Titel: Wirkungsweise und Antrieb der Eisenbahn-Geschwindigkeitsmesser.
Autor: Hans A. Martens
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 325
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Wirkungsweise und Antrieb der Eisenbahn-Geschwindigkeitsmesser. Von Regierungsbaumeister Hans A. Martens. (Fortsetzung von S. 318 d. Bd.) Wirkungsweise und Antrieb der Eisenbahn-Geschwindigkeitsmesser. C. Elektrische Fahrgeschwindigkeitsmesser. 1. Bauart Th. Horn, 1884 (Fig. 16 und 17). Horn hat einen elektrisch wirkenden Geschwindigkeitsmesser gebaut, der zwar nicht für die Geschwindigkeitsmessung von Lokomotiven verwendet worden ist, aber doch als Vorläufer der modernen elektrischen Geschwindigkeitsmesser für Eisenbahnen angesehen werden kann. Es werden zwischen einem Hufeisenmagnet Induktionsströme durch Drehung einer Metallkapsel erzeugt, die einen in der Kapsel liegenden -Anker aus weichem Eisen ablenken. Die konstruktive Ausführung zeigt in einem gemeinsamen gußeisernen Gehäuse den Stahlmagneten M gelagert, zwischen dessen Polen die Kupferkapsel h durch Riementrieb in Umdrehung versetzt wird. Auf einem in die Kapsel hineinragenden Stift ist drehbar der aus schmiedbarem Guß hergestellte -Anker a, der unter dem Einfluß des Stahlmagneten selbst zu einem Magneten wird, der sich in die Verbindungslinie der Stahlmagnetpole N, S einzustellen sucht. Bei Drehung der Kupferkapsel in dem. magnetischen Kraftfelde werden in ihr Ströme induziert, die den Anker in der Drehrichtung der Kapsel mitzunehmen suchen. Der Anker unterliegt also zwei Kräften, von denen eine konstant ist, die andere zu der Winkelgeschwindigkeit der Kapsel im geraden Verhältnis steht. Da der Magnetismus des Stahlmagneten im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen ist, so sind zuverlässige Angaben auf die Dauer von dem Apparat nicht zu erwarten. Die bis zu einer Ablenkung von 20° benutzbare Ankerablenkung wird auf einen Zeiger übertragen, der auf einer Skala spielt. Textabbildung Bd. 323, S. 324 Horn gibt noch eine andere Ausführung an. Anstatt den Anker durch den Stahlmagneten zu magnetisieren, kann der Anker selbst ein permanenter Stahlmagnet sein, wobei der Feldmagnet M dann entbehrlich ist. Da nun aber bei Drehung der Kapsel der Anker nur diesen Induktionsströmen unterliegt, so würde er ebenfalls in Umdrehung versetzt werden. Es muß daher eine der Drehung entgegenwirkende Feder angeordnet werden. Die Ablenkung hängt ebenfalls von dem Magnetismus des Ankers ab, der auf die Dauer nicht konstant ist. Die nun folgende Darstellung einiger neuerer elektrisch wirkender Fahrgeschwindigkeitsmesser zeigt die Uebereinstimmung des Prinzips, das nur konstruktiv verschieden ausgebaut worden ist. Sie zeigt auch die raschen Fortschritte in der Verbesserung dieses neuen Meßapparates. 2. Bauart Wittfeld, 1902. Der Aufnehmer ist ein als Induktionsmaschine gebauter Wechselstromerzeuger. Der Läufer besteht aus geblättertem Eisen und hat keine Wicklung. Der Ständer ist ein Feldmagnet mit zwölf Polansätzen, von denen sechs die Gleichstromwicklungen tragen und sechs mit der Wechselstromwicklung versehen sind. Sämtliche Gleichstrom- und Wechselstromspulen sind je in Reihe geschaltet; die Verbindung der Gleichstromspulen ist derart, daß Folgepole entstehen. Die Feldmagnete werden durch Batteriestrom erregt. Die Wechselstromwicklungen sind mit dem auf dem Führerstand angebrachten, aperiodischen Spannungszeiger nach Ferraris verbunden, dessen Skala empirisch in km/Std. eingeteilt ist. Wenn zwei nebeneinander liegende Polansätze durch den Läufer vollständig überbrückt werden, so ist die Feldstärke am größten. Die radiale Mittelebene der Ueberbrückung fällt dann in die radiale Mittelebene der beiden Polansätze. Die Feldstärke nimmt ab, wenn sich die beiden Mittelebenen voneinander entfernen; sie wächst mit ihrer Annäherung, wird Null, wenn die Mittelebene der Ueberbrückung mit der des die Wechselstromwicklung tragenden Polansatzes zusammenfällt und ändert ihre Richtung bei weiterem Fortschreiten. Je größer die Umlaufszahl, eine um so schnellere Aenderung der Feldstärke und mit ihr eine um so höhere Spannung des Wechselstromes. Der Läufer ist mit einer Tenderachse unmittelbar durch eine Kreuzkupplung verbunden, der ganze Aufnehmer ist in der Tenderachsbüchse staub- und wasserdicht eingeschlossen. Hervorzuheben ist die Vermeidung von Schleifringen, die immer zu Störungen und Ausbesserungen Anlaß geben. Die unveränderliche genaue Anzeige wird durch einen Stromregler, der den Erregerstrom konstant erhält, erreicht. Die Abnutzung der Radreifen wird durch schaltbare Stufenwiderstände in dem Erregerstromkreis ausgeglichen. Das Meßinstrument hat Wirbelstromdämpfung zwecks ruhiger Anzeige und besitzt auch eine Vorrichtung, um die Anzeige von der Temperaturänderung im stromführenden Draht unabhängig zu machen. Der Geschwindigkeitsmesser ist dem Versuch unterworfen worden bei einem mit elektrischer Beleuchtung ausgerüsteten D-Zuge der Strecke Berlin-Stettin. Diese Versuche haben gezeigt, daß man sich mit Prinzip und Bauart auf richtigem Wege befindet, der von vielen Konstrukteuren nunmehr beschritten worden ist. 3. Bauart Dettmar, 1903. Ein bemerkenswerter Fortschritt ist in dem Geschwindigkeitsmesser von Dettmar zu erblicken, der einfachere Bauart aufweist und durch die im Versuch gewonnenen Erfahrungen des eben besprochenen Apparates eine Verbesserung darstellt. Wechselstrom verschiedener Periodenzahl wird von einer Drosselspule um so mehr abgedrosselt, je höher die Periodenzahl ist. Demselben Gesetz unterliegt also auch schwingender Gleichstrom. Verbindet man mit dem Körper dessen Winkelgeschwindigkeit gemessen werden soll, eine Vorrichtung, welche eine vorhandene Gleichstromquelle abwechselnd auf die Drosselspule schaltet und dann diese Verbindung unterbricht, so nimmt der die Drosselspule durchfließende Strom mit zunehmender Geschwindigkeit der Schaltungen, d.h. der Umlaufsgeschwindigkeit des Körpers ab, so daß also der Stromverbrauch der Drosselspule ein Maß für sie ist. Da die zu messende Stromstärke mit wachsender Umlaufszahl des Körpers kleiner wird, also die Genauigkeit der Messung sinkt, so ist diese einfache Anordnung nicht zur Ausführung gekommen, sondern in folgender Weise verbessert worden. Wird der schwingende Gleichstrom in die Primärwicklung eines kleinen Umformers geschickt, so wird in der Sekundärwicklung eine Spannung induziert, die bei wechselnder Geschwindigkeit annähernd gleich bleibt, weil der Strom in der Primärwicklung bei zunehmender Unterbrechungszahl des Stromes abnimmt und die Spannung beider direkt proportional ist. Da hiermit die Spannung kein Maß für die Geschwindigkeit ist, so wird vor die Primärwicklung ein Widerstand geschaltet, der es bewirkt, daß die Stromstärke nur wenig schwankt, während die Spannung in der sekundären Wicklung mit zunehmender Geschwindigkeit stark zunimmt. Das Schaltungsschema für dieses Grundprinzip ist in Fig. 18 dargestellt. Textabbildung Bd. 323, S. 325 Fig. 18.A Aufnehmer, B Anzeiger, C Sammlerkette, D Umformer, F Vorschaltwiderstand. Der Vorzug der Bauart Wittfeld, keinerlei Stromabnehmer auf umlaufenden Teilen zu haben, besteht hier allerdings nicht. Indessen arbeitet der Apparat mit Stromstärken von 0,1 bis 0,2 Amp., deren funkenfreier Uebergang auf dem Unterbrecher durch einen besonderen, parallel zum Stromkreise geschalteten Widerstand erzielt ist. Würde dieser Widerstand in der einfachen, üblichen Weise parallel geschaltet, so würde die Geschwindigkeitsmessung erheblich beeinflußt, da keine vollkommene Unterbrechung mehr eintritt, sondern nur eine Verringerung des Primärstromes auf einen gewissen Kleinstwert. Indem nun dieser Widerstand auf den Umformer aufgewickelt wird, erreicht man sogar eine Erhöhung des Zeigerausschlages. Um noch die Unabhängigkeit von den Spannungsschwankungen der Stromquelle zu erreichen, wird ein Eisenwiderstand vor die Primärwicklung geschaltet, der die Schwankungen auf ein praktisch geringes Maß zurückführt. Für ganz genaues Konstanthalten der Spannung gibt Dettmar zwei Ausführungen der sogenannten kompensierten Schaltung an, die im Prinzip auf der Verwendung von Leitern mit verschiedenen Temperaturvorzahlen beruht. Die Verwendung des schwingenden Gleich- und Wechselstroms hat den Vorteil, daß der Ohmsche Widerstand der Leitung ganz zu vernachlässigen ist, mithin der Apparat als fast unabhängig von Temperaturschwankungen zu betrachten ist. Die konstruktive Durchführung ist überaus einfach. Der Unterbrecher wird in den Zapfen einer Tenderachse eingebohrt. Die Apparate werden teils auf dem Tender, teils auf der Lokomotive angebracht. Die Versuche auf den preußischen Staatsbahnen sind durchaus zufriedenstellend verlaufen. Die zunächst zur Stromlieferung verwendeten Trockenelemente bewährten sich nicht. Eine Sammlerkette ist an ihre Stelle getreten. Der Unterbrecher hat nach Durchlaufen von 200000 km keinerlei Veränderungen gezeigt. Der Preis für den Apparat wird alles in allem etwa 150 M. betragen. 4. Bauart Scholkmann, 1903. Textabbildung Bd. 323, S. 325 Fig. 19.A Aufnehmer, B Anzeiger, E Vorschaltwiderstand, Ei Induktionsfreier Widerstand, P Drosselspule. Geheimer Baurat Scholkmann lehnt sich mit seinem elektrischen Geschwindigkeitsmesser mehr an die Bauart Wittfeld an. Der Aufnehmer (Fig. 19) ist eine in einer Senderachsbüchse untergebrachte kleine, einfach und fest gebaute Wechselstrommaschine, deren Läufer unmittelbar mit der Tenderachse gekuppelt ist. Der Ständer ist ein mit zwölf Innenpolen versehener geblatteter Eisenring, die wie bei Bauart Wittfeld mit Gleich- und Wechselstromspulen versehen sind. Der Erregerstrom wird von einer Sammlerkette geliefert. Der induzierte Wechselstrom, der in geradem Verhältnis zur Umdrehungszahl steht, wird in zwei Drähten zum Empfänger geführt, der als Zweiphasenmotor mit vier Polen gebaut ist. Das in diesem erzeugte Zweiphasendrehfeld sucht den Läufer mitzunehmen; das auf ihn ausgeübte Drehmoment wird durch eine Feder aufgenommen, so daß die Ablenkung aus der Nullage ein Maß für die Geschwindigkeit ergibt. Die Skala wird empirisch geeicht. Den Spannungsschwankungen der Stromquelle wird durch einen Vorschaltwiderstand mit hoher Temperaturvorzahl Rechnung getragen, der auch zur Regelung der Geschwindigkeitsanzeige wegen des veränderlichen Radumfanges dient. Die zur Erzeugung des Drehfeldes nötige Phasenverschiebung beider Ströme wird durch Vorschalten je eines induktionsfreien und eines induktiven Widerstandes in die Zuleitung bewirkt. Der Apparat läßt an Einfachheit nichts zu wünschen übrig. Hervorzuheben ist die Vermeidung von Stromabnehmern auf umlaufenden Teilen. 5. Die allgemeine Elektrizitätsgesellschaft Berlin hatte bei den Schnellbahn versuchen Marienfelde-Zossen mit gutem Erfolg einen elektrischen Geschwindigkeitsmesser benutzt, dessen Aufnehmer eine kleine Wechselstromdynamo mit Dauermagneten zur Erzeugung des magnetischen Feldes war. Der Anzeiger war in der. üblichen Weise als Spannungsmesser gebaut. Der Antrieb ist als biegsame Welle ausgeführt worden und deswegen bemerkenswert. Die magnetische Induktion ist in zahlreichen Bauarten von Geschwindigkeitsmessern nutzbar gemacht worden, jedoch erst in jüngster Zeit mit praktischem Erfolg. Der Anstoß zur Verwendung der elektrischen Energie für Geschwindigkeitsmessungen muß nicht auf dem Gebiete der Geschwindigkeitsmessung für Eisenbahnen gesucht werden, sondern ist aus anderen Betrieben gekommen, in denen das Bedürfnis zur Fernleitung der Geschwindigkeitsanzeige sich geltend machte, die sich durch mechanische Uebertragung nur sehr schwerfällig und unsicher bewirken ließ. Es sei nur an den Schiffsmaschinenbetrieb erinnert. Auch in industriellen Betrieben hat die Forderung, die Umlaufszahlen der Betriebsdampfmaschinen im Zimmer des leitenden Ingenieurs anzuzeigen, auf die elektrische Energie zur Uebertragung hingewiesen. Bei der Geschwindigkeitsmessung auf Lokomotiven steht naturgemäß die Schwierigkeit der Fernleitung der Anzeige nicht im Vordergrunde, da es meist leicht gelingt, den Geschwindigkeitsmesser örtlich auf dem Führerstand so anzuordnen, daß er in einfacher mechanischer Weise mit dem Triebwerk verbunden werden kann, so daß eine Trennung von Anzeigeapparat und Geschwindigkeitsaufnehmer nicht nötig wird, womit auch die Fernleitung fortfällt. Bei allen modernen elektrischen Fahrgeschwindigkeitsmessern für Lokomotiven wird allerdings die überaus bequeme Fortleitung der elektrischen Energie ausgenutzt, aber sie ist nicht der Bauart Ursache sondern nur glückliche Beigabe. Auch bestand das Bestreben, das vielteilige Werk eines mechanisch wirkenden Geschwindigkeitsmessers durch eine einfachere Bauart zu ersetzen. Die Eisenbahnverwaltungen haben sich den elektrisch wirkenden Geschwindigkeitsmessern gegenüber lange Zeit sehr ablehnend verhalten. Der Grund hierfür ist einleuchtend. Die Konstanz eines magnetischen Kraftfeldes kann nicht durch permanente Stahlmagnete, sondern nur durch Elektromagnete, deren Spulen Strom von konstanter Spannung führen, erreicht werden. Diesen Strom in Elementen zu erzeugen ist zu unwirtschaftlich. Die elektrischen Fahrgeschwindigkeitsmesser für Eisenbahnen konnten daher erst ernstlich in die Erscheinung treten, als die Möglichkeit vorhanden war, den notwendigen Magnetisierungsstrom einem etwa vorhandenen Stromnetz von konstanter Spannung zu entnehmen. Nachdem dies Netz auf einzelnen Zügen mit elektrischer Beleuchtung zur Verfügung stand, lag nun nichts mehr im Wege, ein magnetisches Kraftfeld wirtschaftlich und absolut konstant zu erzeugen. Es steht daher zu erwarten, daß auf den elektrisch betriebenen Eisenbahnen, auf Dampfbahnen mit elektrischer Zugbeleuchtung elektrisch wirkende Fahrgeschwindigkeitsmesser ausgedehnte Verbreitung finden werden, da die Grundlage zu einem wirtschaftlichen Arbeiten gegeben ist. Ueberdies sind die Beschaffungs- und Unterhaltungskosten der modernen elektrischen, sich noch im Versuchszustande befindenden Fahrgeschwindigkeitsmesser wesentlich geringer, als die der mechanisch wirkenden. Allerdings hat man bisher stillschweigend den Vorlust des Schreibwerks mit Rücksicht auf die einfache Bauart in Kauf genommen. Der Antrieb ist bisher bei allen anderen Systemen von Fahrgeschwindigkeitsmessern noch nicht in der bei den elektrischen Geschwindigkeitsmessern bekannten Einfachheit erreicht worden. (Schluß folgt.)