Titel: Glasschmelz-Wannenöfen und das neue Siemens-Wannensystem und ihr Betrieb.
Autor: Hans Schnurpfeil
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 713
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Glasschmelz-Wannenöfen und das neue Siemens-Wannensystem und ihr Betrieb. Von Ingenieur Hans Schnurpfeil. (Schluß von S. 701 d. Bd.) Glasschmelz-Wannenöfen und das neue Siemens-Wannensystem und ihr Betrieb. Hüttenanlage. Die Hauptofen-, sowie Nebenanlage sollen nicht nur günstig und bequem liegen, sondern auch zueinander in unmittelbarer Verbindung stehen. Dies gilt für alle Nebenöfen. Welch ungeheuerer Bruchschaden des Glases entsteht, wenn die Kühlöfen zu weit von der Arbeitsstätte entfernt liegen, wodurch eine zu weit vor sich gehende Abkühlung des rotglühenden Glases erfolgt, dürfte jedem Fachmann zur Genüge bekannt sein. Daher ist dringend Sorge zu tragen, daß die Kühlöfen den Arbeitsstätten möglichst nahe liegen. Aber auch die „Trommeloder Auftreiböfen“ sollen und müssen in dem Hauptofenbereiche liegen. Letztere Betriebe dienen zur Beschleunigung der Arbeit, indem die mit Mundstück oder Halsöffnungen und dergl. versehenen Glaskörper zwecks ihrer Vollendung in den Trommelöfen fertig aufgetrieben werden. In der Arbeitswanne mit ihrer Arbeitstemperatur würde sich ein solches Auftreiben zu sehr in die Länge ziehen, dafür sind die höher erhitzten „Trommelöfen“ bestimmt. Schließlich dürfen auch die Temperöfen für Schiffchen und Kränze nicht zu weit vom Hauptofen entfernt stehen, denn die Ueberführung der glühend rot aufgetemperten Läutergefäße soll zwecks Einschränkung der Abkühlung auf dem kürzesten Wege geschehen. Nebenbei ist allen Hüttenpersonalien beschleunigte Arbeit dringend zu raten, um der Abkühlung zu steuern. Möglichst rasches Herstellen und Auftreiben der Glasgegenstände, schnelles Eintragen derselben in die Kühlöfen, beschleunigtes Einsetzen der glühend gebrannten Schiffchen und Kränze für den Wannenbetrieb bedingt eine Dauerhaftigkeit der in Frage kommenden Körper und einen gesunden Betrieb. Textabbildung Bd. 323, S. 714 Fig. 19.Maßstab 1: 900. In Fig. 19 ist die Raumskizze eines Hüttengebäudes für einen Wannenofen größeren Betriebes wiedergegeben worden, a ist die Wanne mit der Arbeitsbühne b, den Brennern c und der Wechselanlage d. Um den Wannenkopf sind in nächster Nähe vier Trommelöfen e1 bis e2 aufgestellt. An den Wannenlängsseiten liegen die Wagenkühlöfen f und f1 Letztere führt man gern zur Kühlung leichterer Glasstücke ein und sind sehr praktisch. Jeder dieser Kühlöfen besitzt zwei eiserne Wagen mit 4 bis 6 Füllkästen, welche auf Schienen g laufen. Ist ein solcher Kastenwagen mit den zu kühlenden Gläsern gefüllt, so wird er aus der Kühlung gezogen und der leere Wagen hineingeschoben. Inzwischen entleert man die gefüllten Kästen und stellt sie wieder zum Gebrauche fertig, wodurch man ein ununterbrochenes, fortwährendes Arbeiten dem kontinuierlichen Wannenbetriebe angepaßt ermöglicht. Für schwerere, massivere Glasartikel sind die Wagenkühlöfen nicht zu empfehlen, obwohl man leichtere Glasseidel noch mit Erfolg kühlen kann. Für Glaszylinder stellen sich die Wagenkühlöfen recht vorteilhaft. Vorn in der Arbeitsstättenrichtung befinden sich die Kühlöfen h1 bis h10 für die schwereren Glaskörper, während i und i1 die Brennöfen für Wannenkränze und Glasschiffchen darstellen. Das Hüttengebäude besitzt zwei Eingänge k. Durch zwei solcher Türen ist eine Verbindung mit der Einbindstube und Packraum l hergestellt. Diese Räumlichkeit wiederum hat durch Ausgänge Anschluß mit der Schleiferei oder den Lagerräumen, welch letztere der Bequemlichkeit halber über Bahnzu- und Bahnabfuhr verfügen sollen. Gleichfalls in unmittelbarer Nähe der Schmelzwanne müssen die Gemengekammern liegen, m zeigt den Gemengeraum für Glas, welcher schmalspurige Gleiszuführung besitzt. Hier werden die Gemenge zugerichtet und die Glassätze zum Gebrauch fertiggestellt. Für Massengemenge bei stets farbengleicher Glasherstellung empfiehlt sich wohl die maschinene Rohglaszurichtung; bei feineren Wannengläsern aber, wo es auf ein recht inniges Mischen ankommt, ist die Gemengehandbereitung vorteilhafter, weil die Arbeiten peinlicher erfolgen können. Zwei Arbeiter sind in der Lage, innerhalb 12 Stunden ungefähr 4500 kg Gemenge zuzurichten, indem sie gleichzeitig selbst für das Herantragen der Rohstoffe aus den Gemengekammern und Zutragen der Mischungen zur Schmelzwanne zu sorgen haben. Neben der Gemengekammer liegt die Sandkammer n, die ebenfalls Gleisanschluß hat. In diesem Raum wird gleichzeitig der Sand, um Knotenbildung im Glase zu verhüten, getrocknet; er ist daher gewöhnlich mit einem Sandtrockenapparat ausgestattet. Zur Sandtrocknung zieht man die ungebundene Wannenofenhitze heran und empfiehlt es sich, die beträchtliche Laufwärme aus der Kammernkühlung und Mittenraum zu sammeln und hierzu zu verwenden. Zur Aufbewahrung der Formen und Formstücke dient die Formenkammer o. Auf vielen Hütten findet man die Glasformen in dem Hüttenraum zusammengeworfen und in dem Hüttenstaub liegend. Diese Unordnung zeigt den niederen Grad des Verwaltungsorgans um so mehr, als in den Glasformen und deren Anschaffung oft ein hohes Kapital liegt. Schließlich wirken bestaubte und verwahrloste Formen auf die Glasgüte ein, indem sie den Glanz des Glases beeinträchtigen. Daher ist auf eine recht sorgsame Aufbewahrung der kostspieligen Formen zu achten und ist zu empfehlen, einen älteren, billigen Mann als Formenputzer anzustellen, der für sicheren Verschluß Sorge zu tragen und für die Formen aufzukommen hat. Außerhalb des Hüttengebäudes liegen die fünf Generatoren p1 bis p5. Sie befinden sich mit der Längswanne in einer Flucht, so daß ihr Gassammelkanal q direkt laufende, ohne Knie und keine Ecken bildende Kanäle zu dem Haupt- und den Nebenöfen abzweigen kann. Seitwärts von den Gaserzeugern stehen die drei Kohlenschuppen r1 bis r3. Durch Anschlußgleis und Drehscheiben haben die Gaserzeuger mit den Kohlenstätten Verbindung. Das Hauptgleis erhält seine Zuführung unmittelbar durch die Bahn. Für fünf Gaserzeuger rechnet man für jede Schicht zwei Schürer, die das Anfahren der Kohlen von den Schuppen zu den Generatoren selbst zu besorgen haben. Das Wegfahren der Asche geschieht in den meisten Fällen durch eine dritte Person, um den Schürern die Arbeit nach Möglichkeit zu erleichtern und ihnen Ausreden bei starker Verschlackung der Gaserzeuger zu benehmen. Textabbildung Bd. 323, S. 714 Fig. 20.Maßstab 1 : 200. VI. Die Neue Siemens-Wanne mit außen liegenden Kammer Systemen. Bei diesem Wannenofen (Fig. 20) lassen sich die Kammern bequem außerhalb aufstellen, indem man die Wärmespeicher q ganz nach der Brennerseite hinausschiebt. Der Vergleich mit Fig. 7 zeigt, daß die Bauart einer Wanne mit außenliegenden Regeneratoren sich einfacher gestaltet und weniger kompliziert ist; überdies gestattet diese Vereinfachung eine Verminderung der Baukosten, denn das Kanalnetz erhält eine mäßigere Länge und die Ausschachtungsarbeiten sind nicht so umfangreich, da das ganze Wannenfeld einer geringeren Ausschachtungstiefe und einer bedeutend kleineren Erdaushubfläche bei seinem Unterbau bedarf. Kommen auch die pekuniären Rücksichten beim Wannenbau als Vorteil kaum in Betracht, da gerade hier das Teuerste in bezug auf Baustoffe das Beste und im Gebrauch das Billigste wird, so ist bei den außenliegenden Wannenkammern ganz besoders zu schätzen, daß sie leicht und bequem zugänglich sind, was bei vorkommenden Mängeln in den Kammeranlagen zu ihrer Behebung und Ausführung von Reparaturen von hervorragendem Werte ist. Außenliegende Kammern können auf ihren beiden Stirnseiten mit Zugängen versehen werden, während im Wannenbereiche liegende Wärmespeicher den Zugang nur von einer Seite erhalten können. Je leichter man und je mehr man zu dem Kammersystem zukommt, desto inniger und rascher ohne größere Zeitverluste und Betriebsstörungen können erfolgreiche Reparaturen ausgeführt werden. Und je besser und vollkommener die Erneuerungen in den Kammern ausfallen, um so länger ist die Lebensdauer und um so bedeutender die Leistungsfähigkeit der Wanne. Die Außenlage der Regeneratoren hat ferner noch den Vorzug, eine vollkommenere Wannenbodenkühlung zu bewirken, weil letztere durchaus frei liegt und nicht noch von dem hitzespendenden Kammernfeld beeinflußt wird. Der Hauptvorzug aber der außerhalb aufgeführten Kammern ist der, daß die Gase und Luft gezwungen werden, ihren Weg unmittelbar in die Brenner und den Ofen zu nehmen. Gas und Luft durchströmen das eine Kanalpaar n je nach Stand der Wechsel (der Gaskanal ist auf Fig. 20 nicht sichtbar), treten durch die Schlitze o in die betreffenden Kammern (hier nur Luftkammer q sichtbar), füllen sie zu ihrer Vorwärmung aus und steigen zu den Brennern c und d in die Höhe, wo sie in der Brennermündung g zusammentreffen und als Flamme dieselbe verlassen. Der Weg, den die Gase und Luft bei außenliegenden Kammern einschlagen müssen, ist ein gerader und kurzer, wodurch sich der Druck der einströmenden Flammenkörper auch weit lebhafter und stärker gestaltet. Die Flamme spritzt auch kräftiger und hitzeentwickelnder vor. Bei unterhalb des Wannenbeckens liegenden Kammern wird der Druck der Verbrennungsstoffe dadurch beeinträchtigt, daß letztere einen zweifach verschiedenen Weg nehmen müssen, und zwar (s. Fig. 7) die Kanalrichtung n und sodann die Brennerrichtung d. Dieser Doppelweg bedingt eine höhere Zugkraft des Kamins mit ihren Nachteilen. Durch starken Essenzug gelangt viel Gemengestaub, sich festsetzend, in die Kammern und das weitere Uebel besteht bei innenliegenden Wärmespeichern darin, daß sie niemals vollständig ausgefüllt werden können, besonders bei übermäßig langen Kammern, weil die Züge sich stets zu den kürzesten Abzug neigen und dadurch nur spärlich die Hinterkammern durchstreichen können. Diese Erfahrung wird schon jeder Fachmann gemacht haben, der mit den Neuen Siemens-Wannen zu schaffen hat. Allerdings wird nach längerem Betriebe die hintere Kammer vollkommener ausgenutzt, wenn die Vorderkammer sich bereits so stark verstopft hat, daß die Züge einen bequemeren Durchgang suchen müssen. Bei außerhalb des Wannenofens sich befindenden Kammern ruft deren günstige Lage die vollkommenste Ausnutzung hervor. Es findet nicht nur ein genügender Abzug und Abhitzeausbeute, also ein heißerer Kammernbetrieb statt, sondern auch die Gase und Luftströme können in höher erhitzten Wärmespeichern intensiver vorgewärmt werden. Und je schärfer die Verbrennungsstoffe vorerhitzt worden sind, um so reiner und wirkungsvoller werden sie in ihrer Flammenentfaltung. Die Zugänglichkeit der außen liegenden Wannenkammern wird durch die beiden Eingänge t1 und t2 auf Fig. 20 bewirkt. Um den Zugang in bequemer Weise zu den Kammern zu ermöglichen, sind frei und nicht hindernd liegende Souterrains x und y angelegt, die eine Beherrschung des Kammersystems von zwei Seiten gestatten. Von dem Kellerraum x aus hat man auch Zugang zu den Kanaltorabmauerungen y. Alle Torabmauerungen besitzen die bekannten Schaulöcher t3, die mit einem Schamottestein lose verschlossen und deren Fugen mit einem Tonbrei dicht verstrichen werden. Diese Observations-Oeffnungen dienen zur Revision, die im Betriebslaufe öfters erfolgen muß. Sehr praktisch sind die gußeisernen Observationslochstücke mit Marienglasscheiben-Einlagen, welche im Betriebe eine klare Beobachtung des Kammerninnern zuläßt. Diese Schaulochstücke werden in die Kammertorabmauerungen eingesetzt, so daß man durch sie das innere Kammersystem übersehen kann. Die Brenner sind bereits am anderen Orte besprochen worden: nur sei hier noch gesagt, daß der Luftzutritt zu den Brennern von unten, die Gasströmung von oben erfolgt. Bei der Fabrikation feinerer Wannengläser ordnet man derart gern den Flammenbrenner an; man verhütet dadurch, daß die gasreduzierende Flamme sich direkt auf die Glasmasse, dieselbe verräuchernd, legt. Bei der Wanne mit außenliegenden Kammern (Fig. 20) besitzt die Bodenkühlung M eine freie Lage. Die Kühlluft tritt hier sowohl in der Brennergegend, als auch in der Arbeitswannenrichtung ein, durchströmt die beiden Längsmitten unter dem Wannenboden und wird in der Mitte durch den zur Esse führenden Sammelkanal Q abgesogen. Das Eintreten der Luft zur Wannenbodenkühlung sowohl von der einen, als auch von der anderen Wannenendseite bewirkt eine innigere Kühlung, als wenn die Kühlungsluft in der Brennergegend einströmt und das ganze Wannenbodenbassin in seiner Länge durchströmt. Denn je länger der Weg sich erstreckt, den die Kühlungsluft zurückzulegen hat, um so höher wird sie erwärmt und kann so nur ungenügend ihren Zweck erfüllen.