Titel: Zur Dynamik der Luftbewegung in den Ventilen und Leitungen von Kolbenkompressoren.
Autor: Herbert Baer
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 599
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Zur Dynamik der Luftbewegung in den Ventilen und Leitungen von Kolbenkompressoren. Von Herbert Baer, Dipl.-Ing., Charlottenburg. (Schluß von S. 568 d. Bd.) Zur Dynamik der Luftbewegung in den Ventilen und Leitungen von Kolbenkompressoren. Textabbildung Bd. 323, S. 599 Fig. 5. Die Trennung der Verluste während der Ausschubperiode kann an einem Indikatordiagramm eines Kompressors leicht vorgenommen werden, wenn auch das Diagramm des Druckluftsammlers oder der Druckluftleitung aufgenommen ist. Ist z.B. in Fig. 5 A B C D das Kompressordiagramm, E F C G das Diagramm des Windsammlers hinter der Maschine, so geben die einzelnen durch verschiedene Schraffuren kenntlich gemachten Flächen die einzelnen Verluste an. Im Punkte M hat das Ventil sich ganz geöffnet, die Linie H J stellt dann den Verlauf des zur Erzeugung der Luftgeschwindigkeit notwendigen Ueberdruckes dar. Der Verlust durch die Beschleunigungsarbeit des Ventils ist gegeben durch die Fläche B H J K, der Drosselungsverlust im Ventil durch H C F J und der Druckhöhenverlust in den Kanälen bis zur Meßstelle durch J F C G. Diese Trennung der Verluste ermöglicht es, an Hand von Indikatordiagrammen den Massenwiderstand des Ventils zu bestimmen. In Fig. 6, die den oberen Teil von Fig. 5 in vergrößertem Maßstabe wiedergibt, ist A B H C der Verlauf des Indikatordiagrammes des Kompressors. E J F C G ist das Diagramm des Druckraumes unmittelbar hinter dem Druckventil. A B ist die adiabatische Kompressionskurve. Im Momente der Ventileröffnung muß die Kurve des Indikatordiagrammes von der Adiabate abweichen, ebenso muß im gleichen Augenblick eine Steigerung des Druckes im Druckraum hinter dem Ventil eintreten, die Punkte B und J müssen somit auf einer Senkrechten übereinander liegen. Der Ueberdruck pa = BJ dient dann unter Ueberwindung der Federbelastung des Ventils zur Beschleunigung der Ventilmasse. Ist nun B_1\,J=p_f=\frac{P_0}{f} der spez. Druck, der auf die Ventilfläche f wirken muß, um der Federbelastung P0 im Eröffnungspunkte das Gleichgewicht zu halten, so stellt die Strecke BB 1 = BJ – pf = p x den rein für die Ventilbeschleunigung übrig bleibenden Teil des Ueberdruckes dar, da im Eröffnungsmoment ein Ueberdruck zum Durchtreiben der komprimierten Luft nicht auftritt. Analog liegen die Verhältnisse beim Saugventil. Textabbildung Bd. 323, S. 600 Fig. 6. Textabbildung Bd. 323, S. 600 Fig. 7. Textabbildung Bd. 323, S. 600 Fig. 8. In Fig. 7 ist A B H D das Indikatordiagramm des Zylinders, während eines Teiles der Saugperiode, F J E das Indikatordiagramm des Saugraumes. In beiden Diagrammen zeigt sich deutlich der Moment der Ventileröffnung in den Punkten B und J. Subtrahiert man auch wieder von der Strecke B J den spez. Belastungsdruck durch die Feder oder Eigengewicht pt = JB1, so gibt die Strecke B1B = pb den spez. Druck, welcher mit der Ventilfläche multipliziert dem Massenwiderstand des Ventils im Augenblick des Oeffnens gleich ist. Es ist somit auf diese Weise möglich, den Massenwiderstand von selbsttätigen Ventilen an Hand von Indikatordiagrammen zu bestimmen. Genaue Versuchswerte sind auf einfachem Wege wohl nur für das Saugventil mit Hilfe von Schwachfederdiagrammen zu erhalten; beim Druckventil liegt die Schwierigkeit darin, daß bei gewöhnlichen Indikatoren wegen des durch die höheren Drücke bedingten kleinen Federmaßstabes die Strecke B J im Diagramm sehr klein ist. Diese Schwierigkeiten ließen sich jedoch durch einen entsprechend konstruierten Differentialindikator umgehen, da in einem geeignetem Federmaßstab direkt den Ueberdruck B J aufzeichnet. Natürlich läßt sich der Massendruck eines Ventils aus seiner Ventilerhebungskurve berechnen; man zeichnet sich zu diesem Zweck die Ventilerhebungskurve als Funktion der Zeit auf und erhält durch zweimalige graphische Differentiation den Wert der Ventilbeschleunigung in jedem Punkt des Hubes. Diesem Verfahren haften jedoch gewisse Mängel an, so kann der Einfluß der Reibung in den Gelenken des Uebertragungsmechanismus und in den Stopfbüchsen, durch welche dieser aus dem Druckraum herausragt, ein bedeutender werden, besonders, wenn das Ventil sehr leicht und die Federbelastung gering ist; auch elastische Deformationen können die wirkliche Gestalt der Ventilerhebungskurve so verändern, daß sie für weitere genaue Rechnungen unbrauchbar wird. Außerdem ist die Genauigkeit einer doppelten graphischen Differentiation bei solchen Kurven, wie Ventilerhebungskurven sehr gering. Demgegenüber hat das oben entwickelte Verfahren den Vorteil, daß es den Massendruck des Ventils gibt unter genau denselben Umständen unter denen das Ventil im Betriebe arbeitet. Man erhält damit genau allerdings nur den Wert des Beschleunigungsdruckes im Momente des Oeffnens, dieser ist aber der größte und interessiert uns daher auch am meisten. Was den Einfluß der Verluste auf die Flächenvermehrung des Diagrammes anlangt, so hat naturgemäß das Auftreten eines merklichen Unterdruckes beim Ansaugen am größten prozentualen Einfluß, da dieser sich über die ganze Diagrammlänge erstreckt und somit fast um seinem vollen Betrag den mittleren indizierten Druck vermehrt. In dieser Hinsicht liegen die Verhältnisse während der Ausschubperiode günstiger, weil die Länge der Verlustflächen hier kleiner ist, dies wird jedoch meistens durch eine größere mittlere Höhe wieder ausgeglichen. Schwingungserscheinungen der Luftsäule in den Leitungen. Die Diagramme von Kompressoren, welche an eine lange Saug- oder Druckleitung angeschlossen sind, zeigen oft einen eigentümlichen wellenförmigen Verlauf der Ansauge- wie der Ausschublinie. Diese Erscheinungen sind auf Schwingungen der in den Leitungen eingeschlossenen Luftmasse zurückzuführen. Der ansaugende oder ausschiebende Kolben übt auf die in den Leitungen befindliche Luft periodische Impulse aus. An und für sich besitzt die Luftsäule in der Leitung eine gewisse Eigenschwingungsdauer, die Dämpfung dieser Eigenschwingung ist meistens sehr gering, da es sich immer nur um kleine Schwingungsgeschwindigkeiten handelt. Zu diesen Eigenschwingungen kommen die durch die periodischen Impulse hervorgerufenen erzwungenen Schwingungen der Luftmasse. Weicht die Dauer der Eigenschwingung ab von der der erzwungenen Schwingung, so bilden beide zusammen eine resultierende Bewegungserscheinung der Luftmasse, die unter der Bezeichnung „Schwebung“ bekannt ist. Die Amplitude der resultierenden Schwingung hat dann einen zeitlich veränderlichen Wert und die Zeit zwischen gleichen Werten der Amplitude ist um so größer, je kleiner die Differenz zwischen der Dauer der erzwungenen und der Eigenschwingung ist. Diese Verhältnisse können unter Umständen große Störungen der Luftbewegung in den Leitungen verursachen, wenn die Dauer der erzwungenen Schwingung, d.h. die Dauer eines Kolbenhubes gleich oder ein ganzzahliges Vielfaches der Eigenschwingungsdauer ist. Dann fällt die Richtung des Antriebes zusammen mit der Richtung der Eigenbewegung, so daß die Amplitude der resultierenden Schwingung einen bedeutenden Wert erreichen kann. (Resonnanz.) Hier kann unter Umständen eine bedeutende Flächenvermehrung des Diagrammes eintreten, ohne daß eine Steigerung der Nutzleistung des Kompressors damit verbunden ist. Der Ueberschuß der zugeführten Leistung über die Nutzleistung wird dann in Schwingungsenergie der Luftmassen aufgezehrt. Diese Erscheinung ist ganz analog mit der kritischen Tourenzahl bei Dampfturbinen; fällt die Tourenzahl der Maschine mit der kritischen Tourenzahl zusammen, so kann man die Energiezufuhr ganz bedeutend vermehren, ohne daß eine Tourensteigerung eintritt, welche der vermehrten Energiezufuhr entspricht. Die in der kritischen Tourenzahl laufende Maschine setzt dem Durchfahren dieser Tourenzahl einen großen Widerstand entgegen und sucht sich gewissermaßen auf dieser Umdrehungszahl zu halten. Die gesteigerte Energiezufuhr wird hier eben auch in Schwingungen des Rades und der Welle verbraucht. Eine ähnliche Erscheinung kann man auch beim Radfahren beobachten. Fährt man z.B. von glatter Bahn auf holpriges Pflaster über, so gerät durch die Stöße auf dem Pflaster das ganze aus dem Fahrer und den Gummireifen bestehende System in Schwingungen. Fallen diese Schwingungen zusammen mit den Stößen, so bedarf es, um aus diesen Schwingungen herauszukommen, einer ziemlich bedeutenden Kraftaufwendung; diese ist auf jeden Fall, wie man sich leicht überzeugen kann, bedeutend größer als der gleichen Geschwindigkeitsänderung auf demselben Pflaster unter normalen Umständen entspricht. Beschränkt man sich bei der mathematischen Behandlung dieser Schwingungen in den Luftleitungen auf nur kleine Druckänderungen, so ergibt sich als Fortpflanzungsgeschwindigkeit dieser Wellen die Schallgeschwindigkeit a=\sqrt{g\,k\,p\,v}. Die Zeit, die dann eine Welle braucht, um in einer Leitung von der Länge l einen bestimmten Punkt nach Reflexion an den Enden wieder in derselben Richtung zu passieren ist durch \tau=\frac{2\,l}{\sqrt{g\,k\,p\,v}} gegeben. Auf jeden Fall tut man gut, auch bei so kleinen Schwingungen, wie es die Schallschwingungen sind, den Eintritt der Resonnanz zu vermeiden. Es soll also nie die Zeit des Ansaugens ein ganzes Vielfaches der Zeit r sein; bei einer doppeltwirkenden Maschine darf also nicht die Gleichung \frac{60}{2\,\cdot\,n}=\zeta\,\cdot\,\frac{2\,l}{\sqrt{g\,k\,p\,v}}\,(\xi=1,\ 2,\ 3\ .\ .\ .) erfüllt sind. Beschränkt man sich unter Zugrundelegung der genauen Theorie nicht mehr auf kleine Druckänderungen, so treten die rein mathematischen Schwierigkeiten in den Vordergrund der Behandlung. Es dürfte deshalb folgende Näherungsrechnung für die Schwingungsdauer einer Luftsäule angebracht sein. Es sei l (s. Fig. 8) die Länge der eigentlich schwingenden Luftsäule. Wir machen nun die Annahme es befinde sich im Querschnitt F eine vollkommen reibungsfrei geführte masselose Scheibe zwischen der Luftsäule l und l0. Im Gleichgewichtszustand sollen beide Luftsäulen unter dem Drucke p0 stehen. Der Querschnitt F und damit die Säule l erfahre nun eine Verschiebung um den Wert ξ nach rechts, dann erfährt die Luftsäule l0, an deren rechtem Ende die Leitung geschlossen sei, eine Kompression und der Druck steigt von p0 auf pr. Nun ist p_r=p_0\,\left(\frac{l_0}{l_0-\xi}\right)^k=p_0\,\left(1-\frac{\xi}{l_0}\right)^{-k} Da ξ im Vergleich mit l0 klein ist, so kann man hierfür p_r=p_0\,\left(1+k\,\cdot\,\frac{\xi}{l_0}\right) schreiben. Die die linke Luftsäule beschleunigende Kraft ist dann (p_r-p_0)\,\cdot\,f=f\,\cdot\,k\,\frac{\zeta}{l_0}\,\cdot\,p_0=-\frac{l\,f}{g\,v_0}\,\frac{d^2\,\xi}{d\,t^2}. f ist der Querschnitt der Leitung. Hieraus folgt: \frac{d^2\,\xi}{d\,t^2}=-\frac{g\,k\,\cdot\,p_0\,v_0}{l\,l_0}\,\xi=-\alpha^2\,\xi. Die Dauer einer vollen Schwingung ist somit durch \tau=\frac{2\,\pi}{\alpha}=\frac{\sqrt{l\,\cdot\,l_0}}{\sqrt{g\,k\,p_0\,v_0}}\,\cdot\,2\,\pi bestimmt. Bezeichnet man die dem Zustand p0, v0 entsprechende Schallgeschwindigkeit mit a_0=\sqrt{g\,k\,p_0\,v_0}, so ergibt sich die Schwingungsdauer zu \tau=\frac{2\,\pi}{a_0}\,\cdot\,\sqrt{l\,l_0.}\,(\mbox{Sek.}). Die Schwierigkeit in der Anwendung dieser Rechnung liegt in der richtigen Abschätzung der Längen l und l0. Im allgemeinen liegt der Querschnitt F, der die schwingende und beschleunigende Luftsäule voneinander trennt, dort, wo starke Richtungs- oder Querschnittsänderungen in der Leitung sich befinden. Zu solchen Schwingungserscheinungen neigen in erster Linie lange geradlinige oder schwach gekrümmte Rohrleitungen. Was die konstruktiven und betriebstechnischen Mittel zur Vermeidung dieser Schwingungen anlangt, so dürfte wohl das Hauptmittel eine richtige Dimensionierung der Leitung unter Rücksichtnahme auf die Tourenzahl des Kompressors sein. Doch sind hierbei die richtigen Verhältnisse im Voraus nur schwer zu treffen, so daß man fast immer genötigt ist, geeignete Vorkehrungsmaßregeln anzuwenden. Gute Dienste tut hier ein unmittelbar hinter dem Kompressor aufgestellter genügend großer Luftsammler, es kann dann nur in der kurzen Leitung zwischen Sammler und Kompressor eine periodische Luftgeschwindigkeit eintreten, hinter diesem Windkessel findet in der Leitung eine fast ganz konstante Luftlieferung statt, da die periodisch vom Kompressor gelieferten Luftmengen im Verhältnis zum Inhalt des Windsammlers nur klein sind und in diesem bei genügender Größe nur unmerkliche Druckveränderungen hervorrufen können. In der gleichen Weise wirkt ein in die Saugleitung eingebauter Sammler. Weitere Mittel beruhen auf der Anwendung einer kräftigen Dämpfung der Luftschwingungen. Sehr wirksam zeigt sich das Abdrosseln der Leitung durch ein Ventil; dann wirkt eben der Inhalt der Leitung vom Kompressor bis Ventil als Sammler. Nachteilig ist hier nur, daß sich leicht schädliche Ueber- oder Unterdrücke ausbilden können, die unter Umständen eine starke Vermehrung der Energiezufuhr zum Kompressor bedingen. Scharfe Richtungsoder Querschnittsänderungen geben ebenfalls eine kräftige Dämpfung, jedoch wie ein Drosselventil auf Kosten der zugeführten Energie. Welches von diesen Mitteln das richtige ist, läßt sich allgemein nicht entscheiden, sondern immer nur für einen bestimmten vorliegenden Fall.