Titel: Die internationale Automobil-Ausstellung Berlin 1907.
Autor: Jul. Küster
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 251
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Die internationale Automobil-Ausstellung Berlin 1907. Von Jul. Küster, Zivilingenieur in Berlin. (Schluß von S. 235 d. Bd.) Die internationale Automobil-Ausstellung Berlin 1907. VI. Untergestelle. Als Beispiel für einen modernen Kettenwagen möge zunächst das in Fig. 49 abgebildete Untergestell der Gasmotorenfabrik Deutz angeführt werden – modern hinsichtlich der Gesamtanordnung, jedoch mit einigen Eigentümlichkeiten des Rennfahrer-Konstrukteurs Bugatti, nach dessen Lizenz der Wagen gebaut wird. Textabbildung Bd. 323, S. 251 Fig. 49.Untergestell der Gasmotorenfabrik Deutz. In die Augen fällt zunächst die schon bei der Beschreibung des Automobilmotors dieser neuen Wagentype erwähnte, scharfe Biegung des Auspuffrohres oben hinter dem Kühler, welcher unten eine weitere, wenn auch nicht so scharfe Biegung folgt. Auf dem unteren wagerechten Stück des Auspuffrohres ist die verschiebbare Drossel zu sehen, durch deren Drehung die Auspuffgase unmittelbar ins Freie strömen können. Bemerkenswert ist auch die am hinteren Rahmenende sichtbare eigenartige Federaufhängung. Textabbildung Bd. 323, S. 251 Fig. 50.Schubvorrichtung, System Büssing. Um beim Kettenwagen zu bleiben, möge zunächst die neue Schubvorrichtung, System Büssing, an Hand der Fig. 50 erörtert werden, welche ein Lastwagen-Untergestell dieses Fabrikats zeigt. Dieses ist in der Weise abgeändert, daß die Schubkraft nicht wie bisher durch das Differential-Wellenlager direkt auf den Rahmen übergeht, sondern unter Beibehaltung der bisher verwendeten federnden Schubstange nach dem vorderen Teil des Rahmens übertragen wird. Diese Anordnung erzielt eine bedeutend günstigere Beanspruchung des ganzen Rahmensystems und vermeidet auf diese Weise ungünstige Folgeerscheinungen der früheren Anordnung, wie z.B. das Anspringen der Wagen auf schlechten Wegen usw. Die auf dem Bilde ersichtliche Laschenaufhängung wurde notwendig, da einerseits die tiefere Lage der Uebertragungsstange bedingt ist durch die Größe des Differentialwellenlagers, unter dem sie durchgeführt wird, während andererseits die Funktion der Schubstange als Kettenspanner deren Lage in der Mittellinie der beiden Kettenräder wünschenswert, bis zu einem gewissen Grade sogar erforderlich macht, da bei großen Unterschieden in der Höhenlage bei Belastung und Entlastung des Wagens Differenzen in der Kettenspannung auftreten, die bei Lastwagen nicht vernachlässigt werden können. Durch Verlegen des Drehpunktes der Aufhängungslasche auf die obere Seite des Rahmens ließ sich die Lasche selbst sehr lang ausbilden, und es wurde hierdurch erreicht, daß die Kraft trotz der verschiedenen Lage der Stangen-Angriffspunkte nicht durch die Lasche direkt auf den Rahmen übergeht, sondern fast vollständig nach vorn übertragen wird. Textabbildung Bd. 323, S. 252 Fig. 51.Doppelte Abfederung von einem Büssing-Omnibus. Die doppelte Abfederung (Fig. 51) ist eine Vereinigung der normalen Wagenblattfedern mit einer Spiralfederaufhängung und erfüllt den Zweck, die durch die Unebenheit der Straßen hervorgerufenen Erschütterungen, welche die langsam schwingende Blattfeder nicht aufzunehmen vermag und welche erfahrungsgemäß eine sehr schädigende Einwirkung auf alle Teile des Wagens haben, durch die Spiralfedern zu vernichten. Diese Abfederung ersetzt die elastische Bereifung der Räder. Dabei ist die doppelte Abfederung der Vorderachse am Vorderende so ausgeführt, daß das Federauge, wie dies die Spiralfeder bedingt, ungehindert in senkrechter Richtung schwingen kann, während gleichzeitig wie bisher die Zugkraft vom Rahmen durch die vordere Federaufhängung auf die Vorderachse übertragen wird. An der Hinterachse wurde durch Einbau der doppelten Federaufhängung in einen Gleitschuh die Verschiebbarkeit der Achse beibehalten. Zum Schutze gegen den Straßenschmutz wird die untere Verkleidung, die früher meist nur aus Leder bestand und angeknöpft wurde, jetzt meist aus Blech hergestellt wird, mehr und mehr bis unter den Getriebekasten verlängert. Als letzte Kettenwagentype möge das in Fig. 52 abgebildete Arbenz-Chassis Erwähnung finden, welches in deutlicher Weise die normalere Federanordnung zeigt. Zwischen Getriebekasten und Motorkupplung gehen mit der Uebertragungswelle die beiden Kulissenschubstangen parallel, die durch Drehung des äußeren Uebersetzungshebels in der Längsrichtung verschoben werden, und zwar Textabbildung Bd. 323, S. 252 Fig. 52.„Arbenz“ Chassis. Textabbildung Bd. 323, S. 253 Hinterachse des Horch-Wagens. Textabbildung Bd. 323, S. 253 Fig. 56.Untergestell des Ford-Wagens. entweder die eine oder andere, je nach Einstellung des Uebersetzungshebels in der Achsrichtung. Zu diesem Zwecke sind auch die nebeneinander sichtbaren Kerben in dem Führungssegment vorgesehen. Diese Schaltung wurde vor mehreren Jahren durch die Mercedes-Gesellschaft eingeführt und bürgert sich in den verschiedensten Variationen mehr und mehr ein. Das Beispiel eines hochmodern durchkonstruierten Sechszylinder- Cardan-Wagens ist das Horch-Chassis. Die Cardan-Gelenkwelle ist hier nur mit einem Gelenk versehen, und zwar am Getriebekasten, indem das Hinterachsgehäuse bis zu diesem Punkt verlängert ist und die Gelenkwelle in sich aufnimmt. Am vorderen Ende dieses äußeren Gehäuserohres ist ein Arm drehbar vorgesehen, der gelenkig mit dem Gestell verbunden ist, und zwar umfaßt dies Gelenk das eigentliche Cardan-Gelenk in der Weise, daß die Drehpunkte in derselben Vertikalebene liegen. Hierdurch ist eine anerkannt vorzügliche Aufhängung der Cardan-Achse erzielt, die jede Beweglichkeit der Hinterachse bei der Federung mit Bezug auf das Hintergestell zuläßt. Die Einzelheiten der Hinterachse des Horch-Wagens sowie der Wagenbremse an den Hinterrädern sind aus Fig. 53 und 54 zu sehen, während Fig. 55 einen Schnitt nach Linie A–B der Fig. 54 zeigt, und zwar durch das Differentialgetriebe geführt. Letzteres ist bei diesem Wagen mit Stirnrädern ausgeführt. Daher sind naturgemäß zwischen den beiden Seitenrädern zwei Zwischenräder erforderlich, die die beiden Hinterräder antreiben und miteinander selbst in Eingriff stehen. Die durch die konischen Antriebsräder und durch das Schleudern des Wagens auftretenden Drucke werden durch Druckkugellager aufgenommen. – Radnabe und Bremsscheibe sind aus einem Stück gegossen. – Das Hinterrad läuft auf Kugellagern, die auf das Achsgehäuse aufgesteckt sind; durch diese Anordnung trägt das Gehäuse die Last, und die Antriebswelle zum Hinterrad wird entlastet. – Die Handbremse ist eine nachstellbare Innenbremse. Das Bremsband besteht aus einem Stück und wird durch ein Kniehebelwerk gegen die Innenbremse der Bremsscheibe gedrückt. – Um ein Durchbiegen des Bremsbandes zu verhindern, sind an demselben Versteifungsrippen angegossen. Zum Schluß mag noch auf das in Fig. 56 abgebildete amerikanische Untergestell des Ford-Wagens hingewiesen werden, bei welchem ebenfalls nur ein Cardan-Gelenk vorgesehen ist, und das Schutzgehäuse für die Welle mit der Hinterachse versteift ist. Der Schub erfolgt hier durch eine Kugel am vorderen Ende des Cardan-Wellengehäuses und unmittelbar an das Cardan-Gelenk schließt sich ein Planetenrad-Uebersetzungsgetriebe an. Bei der größeren Elastizität des Sechszylinder-Motors kamen die amerikanischen Konstrukteure dieses Wagens zu der Ansicht, daß eine Normalübersetzung und eine Anfahrübersetzung, sowie außerdem ein Rücklauf genüge, und das läßt sich mit Planetenradgetrieben in einfacher Weise erreichen.