Titel: Das neue Verfahren der Naturfarbenphotographie von A. Lumière und L. Lumière.
Autor: H. Frederking
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 713
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Das neue Verfahren der Naturfarbenphotographie von A. Lumière und L. Lumière. Von Dr. H. Frederking, Gr.-Lichterfelde. Das neue Verfahren der Naturfarbenphotographie von A. und L. Lumière. Es sind jetzt ungefähr drei Jahre verflossen, seitdem die Herren A. & L. Lumière in Lyon die photographische Welt mit der Mitteilung überraschten, daß es ihnen gelungen sei, ein Verfahren zur photographischen Aufnahme und Wiedergabe der Naturfarben auszuarbeiten, das alles bisher auf diesem Gebiete Erreichte weit hinter sich lassen sollte. Das Streben nach Farbe und die Farbenfreudigkeit, die sich in unserer Zeit auf fast allen Gebieten der Kunst und des Kunstgewerbes geltend machen, hatte wohl nicht zum wenigsten mit dazu geführt, mit rastlosem Eifer an der Ausgestaltung des Problems der photographischen Wiedergabe der Naturfarben zu arbeiten. Zahlreiche Verbesserungen und Fortschritte hatten die Ergebnisse dieser Arbeiten in den letzten zehn Jahren gebildet und ihnen ist es zu danken, daß vieles, was auf farbenphotographischem Gebiete vorher nicht über das Stadium interessanter Laboratoriumsversuche herausgekommen war, heute bereits die Feuerprobe praktischer Brauchbarkeit bestanden hat. Als die erste Mitteilung über das Lumièresche Farbenverfahren erfolgt war, in der die Erfinder zugleich offen und klar die Prinzipien desselben darlegten, da hat wohl niemand der genialen Idee seine Bewunderung versagen können. Allein gar bald wurden Zweifel laut, ob das Verfahren jemals zu allgemeiner praktischer Verwendbarkeit gelangen würde, da man sich nicht verhehlen konnte, daß der technischen Ausführung gewaltige Schwierigkeiten entgegenstanden, die vielen auf den ersten Blick unüberwindlich erscheinen mußten. Und dennoch sind diese Schwierigkeiten nach dreijähriger mühevoller Arbeit überwunden worden. Seit dem Sommer dieses Jahres werden die „Autochromplatten“ der Gebrüder Lumière fabrikmäßig hergestellt und in den Handel gebracht. Diese Tatsache stellt der Energie und dem Geschick der Herren Lumière, denen übrigens die photographische Wissenschaft schon eine große Reihe hochwichtiger Forschungsergebnisse verdankt, gewiß das glänzendste Zeugnis aus, und es ist schwer zu entscheiden, ob die geniale Idee der Erfindung oder die Ausführung derselben größere Bewunderung verdient. Von den bisher bekannten farbenphotographischen Verfahren sind es nur die indirekten Methoden. der sogen. Dreifarbenphotographie, die sich zu hoher praktischer Bedeutung entwickelt haben. Hat sich doch unsere moderne Drucktechnik, insbesondere für Illustrations- und Reproduktionszwecke, längst die Dreifarbenphotographie mit schönem Erfolge dienstbar gemacht. Die Grundlage dieses Verfahrens bildet die schon von Newton erkannte Tatsache, daß sich alle Farben der Natur in die drei Grundfarben Blau, Grün (oder Gelb) und Rot zerlegen und mithin aus diesen wieder aufbauen lassen. Diese Zerlegung gelingt nun leicht auf photographischem Wege, indem man von einem farbigen Gegenstand unter Vorschaltung passend gefärbter Scheiben, sogen. Farbenfilter, unmittelbar nacheinander drei Aufnahmen fertigt. Diese liefern hinsichtlich der Naturfarben drei Teilbilder des betreffenden Gegenstandes, und zwar gibt das erste Teilbild nur die gelben Anteile, das zweite nur die roten und das dritte nur die blauen Anteile der Naturfarben wieder. Werden diese drei einfarbigen Teilbilder nun mit Hilfe eines geeigneten photographischen Kopierverfahrens oder durch Pressendruck genau passend miteinander vereinigt, so gibt diese Vereinigung ein naturgetreues farbiges Abbild des photographierten Gegenstandes wieder. Man hat diesen Weg die subtraktive Methode der Dreifarbenphotographie genannt, und zwar aus folgendem Grunde. Blicken wir durch eine gelbgefärbte durchsichtige Scheibe oder legen wir sie auf eine weiße Unterlage, so erscheint sie uns gelb, weil von den das weiße Licht zusammensetzenden farbigen Lichtstrahlen die blauen und violetten vollständig absorbiert werden und nur die gelben, roten und grünen Strahlen ungehindert hindurchgehen. Legt man nun auf die gelbe Scheibe eine rote, so absorbiert diese die grünen Strahlen vollständig und läßt nur noch rot und gelb durch. Fügt man dann schließlich zu den beiden ersten Scheiben noch eine blaue als dritte hinzu, so absorbiert diese auch die noch übriggebliebenen roten und gelben Strahlen, die drei übereinandergelegten Scheiben lassen garkein Licht mehr hindurchgehen und erscheinen uns daher schwarz. Es findet also bei diesem Vorgang eine Verminderung oder „Subtraktion“ des durchfallenden weißen Lichtes statt, von der die Methode ihren Namen erhalten hat. Die Farbenmischung durch Subtraktion tritt immer da ein, wo man durch Uebereinanderlagern dreier durch Körperfarben oder Pigmente gebildeter Schichten zu einer Synthese der Naturfarben gelangt. Es gibt aber noch einen zweiten Weg der Farbenmischung, nämlich durch optische Synthese, wobei nicht Körperfarben, sondern farbige Lichtstrahlen durch Projektion oder Spiegelung miteinander gemischt werden. Nach dieser Methode, die man die additive genannt hat, wurden beispielsweise seinerzeit die schönen Dreifarbenaufnahmen von Prof. Miethe in der Urania zu Berlin einem großen Publikum vorgeführt. Die Gesetze der Farbenmischung auf optischem Wege sind nun ganz andere als die der Mischung von Körperfarben. Läßt man weißes Sonnenlicht auf ein Glasprisma fallen, so sieht man die bekannte Erscheinung der Regenbogenfarben oder ein Spektrum. Das weiße Licht wird in die farbigen Lichtarten zerlegt, aus denen es sich zusammensetzt und diese können durch eine Sammellinse bekanntlich wieder zu weiß gemischt werden. Es ist aber durchaus nicht notwendig, alle farbigen Spektralstrahlen: miteinander zu mischen, um für das Auge die Farbenempfindung „Weiß“ zu erhalten; es gelingt vielmehr schon zwei richtig gewählte farbige Strahlenarten, sogenannte Komplementärfarben, miteinander zu weiß zu mischen. Da aber die richtige Darstellung sämtlicher in der Natur vorhandenen Mischfarbentöne mindestens drei Farben erfordert, so müssen auch für die additive Farbensynthese drei farbige Strahlenarten ausgewählt werden, die in ihrer Gesamtheit bei der optischen Mischung ebenfalls weiß ergeben. Will man nun einen farbigen Gegenstand durch optische Dreifarbensynthese wiedergeben, so sind von ihm wiederum nacheinander drei Aufnahmen mit vorgeschalteten passenden Farbenfiltern anzufertigen. Die Farbenfilter müssen aber hier, der Natur der Sache nach, von etwas anderer Art sein als bei den Aufnahmen für subtraktiven Dreifarbendruck. Stellt man jetzt von den so gewonnenen Teilnegativen Diapositive in gewöhnlicher schwarzer Farbe her, bedeckt jedes von ihnen mit einer Glasscheibe von der gleichen Färbung, die das bei der betreffenden Teilaufnahme verwendete Farbenfilter hatte und projiziert sie dann gleichzeitig mit Hilfe von drei Projektionsapparaten in der Weise auf einen weißen Schirm, daß die Konturen der drei Teilbilder sich auf dem Schirm genau decken, so erblickt man ein naturgetreues farbiges Abbild des photographierten Gegenstandes, das alle Mischfarbentöne und auch reines Weiß enthält. Diejenigen Stellen, die in der Natur rein weiß waren, werden auf allen drei Teildiapositiven völlig glasklar geblieben sein. Hier kommen also die Färbungen der vorgeschalteten farbigen Scheiben ungeschmälert zur Wirkung und vereinigen sich auf dem Projektionsschirm wieder zu reinem Weiß. Zeigen dagegen entsprechende Stellen der drei Teildiapositive eine gleichmäßige Schwärzung, so wird keine Farbe der vorgeschalteten Farbscheiben zur Wirkung kommen und die Stelle des Bildes ist auf dem Projektionsschirm schwarz. Durch verschiedene Intensität der Schwärzung an anderen Stellen der drei Diapositive kommen schließlich die Mischfarben zustande, indem hierdurch das Mischungsverhältnis der drei durch die vorgeschalteten Scheiben gebildeten Farbstrahlen quantitativ beeinflußt wird. Trotz des fundamentalen Unterschiedes in der Art der Farbenmischung haben beide Methoden der Dreifarbenphotographie das Gemeinsame, daß bei ihrer Ausübung eine dreimalige Aufnahme des abzubildenden Gegenstandes notwendig ist. Wenn es nun auch bei der großen Lichtstärke unserer modernen Objektive und bei der hohen Empfindlichkeit unserer heutigen panchromatischen, d.h. für die Farben des ganzen sichtbaren Spektrums ziemlich gleichmäßig empfindlichen Trockenplatten gelingt, die drei Teilaufnahmen mit Hilfe einer am Aufnahmeapparat angebrachten verschiebbaren Schlittenvorrichtung in wenigen Sekunden zu bewerkstelligen, so haftet dennoch dem Verfahren eine gewisse Schwerfälligkeit und Umständlichkeit an, die es in seiner Anwendung nach manchen Richtungen hin beschränken. Man sann daher schon längst auf Mittel und Wege, um die dreimalige Aufnahme zu umgehen und durch eine einzige Aufnahme die für die drei Teilbilder notwendige Farbenauslese zu erreichen. So wurden beispielsweise für diesen Zweck ingeniöse Aufnahmeapparate mit Prismen- und Spiegeleinrichtungen zur gleichzeitigen Aufnahme der drei Teilbilder konstruiert. Sie haben jedoch keinen Eingang in die Praxis gefunden, weil der Vorteil der einmaligen Aufnahme durch mancherlei Uebelstände und Unzuträglichkeiten, die die Anwendung dieser Apparate im Gefolge hatte, wieder illusorisch gemacht wurde. Man versuchte nun, auf anderem Wege die Lösung des Problems zu erreichen, und zwar durch eine besondere Anordnung des Aufnahmematerials, d.h. der Aufnahmeplatten und Farbenfilter. Einen der interessantesten Versuche in dieser Richtung bildet das von Prof. Joly in Dublin ausgearbeitete Verfahren, bei welchem die gewünschte Farbenzerlegung durch eine einzige Aufnahme auf einem Negativ erzielt wird. Gehen verschiedengefärbte Strahlen, deren Farben sich durch Addition zu weiß mischen würden, in sehr großer Anzahl von einer sehr kleinen Fläche aus, so vermag das Auge nicht, die einzelnen farbigen Strahlenarten gesondert wahrzunehmen. Vielmehr vollzieht sich im Auge sofort die Mischung der einzelnen Farbstrahlen und die Fläche erscheint bei quantitativ richtigem Verhältnis der Farben weiß. Auf dieser Grundlage baut sich das Jolysche Farben verfahren auf. Joly überzieht eine Glasplatte abwechselnd mit sehr feinen durchsichtigen roten, grünen und blauen Linien, die dicht nebeneinander liegen und so fein hergestellt werden müssen, daß etwa 9–12 Linien auf die Breite eines Millimeters gehen. Diese feinen Linien vermag das unbewaffnete Auge, namentlich beim Betrachten aus einiger Entfernung, nicht mehr einzeln zu entwirren, sondern die ganze Fläche erscheint in einem ziemlich einheitlichen weißlichen Farbtone. Wird bei der Aufnahme eines farbigen Gegenstandes eine derartig liniierte Platte, ein sogenanntes Farbenraster, auf die Schicht der panchromatischen Trockenplatte in die Kassette des Aufnahmeapparates gelegt, so wirkt jede einzelne Farblinie wie ein sehr feines Farbenfilter und bewirkt auf der Schicht der Aufnahmeplatte die den Farben des Originals entsprechenden Veränderungen des empfindlichen Bromsilbers. Es findet also eine feine linienweise Farbenaussonderung auf einem Negativ in derselben Art statt, wie sie beim gewöhnlichen Dreifarbenverfahren durch die drei Teilnegative erreicht wurde. Betrachten wir z.B. eine den roten Stellen des Originals entsprechende Stelle auf einem Jolyschen Negativ mit einem starken Vergrößerungsglase, so finden wir sie hinter den roten Linien des Farbenrasters kräftig geschwärzt, hinter den grünen und blauen aber glasklar geblieben. Die roten Strahlen sind also durch die roten Linien des Farbenrasters ungehindert hindurchgegangen, von den grünen und blauen Linien aber absorbiert worden und haben das hinter diesen liegende Bromsilber nicht verändert. Nur die roten Linien sind durch dunkles Silber verdeckt, und deshalb erscheint im Negativ, wenn das Farbenraster daraufliegt, eine rote Stelle des Originals in der Komplementärfarbe, nämlich blaugrün. Fertigt man aber vom Negativ ein gewöhnliches schwarzes Diapositiv an, das ja bekanntlich inbezug auf Hell und Dunkel eine genaue Umkehrung des Negativs darstellt, so werden die unter den roten Linien des Farbenrasters befindlich gewesenen Stellen des Negativs auf diesem Diapositiv glasklar sein, während die unter den blauen und grünen Linien befindlichen glasklaren Stellen des Negativs auf dem Diapositiv geschwärzt und undurchsichtig sind. Bringt man jetzt das Farbenraster in richtiger Lage auf dem Diapositiv an, so sieht man beim Hindurchblicken nur durch die klaren Stellen das Rot der roten Linien, während blau und grün verdeckt sind. In derselben Weise kommen auch alle anderen Farben und Mischfarben, sowie bei gleichmäßiger Schwärzung hinter allen farbigen Linien schwarz und, wie schon erörtert, bei völliger Glasklarheit hinter allen Farblinien weiß zustande. Wir haben hier also genau dasselbe wie bei der additiven Methode der Dreifarbenphotographie, nur wird die „Addition“ der farbigen Lichtstrahlen nicht vermittels optischer Instrumente vollzogen, sondern direkt vom Auge besorgt. So einfach und bestechend das Jolysche Verfahren nun auch erscheint, praktisch hat es doch keine große Bedeutung erlangt, einmal, weil die notwendigen Farbenraster sehr schwierig herzustellen und deshalb außerordentlich teuer sind, und dann besonders deshalb, weil es nicht gelingt, Raster von solcher Feinheit anzufertigen, daß das Gewirr der farbigen Linien, aus denen sich das Bild zusammensetzt, beim Betrachten nicht doch störend und unruhig wirkt. Interessant aber ist das Verfahren für uns besonders deshalb, weil die neue Lumièresche Erfindung sich eng an dasselbe anlehnt. Die Hauptmängel des Jolyschen Verfahrens werden von den Herren Lumière aufs glücklichste dadurch umgangen, daß sie statt des Linienrasters ein außerordentlich feines Punktraster verwenden, das fest mit der Schicht der Aufnahmeplatte verbunden bleibt. Zur Herstellung dieses Rasters wird Kartoffelstärke benutzt, die durch besonders feine Siebmaschinen ausgesondert wird, da nur Stärkekörnchen von etwa 1/60 bis 1/80 mm Durchm. zur Verwendung gelangen. Die ausgesonderte Stärkeportion wird in drei Teile geteilt und davon ein Teil rot, der zweite grün und der dritte blauviolett gefärbt. Dann werden die drei Teile wieder sorgfältig miteinander gemischt, so daß sie eine vollständig homogen erscheinende Mischung bilden. Diese wird auf Spiegelglasplatten, die mit einer dünnen Schicht eines Klebstoffes überzogen sind, ausgebreitet. Hier beginnt unstreitig der schwierigste Teil der Fabrikation, denn es ist notwendig, den Ueberschuß der gefärbten Stärkemischung wieder außerordentlich sorgfältig zu entfernen, so daß nur eine einfache und möglichst lückenlose Lage der Stärkekörnchen auf dem Glase zurückbleibt, bei der kein einziges Körnchen das andere überdecken darf. Diese Notwendigkeit zeigt am besten, welch eine Summe von Ausdauer und Geschick aufgewendet werden mußte, um diese Schwierigkeiten in einwandfreier Weise zu besiegen. Da nun Stärkekörnchen keine runde, sondern eine etwas ovale Form haben, so ist es beim Nebeneinanderlagern derselben nicht möglich, ohne weiteres eine völlig lückenlose Schicht zu erzielen. Die Gebrüder Lumière versuchten deshalb zuerst, durch feinstes Holzkohlenpulver die Lücken zwischen den einzelnen Körnchen auszufüllen. Neuerdings ist diese Ausfüllung dadurch ganz oder teilweise entbehrlich geworden, daß die Platten mit den noch feuchten Körnerschichten unter Pressen oder Walzen gebracht werden, wodurch die einzelnen Körnchen flach gedrückt werden und sich mit ihren Rändern eng aneinander fügen. Nach dem Trocknen werden die Platten mit einem isolierenden Lack überzogen, der möglichst undurchdringlich ist und nahezu den gleichen Brechungsindex wie die Stärke besitzt. Eine derartig präparierte Platte stellt ein äußerst feines Farbenraster dar, bei dem jedes einzelne gefärbte Stärkekörnchen sich wie ein mikroskopisch kleines Farbenfilter verhält. Während bei den Jolyschen Rastern nur 9–12 Farblinien auf die Breite eines Millimeters kommen, lassen sich bei diesen Lumièreschen Platten auf der Fläche eines Quadratmillimeters etwa 8000 Körnchen zählen. Diese Zahlen geben eine ungefähre Vorstellung von der Feinheit des Lumièreschen Rasters. Zum Schluß werden die Rasterplatten mit einer dünnen Schicht einer möglichst feinkörnigen panchromatischen Bromsilberemulsion überzogen und gelangen dann zu vier Stück verpackt als „Autochromplatten“ in den Handel. Natürlich ist der Preis derartiger Platten vorläufig noch ein recht hoher und übersteigt die Preise gewöhnlicher Trockenplatten etwa um das 12–15 fache. Es ist indes mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten, daß in absehbarer Zeit eine nicht unerhebliche Preiserniedrigung eintreten wird. Die Aufnahmen mit Autochromplatten und die Weiterbehandlung derselben gestalten sich nun etwas anders als bei gewöhnlichen Trockenplatten. Da die als Farbenfilter wirkende Stärkekörnerschicht unter der lichtempfindlichen Bromsilberschicht zunächst dem Glase liegt, muß die Aufnahme durch das Glas der Platte hindurch erfolgen; die Platte muß also umgekehrt, mit der Glasseite nach dem Objektiv hin gerichtet, in die Aufnahmekassette eingelegt werden. Ferner muß vor oder hinter dem Objektiv eine gelbe Scheibe von ganz bestimmter Färbung in den Strahlengang eingeschaltet werden, die den Zweck hat, die Wirkung der blauen, violetten und ultravioletten Lichtstrahlen zu dämpfen. Diese Maßregel ist deshalb erforderlich, weil auch die besten panchromatischen Emulsionen noch immer eine etwas erhöhte Empfindlichkeit für diese Strahlenarten, die photochemisch sehr wirksam, für das Auge aber ohne besondere Hilfsmittel zum Teil überhaupt nicht wahrnehmbar sind, besitzen. Wollte man das Einschalten der Gelbscheibe unterlassen, so würden alle Farben des fertigen Bildes einen unnatürlichen Blaustich zeigen. Dadurch daß man genötigt ist, die Belichtung der Autochromplatten durch die gefärbte Stärkekörnerschicht und die Gelbscheibe hindurch vorzunehmen, muß die Belichtungszeit gegenüber gewöhnlichen Aufnahmen beträchtlich verlängert werden. Zum Teil wird diese Verlängerung der Belichtungszeit auch durch die feinkörnige Bromsilberschicht der Autochromplatten bedingt, da eine feinkörnige Emulsion stets geringere Allgemeinempfindlichkeit besitzt als eine grobkörnige. Nach den Feststellungen von Czapek und Dr. NeuhaußPhotogr. Rundschau 1907, S. 207 und 224. müssen Aufnahmen auf Autochromplatten 40–50 mal länger belichtet werden als Aufnahmen desselben Gegenstandes auf gewöhnlicher hochempfindlicher Trockenplatte. Dadurch sind natürlich Momentaufnahmen von vornherein ausgeschlossen, aber es gelingt sehr wohl, bei hellem Sonnenschein und mit lichtstarkem Objektiv im Freien vollständig durchgezeichnete Aufnahmen in ein bis zwei Sekunden zu erzielen. Nach der Aufnahme wird die Platte in völliger Dunkelheit genau 2½ Minuten lang in einem Pyrogallussäure-Ammoniak-Entwickler entwickelt. Wollte man jetzt das so entwickelte Negativ direkt ins Fixierbad bringen, so würde man aus Gründen, die bereits bei der Besprechung des Jolyschen Verfahrens erörtert wurden, ein Bild in Komplementärfarben erhalten. So würden also beispielsweise rote Lichtstrahlen nur die roten Stärkekörnchen durchdrungen und das dahinter liegende Bromsilber verändert haben, das nun nach der Schwärzung im Entwickler diese Körnchen verdeckt, während das unverändert gebliebene Bromsilber hinter den grünen und blauen Körnchen im Fixierbade glasklar herausgelöst werden würde, so daß die betreffende Stelle beim Hindurchblicken blaugrün gefärbt erscheinen würde. Um daher zu einem positiven Bilde mit richtiger Farbenwiedergabe zu gelangen, muß ein etwas anderer Weg eingeschlagen werden. Man bringt die Platte mit dem entwickelten Negativ in eine angesäuerte Lösung von übermangansaurem Kali, die die Eigenschaft besitzt, metallisches Silber schnell aufzulösen, Bromsilber aber unverändert zu lassen. Das entwickelte aus metallischem Silber bestehende Negativ wird also vollständig gelöst werden und es bleibt nur das ursprünglich nicht vom Licht veränderte Bromsilber auf der Platte zurück. Von diesem Zeitpunkt an muß die Weiterbehandlung der Platte bei vollem Tageslicht vorgenommen werden. Wird jetzt nach dem Auflösen des Negativs das übriggebliebene Bromsilber von neuem mit einem Entwickler behandelt, so entsteht naturgemäß ein Positiv, das nach kurzem Klären, Verstärken, Fixieren und Waschen ein Abbild des photographierten Gegenstandes in wundervoll leuchtenden, naturgetreuen Farben zeigt. Wo also – um bei dem vorhin gewählten Beispiel zu bleiben – rote Lichtstrahlen auf die Platte gewirkt hatten, da war bei der ersten Entwicklung die Bromsilberschicht nur hinter den roten Stärkekörnchen geschwärzt worden. Dieses geschwärzte Silber war dann aufgelöst und das übriggebliebene Bromsilber hinter den blauen und grünen Stärkekörnchen bei der zweiten Entwicklung im Tageslicht geschwärzt worden. Es sind jetzt beim Hindurchblicken mithin nur die roten Stärkekörnchen dem Rot des photographierten Gegenstandes entsprechend zu sehen. Was die Naturtreue der Farbenwiedergabe anbelangt, so muß diese im allgemeinen als durchaus befriedigend bezeichnet werden. Nur ein äußerst strenger kritischer Maßstab vermag an einigen Farben kleine Abweichungen festzustellen. So zeigt z.B. leuchtendes Ponceaurot häufig einen etwas zu starken Stich ins Orange, während dunkles leuchtendes Rot oft um ein geringes zu hell wiedergegeben wird. Am ungünstigsten bleibt jedoch die Wiedergabe von reinem Weiß, das, wie schon erörtert, durch die Summierung der von den drei farbigen Elementen ausgehenden Lichtstrahlen zustande kommt. Würde es gelingen, die Stärkekörnchen so anzuordnen, daß niemals mehrere Körnchen gleicher Farbe nebeneinander liegen, so würde wohl auch die Wiedergabe von reinem Weiß nichts zu wünschen übrig lassen. Bisher war es aber nicht zu vermeiden, daß oft fünf und mehr Körnchen einer Färbung nebeneinander liegen. Dadurch macht sich an den weißen Bildstellen meist ein leichtes farbiges Flimmern bemerkbar, das sich aber vielleicht in Zukunft auch noch beseitigen lassen wird. Andererseits sind die Vorteile des neuen Verfahrens so große, daß man die genannten kleinen Mängel wohl in Kauf nehmen kann. Durch eine einzige Aufnahme wird ein farbenrichtiges Bild erzielt, dessen Farben sich noch dazu durch hervorragende Lichtechtheit auszeichnen. Infolge der sehr dünnen Schichten braucht die Einwirkung der verschiedenen Lösungen und das Auswässern nach dem Fixieren nur wenige Minuten zu dauern, worauf die Platte auch in kurzer Zeit schon trocken ist. Die Fertigstellung eines farbigen Bildes auf einer Autochromplatte nimmt dadurch erheblich weniger Zeit in Anspruch als die Herstellung eines gewöhnlichen Negativs, bei dem zum Schluß bekanntlich ein ziemlich lang andauerndes Waschen erforderlich ist. Im übrigen lassen sich auch Bilder auf Autochromplatten, bei denen die Belichtungszeit nicht ganz richtig getroffen war, noch nachträglich durch Abschwächen oder Verstärken verbessern. Daß mitunter noch Fabrikationsfehler unterlaufen, wie namentlich das in letzter Zeit häufiger beobachtete Abkräuseln der Schicht in den Bädern, kann bei einer Fabrikation, die sich vorläufig doch noch im Anfangsstadium befindet, kaum wundernehmen. Derartige Unregelmäßigkeiten werden aber sicher in kurzer Zeit ein völlig überwundener Standpunkt sein. Bedauerlich bleibt bisher nur eins. Die schönen Lumièreschen Farbenbilder können bis jetzt nur als farbige Diapositive auf Glas zum Betrachten im durchfallenden Licht hergestellt werden. Ein geeignetes Kopierverfahren, um von den Aufnahmen in beliebiger Anzahl Abzüge auf Papier anzufertigen, existiert leider noch nicht. Wie es heißt, sind aber die Herren Lumière eifrig mit dem Ausarbeiten eines solchen Vervielfältigungsverfahrens beschäftigt. Zweifellos wird ja die kommende Zeit noch mancherlei Verbesserungen des Lumièreschen Farbenverfahrens bringen, wozu wir mit in erster Linie die Möglichkeit einer kürzeren Belichtung für die Platten rechnen möchten. Aber auch so ist gegen früher schon ein gewaltiger Schritt vorwärts getan worden. Gelingt es den Erfindern nun noch, ein gleich sinnreiches und leistungsfähiges Kopierverfahren für die Aufnahmen ausfindig zu machen, dann haben sie ihr verdienstvolles Werk in würdigster Weise gekrönt.