkeit und Geringfügigkeit unberücksichtigt werden. Von den angeführten Gegenkräften ist die unter a angeführte von dem magnetischen Zustand des Ankers abhängige Ankeranziehung wohl die wichtigste und einzig maßgebende; sie wird sich bei Schwächung des Ankermagnetismus wesentlich herabmindern können. Dagegen darf die im Verhältnisse der Hebelarme reduzierte unter b angeführte Reibung mit Rücksicht auf das Größenverhältnis der Hebelarme und der Geringfügigkeit der Reibung in den Ankerkörnerspitzen kaum irgendwie von Einfluß gelten. Was aber die unter c genannte Kraft R anbelangt, so läßt sich dieselbe in Fig. 13 aus dem Normaldruck N bestimmen, da R = fN ist und der Koeffizient f für die Reibung zwischen Stahl und Messing reichlich mit 0,20 angenommen werden darf. R kann in zwei Komponenten R1 und R2 zerlegt werden, von denen nur die erstere der Kraft X entgegenwirkt, während R2 in die Richtung von P2 fällt. Wie nun aus Fig. 13 ersehen werden kann, beträgt rücksichtlich des Punktes A die Größe der Kraft X, im Maßstab der Kraft P ausgedrückt, 69 mm, so daß sich X = 0,69 P ergibt. Genau dieselbe Kräftezerlegung, welche vorhin für den Punkt A Anwendung fand, nunmehr für den Punkt B durchgeführt, ergibt rücksichtlich des Angriffpunktes B der unteren Ankerschneide s2 die Kraft X mit 52 mm, d.h. X = 0,52 P. Wendet man die gleiche Untersuchungsweise für die Viereckzähne (Fig. 14) an, so stellt sich unter Zugrundelegung derselben Umfangskraft, die hier lediglich zur leichteren Unterscheidung statt mit P mit P0 (100 mm) bezeichnet worden ist, hinsichtlich des Punktes A die schädliche Kraft X0, welche die Hemmung zu beseitigen sucht, mit 0,08 mm heraus, d.h. hier ist X = 0,08 P0. Bei der unteren Ankerschneide s2 (Fig. 14) wirkt die Kraft X0 sogar nach einwärts, so daß von ihr die Hemmung nicht nur nicht ausgeworfen, sondern sogar festgehalten wird; die Größe von X0 beträgt dabei, ausgedrückt im Maßstab der Kraft P0, bloß 9 mm, so daß sich X0 = 0,09 P0 herausstellt. Durch diese Ergebnisse und den einfachen Vergleich, der für die Dreieckzähne gefundenen X-Werte mit den X0-Werten, die sich für die Viereckzähne ergeben, erscheint die namhafte Ueberlegenheit der letztgenannten Zahnform gegenüber der erstangeführten in Bezug auf zufällige Verschlußlösungen, welche etwa – beispielsweise beim Unmagnetischwerden der Ankerzunge – durch unbeabsichtigte Drehung des Zahnrechens herbeigeführt werden könnten, zweifellos festgestellt. (Schluß folgt.)